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Veröffentlicht am 16.12.2017

Roman über ein dunkles Kapitel dänischer Vergangenheit

Die Hoffnung
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Ruhig liegen die Ruderboote vor einer Küste mit reichlich Vegetation. Schon beim Betrachten ahnte ich so, dass mich der Roman „Die Hoffnung“ von Mich Vraa in die Karibik führen wird. Der Sepiaschleier, ...

Ruhig liegen die Ruderboote vor einer Küste mit reichlich Vegetation. Schon beim Betrachten ahnte ich so, dass mich der Roman „Die Hoffnung“ von Mich Vraa in die Karibik führen wird. Der Sepiaschleier, der auf dem Cover liegt, ließ mich vermuten, dass die Erzählung in der Vergangenheit spielt. Und so ist es auch. Das Geschehen beginnt im September 1788 während der letzten Fahrt von Kapitän Anton Frederiksen auf seinem Schiff „Hoffnung“ von Westindien zurück zu seiner Heimat Dänemark. Das Buch trägt den Namen des Schiffs. Die Fregatte hat in den vergangenen Jahren Sklaven von Guinea auf die westindischen Inseln transportiert. Und so steht der Name „Hoffnung“ für die Mannschaft und vor allem für den Kapitän für die Aussicht auf reichlichen Gewinn durch diesen Handel, nach der Ansicht eines Plantagenbesitzers auch für die Erwartung der Sklaven, eines Tages ihre Freiheit zurück zu erhalten. Auch Maria, die heranwachsende Tochter von Kapitän Frederiksen, die eine der Protagonisten des Romans ist, hat eine große Hoffnungr, nämlich darauf, dass ihre Mutter wieder zu der Familie zurückkehrt. Schließlich erhofft sich der dänische Humanist Mikkel Eide von seiner Reise in die Karibik, dass er mit seinem Bericht über die Verhältnisse auf den Inseln die Dänen über die Grausamkeiten der Sklaverei aufklären und damit zur Befreiung der Schwarzen beitragen kann.

Maria ist im Jahr 1803 15 Jahre alt, hat die Schule abgeschlossen und ihren Vater darum gebeten an einer Fahrt seines Schiffs „Hoffnung“ teilzunehmen. Anton Frediksen gibt ihrem Wunsch statt für eine kurze Reise vom Süden Odenses nach Jütland auf der er selbst sie begleiten wird. Doch bereits nach wenigen Stunden an Bord bemerken die beiden einen Kurswechsel. Es kommt zu einer Auseinandersetzung in Folge dessen sowohl der Vater wie auch die Tochter dazu gezwungen werden die „Hoffnung“ auf ihrer Fahrt zur Küste Guineas zu begleiten. Mit Erschrecken stellt Maria fest, dass dort Sklaven zum Weiterverkauf in Westindien aufs Schiff gebracht werden, obwohl der dänische Staat inzwischen ein entsprechendes Handelsverbot erlassen hat. Zwanzig Jahre nach dieser Fahrt begibt sich der dänische Professor Mikkel Eide auf ein Schiff Richtung Westindien. Dort stellt er fest, dass seine Vorstellungen über das Leben auf einer Plantage und speziell das der Sklaven nicht mit der Realität überein stimmen. Seine Gefühle kann er kaum in Worte fassen.

In Mich Vraas Roman sind alle handelnden Figuren fiktiv, die historischen Hintergründe aber stimmen. Die Erzählung spielt auf drei Zeitebenen und setzt sich aus verschiedenen, meist erdachten schriftlichen Dokumenten in Form von Tagebucheinträgen, Briefen, Manuskripte, aber auch historischen Erlasse und anderem zusammen. Durch diese ganz besondere Form musste ich mich zunächst kurz zurechtfinden um die unterschiedlichen Erzählhandlungen zeitlich einzuordnen. Eine Zuweisung war nicht schwierig, denn jedes Schriftstück ist mit einem Datum überschrieben.

