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Veröffentlicht am 26.12.2017

Bis einer weint

Die Optimierer
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In einer relativ nahen Zukunft bekommt jeder den Platz, der ihm zusteht, im Leben und am Arbeitsplatz. Dafür gibt es die sogenannten Lebensberater, und Samson Freitag ist einer von ihnen. Er ist stolz ...

In einer relativ nahen Zukunft bekommt jeder den Platz, der ihm zusteht, im Leben und am Arbeitsplatz. Dafür gibt es die sogenannten Lebensberater, und Samson Freitag ist einer von ihnen. Er ist stolz auf seinen Job und steht absolut hinter dem System der Bundesrepublik Europa, die sich von allen anderen Staaten abgetrennt hat. Dank der modernen Technik mit Augenlinsen, Kameras, Robotern wird alles überwacht und die Leute bekommen von den Lebensberatern ihre Arbeit zugewiesen und können sich durch alle möglichen Taten Sozialpunkte verdienen. Samson hat viele Sozialpunkte, weil er stets und ständig Vermerke darüber schreibt, was verbessert gehört. Doch eines Tages verliert er alles: erst eine ihm anvertraute Kundin, die sich nach seiner Beratung das Leben nimmt, dann seine Freundin, schließlich seinen Job. Und als seine Eltern als Verbrecher eingestuft werden, ist er selbst nur noch einen Schritt davon entfernt, als einer zu gelten …

Mir gefiel dieser Zukunftsentwurf. Nicht per se, weil ich mir wünsche, dass es so kommt: die totale Überwachung, die totale Regimetreue, die totale Gleichschaltung. Sondern, weil ich mir sehr gut vorstellen kann, dass so ziemlich alles, was hier beschrieben wurde, eintreffen könnte (teilweise ist es heute schon im Gespräch oder gar durchgesetzt). Wer sich ein bisschen mit Zukunftsforschung beschäftigt, dem ist durchaus klar, dass nichts davon abwegig ist. Sozialpunkte gibt es schon in China, beunruhigende Entwicklungen allerorten. Nicht immer logisch fand ich die schnelle Entwicklung von Samson, aber die Handlung und die Ideen des Buches sind absolut lesenswert.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Atmosphäre
  • Figuren
  • Idee/Originalität
  • Spannung
Veröffentlicht am 22.12.2017

Es war einmal ... ein Fuchs

Grischa: Der allzu schlaue Fuchs
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In Rawka, der Welt, die wir in der Grischa-Trilogie kennenlernen durften, erzählt man sich auch Märchen, und dieses ist eines davon.

Koja, so erzählen die Alten abends am Feuer, wenn der eisige Wind um ...

In Rawka, der Welt, die wir in der Grischa-Trilogie kennenlernen durften, erzählt man sich auch Märchen, und dieses ist eines davon.

Koja, so erzählen die Alten abends am Feuer, wenn der eisige Wind um die Hütte streicht und nur das flackernde Licht der Kerzen die Gesichter der Zuhörer erhellt, war ein hässlicher Fuchs, jedoch einer mit mehr Verstand, als ihm guttat. Er war einfach ein Meister des Überlebens - das fing schon damit an, dass er seine Geburt überlebte. Seine Mutter fraß zwei seiner Geschwister, doch ihn ließ sie leben, weil er mit seiner Samtzunge überzeugend genug war. Er stahl dem Bauern die Hühner unter der Nase hinweg, er befreundete sich sogar mit dem mächtigen Bären und er verstand sich gut mit der Nachtigall. Doch all das sollte zu einem Ende kommen, als ein mächtiger Jäger auftauchte und fast unsichtbar die Tiere der Wälder dezimierte - ob da die Schlauheit des Fuchses etwas ausrichten konnte?

Auch hier haben wir wieder ein typisches Märchen, mit einem bösartigen Jäger, einem schlauen Fuchs, einem hübschen, einsamen Mädchen und Tieren, die sprechen können. Dass ich bereits von Anfang an wusste, wohin sich das Ganze entwickeln würde, war meiner Kenntnis des vorigen Märchens geschuldet und dem Wissen, dass Bardugo nicht nur super schreibt, sondern auch auf Plottwists steht. Von daher keine Überraschung, aber trotzdem eine tolle Lektüre, die uns die Welt der Grischa wieder ein bisschen näher bringt.

Veröffentlicht am 22.12.2017

Es war einmal ... eine Hexe

Grischa: Die Hexe von Duwa
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In Rawka, der Welt, die wir in der Grischa-Trilogie kennenlernen durften, erzählt man sich auch Märchen, und dieses ist eines davon.

In den Wäldern bei Duwa, so sagen die Alten, sind sogar die Bäume hungrig, ...

In Rawka, der Welt, die wir in der Grischa-Trilogie kennenlernen durften, erzählt man sich auch Märchen, und dieses ist eines davon.

In den Wäldern bei Duwa, so sagen die Alten, sind sogar die Bäume hungrig, und manchmal stehlen sie junge Mädchen und fressen sie mit Haut und Haar. Ab und zu findet man noch etwas von ihnen - einen Schuh, ein Haarband vielleicht, aber meistens verschwinden sie spurlos. Richtig schlimm wird es in den kalten, frostigen Wintern, wenn niemand mehr zu essen hat. In so einer Zeit verliert die junge Nadja ihre Mutter und lebt allein mit ihrem Vater in ihrer Hütte, bis sich eines Tages eine schöne, aber bösartige Frau an ihren Vater heranmacht, die sie immer öfter allein in den düsteren Wald schickt ...

