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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 30.06.2018

Herzerwärmender, humorvoller Roman mit liebevoll ausgearbeiteten Figuren

Miss Gladys und ihr Astronaut
0

Spoilerfreie Rezension!


Inhalt

Zuerst will niemand es Gladys glauben, hat die alte Dame, die schon auf die 71 zugeht, doch beginnende Demenz: Sie behauptet, sie habe mit dem wohl weltweit bekanntesten ...

Spoilerfreie Rezension!


Inhalt

Zuerst will niemand es Gladys glauben, hat die alte Dame, die schon auf die 71 zugeht, doch beginnende Demenz: Sie behauptet, sie habe mit dem wohl weltweit bekanntesten Astronauten gesprochen – mit Thomas Major. Der mürrische Mann, der als erster Mensch den Mars besiedeln wird und sich in erster Linie in den Weltraum schießen ließ, um von der Welt und ihren grässlichen Bewohnern fortzukommen, hat sich eigentlich nur verwählt. Bald wird jedoch klar, dass Gladys und ihre Familie in großen Schwierigkeiten stecken. Vielleicht ist ein Astronaut ja genau das, was sie in ihrer verzwickten Lage noch retten kann…

Übersicht

Einzelband oder Reihe: Einzelband
Erzählweise: Figuraler Erzähler, Präsens
Perspektive: aus verschiedenen Perspektiven (männlich und weiblich)
Kapitellänge: kurz bis mittel
Tiere im Buch: - Es wird eine Kuh überfahren und der Vorfall als lustig dargestellt. Auch von genmanipulierten Tieren (hierbei werden auch Züchtungen angedeutet, die als tierquälerisch einzustufen sind) wird berichtet.

Warum dieses Buch?

Ich habe vor dem Lesen so viel Gutes über dieses Buch gehört, und der Klappentext versprach eine ganz und gar ungewöhnliche, interessante Geschichte. Da konnte ich natürlich wieder nicht wiederstehen! Das ungewöhnliche, kreative Cover verstärkte meinen Wunsch, das Buch zu lesen, nur noch zusätzlich.

Meine Meinung

Einstieg (+)

Ich habe das Buch parallel als Buch und Hörbuch gelesen/gehört, weswegen ich hier auch auf den Aspekt des Sprechers näher eingehen werde. Begonnen habe ich mit dem Hörbuch, und ich hatte überhaupt keine Probleme, in die Geschichte zu finden. Der Sprecher, der sich so viel Mühe gegeben hat (dazu später mehr), hat mir den Einstieg sehr angenehm gemacht. Sofort wollte ich wissen, wie es mit der chaotischen Familie um Gladys und mit dem mürrischen Astronauten weitergeht.

Inhalt, Themen & Botschaften (+)

David M. Barnett erzählt in „Miss Gladys und ihr Astronaut“ eine ungewöhnliche Geschichte, auf die man sich voll und ganz einlassen sollte. Wenn man ausblendet, dass sich die Story um Tom Major nicht immer ganz nahe an der Realität bewegt, wird man dieses kurzweilige, herzerwärmende Buch mit Sicherheit genießen können. Und dieser Roman eignet sich tatsächlich perfekt als Auszeit vom Alltagsstress: Beim Lesen oder Hören konnte ich vollkommen abschalten. Nur allzu gerne begleitet man Ellie, James und Gladys bei ihren Alltagsproblemen, und nur zu gerne lässt man sich von Thomas Major mit in seinen „Schuppen“ im All nehmen.

Beim Lesen kommt tatsächlich (bei all den Anspielungen auf David Bowie kein Wunder!) intensive Weltraumstimmung auf. Solltet ihr beim Lesen das plötzliche Bedürfnis verspüren, euch sämtliche „Space Oddity“-Cover anzuhören und Informationsvideos über das Leben im All anzusehen – ich kann euch beruhigen, das ist ganz normal! Besonders ans Herz legen möchte ich euch jenes Cover, das vom kanadischen Astronauten Chris Hadfield auf der Raumstation ISS aufgenommen wurde. Eines kann ich prophezeien: Nach dem Lesen werdet ihr die Macht der Schwerkraft gleich viel stärker wahrnehmen, und ein vages Fernweh wird euch im Herzen schmerzen. Dieser kleine Schmerz, liebe LeserInnen, ist die Sehnsucht nach Schwerelosigkeit, nach Durch-die-Luft-Schweben, nach einer Reise ins All.

Trotz der Leichtigkeit und der kuriosen Situationen und Wendungen, die die Geschichte durchziehen, gibt es immer wieder auch ernste, sogar traurige Momente, die nachdenklich machen. So gelingt es dem Autor, der Geschichte, die viele verschiedene Themen wie Schuld, Demenz, Alter, Fehler, verpasste Chancen, Trauer, Hoffnung, Mobbing, Familie und Zusammenhalt behandelt, durchaus zwischendurch auch Tiefe zu verleihen.

Schreibstil (+)

Der Schreibstil ist flüssig und sehr angenehm zu lesen. Dabei sind die Beschreibungen sehr anschaulich und machen es einfach, das Kopfkino anzuwerfen. Die Sätze bestehen hauptsächlich aus Satzgefügen, die Sprache ist also keinesfalls zu einfach oder gar plump. Im Gegenteil – meiner Meinung nach hat David M. Barnett für diese Geschichte die perfekte Sprache gewählt, denn dadurch ist dieser Roman herzerwärmend, witzig, traurig und hoch emotional!

Protagonistin & Figuren (+/-)

Die Figuren machen vielleicht die größte Stärke des Romans aus. Bis in die Nebenfiguren sind sie einmalig und liebevollst ausgearbeitet, jede Person hat ihre Stärken, Schwächen, Macken und ganz eigene (oft schmerzhafte) Vorgeschichte. Besonders glänzen können aber natürlich die Hauptfiguren. Sie sind dreidimensional und komplex und machen eine glaubwürdige Entwicklung durch. Zahlreiche Rückblenden erklären vor allem Toms Vergangenheit und machen es leichter, sein Verhalten zu verstehen. Diese Rückblenden haben mich zwar manchmal etwas aus dem Lesefluss gerissen, jedoch waren sie niemals belanglos oder langweilig, sondern gaben wichtige Hintergrundinformationen preis. Auch wenn die Charaktere sich nicht immer vollkommen sympathisch verhalten, werden ihre Handlungsmotive, Ängste und Sorgen deutlich und man kann gar nicht anders, als sie ins Herz zu schließen.