Maria ist noch in jugendlichem Alter, als sie auf ihre erste Schifffahrt geht. Sie nimmt den Wohlstand wahr, in der sie lebt, doch den Zusammenhang zum Sklavenhandel kennt sie nicht. Für Dänemark ist er ein großer wirtschaftlicher Faktor. Ich war entsetzt als ich davon las, dass das Verbot des Handels mit der Empfehlung einherging, die Sklaven auf den Inseln auf natürliche Weise zu vermehren. Denn das Handelsverbot bedeutete nicht das gleichzeitige Verbot des Haltens von Sklaven!

Der Autor nimmt in seinem Text die Sprache der damaligen Zeit auf. Hier findet sich auch noch oft das heute als Beleidigung verwendete Wort „Neger“. Nach allgemeiner Auffassung galten die Guineer als deutlich besser geeignet für harte Arbeit bei heißen Temperaturen als die Dänen. Mich Vraa hat seine Charaktere so kreiert, dass sie die verschiedenen Sichtweisen der weißen Bevölkerung auf die Sklaverei repräsentieren. Deutlich wird das beispielsweise in der fiktiven Figur des Mikkel Eide für den es befremdlich ist, in einer charmanten gastfreundlichen Person, einen ebenso ausnutzenden Sklavenhändler zu finden, der vor Bestrafung seiner Arbeiter nicht zurückschreckt. Der Handel mit der Ware Mensch, begleitet von der Ansicht der Person als Sache, ist bestürzend. Damit einher geht die Unmöglichkeit eines Agierens, egal welcher Art, auf gleicher Höhe. Die Afrikaner bleiben bis auf eine Ausnahme eine homogene Menge, die stellvertretend für alle in Unfreiheit lebenden Menschen steht und deren Schicksal verstörend und befremdend ist. In seinem Nachwort verspricht der Autor, in seinem nächsten Werk dieser Masse ein Gesicht zu geben.

Mich Vraa schildert in seinem Roman die Grausamkeiten der Sklaverei in aller Deutlichkeit, ohne auf die Argumente der Befürworter zu verzichten. Der Autor hat mir die Geschehnisse sehr nahe gebracht. Trotz des vollständigen Wandels der Einstellung zur Sklaverei liest sich das Buch mit Blick auf die historischen Realitäten beunruhigend und erschreckend. Wer sich gerne auf ein Abenteuer einlässt und in ein dunkles Kapitel unserer Vergangenheit eintauchen möchte ist hier richtig. Gerne vergebe ich dazu eine Leseempfehlung.

Veröffentlicht am 10.12.2017

Viele Fakten zum Thema Schöpfung und KI und ein furioses Ende - typisch Dan Brown!

Origin
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Im Buch „Origin“ lässt Dan Brown seinen Serienhelden Robert Langdon zum fünften Mal ermitteln. Langdons Fachwissen als Professors für religiöse Ikonologie und Symbologie ist auch diesmal wieder gefragt, ...

Im Buch „Origin“ lässt Dan Brown seinen Serienhelden Robert Langdon zum fünften Mal ermitteln. Langdons Fachwissen als Professors für religiöse Ikonologie und Symbologie ist auch diesmal wieder gefragt, denn er wird in die Suche nach einem schwer zu entschlüsselnden Passwort involviert. Durch die Entschlüsselung würde es ihm gelingen, eine Botschaft zugänglich zu machen, die einer seiner früheren Studenten hinterlassen hat und die sich mit den großen Fragen unseres Lebens „Woher kommen wir?“ und „Wohin gehen wir?“ beschäftigt. Entsprechend bringt uns der Buchtitel „Origin“, was auf Deutsch etwa Ursprung oder Abstammung bedeutet, an den Beginn unseres Daseins und auch an die Grenze unseres Denkens. Die La Sagrada Familia auf dem Cover des Buchs ist einer der Orte der Handlung. Entworfen wurde sie von dem Architekten Antoni Gaudi. Nach einer Bauzeit von 128 Jahren wurde sie im Jahr 2010 als Kathedrale eingeweiht, ist aber noch nicht beendet. Gaudís von der Natur geprägter Architekturstil beinhaltet biomorphe Elemente, die ebenfalls auf den Beginn des Lebens hinweisen.

