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Veröffentlicht am 15.12.2024

Augenmerk auf Oscar

Pi mal Daumen
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Auf diess Buch habe ich mich gefreut - und war ziemlich enttäuscht. Ich fand den Titel griffig, die Konstellation interessant, das Cover lebendig. Und ich mochte die Idee, dass die Autorin Naturwissenschaften ...

Auf diess Buch habe ich mich gefreut - und war ziemlich enttäuscht. Ich fand den Titel griffig, die Konstellation interessant, das Cover lebendig. Und ich mochte die Idee, dass die Autorin Naturwissenschaften mit Belletristik verknüpft. Leider krankt das Buch an der Hauptfigur.

Rezi enthät Spoiler!

Worum geht es?

Oscar ist ein Mathegenie, hat hohe Ansprüche und trifft eines Tages auf die 50-jährige Moni, die von allen für dumm gehalten wird und sich nun den Traum vom Studium erfüllt.

Wie hat mir das Buch gefallen?

Oscar hat es mir als Figur sehr schwer gemacht. Er befindet sich, auch wenn das nie gesagt wird, auf dem autistischen Spektrum und hat für vieles kein Verständnis. Moni ist aus seiner Sicht dumm, sie schafft das Studium ohnehin nicht. Und da sie alt ist, kann sie auch keine Karriere machen. Das immer wieder zu lesen, das tat weh. Es gab keinen Satz oder Gedanken, bei dem ich Oscar nicht anschreien wollte. Das Problem ist, dass ihm niemand Kontra gibt. Weder die gutmütige Moni noch der väterliche Professor Herbst, der ebenfalls sehr mit sich beschäftigt ist. Seine Eltern haben ihm früher Freunde gekauft, ihn also eher überlistet. Da das Buch durchgängig aus Oscars Perspektive geschrieben ist, kann es auch sein, dass er Kritik gar nicht wahrnimmt. Er wirkt wie ein arrogantes Kind, das nur sieht, was es besitzt und ob alle seine Regeln befolgt wereden. Nicht, was er in anderen auslöst. Obwohl mir natürlich bewusst ist, dass das seine Persönlichkeit ist. Aber es irritiert mich, dass das von allen hingenommen wird.

Es gibt nur wenige Stellen, in denen Oscars Gefühle durch körperliche Reaktionen Ausdruck finden z.B. wenn er bei Hundevideos weint oder zusammenbricht, wenn jemand anderes recht hat oder er sich zurückgesetzt fühlt.

Es gibt Bücher, die Autist:innen trotz ihrer Besonderheiten als sympatisch darstellen - das macht das Buch nicht. Das ist einerseits realistisch, denn Menschen auf dem autistischen Spekrum können zwischenmenschlich sehr schwer sein. Aber viele Leute sind angepasst oder können mit ihrem Umfeld so kommunizieren, dass sich keiner zurückgesetzt fühlt. Oscar ist ein Ekel. Daher sollte man sich als Leser bewusst sein, dass das eine sehr überzeichnete Darstellung ist und viele Autist:innen relativ umgänglich sind.

Moni ist das krasse Gegenstück zu Oscar, ist aber als Figur blass. Sie wird von allen als dumm bezeichnet, versteht aber komplizierte Dinge relativ gut. Auch wenn sie bei den Grundlagen Probleme hat. An Moni wird gut deutlich, wie die Erwartungshaltung des Umfeldes den Menschen prägt. Leider zeigt der Text nicht, wie sehr sie leidet, als sie ausbricht. Man spürt, dass ihre Familie sie ablehnt, weil sie studiert, aber man sieht nicht in sie hinein. Ich denke, dass hier auch ein Trauma zugrundeliegt. Der geniale, aber psychisch kranke (?) Bruder, für den Moni immer alles tat, verschwand. Ich denke, dass die Familie daher mit Mathematik und Wissen auch Verlust verbindet und dass sich das von den Eltern auf Moni auf deren Kinder übertragen hat. Ihre Tochter ist selbstverliebt, aber ihr Enkel Quentin hat z.B. ebenfalls eine mathematische Begabung. Vielleicht hat auch Moni ihren Anteil daran - indem sie das Mathestudium verschweigt, vermeidet sie das Thema, beschützt den Bruder weiterhin, nimmt der Familie aber gleichzeitig die Möglichkeit das aufzuarbeiten.

