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Fannie

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Veröffentlicht am 14.12.2020

Aufwühlender Roman mit eindringlicher Mahnung

Trümmermädchen
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Anna ist noch ein kleines Mädchen, als ihre Freundin Ruth mitsamt ihrer Familie von heute auf morgen plötzlich verschwindet, ihr geliebter Onkel Matthias zum Kriegsdienst eingezogen wird und sich ihre ...

Anna ist noch ein kleines Mädchen, als ihre Freundin Ruth mitsamt ihrer Familie von heute auf morgen plötzlich verschwindet, ihr geliebter Onkel Matthias zum Kriegsdienst eingezogen wird und sich ihre Heimatstadt Köln mehr und mehr in eine Trümmerwüste verwandelt.

Sie wächst bei ihrer Tante Marie auf und ist von jüngster Kindheit an ein Leben voller Entbehrungen gewöhnt. Hunger, Kälte, Verlust und Mangel sind ihr nur allzu vertraut. Doch aus dem Mädchen wird eine junge Frau, die sich entschlossen gegen die Widrigkeiten des Krieges stemmt, um für die zu sorgen, die ihr am Herzen liegen: ihre Familie und ihre Freunde.

Einfühlsam erzählt Lilly Bernstein in ihrem 512-seitigen Roman „Trümmermädchen – Annas Traum vom Glück“ eine Geschichte, die die Jahre 1941 bis 1947 umspannt. Der unglaublich bildhaften Sprache der Autorin und Journalistin, deren bürgerlicher Name Lioba Werrelmann lautet, ist es zu verdanken, dass man das zerbombte Köln klar vor sich sieht. Mit der Veröffentlichung ist für Lilly Bernstein ein Traum in Erfüllung gegangen und es sei ihr bisher persönlichster Roman, heißt es. Und tatsächlich lässt dieses Buch unschwer erkennen, wie viel Herzblut darin steckt.

Mit großer Liebe zum Detail hat die Autorin an ihren Figuren gefeilt und einen Plot erarbeitet, der manche Überraschungen bereithält – das gilt für die guten ebenso wie für die schlechten.

Die Not, die die Menschen damals litten und die Umstände, unter denen sie leben mussten, sprengen heute jegliche Vorstellungskraft. Aus diesem Grund ist Lilly Bernsteins Buch mehr als ein Roman, sondern zeitgleich eine Mahnung, wie dankbar wir heute für alle Annehmlichkeiten des Alltags, volle Supermarktregale und ein gemütliches Zuhause sein müssen.

Dank vieler Gespräche mit Zeitzeugen und umfangreicher Recherchen gelingt es Lilly Bernstein in ihrem Buch mühelos, die unvorstellbaren Lebensbedingungen von damals in Worte zu fassen und für ihre Leserschaft regelrecht erlebbar zu machen.

„Trümmermädchen“ ist außerdem ein Buch, das Mut macht, denn was Anna und ihre Familie leisten, ist unvorstellbar. Ja, sie hadern, sie sind erschöpft, doch sie kämpfen entschlossen für ihren Traum. Ohne ein paar für meinen Geschmack zu glückliche Zufälle ließe sich der allerdings nicht realisieren.

Dennoch ist „Trümmermädchen“ ein bildgewaltiger Roman, der mit Anna über eine gleichermaßen sympathische wie starke Protagonistin verfügt, die stellvertretend für eine ganze Generation steht, die sich mit bewundernswerter Tatkraft nach dem Krieg dem Wiederaufbau eines ganzen Landes gewidmet hat.

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Veröffentlicht am 21.03.2025

Ungewöhnlicher Roman

Armes Ding
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Zu Beginn von Matias Faldbakkens Roman "Armes Ding" wähnt man sich in einem Märchen. Oskar, ein Waisenjunge, der sich auf dem Hof der Blums in der Abgeschiedenheit Norwegens verdingt, entdeckt im Wald ...

