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Veröffentlicht am 09.05.2018

So dufte gestaltet, nicht nur für klein, sondern auch für groß

Die Duftapotheke (1). Ein Geheimnis liegt in der Luft
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Allgemein:

„Die Duftapotheke - Ein Geheimnis liegt in der Luft“ ist der 1. Band einer Kinderbuchreihe der Autorin Anna Ruhe. Veröffentlicht wurde das Hardcover im Januar 2018 durch den Arena – Verlag, ...

Allgemein:

„Die Duftapotheke - Ein Geheimnis liegt in der Luft“ ist der 1. Band einer Kinderbuchreihe der Autorin Anna Ruhe. Veröffentlicht wurde das Hardcover im Januar 2018 durch den Arena – Verlag, bei dem unter anderen auch „Seeland – Per Anhalter zum Strudelschlund“ der Autorin erschienen ist. In ihrem neuesten Werk taucht der Leser mit der dreizehnjährigen Luzie in die Geheimnisse der Villa Evie ein. Denn Luzies Familie, die Alvensteins, sind in die charmante Bruchbude im Nirgendwo eingezogen. Anfangs nicht gerade darüber begeistert, packt es Luzie dann doch, die Villa mit ihrem kleinen Bruder Benno und dem Nachbarsjungen Mats zu erkunden. Sie will wissen, warum es überall so merkwürdig riecht, wie tausend Gerüche und doch anders. Woher kommt das? Hat der mürrische Gärtner des riesigen Gewächshauses etwas damit zu tun? Welches Geheimnisse birgt das alte Gebäude?

Mein Bild:

Für mich war schon Ende letzten Jahres klar, dass ich dieses Schmuckstück unbedingt im Bookshelf stehen haben möchte. Schon allein das Cover mit einer Illustration der Diplom-Designerin Claudia Carls ist ein Kunstwerk, das seinesgleichen sucht. Noch dazu kommen die knalligen Farben und geprägte Silberpünktchen, die das Buch zum Leuchten bringen. Wundervoll, genau wie der Inhalt, der neben der Geschichte noch mehr Illustrationen zu bieten hat.

Meine Erwartungen waren hoch, da die Autorin selbst Mutter ist und das Buch für Kinder ab 10 Jahren geeignet sein soll. Und Kinder in diesem Alter brauchen Spiel, Spaß und... ein mitreißendes Abenteuer!

Unsere Protagonistin, die dreizehnjährige Luzie, führt mich aus der Ich-Perspektive durch das über 260 Seiten dicke Buch. Ich mochte sie von Anfang an. Eingangs noch schüchtern und etwas sauer darüber, dass sie von der Großstadt ins Dorf ziehen musste, packt sie schnell die Neugier und andere Charaktereigenschaften treten hervor: Ehrlichkeit, Cleverness und ein Verständnis, das man in diesem Alter nicht erwartet, machen es mir leicht ihr zu folgen. Anna Ruhe hat eine spielerische Mischung zwischen jugendlichen Sprachstil und dem „normalen“ Umgangston gefunden - eine ideale Kombination zum Vorlesen oder um einfach selbst durch die Seiten zu fliegen.

Auch wird die Familie charmant beschrieben. Frau Alvenstein, die in ihrer Leidenschaft für alte Dinge aufgeht und ihr Mann, der jeglichen Spaß mitmacht und das Familienleben koordiniert. Von einer klassischen Rollenverteilung kann man hier nicht ausgehen, aber das wäre auch langweilig. Mein absoluter Favorit ist allerdings Benno, Luzies fünfjähriger Bruder. So etwas drolliges erlebt man nicht alle Tage. Offen, freundlich und tapfer folgt der Kleine seiner großen Schwester in ungeahnte Abenteuer. Ich habe so oft gelächelt, als er Dinge berührt, die er nicht berühren soll oder einfach den Nachbarsjungen fragt, ob er nicht mit ihm spielen möchte. Ja, Benno erobert definitiv die Herzen aller. Selbst das des skeptischen Nachbarsjungen Mats, der sich wie manch anderer auf dem Grundstück der Villa geheimnisvoll gibt.