Besonders toll fand ich natürlich Gladys: Sowohl die ernsten, tragischen als auch die amüsanten Seiten ihrer Altersdemenz werden im Roman thematisiert, dabei wird die alte, teilweise recht naive Dame aber nie nur durch ihre Krankheit definiert: Im Gegenteil, sie hat eine starke Persönlichkeit und ihre ganz eigene Vorstellung davon, wie Probleme gelöst werden können. Eine tolle Figur! Einziger Wermutstropfen: Ich hätte mir gewünscht, noch mehr von Gladys und Major Toms Alltag zu lesen – hier wurde meiner Meinung nach Potential verschenkt.

Spannung & Atmosphäre (+)

Diesem Buch gelingt es hervorragend eine breite Palette von Gefühlen abzudecken: Die Geschichte lädt die Lesenden ein, mitzufühlen, mitzuhoffen und mitzuleiden und weckt Emotionen. Die Atmosphäre reicht von ernst, hoffnungslos, traurig und wütend über hoffnungsvoll, unbeschwert und glücklich bis hin zu amüsant. „Miss Gladys und ihr Astronaut“ ist stellenweise ein eher ruhiges Buch, das jedoch niemals langweilig wird. Immer wieder gibt es kleine, unerwartete Wendungen und natürlich will man wissen, wie die Geschichte schließlich für Ellie, James, Gladys und Major Tom ausgeht.

Humor (+/-)

Der Humor hat mir über weite Teile sehr gut gefallen. Mehrmals habe ich geschmunzelt oder sogar aufgelacht. An anderen Stellen jedoch wurde mein Humor jedoch leider gar nicht getroffen, hier waren mir die Witze zu flapsig und unangebracht.

Sprecher (♥)

Das Beste am Hörbuch war mit Sicherheit der hervorragende Sprecher, Simon Jäger. Er hat beim Lesen wirklich alles gegeben, viele Emotionen hineingelegt und mit seiner angenehmen Stimme souverän und talentiert durch die Geschichte geführt. Jede Figur erhält ihre eigene Stimme, besonders Gladys wurde wundervoll vertont! Das Buch wurde durch seine Sprechweise noch emotionaler, noch humorvoller, einfach insgesamt noch besser. Ich (als jemand, der schnell von fremden Stimmen genervt ist) werde den Sprecher im Hinterkopf behalten. Es wird mit Sicherheit nicht mein letztes Hörbuch von ihm bleiben.

Geschlechterrollen (+/-)

Hier bin ich zwiegespalten, da ich doch einige Kritikpunkte habe. Einerseits gibt es viele starke Frauenfiguren, die wissen, was sie wollen und das auch kommunizieren. Ellie ergreift zum Beispiel in Bezug auf Delil die Initiative, es gibt Frauen in Führungspositionen und generell selbstbewusste weibliche Figuren mit Vorbildwirkung. Andererseits gibt es teilweise auch unangebrachte Vergleiche, das alte Rollenverständnis, und das Wort „Schla***“ wird mehrfach benutzt, sowohl von Erwachsenen als auch von Kindern. Letzteres ist etwas, was ich ganz schlimm finde: dass schon so junge Menschen diese sexistischen Beschimpfungen verinnerlicht haben. Hier würde ich mir in Zukunft vom Autor mehr Sensibilität für dieses Thema wünschen, da Medien uns unbewusst stark beeinflussen können.

Mein Fazit

"Miss Gladys und ihr Astronaut" von David M. Barnett ist ein solider, herzerwärmender, humorvoller Roman, der vor allem mit seinem angenehmen Schreibstil und mit den liebevoll ausgearbeiteten Figuren punktet. Lediglich an manchen Stellen war mir der Humor zu flapsig und traf nicht ganz meinen Geschmack. Von Gladys und dem Alltag des Astronauten hätte ich zudem gerne mehr gelesen. Beim Lesen kommt richtige Weltraumstimmung auf (Musik-Tipp: Space Oddity von David Bowie und das Astronauten-Cover), und wenn man sich vollkommen auf die nicht immer ganz realistische Geschichte einlässt, wird man mit einem sehr kurzweiligen, angenehmen, durchaus tiefgründigen Leseerlebnis belohnt.

Empfehlung: Uneingeschränkte Leseempfehlung für alle, die dem Alltag einmal entfliehen möchten und Lust auf eine Reise ins Weltall haben.

Bewertung

Idee, Themen, Botschaft: 5 Sterne
Ausführung: 4 Sterne
Schreibstil: 4 Sterne
Protagonist/innen: 5 Sterne
Figuren: 4 Sterne
Atmosphäre: 4 Sterne
Spannung: 4 Sterne
Emotionale Involviertheit: 4,5 Sterne
Geschlechterrollen: +/-

Insgesamt:

❀❀❀❀ Lilien

Dieses Buch bekommt von mir 4 zufriedene Lilien!

Veröffentlicht am 30.06.2018

Herzerwärmender, humorvoller Roman mit liebevoll ausgearbeiteten Figuren

Miss Gladys und ihr Astronaut
0

Spoilerfreie Rezension!

Inhalt

Zuerst will niemand es Gladys glauben, hat die alte Dame, die schon auf die 71 zugeht, doch beginnende Demenz: Sie behauptet, sie habe mit dem wohl weltweit bekanntesten ...

Spoilerfreie Rezension!

Inhalt

Zuerst will niemand es Gladys glauben, hat die alte Dame, die schon auf die 71 zugeht, doch beginnende Demenz: Sie behauptet, sie habe mit dem wohl weltweit bekanntesten Astronauten gesprochen – mit Thomas Major. Der mürrische Mann, der als erster Mensch den Mars besiedeln wird und sich in erster Linie in den Weltraum schießen ließ, um von der Welt und ihren grässlichen Bewohnern fortzukommen, hat sich eigentlich nur verwählt. Bald wird jedoch klar, dass Gladys und ihre Familie in großen Schwierigkeiten stecken. Vielleicht ist ein Astronaut ja genau das, was sie in ihrer verzwickten Lage noch retten kann…

Übersicht

Einzelband oder Reihe: Einzelband
Erzählweise: Figuraler Erzähler, Präsens
Perspektive: aus verschiedenen Perspektiven (männlich und weiblich)
Kapitellänge: kurz bis mittel
Tiere im Buch: - Es wird eine Kuh überfahren und der Vorfall als lustig dargestellt. Auch von genmanipulierten Tieren (hierbei werden auch Züchtungen angedeutet, die als tierquälerisch einzustufen sind) wird berichtet.