Edmund Kirsch, einer der ersten Studenten von Robert Langdon in Harvard, ist inzwischen ein angesehener Fachmann für Spieltheorie und computerbasierte Modellrechnungen. Aufgrund seiner Berechnungen hat er Unglaubliches entdeckt. Ehe der bekennende Atheist seine Entdeckungen auf einem Event im Guggenheim-Museum in Bilbao öffentlich vorstellt, trifft er sich mit drei Religionsführern in einem Bergkloster und teilt ihnen seine Erkenntnisse im Vertrauen mit. Diese sind sehr betroffen und möchten gerne die Veröffentlichung von Kirschs Wissen verhindern. Einige Tage später gehört Robert Langdon zu den Gästen der Präsentation im Museum. Noch bevor Kirsch die Resultate seiner Arbeit zeigen kann, bricht er als Redner, von einer Kugel getroffen, zusammen. In seinem kurzen Vortrag hat er jedoch bereits Robert Langdon als seinen Mentor vorgestellt, der ihm wesentliche Grundlagen seines Wissens beigebracht hat. Fortan steht der Symbologe im Fokus der Gegner von Kirsch und auch Ambra Vidal, die Direktorin des Guggenheims in Bilbao, die wesentlich dazu beitragen hat, dass das Event stattfinden konnte. Sowohl Langdon wie auch Vidal möchten trotz oder gerade wegen des Tods von Edmund Kirsch sein Geheimnis für die Öffentlichkeit aufdecken. Gemeinsam gelingt ihnen die Flucht und ihr Weg führt sie hin nach Barcelona.

Natürlich präsentiert auch Dan Brown in seinem fünften Thriller mit Robert Langdon keine Erkenntnisse, die nicht bereits in irgendeiner veröffentlichten Form vorliegen, aber er macht es sehr geschickt und verpackt viele interessante Forschungserkenntnisse in einen spannenden Roman, so wie man es von ihm gewohnt ist. Die Themen, Anfang und Ende unseres Daseins, beschäftigen eigentlich jeden und an der Seite des Professors konnte ich mein eigenes Wissen über das inzwischen darüber Bekannte abgleichen und ergänzen. Neben der Deutung von Zeichen beschäftigt sich der Autor diesmal ebenfalls mit den Möglichkeiten der Künstlichen Intelligenz, was ich manches Mal überraschend fand.

Neben der Serienfigur des Robert Langdon kreiert Dan Brown einige interessante Charaktere und scheut sich nicht aus dramaturgischen Gründen die spanische Geschichte der Gegenwart ein wenig umzuschreiben ohne jedoch die aktuelle Diskussion über eine Abkehr von der Monarchie zu umgehen. Dem Leser legt er nach und nach den Hintergrund vor, um das Motiv für das Handeln des Täters besser zu verstehen und spricht damit gleichzeitig die Gefahr von Indoktrination an. Der Ausflug in die Vergangenheit einiger Personen zieht den Roman allerdings auch deutlich in die Länge. Durch das Buch ziehen sich einige Charaktere, die schwierig einzuordnen sind und durch ihr Agieren den Spannungsbogen hoch halten. Ob sie nur aufgrund ihrer Machtbefugnisse entsprechend eigener Bedürfnisse oder zum Allgemeinwohl handeln, ist kaum durchschaubar.

Einige überraschende Wendungen führen zu einem furiosen Finale, das so nicht vorhersehbar war. Dan Brown hat in diesem Thriller gekonnt viele ungewöhnliche Fakten zu den fundamentalen Fragen unserer Schöpfung und Zukunft zusammengetragen. Wieder gelingt ihm mit einer geschickten Konstruktion ein spannender Thriller, der zwar keine grundlegend neuen Erkenntnisse in Bezug auf die aufgeworfenen Fragen bietet, aber eine solide anhaltende Spannung vom Anfang bis zum Schluss. Gerne möchte ich weitere Fälle mit Robert Langdon lesen.

Veröffentlicht am 23.11.2017

Fantasievoller Roman mit überraschenden Wendungen

So klingt dein Herz
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Bereits der Titel des Buchs „So klingt dein Herz“ von Cecelia Ahern weist darauf hin, dass Klänge im Roman eine wichtige Rolle spielen. Das Cover ist romantisch gestaltet mit zarten Wolken und Blütenzweigen. ...