Natürlich erahnt man schnell, dass die Kinder zu einem Team zusammenwachsen, um die Geheimnisse der viktorianischen Villa Evie zu erkunden. Die Autorin hat wirklich brillant den roten Faden um das Setting gestrickt. Und die Düfte. Es riecht erdig, nach Minze oder Rosen, ganze Duftmixe werden erwähnt, die bei den Protagonisten und dem Leser Erinnerungen hervorrufen oder Fragen nach der Herkunft stellen. Gezielt wurden vielfältige Bilder in meinem Kopf gesetzt, während die Kinder das Haus samt historischen Inhalt auf den Kopf stellten. Stück für Stück näherten sie sich dem Ziel: Die Duftapotheke, ebenso wie dem Grund für diesen außergewöhnlichen Ort.

Schlussendlich ist es die Kombination aus einer zauberhaften Schatzsuche in einer verfallenden Villa und einem Rausch durch Zeit und Duft, die mich die Duftapotheke nicht so schnell vergessen lassen. Das Ende lässt nichts offen, doch der Leser erahnt, welche Ideen im 2. Band umgesetzt werden könnten.

Fazit:

Ein Abenteuer mit Schatzsucheratmosphäre und entzückenden Charakteren. So schnell vergisst man die Duftapotheke nicht.

Veröffentlicht am 18.04.2018

Ein wahrhaftiger Jugendroman, für alle, die einen Funken Hoffnung suchen

Die Stille meiner Worte
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Allgemein:

„Die Stille meiner Worte“ ist ein Jugendroman der deutschen Bloggerin und Autorin Ava Reed. Veröffentlicht wurde die berührende Geschichte im März 2018 durch den Verlag Ueberreuter. Inhaltlich ...

Allgemein:

„Die Stille meiner Worte“ ist ein Jugendroman der deutschen Bloggerin und Autorin Ava Reed. Veröffentlicht wurde die berührende Geschichte im März 2018 durch den Verlag Ueberreuter. Inhaltlich begleitet der Leser die siebzehnjährige Hannah, die seit dem Verlust ihrer Zwillingsschwester Izzy kein Wort mehr hervor bringt. Hannah ist gefangen in der Stille ihrer Worte. Nur der Kater Mo und die geschriebenen Worte an Izzy, die sie wie ein Ritual verbrennt, geben ihr noch Halt. Als ihre Eltern nicht mehr weiter wissen, schicken sie Hanna nach Sankt Anna, einem Ort für kaputte Dinge. Es soll sich etwas ändern, doch wird der Schmerz je vergessen sein? Und was möchte der fremde Junge Levi von ihr?

Mein Bild:

Ich gebe offen zu, dass ich sowohl Angst als auch Vorfreude verspürte als ich das ansprechende, in blau gehaltene, Hardcover in der Hand hielt. Die ersten Leserstimmen waren sich alle einig, dass die Geschichte berührt und Tränen kullern lässt. Ich bin normalerweise nicht der Mensch, der beim Lesen weint. Mitfiebern ja, aber weinen?
Natürlich wollte ich keine Story, in dem das trauernde Mädchen einen Jungen kennenlernt, der ihr allen Schmerz nimmt und sich beide unendlich ineinander verlieben. Das wäre ein Klischee, davon gibt es genug. Daher bin ich unendlich dankbar, dass die inhaltliche Zeitspanne von wenigen Wochen nicht mit einer puren Liebesgeschichte gefühlt wird.