Warum dieses Buch?

Ich habe vor dem Lesen so viel Gutes über dieses Buch gehört, und der Klappentext versprach eine ganz und gar ungewöhnliche, interessante Geschichte. Da konnte ich natürlich wieder nicht wiederstehen! Das ungewöhnliche, kreative Cover verstärkte meinen Wunsch, das Buch zu lesen, nur noch zusätzlich.

Meine Meinung

Einstieg (+)

Ich habe das Buch parallel als Buch und Hörbuch gelesen/gehört, weswegen ich hier auch auf den Aspekt des Sprechers näher eingehen werde. Begonnen habe ich mit dem Hörbuch, und ich hatte überhaupt keine Probleme, in die Geschichte zu finden. Der Sprecher, der sich so viel Mühe gegeben hat (dazu später mehr), hat mir den Einstieg sehr angenehm gemacht. Sofort wollte ich wissen, wie es mit der chaotischen Familie um Gladys und mit dem mürrischen Astronauten weitergeht.

Inhalt, Themen & Botschaften (+)

David M. Barnett erzählt in „Miss Gladys und ihr Astronaut“ eine ungewöhnliche Geschichte, auf die man sich voll und ganz einlassen sollte. Wenn man ausblendet, dass sich die Story um Tom Major nicht immer ganz nahe an der Realität bewegt, wird man dieses kurzweilige, herzerwärmende Buch mit Sicherheit genießen können. Und dieser Roman eignet sich tatsächlich perfekt als Auszeit vom Alltagsstress: Beim Lesen oder Hören konnte ich vollkommen abschalten. Nur allzu gerne begleitet man Ellie, James und Gladys bei ihren Alltagsproblemen, und nur zu gerne lässt man sich von Thomas Major mit in seinen „Schuppen“ im All nehmen.

Beim Lesen kommt tatsächlich (bei all den Anspielungen auf David Bowie kein Wunder!) intensive Weltraumstimmung auf. Solltet ihr beim Lesen das plötzliche Bedürfnis verspüren, euch sämtliche „Space Oddity“-Cover anzuhören und Informationsvideos über das Leben im All anzusehen – ich kann euch beruhigen, das ist ganz normal! Besonders ans Herz legen möchte ich euch jenes Cover, das vom kanadischen Astronauten Chris Hadfield auf der Raumstation ISS aufgenommen wurde. Eines kann ich prophezeien: Nach dem Lesen werdet ihr die Macht der Schwerkraft gleich viel stärker wahrnehmen, und ein vages Fernweh wird euch im Herzen schmerzen. Dieser kleine Schmerz, liebe LeserInnen, ist die Sehnsucht nach Schwerelosigkeit, nach Durch-die-Luft-Schweben, nach einer Reise ins All.

Trotz der Leichtigkeit und der kuriosen Situationen und Wendungen, die die Geschichte durchziehen, gibt es immer wieder auch ernste, sogar traurige Momente, die nachdenklich machen. So gelingt es dem Autor, der Geschichte, die viele verschiedene Themen wie Schuld, Demenz, Alter, Fehler, verpasste Chancen, Trauer, Hoffnung, Mobbing, Familie und Zusammenhalt behandelt, durchaus zwischendurch auch Tiefe zu verleihen.

Schreibstil (+)

Der Schreibstil ist flüssig und sehr angenehm zu lesen. Dabei sind die Beschreibungen sehr anschaulich und machen es einfach, das Kopfkino anzuwerfen. Die Sätze bestehen hauptsächlich aus Satzgefügen, die Sprache ist also keinesfalls zu einfach oder gar plump. Im Gegenteil – meiner Meinung nach hat David M. Barnett für diese Geschichte die perfekte Sprache gewählt, denn dadurch ist dieser Roman herzerwärmend, witzig, traurig und hoch emotional!

Protagonistin & Figuren (+/-)

Die Figuren machen vielleicht die größte Stärke des Romans aus. Bis in die Nebenfiguren sind sie einmalig und liebevollst ausgearbeitet, jede Person hat ihre Stärken, Schwächen, Macken und ganz eigene (oft schmerzhafte) Vorgeschichte. Besonders glänzen können aber natürlich die Hauptfiguren. Sie sind dreidimensional und komplex und machen eine glaubwürdige Entwicklung durch. Zahlreiche Rückblenden erklären vor allem Toms Vergangenheit und machen es leichter, sein Verhalten zu verstehen. Diese Rückblenden haben mich zwar manchmal etwas aus dem Lesefluss gerissen, jedoch waren sie niemals belanglos oder langweilig, sondern gaben wichtige Hintergrundinformationen preis. Auch wenn die Charaktere sich nicht immer vollkommen sympathisch verhalten, werden ihre Handlungsmotive, Ängste und Sorgen deutlich und man kann gar nicht anders, als sie ins Herz zu schließen.

Besonders toll fand ich natürlich Gladys: Sowohl die ernsten, tragischen als auch die amüsanten Seiten ihrer Altersdemenz werden im Roman thematisiert, dabei wird die alte, teilweise recht naive Dame aber nie nur durch ihre Krankheit definiert: Im Gegenteil, sie hat eine starke Persönlichkeit und ihre ganz eigene Vorstellung davon, wie Probleme gelöst werden können. Eine tolle Figur! Einziger Wermutstropfen: Ich hätte mir gewünscht, noch mehr von Gladys und Major Toms Alltag zu lesen – hier wurde meiner Meinung nach Potential verschenkt.

Spannung & Atmosphäre (+)

Diesem Buch gelingt es hervorragend eine breite Palette von Gefühlen abzudecken: Die Geschichte lädt die Lesenden ein, mitzufühlen, mitzuhoffen und mitzuleiden und weckt Emotionen. Die Atmosphäre reicht von ernst, hoffnungslos, traurig und wütend über hoffnungsvoll, unbeschwert und glücklich bis hin zu amüsant. „Miss Gladys und ihr Astronaut“ ist stellenweise ein eher ruhiges Buch, das jedoch niemals langweilig wird. Immer wieder gibt es kleine, unerwartete Wendungen und natürlich will man wissen, wie die Geschichte schließlich für Ellie, James, Gladys und Major Tom ausgeht.