Bereits der Titel des Buchs „So klingt dein Herz“ von Cecelia Ahern weist darauf hin, dass Klänge im Roman eine wichtige Rolle spielen. Das Cover ist romantisch gestaltet mit zarten Wolken und Blütenzweigen. Im Mittelpunkt steht die 26-jährige Laura, die viele Gemeinsamkeiten mit einem scheuen Leierschwanz, engl. Lyrebird, hat. Auf dem Titelbild ist zwar ein Singvogel im unteren Drittel abgebildet, allerdings ein Dompfaff, auch Gimpel genannt.

Die Regisseurin Bo, ihr Lebensgefährte und Tontechniker Solomon und die Kamerafrau Rachel arbeiten in Irland an einer Reportage über die Zwillinge Tom und Joe, die ihr ganzes Leben gemeinsam auf dem Land verbracht und gearbeitet haben. Einer der beiden ist nun mit 80 Jahren verstorben. Während der Dreharbeiten begegnen sie im Wald einer jungen Frau, die auf seltsame Weise zwar wenig spricht, aber alle aufgefangenen Geräusche nachahmt. Bereits beim ersten Aufeinandertreffen von Solomon und Laura spannt sich ein magisches Band zwischen den beiden auf.

Bo kommt die Idee zu einer Dokumentation über Laura. Um sie präsenter zu machen und damit den Erfolg der Reportage zu steigern, empfiehlt sie der jungen Frau eine Beteiligung an einer Castingshow. Dazu muss Laura sich der ihr unbekannten Medienwelt stellen und der damit verbundenen Aufmerksamkeit. Ihre Vergangenheit verbirgt Geheimnisse, die nicht aufgedeckt werden sollen. Wird ihr das gelingen? Wird sie die Castingshow dennoch gewinnen? Ist es möglich, dass sie dabei auch Unterstützung und sogar Liebe findet?

In Ausschnitten aus einem Vogelkundebuch, die den drei Teilen des Romans vorangestellt sind, erfährt man einiges zum Leierschwanz. Tatsächlich hat der Charakter der Protagonistin gewisse Ähnlichkeiten zu diesem Vogel. Sie ist schön, intelligent und klug. Ihr gelingt die exakte Nachahmung von Geräuschen. Auch mit Bo und ihrem Team schafft die Autorin interessante Figuren, die durch ihre Eigenarten für Bewegung in der Erzählung sorgen und Reibepunkte bilden.

Zwar hat mich die Darstellung der Vergangenheit von Laura nicht vollständig überzeugt, aber Cecelia Ahern hat erneut einen faszinierenden Hintergrund für eine ungewöhnliche Liebesgeschichte gefunden. Schon nach wenigen Seiten steht Laura im Mittelpunkt. Ihre Einzigartigkeit beeindruckt nicht nur den Leser, sondern vor allem die Figuren ihrer Umgebung. Dennoch konnte ich ihre Handlungen nicht immer nachvollziehen. Es verwundert kaum, dass sie die Menschen für sich einnimmt.

„So klingt dein Herz“ ist mehr als ein Liebesroman, denn die Autorin erzählt von der schillernden Welt des Showbiz, den Reiz der potenziellen Möglichkeiten eines Publikumslieblings, verschweigt aber auch nicht die Schattenseiten, wenn man den Ansprüchen nicht gerecht wird. Gekonnt stellt Cecelia Ahern die Macht von Ruhm und Geld dar.

Der Autorin gelang es auch diesmal wieder Gefühle ihrer Charaktere zu mir zu transportieren. Mit viel Fantasie baut sie ihre Geschichte mit einigen überraschenden Wendungen auf. Das Buch ist ein Muss für jeden Cecelia Ahern-Fan und für die Leser, die nach einem besonderen Liebesroman suchen.

Veröffentlicht am 08.11.2017

George Watsky kann nicht nur Lyrics und Poetry-Slam, sondern auch Erzählungen

Wie man es vermasselt
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George Watsky, Jahrgang 1986, lebt in Los Angelos. Er wuchs gemeinsam mit seinem Zwillingsbruder in San Francisco auf. Bekannt wurde er als Hip-Hopper und Poetry-Slammer. Am Emerson College in Boston erhielt ...