Über die 312 Seiten lernte ich Hannah kennen. Aus ihrer Ich-Perspektive zeigte sie mir ihren Schmerz, ihre Schuldgefühle und einen Funken, der nur noch schwach leuchtete. Sie ist einfach nicht mehr sie selbst. Wie würde es dir gehen, wenn du deine zweite Hälfte verlierst? Wahrscheinlich genauso wie Hannah. Izzy war ihr Vorbild, ihr Leben, diejenige, die ihr Mut gegeben hat. Und jetzt ist sie weg. Es ist so traurig, dass sich jetzt noch ein Kloß in meinem Hals bildet, wenn ich daran denke.
Hannah ist zudem seit Izzys Tod stumm. Ich kann mich an keine Geschichte erinnern, die ich gelesen habe, in der der Hauptcharakter nicht spricht. Doch Hannah kann es einfach nicht mehr, als hätte sie es verlernt. Ich glaubte ihr, dass die Worte da sind, aber eine Mauer sie umgibt. Es sind keine Gedanken, es sind Worte! Und genau solche Details brachte Ava Reed auf so vielfältige und doch unkomplizierte Weise wieder, ich konnte nicht anders als mitzufühlen.

Trotzdem war Hannahs Loch der Traurigkeit, für mich, von Anfang an kein Loch ohne Boden. Dank dem Kater Mo. Er war das Licht in der Dunkelheit, war genau zur richtigen Zeit am richtigen Ort und ich als Leser wiederum froh, dass Hannah nicht ganz allein war. Er sorgte für eine Leichtigkeit, die sich durch das ganze Buch zog, ein Nebendarsteller, den ich sehr lieb gewonnen habe.

Unerwartet traf mich allerdings das Setting. Ich rechnete fest mit einem Internat, doch die Autorin nutzte ihre Freiheiten und verfrachtete Hannah, ebenso wie mich, in die „Natur“ - mehr will aber nicht verraten sein. Eine clevere Idee, denn es lockerte die Stimmung auf.

Damit kam auch die zweite Ich-Perspektive ins Spiel: Levi. Tätowiert, gepierct und geplagt von Zukunftsängsten wirkt er wie ein Standardbeispiel für einen Schüler an einem „Ort für kaputten Dinge“. Doch Levi ist so viel mehr und damit mein Lieblingscharakter. Auf keiner Seite kommt ihm eine Lüge über die Lippen, der Junge ist vom Grundsatz her ehrlich und einfühlsam. Ich finde es beispiellos wie Hannah und Levi zueinander finden:Zwei Puzzleteile unter Tausenden. Zwar war es eingangs ein wenig unbefriedigend nicht zu wissen, was sie zueinander zog, aber es wirkte absolut natürlich und außerdem gefiel es mir, dass Levi Hannah so nahm wie sie war.

Levi war schlussendlich der rote Faden und der Grund für meine Tränen. Er setzte unerbittlich die Informationen um Hannahs „Päckchen“ Stück für Stück zusammen. Ihr Funken wurde dadurch spürbar größer. Eine Hoffnung, die sie sich selbst nicht erlauben wollte. Ich habe sehr mitgefiebert und gehofft, dass sie ihre Mauern einreißen kann.

Doch nicht nur Hannahs Schicksal berührte mich tief, auch das der anderen Schüler von Sankt Anna, die ihr Päckchen zu tragen hatten und damit zurecht kommen müssen.
Zum Schluss stand die passende Botschaft, die sich jeder im Laufe seines Lebens zu Herzen nehmen sollte: Kaputte Dinge kann man nicht einfach reparieren oder so tun als wäre nie etwas passiert, doch man kann aus den alten Dingen Neues erschaffen und die Erinnerung daran bewahren.

Fazit:

Eine hochsensible Geschichte so tiefsinnig ohne schwer zu wirken, so berührend ohne dramatisch zu sein. Für Leser, die Gefühlen statt Worten den Vorzug geben.

Veröffentlicht am 26.02.2018

Der Sternenhimmel Prythians öffnet seine Pforten

Das Reich der Sieben Höfe – Flammen und Finsternis
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Allgemeines:
Der 2. Band des Epos um die junge Feyre erschien 2017 durch den dtv – Verlag in Deutschland. In „Das Reich der sieben Höfe – Flammen und Finsternis“ entführt die amerikanische Autorin Sarah ...