Auch der Rest des Umfeldes bleibt blass - aus Kommilitone Tom wird nicht viel, Monis Freund Pit hat seinen Auftritt, Oscars Vorbild Daniel entpuppt sich als Schwindler - was der Handlung am Ende Würze gibt. Aber ich hatte zu keiner Figur einen Bezug.

Interessant war, dass sich Oscar in Monis Enkel Justin verliebt, aber das nicht als "Liebe" wahrnimmt, sondern als Wohlfühlen. Es wäre schön gewesen zu sehen, ob die beiden zusammen kommen. Aber das hätte wohl zu sehr abgelenkt?

Inmitten von Oscars Betrachtungen über die Minderwertigkeit der anderen oder dem richtigen veganen Essen geht die Mathematik eher unter. Oscar sieht Mathematik sehr poetisch, er bewegt sich gern in dieser Welt, weil sie eindeutig ist. Das war wirklich schön zu lesen. Aber ich konnte es nur wenig genießen, weil ich Oscar nicht mochte.

Am Ende wird es sogar ein bisschen mystisch, was ich ganz nett fand.

Auch die Handlung plätschert eher dahin. Man fragt sich, ob Moni das Studium schafft, auch die familiären Konflikte sind nett, dann die Frage, was mit Monis Bruder passiert ist. Liest sich gut, aber nicht fesselnd. Letztlich bringt Moni Oscar emotional ein bisschen voran, aber es fühlte sich nicht wie eine Heldenreise an.

Fazit

Aus der tollen Grundidee macht die Autorin leider wenig. Autist Oscar ist zu einseitig dargestellt, das Gegenstück Moni nicht stark genug. Gute Ideen und Konflikte gehen unter. Daher für mich ein Flop.

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Veröffentlicht am 14.12.2024

Krümelkuchen

Kiss the Right Bride
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Ich war erst skeptisch, ob mir der Text zu kitschig wird, habe mich aber dann vom wunderschönen Cover verführen lassen. Das Problem war aber neben den Klischees die Hauptfigur.

Rezi enthält Spoiler.

Worum ...


Ich war erst skeptisch, ob mir der Text zu kitschig wird, habe mich aber dann vom wunderschönen Cover verführen lassen. Das Problem war aber neben den Klischees die Hauptfigur.

Rezi enthält Spoiler.

Worum geht es?

Bäckerin June liebt Ryder, Anwalt Ryder liebt June. Doch in ihrer Jugend hatte June Angst, ihre Freundschaft zu zerstören, woraufhin Ryder ins Ausland flüchtete. Jahre später ist June allein, Ryder unglücklich mit einer Politikertochter verlobt. Aber dank einer Verkettung sehr gewollter Zufälle kommen die beiden am Ende zusammen.

Wir hat mir das Buch gefallen?

Die Figuren sind blass. Von Ryders Tätigkeit als Anwalt merkt man nichts, June backt immerhin. Trotzdem kam sie mir nicht wie jemand vor, der eine Agentur leitet. Sie schien nicht die Zügel in der Hand zu haben, sondern oft geleitet von ihren jugendlichen Gefühlen.

Besonders genervt hat mich, dass June manchmal garstig zu ihren Freundinnen ist - und damit durchkommt. Eine motzt sie an, weil sie nicht mit Ryder - gezwungenermaßen - für Fotos posieren will. Eine andere trifft sie bewusst an einem wunden Punkt, weil June 'versehentlich' mit Ryder rumgemacht hat. In beiden Fällen ist June im Unrecht, aber es wird nicht aufgearbeitet. Die Freundinnen halten ihr die Treue. Reue zeigt sie nicht.