George Watsky, Jahrgang 1986, lebt in Los Angelos. Er wuchs gemeinsam mit seinem Zwillingsbruder in San Francisco auf. Bekannt wurde er als Hip-Hopper und Poetry-Slammer. Am Emerson College in Boston erhielt er den Bachelor of Arts in „Acting and Writing for the Screen and Stage“. „Wie man es vermasselt“ ist sein Debüt im Prosabereich und enthält dreizehn Erzählungen.

Im Mittelpunkt der Geschichten des Autors steht er selbst. Zeitlich sind sie nicht geordnet. Das Thema, dass alle Erzählungen umspannt, sind seine Misserfolge oder besser das, was George Watsky dafür hält. Er zeigt sich offen, humorvoll und schreckt nicht davor zurück, über schwierige Dinge zu reden. Der Autor erzählt von seiner Kindheit und seinem Wunsch nach Anerkennung. aber auch seinen ersten Erfolgen mit Hip-Hop und Spoken-Words. Verrückte Ideen, die er mit Freunden umgesetzt hat thematisiert er genauso wie die Vorliebe zum Baseball, die er mit seinem Vater teilt, und seinen geringen Erfolg diesen Sport auszuüben. Ebenso verschweigt er nicht, dass er unter Epilepsie leidet und schildert seinen Umgang mit der Krankheit.

Doch neben zahlreichen Fehlschlägen konnte ich als Leser auch über seine ersten Erfolge mit der Musik und beim Slammen lesen, bei denen der Stolz darüber in den Worten des Autors spürbar war. Joints und Alkohol scheinen nicht wegzudenken aus einem solchen Leben als Musiker wie George Watsky es führt. In seinen Geschichten ist jedoch sein Zwillingsbruder, der einen ganz anderen Lebensweg geht, nicht in die geschilderten Ereignisse involviert. Obschon die Erzählungen unterhaltsam geschrieben sind, hinterfragt George Watsky seine vergangenen Handlungen durchaus selbstkritisch.

George Watsky ist eine frische Stimme aus den USA, der nicht nur ansprechende kurze Poetry-Texte und Songlyrics, sondern jetzt auch Erzählungen in einer Länge von 20-30 Seiten verfasst. Ich bin sicher, dass wir bald mehr von ihm lesen können.

Veröffentlicht am 02.10.2017

Betroffen machende Story unterlegt mit Leichtigkeit

Liebe ist was für Idioten. Wie mich.
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„Liebe ist was für Idioten. Wie mich.“ ist der Debütroman der Österreicherin Sabine Schoder für Jugendliche ab 14 Jahren. Die 17-jährige Protagonistin Viktoria, von ihren Freunden kurz Viki genannt, erzählt ...

„Liebe ist was für Idioten. Wie mich.“ ist der Debütroman der Österreicherin Sabine Schoder für Jugendliche ab 14 Jahren. Die 17-jährige Protagonistin Viktoria, von ihren Freunden kurz Viki genannt, erzählt hier von ihrem Alltag. Ihre Freunde sind ihr besonders wichtig, aber nach einer Enttäuschung sucht sie auf keinen Fall nach einer neuen Beziehung. Sie fragt sich selbst, ob das nicht idiotisch ist. Viki kleidet sich gern in schwarz, denn so passt ein Kleidungsstück zum anderen. Außerdem hat sie nicht viel Geld um sich ständig was Neues zu kaufen. Schwarz ist auch der Grundton des Covers. Aber darauf befinden sich ganz viele bunte Schnipsel. Denn im Laufe des Jahres von dem sie hier erzählt gewinnt Vikis Leben an Farbe und sie sieht wieder eine bunte Zukunft für sich. Interessant fand ich die Kapitelüberschriften, die in verklausulierter kurzer Form jeweils ein Appetithäppchen des folgenden Kapitels andeuteten.