Allgemeines:
Der 2. Band des Epos um die junge Feyre erschien 2017 durch den dtv – Verlag in Deutschland. In „Das Reich der sieben Höfe – Flammen und Finsternis“ entführt die amerikanische Autorin Sarah J. Maas den Leser erneut nach Prythian, das Reich der Fae. Trotz des Wiederaufbaus liegen Schatten über dem Frühlingshof. Nichts ist mehr wie vorher, denn sowohl Feyre als auch Tamlin leiden nach den schrecklichen Ereignissen unter dem Berg. Hinzu kommt die Vereinbarung mit Rhysand, dem High Lord des Hofes der Nacht, der Feyre zu sich nimmt. Werden Tamlin und Feyre die Hürden überwinden? Oder wird Rhysand sie entzweien?

Mein Bild:
Natürlich habe ich mir nach dem überzeugenden Auftakt den 2. Band gegönnt. Das Cover war im Buchhandel schwer zu übersehen, da es wieder Feyre mit Pfeil und Bogen zeigt. Die hübschen Akzente liegen dieses Mal in der Farbe braun und sprechen die Frauenwelt mit Schmetterlingen an.
Die Seitenanzahl hingegen hat mich, mit 300 Seiten mehr gegenüber dem Vorgänger, leicht umgeworfen. Dennoch, überflüssig ist keine einzige Seite! Zur besseren Unterteilung gibt es drei Abschnitte, je nachdem welcher Aufenthaltsort eine zentrale Rolle spielt. Ich denke, es soll die Neugier und Erwartungen des Lesers wecken. Das Ziel wurde erreicht, denn es schlich sich sofort das Gefühl ein, dass es nicht mehr märchenhaft zugeht.
Unsere inzwischen unsterbliche Hauptprotagonistin Feyre beschreibt aus der Ich-Perspektive realitätsnah, welches Trauma sie Monate nach den qualvollen Erlebnissen unter dem Berg erlebt. Es ist nichts für schwache Nerven, als hätte man ihr die Lebensgeister trotz neu gewonnener Faekräfte genommen. Auch ihre Schilderungen bezüglich Tamlins Entwicklung trafen mich völlig unvorbereitet. Wie kann dieser liebreizende Kerl zu so einem Kontrollfreak mutieren? Er überschreitet Grenzen und frustriert mich förmlich mit seinen Taten, dass ich ihn anschreien möchte. Chapeau! Eine exzellente Leistung, wenn man mich beim Lesen so reizen kann.
Doch Tamlin spielt im Endeffekt nur die zweite Geige. Denn als Feyre mit Rhysand geht, mutiert dieser vom Neben- zum Hauptdarsteller. Das Scheusal, das in meiner Rezension zum 1. Band keinen Platz gefunden hat, bringt jetzt die Kehrtwende. Der High Lord des Hofes der Nacht wurde schnell zu dem Highlight. Charismatisch, magisch und für jede Tat einen guten Grund, ganz gleich, ob er über Leichen gehen muss - das ist Rhys. Ich erlaube mir dabei den Vergleich zu Batman, nur mit mehr Freunden. Hier in Form der Fae Mor, Azriel, Amren und Cassian, die brillant aufeinander abgestimmt sind und mich in ihren Kreis aufnahmen.
Natürlich fragt man sich, wie Mrs. Maas die Charaktere so heftig in die entgegengesetzte Schiene schieben konnte? Ganz einfach, weil sich deren Lebensumstände veränderten. Jede Situation aus der Vergangenheit beeinflusst die Gegenwart. Das wird sogar anhand von gut eingebauten Rückblenden sichtbar und ließ mich den Sog aus Leidenschaft, Wut, Sehnsucht oder die einfache Leere der Protagonisten besser verstehen.
Und genau diese Leere führt zu einem provokanten Katz- und-Mausspiel zwischen Rhysand und Feyre. Der positive Effekt: Feyre wird im Verlauf zu der Heldin, wie ich es mir vorstelle. Gegenüber der negative Effekt: Die beiden stehen so im Mittelpunkt, dass die drohende „Gefahr“ im Plot in den Hintergrund rückt und mich nicht überzeugen konnte. Meiner Empfindung nach dient die „Rettung der Welt“ lediglich dazu eine Struktur in das Gefühlschaos zu bringen statt Präsenz zu zeigen. Allerdings gibt man dem Leser damit die Möglichkeit einmal Luft zu holen.
Ferner führte mich der Atemzug endlich quer durch Prythian, was im 1. Band leider vernachlässigt wurde. Darunter einer der schönsten Orte überhaupt: Velaris, eine Stadt so strahlend wie Sternenlicht. Die Autorin hat die Umgebung bildgewaltig dargestellt. Ein Ort, in dem Liebe und Freundschaft ihren Platz gefunden haben.
Bevor ich mich endlos darin vertiefe, sage ich lieber gleich, dass es einen kleinen Cliffhanger mit herzzerreißendem Höhepunkt gibt. Ein weiterer Grund demnächst Band 3 zu beginnen.

