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Veröffentlicht am 27.12.2017

Die innere Leere

Der gefährlichste Ort der Welt
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Erwachsenwerden ist immer eine große Aufgabe und nicht jeder ist ihr gewachsen. Kids können grausam sein. Sie finden schnell ihre Opfer und das ist heute noch extremer, als es früher war, denn die modernen ...

Erwachsenwerden ist immer eine große Aufgabe und nicht jeder ist ihr gewachsen. Kids können grausam sein. Sie finden schnell ihre Opfer und das ist heute noch extremer, als es früher war, denn die modernen Medien verbreiten Gemeinheiten flächendeckend und das in Windeseile. Tristan Bloch ist den Auswirkungen nicht gewachsen und er nimmt sich das Leben. Wirklich schuld fühlt sich von den Kids niemand daran. Doch fünf Jahre später ist Tristan noch immer mehr oder weniger in den Gedanken der Kids vertreten. Und fünf der Beteiligten von damals sind auf ihre Weise Opfer geworden. Von ihren Blickpunkten aus erfährt der Leser, wie das Leben nach diesem dramatischen Vorfall in Mill Valley weiterging und welche Kämpfe sie auszufechten hatten oder haben an ihrem gefährlichsten Ort der Welt.

Lindsey Lee Johnson rechnet gnadenlos mit den modernen Medien und der lockeren Einstellung der heutigen Kids, der lockeren Moral und dem Versagen von Eltern und Lehrern ab. Sie appelliert auf ihre Weise an den Leser, wieder mehr auf andere und das eigene Verhalten zu achten. Dabei erhebt sie dennoch keinen moralischen Zeigefinger. Sie schafft es, eine gewisse Melancholie zu transportieren, die von sich aus bewirkt, dass man empathischer wird.

Auch früher wurde sich über Liebesbriefe lustig gemacht, wenn sie vom „Falschen“ kamen. Doch solche extremen Auswirkungen wie heute hatte das nie. Allein die Vorstellung, dass sich da Leute mit einklinken, die die Beteiligten gar nicht kennen, übersteigt mein Verständnis. Aber wie sorglos Teenager und Jugendliche mit den sozialen Medien umgehen, obwohl schon extrem oft über Selbstmorde nach solchen Mobbing-Aktionen berichtet wurde, ist mir unbegreiflich. Umso wichtiger finde ich dieses Buch.

Nach dem Lesen bin ich tief bewegt, auch wenn das meiste des Gelesenen, die Lebensgeschichten der Figuren also, schon wieder ziemlich aus meinem Gedächtnis verschwunden ist. Was bleibt, ist das Wissen, dass die Kids alle auf ihre eigene Weise einen Berg Probleme haben. Inwieweit Tristans Handeln damit verbunden ist, bleibt nur zu spekulieren. Doch bin ich mir sicher genau dieses Gefühl wollte Lindsey Lee Johnson auch vermitteln: die Unwichtigkeiten der einzelnen Lebensgeschichten, die Wichtigkeit des richtigen Handelns und die Extreme, die aus Handlungen erwachsen können.

Mich hat das Buch bewegt und aufgerüttelt. Es ist keine leichte Lektüre, aber es ist gute Lektüre. Vier Sterne gebe ich, weil ich im letzten Drittel kurz das Interesse verloren habe. Vielleicht hätten vier Lebensgeschichten gereicht statt fünf. Dennoch – lesenswert!

Veröffentlicht am 23.12.2017

Ein „buchiger“ Adventskalender

Das große kleine Buch: 24 Tage bis Weihnachten
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Hier finden sich 24 Geschichten und Gedichte von Menschen, die ich nicht kenne. Möglich, dass man sie kennen könnte, sollte oder müsste – mir sind sie jedenfalls unbekannt. Das tut aber wenig zur Sache, ...

Hier finden sich 24 Geschichten und Gedichte von Menschen, die ich nicht kenne. Möglich, dass man sie kennen könnte, sollte oder müsste – mir sind sie jedenfalls unbekannt. Das tut aber wenig zur Sache, denn die Geschichten selbst sind es, die wichtig sind – nicht, wer sie geschrieben hat.