Humor (+/-)

Der Humor hat mir über weite Teile sehr gut gefallen. Mehrmals habe ich geschmunzelt oder sogar aufgelacht. An anderen Stellen jedoch wurde mein Humor jedoch leider gar nicht getroffen, hier waren mir die Witze zu flapsig und unangebracht.

Sprecher (♥)

Das Beste am Hörbuch war mit Sicherheit der hervorragende Sprecher, Simon Jäger. Er hat beim Lesen wirklich alles gegeben, viele Emotionen hineingelegt und mit seiner angenehmen Stimme souverän und talentiert durch die Geschichte geführt. Jede Figur erhält ihre eigene Stimme, besonders Gladys wurde wundervoll vertont! Das Buch wurde durch seine Sprechweise noch emotionaler, noch humorvoller, einfach insgesamt noch besser. Ich (als jemand, der schnell von fremden Stimmen genervt ist) werde den Sprecher im Hinterkopf behalten. Es wird mit Sicherheit nicht mein letztes Hörbuch von ihm bleiben.

Geschlechterrollen (+/-)

Hier bin ich zwiegespalten, da ich doch einige Kritikpunkte habe. Einerseits gibt es viele starke Frauenfiguren, die wissen, was sie wollen und das auch kommunizieren. Ellie ergreift zum Beispiel in Bezug auf Delil die Initiative, es gibt Frauen in Führungspositionen und generell selbstbewusste weibliche Figuren mit Vorbildwirkung. Andererseits gibt es teilweise auch unangebrachte Vergleiche, das alte Rollenverständnis, und das Wort „Schla***“ wird mehrfach benutzt, sowohl von Erwachsenen als auch von Kindern. Letzteres ist etwas, was ich ganz schlimm finde: dass schon so junge Menschen diese sexistischen Beschimpfungen verinnerlicht haben. Hier würde ich mir in Zukunft vom Autor mehr Sensibilität für dieses Thema wünschen, da Medien uns unbewusst stark beeinflussen können.

Mein Fazit

"Miss Gladys und ihr Astronaut" von David M. Barnett ist ein solider, herzerwärmender, humorvoller Roman, der vor allem mit seinem angenehmen Schreibstil und mit den liebevoll ausgearbeiteten Figuren punktet. Lediglich an manchen Stellen war mir der Humor zu flapsig und traf nicht ganz meinen Geschmack. Von Gladys und dem Alltag des Astronauten hätte ich zudem gerne mehr gelesen. Beim Lesen kommt richtige Weltraumstimmung auf (Musik-Tipp: Space Oddity von David Bowie und das Astronauten-Cover), und wenn man sich vollkommen auf die nicht immer ganz realistische Geschichte einlässt, wird man mit einem sehr kurzweiligen, angenehmen, durchaus tiefgründigen Leseerlebnis belohnt.

Empfehlung: Uneingeschränkte Leseempfehlung für alle, die dem Alltag einmal entfliehen möchten und Lust auf eine Reise ins Weltall haben.

Bewertung

Idee, Themen, Botschaft: 5 Sterne
Ausführung: 4 Sterne
Schreibstil: 4 Sterne
Protagonist/innen: 5 Sterne
Figuren: 4 Sterne
Atmosphäre: 4 Sterne
Spannung: 4 Sterne
Emotionale Involviertheit: 4,5 Sterne
Geschlechterrollen: +/-

Insgesamt:

❀❀❀❀ Lilien

Dieses Buch bekommt von mir 4 zufriedene Lilien!

Veröffentlicht am 15.06.2018

Gelungener, feministischer Roman mit Schwächen

Der Zopf
0

Spoilerfreie Rezension!

Inhalt

Die Autorin erzählt drei Geschichten von drei ganz unterschiedlichen Frauen und verflicht diese zu einem literarischen Zopf. Die Inderin Smita setzt alle Hebel in Bewegung, ...

Spoilerfreie Rezension!

Inhalt

Die Autorin erzählt drei Geschichten von drei ganz unterschiedlichen Frauen und verflicht diese zu einem literarischen Zopf. Die Inderin Smita setzt alle Hebel in Bewegung, um ihrer Tochter die Schule zu ermöglichen. Die Italienerin Giulia kämpft um das Weiterbestehen der Firma ihres Vaters, und die erfolgreiche Anwältin Sarah erhält auf dem Höhepunkt ihrer Karriere eine niederschmetternde Diagnose. Neben ihrem Mut, ihrer Kraft und Entschlossenheit haben die Frauen noch etwas anderes gemeinsam: Haare bedeuten ihnen auf ganz unterschiedliche Art die Welt.

Übersicht

Einzelband oder Reihe: Einzelband
Erzählweise: Figuraler Erzähler, Präsens
Perspektive: aus drei verschiedenen Perspektiven (Smita, Giulia, Sarah)
Kapitellänge: mittel
Tiere im Buch: - Es wird genau beschrieben, wie Ratten getötet werden. Allerdings werden diese dann zumindest auch verwertet, indem sie gegessen werden. So war ihr Tod wenigstens nicht ganz umsonst. Es gibt außerdem einen Vergleich mit einem sterbenden Stier in der Arena.
Gewalt gegen Kinder: - Ein Mädchen wird von seiner Mutter geschlagen.

Warum dieses Buch?

Im Vorfeld habe ich nur positive Lesermeinungen gehört. Dadurch wurde meine Neugier entfacht.

Meine Meinung

Einstieg (+)

Ich habe sehr schnell und leicht ins Buch gefunden. Die Schilderungen des Lebensalltages in Indien haben mich sehr schockiert und sofort mit Smita mitfühlen lassen. Zu den anderen Figuren habe ich langsamer eine Bindung aufgebaut, aber auch das dauerte nicht allzu lange. Bezeichnend ist bereits die Widmung („Den mutigen Frauen!“), die ankündigt, dass es sich um ein feministisches Buch handeln wird.

