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Veröffentlicht am 07.04.2025

Wer Sicherheit der Freiheit vorzieht, bleibt zu Recht ein Sklave. – Aristoteles

Das Erwachen der Freiheit
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1811 England. Rosalyn Mandelin stammt aus wohlhabendem adligen Hause und liebt es vor allem, auf dem Rücken ihres Hengstes durch die Gegend zu reiten. Doch ihr Leben ändert sich schlagartig, als ihre Eltern ...

1811 England. Rosalyn Mandelin stammt aus wohlhabendem adligen Hause und liebt es vor allem, auf dem Rücken ihres Hengstes durch die Gegend zu reiten. Doch ihr Leben ändert sich schlagartig, als ihre Eltern von ihr erwarten, den begehrtesten Junggesellen mit eigener erfolgreicher Pferdezucht zu heiraten und kurz darauf auch noch ihre geliebte Gouvernante Maggie ohne ein Wort des Abschieds in einer Nacht und Nebelaktion spurlos verschwindet. Auf ihre Nachfragen nach Maggies Verbleib bekommt sie keine Antworten, und der Verlobte in spe ist auch mehr an ihrem Hengst interessiert. So macht sich Rosalyn selbst an die Arbeit, Maggie wiederzufinden und macht dabei die Bekanntschaft von Mitgliedern einer Glaubensgemeinschaft, die dem Methodismus folgt. Als sie den jungen Prediger William kennenlernt, gerät ihre bisherige Weltansicht gefährlich ins Wanken....
Rahel Krönert hat mit ihrem historischen Roman „Das Erwachen der Freiheit“ ein fulminantes Debüt vorgelegt, dass den Leser nicht nur ins 19. Jahrhundert Englands entführt, sondern ihm auch mehr Einblick in die Glaubenslehre des Methodisten John Wesley gewährt. Der flüssige, bildhafte und empathische Erzählstil bringt den Leser direkt in die Vergangenheit, wo er sich als unsichtbarer Schatten an der Seite von Rosalyn wiederfindet und nicht nur ihre Gedanken- und Gefühlswelt aus erster Hand erfährt, sondern auch ihre momentane Lebenssituation sowie die Veränderungen in deren Leben hautnah miterlebt. Gewohnt, immer alles zu bekommen, lebt Rosalyn in ihrer Naivität zu Beginn sorglos in den Tag hinein. Doch dann verändert sich durch das plötzliche Fehlen ihrer engsten Vertrauten Maggie und die angekündigte Heiratsforderung ihrer Eltern ihr Leben von Grund auf. Rosalyn fühlt sich hintergangen und versucht, die Gründe für Maggies Verschwinden herausfinden. Dabei wird sie nicht nur von neuen Freunden unterstützt, sondern kommt auch zum ersten Mal mit dem ärmlichsten Teil der Bevölkerung in Berührung, was ihre eigene Suche nach dem Sinn des Lebens zusätzlich befeuert. Die Autorin stellt dem Leser nicht nur gesellschaftlichen Unterschiede zwischen dem Adel und der restlichen Bevölkerung deutlich vor Augen, sondern zeigt vor allem die Arroganz und Ignoranz der adligen Gesellschaft gegenüber der Not der ärmsten Bevölkerung. Die Bekanntschaft mit dem Prediger William, der in der Grafschaft mit seiner Predigt für Wirbel sorgt, öffnet Rosalyns Herz und macht ihr klar, was wirklich wichtig ist im Leben. Empathisch führt die Autorin die Leser an die Lehre von John Wesley heran, in dem die christlichen Tugenden wie Nächstenliebe und Hilfsbereitschaft oberstes Gebot sind.
Die Charaktere sind liebevoll ausgestaltet und mit glaubhaften menschlichen Ecken und Kanten versehen. Der Leser befindet sich sofort mitten unter ihnen und verfolgt mit großem Interesse die zwischenmenschlichen Beziehungen untereinander. Rosalyn wirkt zu Beginn sehr naiv und verwöhnt, aber der Weggang von Maggie hilft ihr dabei, erwachsen zu werden. Sie stellt ihr Leben immer mehr in Frage und lernt durch andere, was es heißt, Verantwortung zu übernehmen. Anne ist eine wunderbare Frau, die Rosalyn schnell eine gute Freundin wird, auch deren meist übellauniger Bruder taut in ihrer Gegenwart etwas auf. William ist ein Mann, der nichts von Konventionen hält, sondern frei von der Leber weg redet und damit bei Rosalyn einen Nerv trifft. Aber auch die übrigen Protagonisten geben der Handlung mit ihren Auftritten den besonderen Schliff.
„Das Erwachen der Freiheit“ überzeugt mit einer unterhaltsamen, tiefgründigen Geschichte vor historischem Hintergrund und einer guten Recherchearbeit. Auch die Spannung kommt nicht zu kurz. Absolute Leseempfehlung für einen Roman mit Botschaft!