Die meisten der Geschichten enden ein wenig abrupt, aber dennoch sind sie in sich „rund“ und stimmig. Sie sind kurz genug, dass man damit die 24 Tage vor Weihnachten ausklingen lassen kann, sie vorlesen oder vorgelesen bekommen kann und man somit einen literarischen Weihnachtskalender hat. Leider sind sie nicht nummeriert, man muss also selbst mitzählen.

Ganz besonders gefallen hat mir „Liebes Christkind“ von Sandra Zechner. Diese Geschichte mache ich mir zu einer neuen Tradition in meinen Weihnachts-Traditionen. Sie ist wunderschön und trifft so wunderbar ins Schwarze, dass man sich schämt, vergessen zu haben, wie gut es einem geht. Eine ganz bezaubernde Geschichte!

Die Serie „Das große kleine Buch“ gefällt mir sehr gut. So viele unterschiedliche Themen so schön kompakt zusammengefasst und mit den wichtigsten Informationen oder, wie in diesem Fall, einfach schöne Geschichten. Da sammelt man automatisch!

Für „24 Tage bis Weihnachten“ vergebe ich vier Sterne!

Veröffentlicht am 07.12.2017

Ohne Schnörkel, gerade heraus: gefällt mir!

Angstmörder
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Nicholas Meller ist ein Anwalt, der nicht gerade an Überarbeitung leidet. Dennoch will er eine Praktikantin einstellen. Für diesen Job bewirbt sich Nina – bildhübsch, aber nur mit einem Arm. Und sehr zielbewusst: ...

Nicholas Meller ist ein Anwalt, der nicht gerade an Überarbeitung leidet. Dennoch will er eine Praktikantin einstellen. Für diesen Job bewirbt sich Nina – bildhübsch, aber nur mit einem Arm. Und sehr zielbewusst: der Job ist aus praktischen Gründen für sie interessant, denn er ist nicht so weit von ihrer Wohnung weg. Und Nina ist diejenige, der mehr auffällt, als allen Anwälten und Ermittlern: sie entdeckt Parallelen zu verschiedenen Mordfällen, auch zu einem, dessen Angeklagter Meller vertritt. Wie intelligent, gerissen und gefährlich der Täter ist, merken die beiden erst, als es schon fast zu spät ist …

Der Stil von Lorenz Stassen ist recht geradeaus. Das gefällt mir gut – ist es doch komplett konträr zur aktuellen „Mode“, jeden Text so verschwurbelt wie möglich zu verfassen. Hier bekommt der Leser exakt das, was er sieht, ganz ohne horrende Wendungen und exorbitante Zufälle. Das ist erfrischend und lässt nur so durch die Seiten fliegen. Dennoch wirkt alles auch ein wenig amateurhaft dadurch. Dass der Autor aber echt „was auf dem Kasten“ hat, merkt man spätestens auf den letzten 50 Seiten. Stassen ist einer der wenigen Autoren, die ein Buch absolut zufriedenstellend beenden können und es nicht einfach „abhacken“.

Seine Figuren sind zudem sehr lebensecht und so angelegt, dass man sie sehr gut vor dem geistigen Auge entstehen lassen kann. Das Kopfkino läuft quasi von alleine. Mit Aleksandr bedient Stassen absolut jedes Russen-Klischee, mit Nicholas genau das Gegenteil. Dass eine körperliche Behinderung tatsächlich behindern kann, aber niemanden von etwas abhalten muss, zeigt er ebenfalls mit einem kleinen Seitenhieb. Überhaupt steckt das Buch voller feinem Wortwitz, Humor, Ironie und Galgenhumor. Dennoch wird es nie billig oder albern.

Es gibt einen Ich-Erzähler-Strang aus Sicht von Nicholas und einen Strang, der in der Erzählerperspektive gehalten ist, der die Situation rund um den Täter darstellt. Diese Mischung gefällt mir super gut und versorgt den Leser mit all den Informationen, die er benötigt. Es gibt keine nervenzerreißende Spannung, dennoch ist das Buch alles andere als langweilig. Wieder einmal bestätigt sich, dass Drehbuchautoren genau meinen Geschmack beim Schreiben treffen.