Zu Beginn von Matias Faldbakkens Roman "Armes Ding" wähnt man sich in einem Märchen. Oskar, ein Waisenjunge, der sich auf dem Hof der Blums in der Abgeschiedenheit Norwegens verdingt, entdeckt im Wald ein Mädchen. Das ist wild, klein, stinkt bestialisch und kann nicht sprechen. Oskar fängt es ein und nimmt die Kreatur, ein im wahrsten Sinne des Wortes armes Ding, mit nach Hause. Dort wird es den Alltag auf dem Hof gehörig durcheinanderwirbeln. Als das Mädchen sich mit Oskars Hilfe zu einer zivilisierten jungen Frau entwickelt, gehen beide fort: In die Stadt. Doch diese Entscheidung wird Oskar bereuen ...

Der Roman "Armes Ding" (erschienen am 11. September 2024 bei btb/Penguin Random House) lässt sich ebenso schwer einordnen wie seine seltsame Hauptdarstellerin. Die Zeit auf dem Hof wird von Matias Faldbakken in einer einfachen Sprache dargestellt - so einfach wie das Leben selbst, das Oskar dort führt, gepaart mit rohen und expliziten Ausdrücken - so barbarisch wie das Mädchen, das Oskar im Wald findet. Ins Deutsche übersetzt wurde der norwegische Originaltitel "Stakkar" von Maximilian Stadler.

In welcher Zeit der Roman spielt, lässt sich nicht ausmachen. Vielleicht in den Neunzehnhundertzwanzigern, vielleicht aber auch in den Sechzigern. Über allem liegt die Atmosphäre vergangener Zeiten, als das Leben scheinbar noch simpel war und noch nicht durchdigitalisiert.

Als Oskar und das Mädchen dann in die Stadt gehen, wirken die beiden wie aus der Zeit gefallen, denn die Stadt ist modern und belebt: Ein spürbarer Bruch in der Geschichte. Und auch das Mädchen verändert sich. Oskar hingegen verelendet zusehends, er fühlt sich nicht mehr gebraucht.

Zum Schluss driftet Faldbakken zu sehr ins Philsophische, Künstlerische ab. Aber das ist wohl nicht verwunderlich, schließlich hat der Autor in Bergen und Frankfurt am Main Kunst studiert. Das Ende des Romans empfand ich als unbefriedigend.

Auf dem Weg dorthin liest man sich allerdings durch ein ganz und gar ungewöhnliches Stück Literatur, auf das man sich einlassen muss.

Was Faldbakken fantastisch kann, ist Atmosphäre. Poetisch beschreibt er eine Szene, in der Oskar und das Mädchen über einen See rudern, nur vom Mond beschienen. Die Stille, das Mondlicht, das Wasser, das gegen den den Bootsrumpf schwappt: Davon erzählt der Autor mit grandioser Sinnlichkeit.

"Armes Ding" ist ein ungewöhnliches Märchen über zwei einsame Seelen, die sich nicht gesucht haben, aber gegenseitig brauchen.

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Veröffentlicht am 13.02.2025

Anstrengender Bestseller aus Frankreich

Mein Mann
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Sie ist Englischlehrerin und seit 15 Jahren mit ihm verheiratet. Die beiden haben zwei gemeinsame Kinder und führen ein wahres Bilderbuchleben. Doch sie weiß, wie viel Kraft und strategisches Denken es ...

Sie ist Englischlehrerin und seit 15 Jahren mit ihm verheiratet. Die beiden haben zwei gemeinsame Kinder und führen ein wahres Bilderbuchleben. Doch sie weiß, wie viel Kraft und strategisches Denken es braucht, um dafür zu sorgen, dass die Liebe des Ehepartners bestehen bleibt. Denn darum dreht sich ihr ganzes Leben: Die Verhinderung des Worst Case - nämlich, dass er sie womöglich eines Tages nicht mehr lieben könnte ...

Die Leseprobe von Maud Venturas Debütroman "Mein Mann" (erschienen am 5. September 2024 bei Hoffmann und Campe und im französischen Original mit "Mon Mari" betitelt) hatte mich schlicht und ergreifend umgehauen. Die Wucht ihrer Worte war beeindruckend und ich freute mich sehr auf das Buch, das mit der Beschreibung "Die Nr.-1-Bestsellersensation aus Frankreich" die Messlatte der Erwartungen in schwindelerregende Höhen trieb. Das "Alles oder nichts"-Denken der weiblichen Hauptfigur gefiel mir, ihre brennende Leidenschaft für ihren Mann ebenso. Zumindest am Anfang.