Veröffentlicht am 03.03.2025

Das einzig Wichtige im Leben sind die Spuren, die wir hinterlassen, wenn wir gehen. – Albert Schweitzer

Vor hundert Sommern
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2024 Berlin. Lena hilft ihrer Mutter Anja dabei, die Wohnung ihrer 94-jährigen Großmutter Elisabeth auszuräumen, nachdem diese in ein Pflegeheim umgezogen ist. Bei den Ausräumarbeiten stoßen sie auf alte ...

2024 Berlin. Lena hilft ihrer Mutter Anja dabei, die Wohnung ihrer 94-jährigen Großmutter Elisabeth auszuräumen, nachdem diese in ein Pflegeheim umgezogen ist. Bei den Ausräumarbeiten stoßen sie auf alte Erinnerungsstücke, die einmal Elisabeths Schwester Clara gehört haben, über die innerhalb der Familie kaum je gesprochen wurde. Lena ist ebenso neugierig wie ihre Mutter Anja, gemeinsam versuchen sie, Informationen von Elisabeth zu bekommen, die nur nach und nach ein gut gehütetes geheimes altes Familiengeheimnis offenlegt, das das Leben sowohl von Anja als auch von Lena nachhaltig verändern wird...
Katharina Fuchs hat mit „Vor hundert Sommern“ einen unterhaltsamen historischen Roman vorgelegt, der inspiriert von der Familiengeschichte der Autorin den Leser einlädt, über zwei Zeitebenen ein altes Familiengeheimnis kennenzulernen. Der flüssige, bildhafte und empathische Erzählstil gibt dem Leser die Möglichkeit, die Hauptprotagonistinnen sowie deren Gedanken- und Gefühlswelt gut kennenzulernen und ihnen bei ihrer Recherche über die Schulter zu sehen. Dabei überwindet er die Zeitspanne von den 20er Jahren des vergangenen Jahrhunderts bis in die Gegenwart. Elisabeth möchte sich eigentlich gar nicht an die alten Zeiten erinnern, denn sie sind einfach zu schmerzhaft. Sie und ihre Schwester Clara haben nicht nur die 20er Jahre, sondern auch die Nazizeit hautnah miterlebt. Clara führte damals einen Hundesalon, dessen Hinterzimmer sie für geheime Treffen zur Verfügung stellte, obwohl sie damit sich und die ganze Familie in Gefahr brachte. Der Autorin gelingt der Spagat zwischen der Vergangenheit und der Gegenwart sowohl gesellschaftlich als auch politisch gut, auch die Parallelen bei den Vorkommnissen sind perfekt gewählt. Das Schweigen innerhalb der Familie, die Schuldgefühle und ebenso die gesellschaftlich auferlegten Zwänge ziehen sich durch das Leben der Protagonistinnen und haben auch Einfluss auf ihre jeweils nachkommende Generation. Die Handlung fesselt durchgängig, so dass man das Buch kaum aus der Hand legen kann. Der Leser ist nicht nur aufgrund der damaligen Ereignisse berührt, sondern bekommt ebenfalls eine Gänsehaut wegen der aktuellen Bezüge.
Die Charaktere sind mit menschlichen Eigenschaften ausstaffiert und in Szene gesetzt, so dass der Leser sich gern an ihre Fersen heftet, um ihren Lebensweg mitzuverfolgen. Elisabeth ist am Ende ihres Lebens angekommen und will gewisse Ereignisse eigentlich nicht ans Tageslicht holen. Doch sind die Erinnerungen eine Befreiung für sie, die ihr Frieden bringen. Anja ist eine Frau ihrer Zeit, denn sie musste mit dem Schweigen umgehen und hat es praktisch in ihr Leben übernommen. Lena ist zurückhaltend, etwas naiv und unsicher, im Umgang mit anderen hat sie etwas Altkluges, was sie zur Einzelgängerin macht.
„Vor hundert Sommern“ ist nicht nur eine Familiengeschichte, die sich über 100 Jahre spannt, sondern angefüllt ist mit Geheimnissen, Liebe, Schweigen, Schuld und Scham, die sich in vielen Familien bis in die heutige Zeit wiederfinden und deren Aufarbeitung bis heute meist nicht vollzogen wurde. Verdiente Empfehlung für ein packendes Leseerlebnis!