Ryder und June geben sich gegenseitig Schuld an der ersten Trennung, obwohl auch hier June das Problem war. Statt einem Eingeständnis gibt es Versöhnungssex.

Erotisch wird's ein bisschen, Ryder ist sogar SO schmutzig, dass er sie in einer Sauna geglücken will und sogar (!!!) an der Fensterscheibe eines Hotels - hoch oben. Und natürlich hat Ryder Komplexe, ob er June zufrieden stellen kann, ist aber trotzdem der perfekte Lover.

June bringt als Tochter eines sehr religiösen Vaters genügend Stoff für Tiefe mit, aber das wird nur wenig ausgeführt.

Emotional hat es mich gar nicht gepackt, weil die Hintergründe der Figuren austauschbar sind.

Immerhin schafft es die Autorin, die Freundinnen so vage zu zeichnen, dass man auf die Folgebände gespannt ist.

Die Verlobte ist böse, arrogant, kennt man. Einen guten Grund, warum sie zusammen sind, gibt es nicht.

Die Handlung ist geradlinig, die Beschreibungen von Kleidung, Umgebung usw. ausführlich. Toll fand ich die Metaphern z. B. "[...] habe seine anfänglichen Nachrichten abgewehrt und ihn gebeten, erst reinen Tisch zu machen. Dass er ihn zugunsten von Charlene neu decken würde, hatte ich allerdings nicht erwartet." (85 %) An manchen Stellen fand ich das gezwungen, es macht den Roman aber einzigartig. Ich hätte gern mehr avon gehabt.

Was ich, außerhalb des Textes, schwierig finde ist, dass VOR dem Roman steht, dass die Autorin gestorben ist. Ich finde es in Ordnung, dass es dasteht, aber ich hatte die ganze Zeit die Frage im Kopf, wie ich das Buch einer toten Autorin bewerten soll. Welchen Einfluss Lektor:innen und andere Beteiltigte haben, wenn die Autorin selbst nichts ändern kann. Mir wäre es lieber gewesen, es hätte am Ende gestanden.

Fazit

"Kiss the right Bride" hat gute Voraussetzungen und zeigt Ansätze für einen interessanten Schreibstil. Letztlich ist der Text aber zu oberflächlich und zu beliebig geworden.

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Veröffentlicht am 03.12.2024

Nicht so bewegend

Angst vorm Fliegen
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Am Buch gereizt hat mich die junge Frau, die sich von einem Mann durch Europa treiben lässt. Ich hatte auf eine spannende Liebesgeschichte mit intellektuellem Einschlag gehofft. Leider war es dann nur ...


Am Buch gereizt hat mich die junge Frau, die sich von einem Mann durch Europa treiben lässt. Ich hatte auf eine spannende Liebesgeschichte mit intellektuellem Einschlag gehofft. Leider war es dann nur eine Selbstfindungsgeschichte, wie man sie heutzutage häufig hat.

Worum geht es?

Isadora ist zum zweiten Mal verheiratet, ihr erster Mann kam wegen einer Schizophrenie in die Psychartrie, und führt ein Leben zwischen Schreiben und Ehefrau. Sie geht zu Psychoanalytikern, die sie ständig wechselt, und hat ein problematisches Verhältnis zur perfektionistischen Mutter und den Schwestern, die um die Zuneigung der Mutter buhlen. Auf einer Konferenz begleitet sie ihren Mann und lernt dort Adrian kennen. Mit dem Lebenmann fährt sie durch Europa, stellt jedoch fest, dass er sich nicht an sie binden will. Schließlich gibt sie ihre Ideale an sich selbst auf und beginnt, mit der Ungewissheit des Lebens klarzukommen.

Wie hat mir das Buch gefallen?