Fazit:
Eine fließende Steigerung zum 1. Band mit mehr Tiefgang in den Charakteren und bildgewaltige Orte. Eindeutig für Leser, die aus dem Märchen heraus wachsen wollen.

Veröffentlicht am 07.02.2018

Eine junge Frau entlockt dem Erlkönig zahlreiche Facetten

Wintersong
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„Winter Song“ ist der erfolgreiche Debütroman der Autorin S. Jae-Jones und wurde im Dezember 2017 erstmals in Deutschland durch ein Imprint von Piper veröffentlicht. In der Geschichte begegnet man den ...

„Winter Song“ ist der erfolgreiche Debütroman der Autorin S. Jae-Jones und wurde im Dezember 2017 erstmals in Deutschland durch ein Imprint von Piper veröffentlicht. In der Geschichte begegnet man den sagenumwobenen Erlkönig auf der Suche nach einer neuen Braut. Denn das alte Jahr stirbt und nur die Braut wird, durch ihren Tod, der irdischen Welt ein neues Jahr schenken können. Seine Wahl fällt auf die hübsche Käthe. Doch ihre Schwester Liesl sagt dem Unvermeidlichen den Kampf an und ihr Weg führt sie direkt in die Unterwelt. Wird sie ihre Schwester befreien können? Warum kommt ihr der Erlkönig so bekannt vor? Und welche Geheimnisse lauern in der Dunkelheit?