Den Trend, dass der Protagonist eine verkrachte Existenz sein muss, umgeht Stassen mit einem Trick: Nicholas ist nicht der typische Anwalt, sondern krebst am Rande seiner Existenz herum. Er hatte einen denkbar schlechten Start und nicht genug Ehrgeiz und schon gar keine Energie, um seine Kanzlei so richtig in Schwung zu bekommen. Aber wenn er denn mal angestoßen ist, läuft er auf Höchstform auf. Ganz ohne Alkohol- und Drogenexzesse – wunderbar!

Dem aktuellen Trend, aus allem und jedem eine Trilogie oder ganze Serie zu machen, wird dieses Buch vermutlich auch anheimfallen. Nicholas und Nina hätten jedenfalls das Zeug dazu und die Ideen, die in diesem Buch stecken, zeigen, welches Potenzial in Stassen steckt.

Ich wurde wirklich gut unterhalten, doch für einen Thriller fehlt dann doch noch ein Stück. Für mich ist „Angstmörder“ ein toller Krimi, aber kein Thriller. Insgesamt gebe ich vier Sterne und kann das Buch ruhigen Gewissens empfehlen.

Veröffentlicht am 20.11.2017

Der Bienenstock und die Bienenkönigin

Das Haus ohne Männer
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Nur Kater Jean-Pierre hat als männliches Wesen Zutritt in die Casa Celestina, so will es die „Königin“, eine ehemalige Primaballerina, die den Mieterinnen mehr mütterliche Freundin denn Vermieterin ist. ...

Nur Kater Jean-Pierre hat als männliches Wesen Zutritt in die Casa Celestina, so will es die „Königin“, eine ehemalige Primaballerina, die den Mieterinnen mehr mütterliche Freundin denn Vermieterin ist. Sie verlangt eine lächerlich geringe Miete und sonntags wird immer bei ihr ein leckeres Essen zelebriert. Doch als Carla für ein halbes Jahr in einen Ashram geht und die junge Juliette solange in deren Wohnung einzieht, weht eine frische Brise durch das alte Haus. Juliette möchte sich ausruhen, ja, aber für immer den Männern abschwören? Was soll das bringen? So sehr sie die Frauen mag, so wenig versteht sie deren Einstellung – und bringt den „Bienenstock“ ganz schön ins Brummen …

Aus der Sicht aller Bewohnerinnen erfährt der Leser stückchenweise, was es mit der Königin genau auf sich hat. Dabei erkennt man oftmals nicht wirklich, welche der Bewohnerinnen nun welchen Satz gesagt hat. Das verwirrt ein wenig, doch passt es auch zur Story: es ist ja egal, wer es sagte – zumal jede ihre eigene Story hat, die Verbindung aber ein gebrochenes Herz ist. So liest sich das Buch gleichzeitig leicht und doch schwierig. Doch wenn man sich fallenlässt und einfach nur liest, ohne an starre Regeln zu denken, entsteht eine zauberhafte Geschichte um besondere Frauen in einem besonderen Haus in einer besonderen Stadt.

Auch die Außenstehenden haben ihre Meinung zum Haus ohne Männer. Es kursieren interessante Thesen, die Juliette nach und nach zu Ohren kommen. Und der Leser sieht schmunzelnd dabei zu, wie Gerüchte entstehen und verbreitet werden, denkt hoffentlich über sich und seine eigenen Vorurteile nach.

Zusammenhalt trotz Unterschiede, Gemeinsamkeiten trotzt Individualität – das ist möglich und genau das zeigt das Buch auch. Man darf nur nicht den Fehler machen und einen Chick-Lit-Roman erwarten oder eine Art Fortsetzung von „Und jetzt lass uns tanzen“, denn „Das Haus ohne Männer“ ist ein eigenständiges, komplett unabhängiges Buch, das einen ganz eigenen Stil hat. Einziger Berührungspunkt ist, dass die Königin Mitte 70 ist. Doch hat die Story weder mit Jugend noch mit Alter zu tun, sondern einzig damit, dass Lebensmodelle sich ändern können und müssen und nichts auf dieser Welt in Stein gemeißelt ist.