Veröffentlicht am 03.03.2025

Es kann dir jemand die Tür öffnen, aber hindurchgehen musst du selbst. - Konfuzius

Die Wege, die wir wählen
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1898 New York. Der plötzliche Tod des Millionärs Arthur Stanhope III trifft seine Frau Sylvia und Tochter Adelaide völlig unvorbereitet. Da das Vermögen an einen Verwandten geht, sind die Frauen dazu angehalten, ...

1898 New York. Der plötzliche Tod des Millionärs Arthur Stanhope III trifft seine Frau Sylvia und Tochter Adelaide völlig unvorbereitet. Da das Vermögen an einen Verwandten geht, sind die Frauen dazu angehalten, ihr Leben neu zu sortieren. Während Sylvia sich gar nicht die der Situation abfinden will und sich für den gewohnten wohlhabenden Lebensstandard einen reichen Ehemann für Adelaide erhofft, vertritt Großmutter Junietta die Ansicht, dass nicht Reichtum das Leben ausmacht. Sie öffnet die Tür zu ihren Geheimnissen und gibt sowohl Adelaide als auch Sylvia dadurch die Möglichkeit, eine Entscheidung für ihr zukünftiges Leben zu treffen...
Lynn Austin hat mit „Die Wege, die wir wählen“ einen wunderschönen historischen Roman vorgelegt, der dem Leser nicht nur drei unterschiedliche Frauencharaktere präsentiert, sondern auch deren Lebenswege eindrucksvoll durch eine Botschaft miteinander verbindet. Der flüssige, farbenfrohe und empathische Erzählstil nimmt den Leser mit ins 19. Jahrhundert, wo er sich mal an der Seite von Adelaide, mal an der von Sylvia oder Junietta wiederfindet, um ihre Gedanken- und Gefühlswelt kennenzulernen sowie das Verhältnis der Frauen untereinander Adelaide sitzt zwischen zwei Stühlen und muss endlich für sich entscheiden, wie ihre Leben zukünftig aussehen soll. Das Geheimnis ihrer Großmutter hilft ihr bei der Entscheidung, eine eigene Persönlichkeit zu entwickeln, aber auch Sylvia zieht ihre Lehren daraus. Die Autorin versteht es geschickt, die gesellschaftlichen Zwänge der damaligen Zeit sowie den christlichen Aspekt in ihre Handlung einzuweben. Vergebung, Neubeginn, Gottvertrauen, aber auch Vertrauen in sich selbst sind die Themen, die in dieser Geschichte im Vordergrund stehen. Durch die wechselnden Perspektiven baut sich eine gewisse Spannung auf, die aber auch vom zwischenmenschlichen Verhältnis der Protagonisten untereinander geschürt wird. Die Handlung weiß von Beginn an zu fesseln, so dass der Leser das Buch kaum aus der Hand legen kann und dabei ein wunderbares Kopfkino genießt,
Die Charaktere sind lebendig mit menschlichen Ecken und Kanten versehen und können den Leser sofort ab sich binden, der ihnen wie ein unsichtbarer Schatten folgt, um nichts zu verpassen. Adelaide ist eine zurückhaltende junge Frau, die von ihrer Mutter Sylvia ziemlich gegängelt wird. Sie hat kaum Luft zum Atmen, weiß selbst noch nicht so genau, welche Zukunft sie für sich wünscht. Sie braucht Mut und Stärke, um sich durchzusetzen. Sylvia wirkt wie eine oberflächliche verwöhnte Frau, die unter keinen Umständen für Veränderungen offen ist. Junietta ist die Patriarchin der Familie. Sie ist willensstark, engagiert und mutig, doch sie spürt ihr Alter und will ihrer Enkelin noch etwas mit auf den Weg ins Leben mitgeben.
„Die Wege, die wir wählen“ ist ein wunderschöner historischer Roman über drei Frauen, der ein Familiengeheimnis sowie große Entscheidungen fürs Leben beinhaltet und dem Leser die Botschaft übermittelt, dass es nie zu spät für einen Neuanfang ist und man sich mutig auch etwas zutrauen und seine Ziele verfolgen sollte, selbst, wenn andere dagegen sind. Absolute Leseempfehlung für einen fesselnden Roman mit Tiefgang!

Veröffentlicht am 10.02.2025

Vergessen ist wie eine Wunde. Es mag zwar verheilen, aber dabei wird es eine Narbe hinterlassen. - Unbekannt

Die Schwestern von Krakau
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Kurz nach dem Tod ihres Vaters Simon Mercier entdeckt Édith in seinem Pariser Musikzimmer, das für jeden bis dato Tabuzone war, Schriftstücke und Notizen, die Édith zeigen, dass Simon ein anderer war, ...