Viki hat schon als Siebenjährige ihre Mutter verloren. Sie war eine starke Raucherin und starb an Lungenkrebs. Ihr Vater ist zum Alkoholiker geworden. Ihre Eltern waren nicht verheiratet. Die gemeinsame Wohnung wird an dem Tag ihrer Volljährigkeit ihr gehören. Doch bis dahin scheut sie die täglichen Auseinandersetzungen mit ihrem Vater und flüchtet sich gerne zu ihrer Freundin Mel nach Hause. Zu ihrem 18. Geburtstag planen ihre Freunde eine Überraschungsparty in einer angesagten Kneipe. An diesem Abend spielt dort eine Schülerband, deren Sänger Jay umwerfend aussieht. Seine Eltern sind gut betucht. Er nutzt seinen Status dazu, ständig neue Mädchen aufzureißen. Darum kann Viki ihn nicht leiden. Doch nachdem ihr von einem Joint reichlich schwindlig ist, findet sie sich in seiner Gesellschaft wieder und wacht am nächsten Morgen in seinem Bett auf. Da waren doch hoffentlich keine Gefühle im Spiel, oder doch?

Sabine Schoder hat mit Viki eine nicht ganz alltägliche Protagonistin geschaffen. Viki ist Selbständigkeit gewohnt. Was ihr fehlt ist jemand, bei dem sie Schutz suchen kann und der ihr Zuneigung entgegenbringt, jemand mit dem sie ihre Gedanken und Gefühle teilen kann und der ihr Orientierung gibt. Der Roman ist in der Ich-Form erzählt und so habe ich zwar in der Geschichte nicht viel von ihrer ersten verflossenen Liebe Adrian erfahren, konnte jedoch die tiefe Enttäuschung über das Aus in der Beziehung aus Vikis Worten spüren. Viki wird dadurch zum „gebrannten Kind“ und weiß jetzt genau, wie ihr zukünftiger Freund nicht sein soll. Trotz ihrer Vorbehalte gegen das Rauchen und Alkohol, senkt sich ihre Grenze der Ablehnung dagegen im Beisein ihrer Freunde. Es ist schön dem Gruppendruck ein wenig nachzugeben und sich auch mal fallen zu lassen. Hinterher kann sie kaum glauben, dass sie sich auf Jay eingelassen hat. Mit der Zeit wird sie jedoch erkennen, dass er für sein Handeln ganz bestimmte Gründe hat, Probleme die er nicht an die Öffentlichkeit bringen möchte.

Viki ist nicht unbedingt ein Sympathieträger, dazu ist sie zu misstrauisch. Doch in dem vor ihr liegenden Jahr setzt sie sich mit ihren festen Ansichten auseinander und beginnt sich über Klischees hinweg zu setzten. Dadurch, dass Viki Jay zunächst nicht mag, hatte ich es als Leser schwer ihn zu mögen. Einige Verhaltensweisen von ihm mochte ich nicht, dennoch konnte ich im Laufe der Zeit teilweise Verständnis für seine Handlungen aufbringen. Grundsätzlich fand ich den Umgang mit Rauschmitteln im Buch als zu harmlos dargestellt. Auch war ich erschrocken darüber, wie einfach und leicht die Jugendlichen über einen möglichen Freitod reden, manchmal vielleicht nur um Aufmerksamkeit zu erhalten. Das ist durchaus realistisch dargestellt.

Das Ende hält eine Überraschung bereit. Nachdem die Autorin mich zunächst mit einem Ereignis entsetzt hat, kam die Geschichte dennoch zu einem versöhnlichen Ende.

Sabine Schoder schafft es, eine betroffen machende Story in eine Sprache zu verpacken, die genug Luft für Leichtigkeit lässt. Im Hintergrund warteten die Vergangenheit von Viki und das aktuelle Geheimnis von Jay darauf, aufgedeckt zu werden, was eine ständige Spannung aufrechterhielt. „Liebe ist was für Idioten. Wie mich“ ist nicht nur ein Buch für Jugendliche, sondern spricht auch interessierte Erwachsene an. Gerne empfehle ich das Buch weiter. Inzwischen ist die Fortsetzung „Sowas passiert nur Idioten. Wie uns“ erschienen