Schon bald wird klar, dass die Protagonistin dieses Buches vollkommen besessen von ihrem Mann ist, den sie durchweg nur "meinen Mann" nennt und damit ihren Besitzanspruch unmissverständlich markiert. Seinen Vornamen erfährt der Leser nie. Ihr ganzes Sein kreist um ihn, sie ist emotional vollkommen abhängig von ihm. Sie überwacht ihn, sie führt Tagebuch über ihn, sie spielt ihm etwas vor.

Eigentlich kann die Protagonistin einem leidtun, denn ihr Selbstwertgefühl scheint so gut wie nicht vorhanden zu sein. Immerhin definiert sie sich ausschließlich über ihren Mann und stellt ihn auch eindeutig über die beiden Kinder. Von einer Verlustangst getrieben, versucht sie alles, um ihn zu halten. Sie will Garantien, die es im Leben nicht geben kann. Mit einer beängstigenden Verbissenheit taktiert sie, um ihn nur ja nicht zu verlieren.

Ganz ehrlich? Das ist keine Ehe, sondern eine Inszenierung, bei der auf jede vermeintliche Unaufmerksamkeit des Gatten eine Strafe folgt. Zu Anfang mag das noch fesseln, doch über 272 Seiten hinweg ist dieses Schauspiel, diese Obsession einfach nur anstrengend.

Von der Handlung hatte ich mir weitaus mehr versprochen. Schließlich heißt es in der Buchbeschreibung: "[...] Und dann geht sie zu weit." Es mag daran liegen, dass ich als passionierte Krimi- und Thriller-Leserin in diesen Satz zu viel hineininterpretiert habe, aber die traurige Wahrheit ist, dass die Geschichte weiter vor sich hinplätschert, ohne dass etwas wirklich Bahnbrechendes geschieht.

Den großen Twist hat sich die 1992 geborene Autorin Maud Ventura für den Schluss aufgehoben. Ohne zu spoilern, kann ich sagen, dass das Ende in der Tat ein Knaller ist - und der Grund, warum ich dann doch versöhnliche drei Sterne für "Mein Mann" vergebe.

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Veröffentlicht am 16.12.2024

Leider bei Weitem schwächer als der Vorgänger-Roman

Die anhaltende Suche nach Glück
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Nachdem ich Géraldine Dalban-Moreynas' Debütroman "An Liebe stirbst du nicht" gelesen hatte, war ich absolut fasziniert von diesem Buch. Meine Rezension war vollkommen zu recht ein einziger Lobgesang. ...

Nachdem ich Géraldine Dalban-Moreynas' Debütroman "An Liebe stirbst du nicht" gelesen hatte, war ich absolut fasziniert von diesem Buch. Meine Rezension war vollkommen zu recht ein einziger Lobgesang. Umso gespannter war ich nun auf den neuen Roman der Autorin mit dem Titel "Die anhaltende Suche nach Glück", erschienen am 20. August 2024 bei HarperCollins Germany.

Im Zentrum des Geschehens steht Géraldine, eine starke Frau und alleinerziehende Mutter einer Tochter. Erst am Ende erfährt der Leser, dass die bis dato namenlose Protagonistin Géraldine heißt. Ob das Buch autobiografische Züge hat oder die Hauptperson lediglich denselben Vornamen wie die Autorin trägt, weiß wohl nur Géraldine Dalban-Moreynas.

In 13 Kapiteln erleben wir eine Frau, die beruflich erfolgreich ist und meint, zu ihrem Glück würde ihr noch der passende Partner fehlen. Als sie den endlich gefunden hat und nunmehr Patchwork-Mama ist, glaubt sie, endlich angekommen zu sein. Die beiden beziehen mit ihren Kindern ein gemeinsames Haus und genießen ihr Familienglück. Bis es eines Tages plötzlich von jetzt auf gleich damit vorbei ist ...

In "Die anhaltende Suche nach Glück" richtet die Autorin den Fokus vor allem auf die Frage, was Glück genau bedeutet. Für Géraldine ist es zunächst offensichtlich der richtige Mann. Ihre Welt wird - verständlicherweise - in ihren Grundfesten erschüttert, als sie wieder allein mit ihrer Tochter dasteht.