„Heute ist ein Tag, an den sie sich ihr Leben lang erinnern wird. Heute kommt ihre Tochter in die Schule.
Smita selbst hat keine Schule je von innen gesehen. In Badlapur haben Leute wie sie da nichts zu suchen. Smita ist eine Dalit. Eine Unberührbare.“ E-Book, Position 48

Inhalt, Themen & Botschaften (+)

„Der Zopf“ erzählt drei ganz unterschiedliche Geschichten, die alle durch das Thema Haare eher lose, aber dennoch geschickt miteinander verknüpft sind. Nicht alle Leben sind dabei immer gleich interessant, dennoch wird es, auch durch die kleinen Cliffhanger am Kapitelende, niemals langatmig. Ich war stets neugierig, wie es weitergehen würde. Am interessantesten fand ich jedoch Smitas Erzählstrang. Die Unberührbare hat so gut wie keine Rechte, ihre tägliche Arbeit besteht im Leeren der Toilettenecken in den Höfen und Häusern. Der Gestank wird so eindringlich beschrieben, dass man beim Lesen lieber nicht gerade frühstücken sollte. Die Lebensumstände und der Alltag in Indien erschrecken: überall Dreck, in Flüssen treiben Opfergaben, Blumen und Leichen, deren Einäscherung nicht bezahlt werden kann, nebeneinander dahin, durch die schlechte hygienische Lage gibt es viele Krankheiten. Am schockierendsten für jeden Menschen mit einem Funken Mitgefühl, besonders aber für FeministInnen wie mich ist die Stellung der Frau. Heiße Wut beginnt im Bauch zu brodeln, wenn man liest, wie Vergehen in Indien hauptsächlich bestraft werden: durch Vergewaltigungen. Als wäre diese Strafe nicht schrecklich genug, werden Frauen nicht nur für eigene Vergehen bestraft, sondern auch für jene ihrer Ehemänner, Väter und Brüder. Die Zustände dort sind unerträglich. Auch heute noch weibliche Babys lebend begraben, werden Frauen meist von ihren Schwiegermüttern grausam behandelt und sind Witwen geächtet. Gerade deshalb fiebert man auch so mit Smita mit: Sie will aus diesem Kreislauf ausbrechen und ihrer Tochter den Schulbesuch, die Chance auf ein besseres Leben, ermöglichen.

„Dabei tötet man nicht weit von hier neugeborene Mädchen. In den Dörfern von Rajasthan verscharrt man sie lebend in einer Kiste unter dem Sand, gleich nach ihrer Geburt. Es dauert eine ganze Nacht, bis die kleinen Mädchen sterben.“ E-Book, Position 110

Giuilas und Sarahs Erzählstrang können mit Smitas nicht mithalten, sie wirkten auf mich weniger intensiv. Jedoch haben auch sie durchaus ihre Stärken. Man erfährt beispielsweise einige interessante Informationen über das Geschäft mit den Haaren und über das Dasein als erfolgreiche Anwältin. Das Buch behandelt viele wichtige Themen (manche tiefgreifender als andere) wie die Lebensumstände in Indien, die Ersetzbarkeit eines Menschen in unserer Leistungsgesellschaft, die Veränderungen unseres Zeitalters. Meiner Meinung nach ist das Buch aber auch feministisch: Starke Frauen stehen im Zentrum, sie zeigen Mut und Entschlossenheit, sind kompetent, emanzipieren sich von ihrer Familie und kämpfen für das, was ihnen wichtig ist. Smita, Giulia und Sarah haben also durchaus Vorbildwirkung für LeserInnen jeden Alters.

Abwechselnd begleitet man die Frauen ein eher kurzes Stück auf ihrem Weg. Einige wenige Logiklöcher und Klischees sind mir hierbei aufgefallen. Woher kommt zum Beispiel auf einmal das praktische Rad, das Smita gehört, obwohl sie doch so arm ist, dass sie sich nicht einmal Essen leisten kann? Das Ende kam mir dann viel zu schnell, unzählige Fragen waren noch offen, ließen mir keine Ruhe und mich unzufrieden zurück.

Schreibstil (+)

Der Schreibstil gefiel mir eigentlich richtig gut. Ich fand ihn sehr anschaulich, flüssig und angenehm lesbar. Es gibt keine Wiederholungen und ich hatte das Gefühl, dass die Autorin sehr routiniert und gekonnt erzählt. Die Sätze sind teilweise lange Hauptsatzreihen, teilweise sehr kurz, es gibt treffende, schöne Vergleiche und teilweise wird es sogar philosophisch. Manchmal hätte es bei den Emotionen und Gedanken der Figuren aber durchaus noch etwas mehr ins Detail gehen können, mehr Dialoge statt indirekter Rede hätten dem Buch außerdem gutgetan. Eines hat mich gestört: Bei einigen Worten wurde beschlossen, sie nicht zu übersetzen oder zu erklären, vermutlich um ein gewisses z. B. italienisches Flair zu erhalten. Manche Worte konnte ich mir noch irgendwie herleiten oder durch den Kontext erschließen. Andere allerdings definitiv nicht. Ein solches Buch sollte auch für Menschen, die die jeweiligen Sprachen nicht sprechen, verständlich sein, ohne ständig Google bemühen zu müssen. Mehr Erklärungen (oder Übersetzungen) wären hier sinnvoll und angebracht gewesen.

„Es empfahl sich eher zu lügen, eine Ausrede parat zu haben, irgendeine Geschichte zu erfinden, alles war vorteilhafter als zuzugeben, dass man Kinder hatte, mit anderen Worten: Fesseln, Bande, Verpflichtungen. Etwas, das die Verfügbarkeit einschränkte, die Entwicklung der Karriere ausbremste.“ E-Book, Position 326

Protagonistin & Figuren (+/-)

Die Hauptfiguren sind sympathisch, ich bin ihrer Geschichte gerne gefolgt. Jedoch hätten dem Buch einige Seiten mehr gutgetan, da die Charaktere dann liebevoller und einzigartiger gezeichnet werden hätten können. Auch bei den Gedanken und Gefühlen der Protagonistinnen hätte ich mir etwas mehr Tiefe gewünscht. Nach dem Lesen wurde nämlich schnell deutlich, dass die etwas flachen Figuren wohl schnell wieder vergessen sind. Smita, Giulia und Sarah erscheinen stellenweise eher einen gewissen Menschentyp darzustellen (der stellvertretend für eine ganze Gruppe steht) als eigenständige, lebendige, komplexe Menschen. Auch wenn ich durchaus mit ihnen mitgefiebert habe.