Ich konnte mich an manchen Stellen gut mit dem Text identifizieren und die Reise, die die Hauptfigur machten, müssen wohl viele Menschen Anfang Zwanzig machen. Es ist ein schmerzhafter Prozess, aber wichtig für die eigene Entwicklung. Isadora findet in Adrian eine Mentor, muss aber feststellen, dass er eher als Antrieb denn als Heimat dient. Er ist eher intellektuell fordernd, körperich weniger erfüllend. Adrian weiß das und versucht, ihre Selbsterkenntnis zu fördern. Isadora tut am Ende genau das. Trotzdem empfand ich Adrian als eine Figur, die Isadora benutzt und lenken will. Weil er sich über sie stellt und denkt, er wisse es besser. Wahrscheinlich war sie nicht die erste und wird nicht die letzte sein.

Isadora wiederum hadert mit sich, findet in Adrian eine Ersatzmutter, um dessen Aufmerksamkeit sie kämpfen kann. Ihrem Mann ist das ein Stück egal, eine Arbeit an der Beziehung findet nicht statt.

Allerdings gibt es im Buch einige Referenzen, ein intellektueller Strom durchzieht das Werk. Man kann vieles darin finden.

Eine Bewertung des Textes fällt mir schwer, weil er in den 70er Jahren ein Bespiel für eine neue Form der Weiblichkeit galt. Frauen nicht als Opfer der Umstände, die versuchen, klarzukommen. Sondern Frauen als Menschen, die selbst entscheiden, was sie tun. Selbst wenn das bedeutet, erst einmal gründlich hinzufallen. Auch die expliziten Stellen haben damals viele Menschen verwundert. Aus heutiger Sicht ist all das ein alter Hut. Frauen, die übere ihre Lebenswege schreiben, das Sich-Finden als Frau und als Mensch wurde sehr oft in der Literatur thematisiert. Auch die "erotischen" Stellen sind deutlich, aber sehr kurz. Verglichen mit einem New-Adult-Roman wirkt der Roman fast bieder.

Besondere Probleme hatte ich mit dem "zippless fuck", der als "Nix-wie-Vögeln" übersetzt wird. Ich fand das Wort, verglichen mit dem Original, rhythmisch sehr holprig und nichts-sagend. Allerdings erklärt die Übersetzerin daran im Nachtwort gut, auf welche Aspekte es bei dieser Arbeit ankommt.

Ziemlich schade finde ich auch das deutsche Cover. Während das englische Cover sehr bunt ist und in mehrerlei Hinsicht knallig, wirkt das deutsche ziemlich bieder. Das englische betont das Thema Steigen, das deutsche eher Fallen. Im Englischen kann man sich überlegen, ob das Titelmotiv einen Heißluftballon oder sogar eine Vagina zeigt. Das deutsche wirkt nicht so aussagekräftig, eher einfallslos. Wäre der Titel nicht so interessant gewesen, hätte ich es nicht angefordert.

Fazit

Ich verstehe, dass das Buch damals revolutionär war und es bietet einige intellektuelle Ansätze. Für mich war's aber nicht so bewegend.

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Veröffentlicht am 10.11.2024

Fehlstellen

Allianz der Heimatlosen
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Schon mehrmals hat sich Strohmeyr mit der Familie Mann auseinander gesetzt, hier liegt der Schwerpunkt auf der Beziehung zum "Schweizerkind" Annemarie Schwarzenbach. Die Reisebuchautorin verband mit Erika ...


Schon mehrmals hat sich Strohmeyr mit der Familie Mann auseinander gesetzt, hier liegt der Schwerpunkt auf der Beziehung zum "Schweizerkind" Annemarie Schwarzenbach. Die Reisebuchautorin verband mit Erika Mann eine leidenschaftliche, unerwiderte Liebe, mit Klaus Mann eine eher brüderliche Beziehung. Leider reicht das nicht für ein ganzes Buch. Was nur bedingt am Autor liegt.

Worum geht es?