Kurz nach dem Tod ihres Vaters Simon Mercier entdeckt Édith in seinem Pariser Musikzimmer, das für jeden bis dato Tabuzone war, Schriftstücke und Notizen, die Édith zeigen, dass Simon ein anderer war, als alle bisher geglaubt haben, denn seine Eltern waren Helene Wagner und Samuel Altmann, Namen, die Édith bis dahin noch nie gehört hat. Anhand der Hinweise macht sich Édith auf die Suche, mehr herauszufinden und trifft dabei im Stuttgarter Raum auf Tatjana, die mit ihrer Mutter Dora in Stuttgart lebt. Beide Frauen hatten bisher keinen Kontakt, umso mehr sind sie überrascht und neugierig darauf, was sie miteinander verbindet. Da Tatjanas verstorbene Großmutter Lilo die Schwester von Helene Wagner war und beide in Krakau aufwuchsen, reist Tatjana nach Polen, um mehr über deren Leben dort herauszufinden, denn Lilo hat Zeitlebens ein Geheimnis um ihre Vergangenheit gemacht. Wird Tatjana das Puzzle ihrer Familiengeschichte sowie das Rätsel um Simon lösen können?
Bettina Storks hat mit „Die Schwestern von Krakau“ einen wunderbar berührenden historischen Roman vorgelegt, der den Leser zurückführt in die dunkelste Zeit deutscher Geschichte und dabei über zwei Zeitebenen ein interessantes Familiengeheimnis offenbart. Der flüssige, bildgewaltige und empathische Erzählstil lässt den Leser in wechselnde Perspektiven schlüpfen, doch findet er sich hauptsächlich mal in der Gegenwart im Jahr 2017 an Tatjanas Seite, mal in der Vergangenheit in den 40er Jahren an Lilos Seite wieder. Während er Tatjana als unsichtbarer Beobachter über die Schulter schaut, erlebt der Leser mit Lilo die grauenhaften Taten der Nazis im Krakau und das Wirken des Widerstands Akiba mit, wobei Dreh- und Angelpunkt die Apotheke unter dem Adler ist. Besonders eindrucksvoll ist hier auch die Begegnung mit Gusta Dawidson Draenger zu erwähnen, die schon im Eingangsprolog den Leser an sich zu binden weiß. Die Autorin versteht es meisterhaft, ihre akribische Hintergrundrecherche mit realen und fiktiven Elementen zu verweben und es dem Leser so ermöglicht, Geschichte leibhaftig mitzuerleben. Dabei hält Storks durch den Wechsel der Zeitebenen und Perspektiven den Spannungslevel durchgängig hoch, so dass der Leser das Buch nicht aus der Hand legen kann, während er von einer Gefühlsachterbahn in die nächste fällt.
Die Charaktere sind mit menschlichen Ecken und Kanten sehr lebendig in Szene gesetzt, der Leser findet sich sofort in ihrer Mitte wieder und verfolgt atemlos ihre Lebenswege. Tatjana ist eine Frau, die persönlich gerade in einer Sackgasse steckt. Sie ist neugierig, geht den Dingen mit einem Hang zur Pragmatik auf den Grund. Lilo steht zwischen zwei Welten, entscheidet sich neben geheimer Liebe aber vor allem für Mitgefühl und Unterstützung. Gusta ist eine mutige und kompromisslose Frau, die für ihre Ideale einsteht. Tadeusz Pankiewicz ist ein zurückhaltender, aber unglaublich starker Mann mit einem großen Gerechtigkeitsgefühl.
„Die Schwestern von Krakau“ ist zwar eine fiktive Geschichte vor exzellent recherchiertem historisch realen Hintergrund, doch birgt die Handlung nicht nur eine komplizierte Familiengeschichte, sondern thematisiert vor allem den jüdischen und polnischen Widerstand in einer hochgefährlichen Zeit. Ebenso wird deutlich, wie sehr das Schweigen der Kriegsgeneration die Nachfolgenden belastet hat, und die sich im Nachgang um Verstehen bemüht bzw. dafür einsteht, dass die grausame Geschichte des Dritten Reiches sich hoffentlich nie wiederholen wird. Storks hat sich wieder einmal übertroffen – absolute Leseempfehlung – Chapeau!!!

Veröffentlicht am 03.02.2025

Der Hass der Schwachen ist nicht so gefährlich wie ihre Freundschaft. – Luc de Clapiers

Fräulein Gold: Nacht über der Havel
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1930 Berlin. Während die Stadt durch die Wirtschaftskrise immer mehr einem Pulverfass gleicht und die Nationalsozialisten immer mehr Zulauf bekommen, arbeitet Hulda in der Mütterberatungsstelle im Stadtteil ...