„Auf diese Weise hatte Sarah eine undurchlässige Mauer zwischen ihrem beruflichen und ihrem Privatleben errichtet, beide verliefen parallel zueinander, es gab keine Berührungspunkte. Die Mauer war fragil, zeigte hier und dort Risse, vielleicht würde sie eines Tages einstürzen.“ E-Book, Position 341

Die Nebenfiguren blieben großteils blass. Nur wenige nehmen eine wichtigere Rolle ein, nur wenig erfährt man über sie. Natürlich gibt es auch hier Ausnahmen. Besonders unsympathisch fand ich den cholerischen Vater von Giulia (egal, wie oft sie von seiner Liebe schwärmt), denn mit Menschen, die glauben, alle Welt müsse es verstehen, wenn sie ständig die Beherrschung verlieren, kann ich leider gar nichts anfangen.

Spannung & Atmosphäre (+)

Dieses Buch ist zwar nicht atemlos spannend, jedoch schafft es die Autorin, die Neugier konstant zu schüren. Ich wollte immer unbedingt wissen, wie es weitergeht. Die kleinen Cliffhanger am Ende der Kapitel sind natürlich ein sehr wichtiges Werkzeug, um diese Wirkung zu erreichen. Manches war ein wenig vorhersehbar, was mich aber nicht weiter gestört hat. Atmosphärisch hätte das Buch stellenweise noch etwas dichter sein können.

Geschlechterrollen (+)

Durch das Aufzeigen der Stellung der Frau in Indien wird Aufmerksamkeit auf ein wichtiges Thema gelenkt, das vielen LeserInnen möglicherweise vor der Lektüre dieses Buches nicht in diesem Umfang bewusst war. Dies kann helfen, die Lage in Indien zu verbessern. Doch auch der Alltagssexismus im Job der ambitionierten Anwältin und die gläserne Decke, die leider immer noch Tatsache ist, werden gnadenlos enttarnt. Wie die Autorin Chimamanda Ngozi Adichie in ihrem TED-Talk sagt: 52% der Weltbevölkerung sind Frauen. Warum wird die Erde dennoch hauptsächlich von Männern regiert? Die Botschaft von Laetitia Colombani scheint klar: Es muss sich etwas ändern und es ist heuchlerisch, nur mit dem Finger auf Schwellen- und Entwicklungsländer zu zeigen, denn auch bei uns ist es noch ein weiter Weg! Auch wenn die Autorin hier kein feministisches Manifest geschrieben und Lösungswege aufgezeigt hat, ist das Thema schon zentral im Buch. Die starken, mutigen, sich emanzipierenden Frauenfiguren der Geschichte unterstreichen diesen Eindruck nur.

„Die Rolle der Frau besteht darin, den Mann glänzen zu lassen, so hat ihre Mutter es ihr beigebracht.“ E-Book, Position 834

Mein Fazit

„Der Zopf“ ist ein gelungenes, interessantes Buch, das geschickt die Lebensgeschichten dreier ganz unterschiedlicher Frauen verknüpft. Der Schreibstil ist flüssig und routiniert, die Figuren sympathisch, wichtige Themen werden angesprochen. Dieses Buch ist außerdem ohne Frage ein feministischer Roman: Alltagssexismus, die extreme Benachteiligung und schlechte Behandlung der Frauen in Indien und die gläsernen Decken, die auch bei uns noch gibt und die es verhindern, dass talentierte, kompetente Frauen in hohe politische und unternehmerische Positionen aufsteigen, werden gnadenlos enttarnt. Smita, Giulia und Sarah sind selbstbestimmte, mutige, starke, ambitionierte Frauen, die ohne Zweifel Vorbildwirkung haben. Für kleinere Schwächen wie die etwas flachen, austauschbaren Figuren, die Logiklöcher und die teilweise fehlende Tiefe ziehe ich nur einen Stern ab, weil „Der Zopf“ insgesamt ein wirklich angenehmes Leseerlebnis war.

Empfehlung: Uneingeschränkte Leseempfehlung, besonders für Frauen (aber auch für Männer)!

Bewertung

Idee, Themen, Botschaft: 4 Sterne
Ausführung: 4 Sterne
Schreibstil: 4,5 Sterne
Protagonistinnen: 3,5 Sterne
Figuren: 3 Sterne
Atmosphäre: 4 Sterne
Spannung: 4 Sterne
Emotionale Involviertheit: 4 Sterne
Geschlechterrollen: +

Insgesamt:

❀❀❀❀ Lilien

Dieses Buch bekommt von mir 4 zufriedene Lilien!

Veröffentlicht am 13.07.2025

Erste Hälfte klischeehaft und langweilig, zweite Hälfte ungewöhnlich und (emotional) fesselnd…

All Lovers Lost
0

Spoilerfreie Rezension!

Inhalt

Die Medizin-Studentin Sina ist geschockt, als sie herausfindet, was der Mann, in den sie sich verliebt hat, wirklich ist: nämlich ein Vampir. Doch trotz seiner übermenschlichen ...

Spoilerfreie Rezension!

Inhalt

Die Medizin-Studentin Sina ist geschockt, als sie herausfindet, was der Mann, in den sie sich verliebt hat, wirklich ist: nämlich ein Vampir. Doch trotz seiner übermenschlichen Stärke schwebt er in Lebensgefahr, weil eine fremde Vampirin Hamburg mit Leichen übersät (und dadurch Aufmerksamkeit erregt) und weil eine Vampirjäger:innengilde hinter ihm her ist…

Übersicht

Einzelband oder Reihe: Band 1 von 2
Erzählweise: personale Erzählweise, Präteritum
Perspektive: weibliche und männliche Perspektive (vier verschiedene Perspektiven)
Kapitellänge: kurz

Inhaltswarnung: Blut (viel), Gewalt, Verletzungen, psychische Krankheiten (Depression), Alkoholmissbrauch, Tod von Menschen, Freiheitsberaubung
Bechdel-Test (zwei Frauen mit Namen sprechen miteinander über etwas anderes als einen Mann): bestanden
Frauenfeindliche / gegenderte Beleidigungen: Weib, M+ststück, Schla+++

Diese Geschichte solltest du lesen, wenn dir folgende Themen/Dinge in Büchern gut gefallen:

- Setting: Stadt, Hamburg
- typische Vampir-Liebesgeschichte
- altmodischer Love Interest, großer Age Gap (mehrere Jahrhunderte)
- überraschende Twists
- blutig / ungeschönt

Lieblingszitate

„‘Und was genau bist du?‘“, hakte Sina nach. ‚Ein Alien? Cyborg? Babylonischer Dämon?‘
‚Ein Vampir.‘“ Seite 82

„Weg von diesem Mann […] der sich nun von ihr ernährte, sie austrank, als wäre sie eine viel zu kleine Saftpackung.“ Seite 123

„Seine Hände glichen einem Sicherheitsnetz, das sie auffing […].“ Seite 146

Meine Rezension

„All Lovers Lost“ habe ich gekauft, weil ich in mehreren Rezensionen zum Buch gelesen hatte, dass es sich um eine ungewöhnliche Vampirstory handeln soll, die Genre-Konventionen bricht. Als Fan von Vampirliteratur hat man schließlich irgendwann fast alles gesehen und würde jeglicher frischen Brise fast überallhin folgen… Mittlerweile ist es schon Tradition, dass ich von Zeit zu Zeit mit Marieke Kessler (@mariekekessler auf Instagram) ein Vampirbuch lese – und auch bei diesem hier war sie wieder mit dabei.

Eines möchte ich gleich vorwegschicken, und zwar teilt sich der vorliegende Romantasy-Roman für mich in zwei Teile – in einen klischeehaften und langweiligen ersten und einen zauberhaften und emotional mitreißenden zweiten. Dazwischen befindet sich ein Twist, der seinesgleichen sucht und mich vollkommen eiskalt erwischt hat – dafür gibt es von mir einen Daumen nach oben!

Zuerst will ich aber auf die schwache erste Hälfte näher eingehen. Gestört hat mich, dass wir als Leser:innen hier im Prinzip eine 0815-Vampir-Lovestory voller Klischees serviert bekommen, wie wir (als Fans des Genres) sie schon unzählige Male gelesen haben: Jahrhundertealter, altmodischer Vampir verliebt sich auf den ersten Blick unsterblich in junge, moderne Frau, die natürlich ETWAS GANZ BESONDERES ist. Er kämpft gegen seine Instinkte, sie mit dem Wissen um seine Natur. (Ihr hört mich gähnen.) Bis hierhin fand ich die Geschichte oberflächlich, langweilig, blutleer und ohne jeden Biss. Noch kurz ein paar Worte zu den Figuren: Sina, eine Medizin-Studentin mit Helfer-Syndrom, Gewissen und gutem Herz, fand ich als Protagonstin ganz nett – aber mehr leider auch nicht. Sie wird mir nicht lange in Erinnerung bleiben, fürchte ich. Die anderen Figuren waren ebenfalls „okay“ (kein anderes Wort beschreibt meine Gefühle besser), die meisten von ihnen hätten allerdings noch mehr Farbe und Persönlichkeit vertragen können…

Doch dann rückte in der zweiten Hälfte der Geschichte eine neue Person ins Zentrum (nämlich Cassius ♥) – und da war es um mich geschehen, ich war wirklich ganz verzaubert und entzückt von ihm! Erst hier konnte die Autorin wirklich zeigen, was in ihrem Schreibstil steckt – der mir auch vorher schon als flüssig und angenehm aufgefallen war, aber nun wirklich überzeugte und in die Tiefe ging! Ich hatte das Gefühl, dass hinter ihren Sätzen ENDLICH Leidenschaft und Liebe für ihr eigenes Buch zu spüren waren – als hätte sie selbst nur auf diese Kapitel hingefiebert. So kommt es, dass ich nun doch mit dem Gedanken (den ich zuvor eigentlich schon ausgeschlossen hatte) spiele, Band 2 auch noch zu lesen…

Sehr gut gefallen haben mir neben dem Humor und ungeschönten Erzählweise (Vampirbisse werden hier wirklich nicht durch die rosarote Brille dargestellt, erfrischend!) auch die starken, teilweise sogar furcheinflößenden Frauenfiguren und dass in den Liebesbeziehungen weibliche Selbstbestimmung und Consent sehr zentral sind. Einen Punkt Abzug gibt es von mir für die (immerhin wenigen) vage se+istischen und klassistischen („Vampire stehen über Menschen“) Aussagen von Cassius.

Mein Fazit

„All Lovers Lost” lässt mich so zwiegespalten zurück, wie die Geschichte es in meinen Augen ist. Langeweile, Klischees und Enttäuschung (erste Hälfte) treffen auf einen fesselnden Schreibstil, große Emotionen und Begeisterung (zweite Hälfte). Wenn man das alles zusammenrechnet, kommen am Ende ganz gute/solide dreieinhalb Sterne heraus. Eine Leseempfehlung gibt es von mir nur für den zweiten Teil des Buches – aber um den lesen zu können, müsst ihr leider durch die ersten Kapitel durch. Ob es euch das wert ist, müsst ihr selbst entscheiden…

Bewertung (in Schulnoten)

Cover / Aufmachung (altes Cover): 3
Idee: 3
Inhalt, Themen, Botschaft: 2-3
Tiefe: 3
Umsetzung: 2-3
Worldbuilding: 2-3
Einstieg: 4
Ende: 2
Schreibstil: 2
Protagonistin: 2-3
Figuren: 2-3
Spannung: 3
Pacing/Tempo: 3-4
Wendungen: 1+ ♥
Atmosphäre: 2-3
Emotionale Involviertheit: 2-3
Feministischer Blickwinkel: 2
Einzigartigkeit: 3

Insgesamt:

Note 2-3

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 23.02.2025

Blieb leider hinter meinen Erwartungen zurück…

The Trap. Wie weit würdest du gehen, um deine Schwester zu retten?
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Spoilerfreie Rezension!

Inhalt

Jede Nacht lässt sich eine junge Frau von einem fremden Mann im Auto mitnehmen – immer in der Hoffnung, an das Monster zu geraten, das ihre Schwester entführt hat. In ...

Spoilerfreie Rezension!