Der Text beleuchtet den Lebensweg Annemarie Schwarzenbachs, sowohl mit als auch ohne den Mann-Geschwistern.

Wie hat mir das Buch gefallen?

Ich binnen zwei Tagen durch die ca. 130 Seiten gekommen, was sehr flott ist. Allerdings ist das Bild, das der Autor hier zeichnet, relativ simple: Schwarzenbach will sich von ihrer strengen Mutter emanzipieren. Sie "hängt" sich an die Geschwister Mann und verliebt sich in Erika. Seitenweise sieht man Schwarzenbach Mann anschmachten und obwohl die enge Beziehung der drei nur wenige Jahre anhielt, fühlt sich das sehr viel länger an. Im Gegensatz zu Erika und Klaus fehlt Schwarzenbach das intellektuelle Bewusstsein und der Drang, die Welt verändern zu wollen. Während die Geschwister auf verschiedene Arten gegen den Krieg kämpfen, reist Schwarzenbach um die Welt - was auch im Zweiten Weltkrieg irgendwie möglich war. Letztlich kann sie mit den beiden nicht mithalten, sie bleibt das (nicht immer) verwöhnte reiche Mädchen, das "nur" die Anerkennung einer Mutterfigur haben will. Und die Drogen. Immer wieder Drogen.

Von der Schriftstellerin Annemarie Schwarzenbach lesen wir wenig, ohnehin ist das Bild in mehrerlei Hinsicht einseitig. Denn die Mutter hat nach dem Tod und entgegen dem Wunsch der Tochter Tagebücher und Briefe verbrannt. Weil sie ihre lesbische Beziehung zu ihrer Freundin halb-offen auslebte, aber die Neigung der Tochter verurteilte. Und das Bild der "guten" Tochter wahren wollte. Nur weniges ist erhalten geblieben. Das führt dazu, dass wir nicht wissen, wie Erika auf all die Schwärmereien reagierte, welche Gefühle sie tatsächlich hatte. Auch Klaus' Reaktionen bleiben im Dunkeln. Eine Meinung über Schwarzenbach kann man sich überwiegend aus Briefen bilden, in denen andere über sie schreiben.

Daher frage ich mich, ob der Autor Schwarzenbach einen Gefallen getan hat, wenn er sie - weil nicht anders möglich - eher zwischen den Zeilen als eine starke, durchsetzungsfähige Person darstellt. Auf den ersten Blick wirkt sie eher "schwach". Ich finde es wichtig, dass auch ihre Geschichte erzählt wird, aber für mich war das nicht ausreichend. Auch die "Allianz der Heimatlosen" ist als als Titel knackig, aber man spürt die Verbindung der drei nicht.

Interessant fand ich, dass man einiges über Erika Mann als Person erfährt, auch das eher zwischen den Zeilen. Die Art, wie die Geschwister über Schwarzenbach geschrieben haben, welche ihrer Texte sie (nicht) rezensiert haben, dass sie sich überreden lassen, aber ihr nicht zutrauen, dass sie Vorhaben umsetzt. Für mich war Erika Mann eine Kämpferin für das Erbe des Vaters und gegen den Krieg. Eine unstete Persönlichkeit, immer in Bewegung, zielgerichtet, mit wenig Kopf für emotionale Beziehungen. Dieses Bild hat sich im Buch bestätigt. Paradoxerweise scheint Mann für Schwarzenbach tatsächlich eine mütterliche Rolle erfüllt zu haben - aber eher die fordernde, nicht die liebende. Letztlich ist Schwarzenbach wohl an beiden gescheitert.

Fazit

Vom Buch ist mir nur wenig im Kopf geblieben. Annemarie Schwarzenbach, die sich in Reisen, Frauen und Drogen sucht, aber nur den Weg nach unten findet. Es ist ein bewegendes Porträt, das trotz vieler Fakten nur wenig Gefühl für die Person hinter der Autorin vermittelt. Und von der Autorin sieht man auch wenig. Für mich leider nicht notwendig.