„Wer reitet so spät durch Nacht und Wind...“ war der erste Gedanke als ich den Klappentext gelesen habe. Eine Fantasygeschichte auf Grundlage eines der bekanntesten Werke von Goethe. Die Idee hatte mein Interesse geweckt und dank einer Buchbox lag das 460 Seiten starke Paperback bald in meinen Händen. Das klare Cover weist dezent auf den Winter hin. Nur der Titel erschließt sich erst durch Setting, Plot und dem musikalischen Glossar am Ende des Buches. Die Geschichte ist in mehrere Untertitel und Kapitel unterteilt. Jeder Untertitel beinhaltet zur Einstimmung ein Gedicht der Dichterin Christina Rossetti. Das lässt schon erahnen, welche Empfindungen und Versuchungen die Protagonisten spüren werden. Der Leser erlebt die Geschichte durch die Augen der pflichtbewussten Elisabeth, auch Liesl genannt. Die älteste Tochter eines Musikers und Gastwirts lebt im Schatten ihrer jüngeren Geschwister. Sie unterdrückt ihre wahre Natur der leidenschaftlichen Musikerin um die Klassische Rolle der Frau einzunehmen, die für ihre Familie da zu sein hat. Der Wunsch nach Freiheit ist ein elementarer Bestandteil des Buches und ein brisantes, immer wieder diskutiertes Thema. Es brachte mich zum nachdenken. Man verfolgt die Geschichte nicht nur, sondern überlegt: „Was hätte ich getan?“ Wirklich toll.
Als Liesls älterer Schwester eben diese Freiheit durch den ehrfürchtigen Erlkönig genommen wird, begibt sich Liesl fernab der irdischen Welt. Aberglaube, Märchen, die felsige Unterwelt mit ihren angsteinflößenden und doch fantastischen Wesen ziehen Liesl und mich in den Bann!
Nicht zuletzt durch den Herrn des Unheils, Herrscher über die Lebenden und Toten, den Erlkönig. Ich bekomme Gänsehaut. So düster und schaurig schön erzählt Liesl von dem „eleganten Fremden“, den sie doch schon längst kannte. „Gar schöne Spiele spiel ich mit dir“ bekommt dann noch einmal eine ganz andere Note, denn der Erlkönig spielt nicht sonderlich fair. Es beginnt ein sinnliches Zusammenspiel der anfangs so ungleichen Hauptdarsteller. Beide vereinen verschiedene Facetten in sich, die nur der jeweils andere entlocken kann: Der Erlkönig ist der geheimnisvolle, unsterbliche Herrscher, aber Liesls Koboldkönig ist der asketische, junge Mann mit der Violine. Liesl zeigt die Seite des unterdrückten, gehorsamen Mädchens und des Erlkönigs Elisabeth wiederum die tapfere, musikalische Frau. Der Wunsch die wahre Natur nach außen zu tragen ist in jeder Zeile spürbar. Denn selbst der Erlkönig ist nur „der Gefangene seiner Krone“. Mich ergreift der gefühlvolle und sehnsuchtsvolle Ton, eingebettet in der gemeinsamen Leidenschaft: Musik. Mir begegnen in jedem Kapitel Mozart, Vivaldi, Bagatelle und Sonaten. Dem Glossar sei Dank bleiben mir die Begriffe nicht unbekannt. Alles in allem bildet es eine für mich neuartige Atmosphäre von Melancholie, Liebe, brutaler Ehrlichkeit und auch Freude. Diese Abwechslung bringen die Hauptrotagonisten nicht nur allein auf, auch die Mitbewohner der Unterwelt haben Anteil daran, beispielsweise die zwei drolligen Kobolddienerinnen Distel und Zweig. Ich war überrascht, dass am Ende trotz der Vielseitigkeit keine Fragen offen blieben. Ein 2. Band wird folgen, wobei ich mich wirklich frage, wie man dieses Meisterstück noch ausbauen kann?

Fazit: Nicht nur ein düsteres Märchen, sondern ein tiefgründiges und atmosphärisches Gesamtwerk inklusive einer nie da gewesenen Liebesgeschichte.

Veröffentlicht am 11.12.2017

Der etwas andere Tolkien – schneeweiß & weihnachtlich

Briefe vom Weihnachtsmann
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J.R.R. Tolkiens „Letters from Father Christmas“ oder zu deutsch „Briefe vom Weihnachtsmann“ wurde erstmals 1976 durch George Allen & Unwin veröffentlicht. Die aktuellste Ausgabe mit Originalabbildungen ...

J.R.R. Tolkiens „Letters from Father Christmas“ oder zu deutsch „Briefe vom Weihnachtsmann“ wurde erstmals 1976 durch George Allen & Unwin veröffentlicht. Die aktuellste Ausgabe mit Originalabbildungen der Briefe und Zeichnungen publizierte der Klett-Cotta Verlag 2017.
In diesem Buch zeigt sich der bekannteste Fantasy-Autor von seiner privaten Seite.
Denn 23 Jahre lang schrieb er seinen eigenen Kindern Briefe im Namen des Weihnachtsmannes, der die wildesten Abenteuer erlebte. Immer dabei seine Freunde Polarbär oder das Elbchen Ibereth, die ihm beim Schreiben an die Kinder unterstützen.