Inhalt

Jede Nacht lässt sich eine junge Frau von einem fremden Mann im Auto mitnehmen – immer in der Hoffnung, an das Monster zu geraten, das ihre Schwester entführt hat. In der Hoffnung, sie so retten zu können, falls sie überhaupt noch lebt…

Übersicht

Einzelband oder Reihe: Einzelband
Erzählweise: Ich-Erzählweise, Du-Erzählweise, hauptsächlich figurale Erzählweise
Perspektive: mehrere Perspektiven (männliche und weibliche)
Kapitellänge: mittel

Inhaltswarnung: Gewalt gegen Frauen, se+ualisierte Gewalt (bis Vergew+ltigung), Mord, Blut, Verletzungen, Trauer, Stalking
Bechdel-Test (zwei Frauen mit Namen sprechen miteinander über etwas anderes als einen Mann): bestanden
Frauenfeindliche / gegenderte Beleidigungen: L+der, M+ststück (mehrmals), Hexe

Diese Geschichte solltest du lesen, wenn dir folgende Themen/Dinge in Büchern gut gefallen:

- Geschwisterliebe, Leben als Angehörige einer vermissten Person
- (se+ualisierte) Gewalt gegen Frauen im Fokus
- unerwartete Wendungen
- Polizeiarbeit
- verschiedene Perspektiven
- Setting: Irland

Lieblingszitate

„Den Teil des Abends, der ihm am liebsten war [Anmerkung: nächtlicher Fußmarsch nach Hause], musste SIE überleben.“ Seite 9

„Sie […] tut so, als wäre sie ein Mädchen, das es nicht geschafft hat, nach Hause zu kommen, und hofft, dass ein Monster anhält, um sie mitzunehmen. DAS Monster. Das Monster, das ihre Schwester mitgenommen hat.“ Seite 21

„Ich besitze keine besonderen Fertigkeiten, schon gar keine Superkräfte. Theoretisch könnte jeder tun, was ich getan habe, wenn er es nur wollte. Das ist für die Menschen besonders furchteinflößend […]“ Seite 130

Meine Rezension

"The Trap" habe ich letztes Jahr auf meiner Irland-Reise in einem Buchladen gesehen und seitdem ist es mir nicht mehr aus dem Kopf gegangen... Deshalb habe ich mich sehr gefreut, als ich erfahren habe, dass ich bei der Leserunde zum Buch dabei sein darf. Die ersten Seiten, auf denen man eine junge Frau dabei begleitet, wie sie versucht, sich vom Entführer ihrer Schwester im Auto mitnehmen (= ebenfalls entführen) zu lassen, um sie zu retten, haben mich sofort gefesselt und berührt – doch ist es danach auch so gut weitergegangen?

Die Antwort auf diese Frage ist leider ein klares Nein: Was der Anfang des Buches verspricht, kann der Rest nicht halten. Das liegt zu einem großen Teil daran, dass meine Erwartungen nicht erfüllt wurden und sich die Geschichte in eine ganz andere Richtung entwickelte als erhofft. Der Fokus verschiebt sich nämlich in Richtung Polizeiarbeit und die riskanten und lebengefährlichen Aktionen der jungen Frau (die im Klappentext angeteasert werden) nehmen kaum Raum ein, was bei mir ein Gefühl der Enttäuschung zurückließ. Dazu kommen noch Spannungseinbrüche im Mittelteil und die Tatsache, dass der Thriller bei wichtigen Themen wie (se+xualisierter) Gewalt gegen Frauen, Geschwisterliebe und der Schilderung der Ausnahmesituation als Angehörige eines Entführungsopfers eher oberflächlich bleibt. Die Figuren waren gut ausgearbeitet und ganz interessant – aber leider nichts Besonderes, sie werden mir nicht lange in Erinnerung bleiben.

Dabei ist „The Trap“ sicher kein schlechtes Buch – versteht mich bitte nicht falsch! Es gibt auch einiges, was mir daran sehr gut gefallen hat. Eine der größten Stärken der Geschichte ist zum Beispiel der sehr angenehme und flüssig lesbare Schreibstil, durch den man nur so durchs Buch fliegt. Auch die schönen Vergleiche und treffenden Allegorien haben mein Leserinnen-Herz höherschlagen lassen! Gelungen fand ich auch die vereinzelten wirklich beklemmenden Momente und die beschriebenen Ängste (z. B. vor dem Heimweg in der Nacht), die man sooo gut nachempfinden kann, weil sie alle Frauen miteinander verbinden. Wie traurig ist das eigentlich? Begeistert haben mich außerdem die (ausnahmsweise mal) gut geschriebenen Kapitel aus der Sicht des Täters und die unerwarteten Wendungen, die so manche Situation im Nachhinein in ein ganz anderes Licht rücken. Da blieb mir an mancher Stelle wirklich der Mund offen stehen! Deshalb werde ich Catherine Ryan Howard auf jeden Fall noch eine Chance geben.

Aus feministischer Sicht bleiben zudem kaum Wünsche offen. Ja, die Opfer sind (mal wieder) junge Frauen, aber der Rest des Buches könnte nicht feministischer sein! Die Beschäftigung mit wichtigen und ernsten gesellschaftlichen Themen (Gewalt gegen Frauen in ihrer extremsten Form, Misogynie, R+pe Culture, Victim Blaming) und die zahlreichen starken, intelligenten und engagierten Frauen mit Ecken und Kanten überzeugen hier auf ganzer Linie.

Mein Fazit

„The Trap“ ist für mich ein solider Thriller, den ich über weite Strecken gerne gelesen habe. ABER: Er hätte SO VIEL mehr sein können. Da wurde so unglaublich viel Potential verschenkt (die Idee ist einfach genial!), dass ich insgesamt auf jeden Fall ernüchtert, vielleicht sogar ein wenig enttäuscht zurückbleibe, weil ich mir einfach mehr erhofft habe…

Bewertung (in Schulnoten)

Cover / Aufmachung: 3-4 (Original schöner)
Idee: 1+ ♥
Inhalt, Themen, Botschaft: 2
Tiefe: 2-3
Umsetzung: 2-3
Worldbuilding: 3
Einstieg: 1+ ♥
Ende: 1-2
Schreibstil: 1+ ♥
Figuren: 2-3
Spannung: 3
Pacing/Tempo: 3-4
Wendungen: 1-2
Atmosphäre: 3
Emotionale Involviertheit: 2-
Feministischer Blickwinkel: 1-2
Einzigartigkeit: 2

Insgesamt:

Note 2-3

  • Einzelne Kategorien
  • Handlung
  • Erzählstil
  • Charaktere
  • Spannung
  • Cover