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Veröffentlicht am 03.11.2024

Wenn du's weißt, dann weißt du's

Blackwood Hall - Dirty Little Liars
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Nachdem ich kürzlich einen Beitrag über "Dark Romance" gelesen hatte, wollte ich mich ins Genre wagen. Leider war das Buch nicht die beste Wahl. Weniger, weil es skandalös wäre oder schlecht geschrieben. ...

Nachdem ich kürzlich einen Beitrag über "Dark Romance" gelesen hatte, wollte ich mich ins Genre wagen. Leider war das Buch nicht die beste Wahl. Weniger, weil es skandalös wäre oder schlecht geschrieben. Sondern weil über 240 Seiten sehr wenig passiert.

Rezi enthält Spoiler!

Worum geht es?

Seraphina hat sexuelle Phantasien, in denen sie gewaltsam und mit Würgen genommen wird, und begibt sich deshalb in Therapie auf einem einsamen Schloss.

Wie hat mir das Buch gefallen?

Wenn ein Buch ständig betonen muss, wie düster und geheimnisvoll alles ist, dann erzeugt das bei mir weniger Spannung als Ermüdung. Die Einleitung ins Geschehen wirkt irgendwie ungelenk und so, als müsste man die Figur nach Blackwood schaffen. Dass dort nicht seelisch, sondern körperlich therapiert wird, wird Leser:innen des Genres klar sein. Dafür gibt es ausführliche Umgebungsbeschreibungen - Leser:innen halten bitte ein Bingo für getäfelte Holzwände, unsichgtbare Türen, ein Labyrinth und ähnliches bereit. Wenn man als Konsument:in genau das mag, wird man daran seine Freude habe. Ich fand's ziemlich unkreativ.

Schade ist, dass ich den Ansatz, sich seine Ängste und Phantasien einzugestehen, was ein wichtiger Schritt zur Heilung ist, sogar nachvollziehen kann. Aber es kommt bei mir nicht an. Es hat mich auch emotional kaum gepackt.

Dafür lenkt uns die Autorin mit drei (oder vier?) Figuren ab, die alle charismatisch sind, alle einen Hang zu Gewalt und Kontrolle haben und auf eine liebenswerte Art übergriffig sind. Dass sie auch alle schwer zu unterscheiden sind, ist nicht wichtig.

Ca. 20 % des Buches nehmen die erotischen Szenen ein. Hat die Figur anfangs einen Hang zu Würgespielen und Messern, wird später simpler, aber zu dritt korpuliert. Erotisch fand ich das nicht, neu auch nicht. Es gibt Autor:innen, die das besser hinbekommen.

Was ich gut fand, war die Spannung am Ende. Ab dem letzten Drittel entspinnt sich ein Krimiplot, am Ende gibt es eine Szene, die an Shutter Island erinnert, und die Auflösung eines Rätsels, die schon nach der Hälfte offensichtlich war. Ich hatte nach 240 Seiten nicht das Gefühl, dass ich ein ganzes Buch gelesen habe, sondern nur die Hälfte eines größeren Werkes. Auch das: nicht gut. Trotzdem hat mich das im positiven Sinne aufgeregt. Denn natürlich fragt man sich, welche grausamen Dinge die drei Musketiere erleben mussten, damit sie so wurden, wie sie sind.

Auch das Motiv der leidenden Männern, die durch die ebenfalls leidende Frau erlöst werden, fand ich interessant und ich habe ein bisschen mitgefühlt.

Der Schreibstil ist unauffällig, etwas langatmig, aber genre-typisch.

Fazit

Ich honoriere die Arbeit, die alle Beteiligten investiert haben, aber für 17 Euro bekommt man sehr wenig. Bekanntes Setting, bekannte Motive, wenig emotionale Bindung. Leser:innen, die genau das mögen, werden ihren Spaß damit haben. Für mich war's nur gutes Handwerk.

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