Weihnachtszeit, schönste Zeit. Daher sollte auch eine stimmungsvolle Lektüre nicht fehlen. Ich stieß durch Zufall auf „Briefe vom Weihnachtsmann“, da Tolkiens Name in großen Lettern auf dem Cover mit dem rot-weiß gekleideten, bärtigen Mann zu sehen ist. Tolkien und Weihnachtsgeschichten? Der Mann, der uns mit Mittelerde, die komplexeste Welt im Fantasy-Universum beschert hat? Die Überraschung saß und der Hintergrund berührte mich. Kinder schreiben Wunschzettel und Briefe an Father Christmas seit es ihn gibt, aber selten bekommen sie eine Antwort zurück.
Eine herzergreifende Idee, die den Autor nicht nur als Weihnachtsmann, sondern auch als Vater zeigen. Von 1920 bis 1943 bekamen seine Kinder um die Weihnachtszeit bunte Briefe und Zeichnungen im „Original-Nordpolumschlag“. Selbst die Briefmarken waren individuell gestaltet und abgestempelt! Wer es nicht glaubt, kann es selbst nachsehen: Im Buch wurden alle vorhandenen Briefe, Skizzen und Umschläge innerhalb der 192 Seiten abgedruckt. Das hat mir das Gefühl gegeben, selbst Post vom Weihnachtsmann zu bekommen
Und alles begann mit einem Brief an seinen ältesten Sohn John, der wissen wollte, wer der Weihnachtsmann wirklich war und wo er lebte. Im Laufe der Jahre wurden seine Geschwister Michael, Christopher und Priscilla geboren, so dass auch diese einzeln oder alle zusammen Briefe bekamen. Ich wurde beim Lesen in das Leben der Kinder katapultiert. Wusste, wer noch lesen und schreiben lernen würde, wer älter wurde und dem Weihnachtsmann nicht mehr schrieb, welche Wünsche herangetragen wurden und Weltereignisse wie der 2. Weltkrieg, die Dinge aus den Gleichgewicht brachten. Fasziniert wie einfallsreich Tolkien aus der Weihnachtsmannperspektive begründen konnte, dass nicht jeder Wunsch erfüllt werden kann und dass man auch die kleinen Dinge schätzen lernt. Das klingt jetzt nach Moralpredigten, aber nein, so ist es nicht: Zuversicht und Tiefgründigkeit gehen dabei nie verloren. Der Weihnachtsmann berichtet kreativ von seinem Haus auf der Nordklippe, vom Krieg mit den Kobolden, die Geschenke stehlen oder vom gemütlichen Polarbären, der in Unfälle verwickelt ist. Der zuletzt Genannte schreibt und kommentiert die Briefe im übrigen mit prankenhafter Schrift und einer leichten Rechtschreibschwäche, die den Inhalt lebendig und knuffig werden lassen. Tolkien lässt nichts unversucht, damit die Briefe authentisch wirken. Weitere Beispiel ist ein eigens entwickeltes arktisches Alphabet. Man vermisst also nicht den vertrauten Touch des Autors, nur diesmal in kindgerechter Form.
Der Abschluss ließ etwas Wehmut zurück. Denn wir müssen realistisch sein, jeder hört irgendwann auf dem Weihnachtsmann zu schreiben und bekommt dementsprechend keine Antwort zurück. Hier auch mein persönliches Manko: Es ist schade, dass die verfassten Briefe der Kinder nicht Inhalt des Buches waren. Das hätte den Dialog auf jeden Fall vervollständigt.
Nichtsdestotrotz bin ich Dank der „Briefe vom Weihnachtsmann“ schnell in besinnliche und fröhliche Stimmung gekommen und sehe den Autor aus einem neuen Blickwinkel.

Fazit: Nicht nur für Tolkien-Fans ein besonderes Geschenk mit wunderbaren Illustrationen und Geschichten rund um den bärtigen Mann vom Nordpol.