Leider konnte mich dieses Buch nicht ganz so verzaubern, wie „Und jetzt lass uns tanzen“, dennoch bekommt es von mir nur einen Stern weniger, also vier Sterne.

Veröffentlicht am 13.11.2017

Der dritte Fall von Klara Walldéen

Der Freund
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Jacob ist in der schwedischen Botschaft in Beirut als Praktikant. Die Arbeit gefällt ihm, das Leben im Libanon trotz allem eigentlich auch. Und obwohl es sehr gefährlich ist, verliebt sich Jacob hier auch ...

Jacob ist in der schwedischen Botschaft in Beirut als Praktikant. Die Arbeit gefällt ihm, das Leben im Libanon trotz allem eigentlich auch. Und obwohl es sehr gefährlich ist, verliebt sich Jacob hier auch – in Yassim, der immer wieder verschwindet. Auch die Drohungen von Miriam ändern nichts an Jacobs Gefühlen. Trotz aller Angst will er an Yassims Ehrlichkeit glauben.

Zeitgleicht erlebt Klara Walldéen in Stockholm einen wahren Albtraum: kurz nach der Beerdigung ihres Großvaters wird ihre beste Freundin Gabriella verhaftet. Diese muss das vorhergesehen haben, denn Klara findet eine seltsame Nachricht von ihr. Nach und nach ergeben sich Ereignisse, die Klara und Jacob in Brüssel aufeinandertreffen lassen …

Dies ist mein drittes Hörbuch um Klara Walldéen. Ihre Entwicklung ist zögerlich, aber vorhanden. Es gefällt mir, dass sie nicht von jetzt auf gleich eine völlig andere wird. Für mich persönlich ist eine Steigerung erkennbar. Von „Der Schwimmer“ über „Der Bruder“ bis jetzt „Der Freund“ bin ich immer tiefer in Klaras Welt eingetaucht. Die einzelnen Stränge von „Der Freund“ haben mich kaum bis gar nicht verwirrt, ich konnte immer sehr gut folgen. Manchmal trat die Story etwas auf der Stelle, doch nie so lange, dass ich den Faden verloren hätte. Es ist eine durchgehende Spannung da. Die Ereignisse sind in sich stimmig und logisch aufgebaut. Jacobs Gefühle und Gedanken gehen mir sehr nahe. Dieser Part des Hörbuchs hat mir besonders gut gefallen. Es war fast, als hätte ich Jacob beistehen wollen. Klara ist trotz allem, trotz Alkoholsucht und psychischer Probleme, eine starke Frau, die schafft das auch ohne Hilfe. Dennoch war es super spannend, mitzuverfolgen, wie sie Schritt für Schritt die Gründe für Gabriellas Verhaftung aufdeckt und dann auf Jacob trifft.

Immer wieder nimmt Zander Bezug auf die Anschläge von 2015 in Paris. So wurde ich immer wieder hin- und hergerissen zwischen Glaube und Zweifel. Wie Jacob war auch ich nicht sicher, was nun die Wahrheit ist.

Ulrike Hübschmann und Roland Wolf lesen dieses Hörbuch sehr passend ein. Gefühle und Stimmungen kommen perfekt beim Hörer an. Die Kürzungen konnte ich nicht bemerken. Es sind für mich keine Lücken in der Handlung feststellbar.

Insgesamt bleibt noch zu bemerken, dass ich mit nordischen Thrillern oft ein kleines Problem habe, da sie allgemein schon düsterer als amerikanische sind. Joakim Zander lässt mich aber nicht mehr los. Schon jetzt warte ich gespannt auf sein nächstes Werk. „Der Freund“ hat mir sehr gut gefallen. Nicht perfekt aber nicht weit davon entfernt. Deshalb bekommt er vier Sterne von mir.