Das war mal ein richtiges Märchen, wie man es auch noch von den alten Grimms kennt, nicht so eine Weichspülerversion von Disney. Der Schreibstil Bardugos passt sich hier richtig gut dem Aufbau einer Geschichte an, wie sie wirklich an den Feuern in kalten Wintern erzählt worden sein könnte. Den Plottwist habe ich kommen sehen, aber das wird vielleicht jedem misstrauischen Thriller-Leser so gehen, und dass überhaupt einer existierte, fand ich richtig gut. Kein reines Schwarz-Weiß-Zeichnen, und eine nette, kurzweilige Rückkehr in die Welt der Grischas, die mir richtig Spaß gemacht hat.

Veröffentlicht am 19.12.2017

Dunkelgeist

Grischa 3: Lodernde Schwingen
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Alina und wenige Freunde haben mit großen Verlusten und nur dank des Asketen und der Religion, die er auf ihrer "Heiligkeit" aufgebaut hat, die letzte Konfrontation mit dem Dunklen überlebt und konnten ...

Alina und wenige Freunde haben mit großen Verlusten und nur dank des Asketen und der Religion, die er auf ihrer "Heiligkeit" aufgebaut hat, die letzte Konfrontation mit dem Dunklen überlebt und konnten fliehen. Monatelang verstecken sie sich im unterirdischen Reich des Asketen, der sie wie Gefangene hält und sein eigenes Süppchen kocht. Doch Alina weiß, dass sie den dritten Kräftemehrer braucht, sonst kann sie den Dunklen nicht besiegen, und so fliehen sie und ihre Freunde ein weiteres Mal, zurück zur Oberfläche. Gejagt von allen Seiten und nur mit wenigen Verbündeten machen sie sich auf die Suche nach dem Feuervogel und unterwegs erfahren sie immer wieder Neues über den Dunklen, aber auch Ilja Morozew, den ersten und mächtigsten Grischa, den es je gegeben hat. Alina weiß, dass sie alles opfern müssen wird, um den Dunklen zu besiegen, doch sie weiß auch, dass sie dazu nicht bereit ist.

Hier zeichnet sich immer mehr die Genialität der Autorin ab. Ich bin noch immer kein wirklicher Fan der beiden Hauptprotagonisten, Alina ist mir gelegentlich zu wankelmütig, Maljen ist ... na ja. Er selbst eben. Aber die Nebenprotagonisten, die reißen das Buch aus der Masse des Einheitsbreis heraus, mit ihren Sprüchen, ihren Eigenarten, total unterstützt durch den Wahnsinnsschreibstil der Autorin, die Dialoge hinhaut, von denen andere nur träumen können. Ich weiß nicht, warum so viele diesen Band nicht mochten. Ja, er hatte zwischendrin seine Längen, und viele sind mit der Wahl Alinas zum Schluss vielleicht nicht einverstanden. (Ich auch nicht, aber ich mache das Bardugo nicht zum Vorwurf und dafür gibt's auch keinen Punkteabzug.) Aber das Talent, das hier gezeigt wird, sollte man echt mal anerkennen und ich finde das Ende irgendwie auch versöhnlich, fast schon realistisch. Allerdings mochte ich auch das Ende von Hunger Games - wer damit unzufrieden war, wird dieses hier auch nicht mögen.

Veröffentlicht am 07.12.2017

Dunkle Tage in Whitechapel

Inspector Swanson und der Fall Jack the Ripper
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Der berühmt-berüchtigste Kriminalfall in der menschlichen Geschichte. Jack the Ripper. Obwohl er bei weitem nicht der "schrecklichste" Mörder war, nicht mal annähernd die meisten Menschen umgebracht hat, ...

Der berühmt-berüchtigste Kriminalfall in der menschlichen Geschichte. Jack the Ripper. Obwohl er bei weitem nicht der "schrecklichste" Mörder war, nicht mal annähernd die meisten Menschen umgebracht hat, bewegt er auch nach 130 Jahren noch immer die Gemüter und Spekulationen schießen erneut aus dem Boden wie Pilze nach einem Herbstregen. Es ist klar, dass auch ein Inspector Swanson nicht umhin kann, diesen Mörder zu jagen, zumal die historische Figur des Swanson tatsächlich die Ermittlungen leitete oder zumindest koordinierte. Die Geschehnisse sind bekannt: Nach und nach sterben auf den schmutzigen Straßen Whitechapels bedauernswerte Frauen, die für wenige Pennys ihren Körper verkaufen. Doch welches Motiv steckt hinter den Morden? Gibt es überhaupt eines? Swanson lernt unter anderem einen gelangweilten Aristokraten kennen, der in späteren seiner Fälle ein guter Freund ist, und Oscar Wilde, der auch noch den ein oder anderen Auftritt bekommen wird.

Ich bin ein Fan der Inspector-Swanson-Reihe, und ich war sehr gespannt, wie sich dieser berühmteste Fall entwickeln würde. Einerseits kommt man gar nicht am Ripper vorbei, andererseits waren wirklich die anderen Fälle des Inspectors für mich spannender, denn egal wie all die Tathergänge und Morde beschrieben sind, als "Ripperologe" kennt man sie, kennt man die Namen der Opfer, der Verdächtigen, die Abläufe. Marley versucht, andere Lösungen zu finden, geht ein bisschen andere Wege in der Interpretation gewisser Ereignisse, und doch ... und doch war das nicht der beste Fall des Inspectors. Tatsächlich sah der echte Swanson den Ripper-Fall auch nicht als seinen bedeutendsten an, und so entscheide ich für mich, dass bei all dem Name-Dropping (Beispiel Maybrick oder Sickert) und den beschriebenen Ereignissen auch dieses Buch nicht das beste dieser Serie ist, der ich trotzdem treu bleiben werde, weil sie sich durch einen klasse Schreibstil und authentische Ereignisse auszeichnet.