1930 Berlin. Während die Stadt durch die Wirtschaftskrise immer mehr einem Pulverfass gleicht und die Nationalsozialisten immer mehr Zulauf bekommen, arbeitet Hulda in der Mütterberatungsstelle im Stadtteil Schöneberg am Nollendorfplatz als Hebamme, wo sie viele schwangere Frauen nach Kräften unterstützt, obwohl sie sich nach mehr sehnt. Privat hofft sie, endlich mit Max ihr Glück gefunden zu haben, der sich rührend um sie und ihr 5-jähriges Töchterchen Meta kümmert. Als Hulda die schwangere Hella betreut, erfährt sie, dass deren 18-jährige Schwester Jutta einer Jugendgruppe namens „Steglitzer Wandervögel“ angehört, die nachts an der Havel trinken und feiern. Eines Morgens wird der Anführer der Gruppe tot aufgefunden, in den Jutta heimlich verliebt war. Hulda wittert einen Fall und stellt ihre detektivischen Fähigkeiten wieder auf die Probe...
Anne Stern hat mit „Nacht über der Havel“ den 7. Teil ihrer wunderbaren historischen Fräulein Gold-Reihe vorgelegt, der den Leser nicht nur ins Berlin der 30er Jahre entführt, sondern mit Hulda Gold auch eine sympathisch-unangepasste Protagonistin mit einem Hang zu ungelösten Kriminalfällen erschaffen hat, die dem Leser sofort ans Herz wächst und ihn nicht von ihrer Seite weichen lässt. Der flüssige, farbenfrohe und empathische Erzählstil wirft den Leser direkt zurück in die vergangenen 30er Jahre des vergangenen Jahrhunderts, wo er sich sofort an Huldas Fersen heftet. Die Umbrüche in Berlin durch die wachsende Arbeitslosigkeit und Armut sind gut zu spüren, die Nazis gewinnen mit ihren schrecklichen Parolen und Versprechungen immer mehr an Boden. Als sie schwangere Hella betreut und in deren nächstem Umfeld ein Mord geschieht, folgt Hulda wieder ihrer kribbelnden Spürnase und macht sich auf eigene Faust daran, die Umstände aufzuklären, obwohl Kommissarin Irma Siegel und auch der mittlerweile verheiratete Detektiv Karl North ebenfalls an der Lösung des Falls arbeiten. Stern hat ein besonderes Händchen dafür, ihre Handlung mit dem exzellent recherchierten politischen und gesellschaftlichen Zeitgeist der damaligen Zeit zu verbinden. Die damalige Zeit war für alle eine große Herausforderung, der Leser spürt die aufkommende drohende Gefahr der Nationalsozialisten, während er mit Hulda gemeinsam eine wahre Gefühlsachterbahn durchläuft bei der Lösung des Falls. Dabei schraubt sich die Spannung bis zum Ende immer weiter in die Höhe. Stern versteht es wunderbar, ihre Leser in ihre Handlung mit einzubinden und sie an die Seiten zu fesseln.
Die Charaktere sind mit menschlichen Eigenschaften sehr lebendig gezeichnet, der Leser fühlt sich ihnen sehr verbunden und folgt ihnen nur zu gern auf Schritt und Tritt. Hulda überzeugt einmal mehr mit ihrer unangepassten offenen und direkten Art. Sie ist hilfsbereit, verantwortungsbewusst und mutig, dabei eine liebevolle ledige Mutter, die es in jenen Zeiten gar nicht leicht hat. Max ist ein toller Mann, der Hulda und Meta zur Seite steht, jedoch gerade nicht erreichbar ist. Meta hat ihren eigenen Kopf, mit ihrem kindlichen Wissensdurst bringt sie Hulda oft an ihre Grenzen. Bert ist Huldas Schulter zum Anlehnen und ihre erste Anlaufstelle bei Problemen. Aber auch Irma und Karl sowie weitere Protagonisten machen die Geschichte durchweg spannend und lebendig.
„Nacht über der Havel“ überzeugt mit einem exzellent recherchierten historischen Hintergrund, einer starken liebenswerten Hauptprotagonistin sowie einem fesselnden Kriminalfall, bei dem der unsichtbare Leser von Anfang an zum Ermittlerteam gehört. Anne Stern besitzt das Talent, das Kopfkino des Lesers auf Hochtouren zu bringen, ihn an die Seiten zu fesseln und die Zeit zu vergessen. Absolute Leseempfehlung – einfach wunderbar!!!