Die Protagonistin und ihre mentale Stärke sind faszinierend. Sie steht wieder auf, kämpft für ihren Traum und lässt sich nicht unterkriegen. Die Sprache des Romans ist wie schon beim Vorgängerroman stilvoll, sinnlich und gleichzeitig pointiert. Übersetzerin Sina de Malafosse hat da hervorragende Arbeit geleistet.

Allerdings haben mir die Zeitsprünge und die gesichtslosen Nebenfiguren die Freude an diesem Roman verhagelt. "Die anhaltende Suche nach Glück" hat mich alles in allem einfach nicht richtig packen können, obwohl das Buch eine wichtige Botschaft vermittelt, die sich wohl mit einem Zitat, das dem Musikwissenschaftler Werner Braun zugeschrieben wird, hervorragend zusammenfassen lässt:

„Wenn wir es nicht von anderen Menschen abhängig machen, unser Glück zu erreichen, dann sind wir auf dem richtigen Wege, dies auch zu schaffen.“

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Veröffentlicht am 29.11.2023

Anders als erwartet: Sachbuch über Serienmörder

Serienmörder - Der Mensch hinter dem Monster
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Das True Crime-Genre boomt – ob in Serien, Podcasts oder Büchern. Grausame Taten, die einen nicht selten sprachlos machen, lassen Zuschauer, Hörer und Leser immer mit derselben Frage zurück: Liegt den ...

Das True Crime-Genre boomt – ob in Serien, Podcasts oder Büchern. Grausame Taten, die einen nicht selten sprachlos machen, lassen Zuschauer, Hörer und Leser immer mit derselben Frage zurück: Liegt den Tätern das Böse von Geburt an im Blut oder werden sie erst im Laufe ihres Lebens zu Monstern gemacht?

Zu dieser Frage hat Florence McLean, die Autorin des Sachbuchs „Serienmörder – Der Mensch hinter dem Monster“ eine eindeutige Meinung. (Die werde ich allerdings hier nicht verraten, um Euch die Spannung nicht zu nehmen.)

Florence McLean ist Psychologin und lebt in Dänemark. Für eine Forschungsarbeit hat sie Fragebögen an 34 Serienmörder verschickt. Sie wollte wissen, ob man einen potentiellen Serienmörder schon vor seiner ersten Tat entlarven kann, um so bestenfalls verhindern zu können, dass er überhaupt tötet. Daraus entwickelten sich in einzelnen Fällen sogar teils makabere Brieffreundschaften. In ihrem Buch, das am 22. September 2022 bei SAGA Egmont erschienen ist, sind Auszüge aus diesen Briefen abgedruckt. Florence McLean macht kein Geheimnis daraus, dass ihr beim Lesen des ein oder anderen Schriftstücks ein kalter Schauer über den Rücken lief – was, wenn der Täter eines Tages auf freien Fuß käme und urplötzlich vor ihrer Tür stünde? Doch diese Angst konnten ihr Spezialisten des FBI, mit denen sie in Kontakt stand, relativ schnell nehmen.

In elf Kapiteln berichtet Florence McLean über die Fragestellungen und die Ergebnisse ihrer Forschungsarbeit, deren Erkenntnisse für sie auch heute in ihrer Arbeit mit Kindern und Jugendlichen eine Grundlage bilden.

Ehrlich gesagt habe ich mir von dem Buch etwas anderes erwartet: Nämlich die Vorstellung aller Serienmörder, mit denen die Autorin in Kontakt getreten ist, und vor allem ihre fachliche Beurteilung dazu. Weil die Untersuchungen aber vertraulich waren, beschränkte sich Florence McLean auf wenige ausgewählte Täter, die mit der Veröffentlichung einverstanden waren. Ihre Ausführungen sind im Großen und Ganzen sehr allgemein gehalten.

Für meinen Geschmack ein wenig zu ausschweifend berichtet die Autorin zudem über ihr eigenes Leben und ihren beruflichen Werdegang.

Dennoch ist „Serienmörder – Der Mensch hinter dem Monster“ ein zwar sehr nüchtern geschriebenes, wenngleich auch erkenntnisreiches Sachbuch, das den Schwerpunkt nicht auf die Taten, sondern auf die psychologischen, psychiatrischen und sozialen Auffälligkeiten von Serienmördern im Allgemeinen legt.

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