»Ein Roman wie eine Naturgewalt: Stürmisch, fesselnd und dabei voller Zärtlichkeit.« (Doris Knecht)
»Katharina Köller erzählt beherzt, feinsinnig und abgründig. Ein soghaftes Alpen-Kammerspiel.« Daniela Dröscher
Marie rennt panisch einen Berg hinauf. Auf der Flucht vor einer Welt, in der vieles aus dem Lot geraten ist, sucht sie Schutz bei ihrer Cousine Johanna. Ausgerechnet bei Johanna, die seit Jahren wie eine Eremitin auf einer entlegenen Tiroler Alm lebt. Marie und Johanna, sie könnten nicht unterschiedlicher sein: die scharfzüngige Wienerin, Luxusgeschöpf aus einer Luxuswelt, zugleich verwöhnt und verachtet von Ehemann Peter – und das »wilde Tier im Körper von einem Menschen« (Marie über Johanna), das beim Erwachsenwerden scheinbar die Sprache verloren und die Gesellschaft hinter sich gelassen hat. Für die beiden Frauen beginnt ein ungewöhnliches Kräftemessen, ein Ringen um ihr Selbstverständnis, aber auch um einen gemeinsamen Weg.
In ihrem so poetischen wie politischen Roman, Märchen, Parabel und pulsierende Zivilisationskritik in einem, feiert Katharina Köller zwei Frauen und ihren eigensinnigen Aufbruch ins Leben.
»Ich war dort, wo man mich hingepflanzt hat, wie ein Ziergewächs in einem Topf. Jetzt bin ich hier und wuchere.«
»Kann man noch weiblicher, noch österreichischer, noch besser schreiben? Ich denke nicht!«
Mareike Fallwickl
Der Roman „Wild wuchern“ besticht durch seine direkte, ungeschönte Sprache und Bildnisse. Die Geschichte zweier Frauen, die schon seit dem Kindesalter darauf gedrillt wurden Erwartungen zu erfüllen. Die ...
Der Roman „Wild wuchern“ besticht durch seine direkte, ungeschönte Sprache und Bildnisse. Die Geschichte zweier Frauen, die schon seit dem Kindesalter darauf gedrillt wurden Erwartungen zu erfüllen. Die hübsche, liebenswerte Marie, ein Mädchen, wie man es sich nur wünschen kann. Dagegen ihre Cousine Johanna, ein Wildfang, ein Naturkind, schweigsam und wenig gefällig. Die beiden Mädchen verbrachten mit ihrem Großvater einige Sommer auf der Hütte. Johanna blühte auf, Marie fühlte sich nie recht wohl, was dazu führte, dass der Großvater Johanna wesentlich mehr beachtete als Marie.
Bei den Eltern war es anders, bei denen war Marie diejenige, die als Vorbild galt und die ihre Cousine unter ihre Fittiche nehmen sollte.
Nun ist Marie erwachsen und auf der Flucht. Was genau geschehen ist, erfahren wir nur häppchenweise. Auch der Grund, weshalb Johanna seit Jahren zurückgezogen auf der Hütte lebt, bleibt erst einmal nur Spekulation.
Der Roman erzählt seine Geschichte schonungslos, was durch die direkte Sprache unterstrichen wird. Vor allem die Bildnisse bleiben im Kopf. Mich konnte der Roman überzeugen.
„Ich war dort, wo man mich hingepflanzt hat, wie ein Ziergewächs in einem Topf.
Jetzt bin ich hier und wuchere. Und niemand mehr da, der mich stutzt. Aber auch niemand, der mir Wasser gibt.“
Über den ...
„Ich war dort, wo man mich hingepflanzt hat, wie ein Ziergewächs in einem Topf.
Jetzt bin ich hier und wuchere. Und niemand mehr da, der mich stutzt. Aber auch niemand, der mir Wasser gibt.“
Über den Inhalt möchte ich nicht zu viel verraten, denn meiner Meinung nach macht es den Reiz des Buches aus, langsam immer mehr zu erfahren und sich seine eigenen Gedanken zu machen.
Marie ist äußerlich eine Goldmarie, hübsch anzusehen und immer bemüht, es allen recht zu machen. Johanna lebt auf einer Alm, ist wortkarg und zieht die Gesellschaft von Tieren der von Menschen vor. Als Marie eines Tages bei Johanna vor der Tür steht und auf keinen Fall zurück nach Wien will, müssen die beiden Frauen einen Weg finden, miteinander auszukommen.
In diesem Buch begleiten wir die Ich-Erzählerin Marie. Auch sprachlich nimmt die Autorin Maries Perspektive ernst. Der Satzbau ist der gesprochenen Sprache sehr nahe und hat es werden einige österreichische, vor allem Tiroler Dialektausdrücke verwendet. Dadurch hat man das Gefühl, ungefiltert Maries Gedanken zu lauschen.
Die Autorin hat die Fähigkeit, Alltagsszenen eindringlich zu beschreiben und dadurch die Persönlichkeit ihrer Protagonistinnen nachvollziehbar zu machen. So kann man sich als Leser*in viele eigene Gedanken machen. Die Nebenfiguren bleiben jedoch schemenhaft. Man lernt sie nur durch Erinnerungen kennen und der Fokus liegt immer auf den beiden Frauen, ihrer Beziehung und ihren Erlebnissen.
Mit der Zeit lernt man die beiden Frauen mit ihren unterschiedlichen Traumata, die sie mit sich herumschleppen, besser kennen und verstehen. Gut gefallen hat mir auch der immer wieder eingestreute schwarze Humor, der die schweren Themen erträglicher macht.
Man muss die sehr bildhafte und metaphernreiche Sprache mit den vielen, manchmal etwas plakativen Naturbeschreibungen mögen. Mir gefällt es sehr, dass ich mir die Handlung fast wie einen Film sehr bildhaft vorstellen kann und viel über die Handlung statt über Erklärungen gezeigt wird. Ein Lesehighlight für mich. Lässt sich auch gut in einer Leserunde diskutieren.
Der Klappentext beginnt mit dem Satz „Marie rennt panisch einen Berg hinauf.“ Von Beginn an entwickelt der Roman von Katharina Köller einen Sog, dem ich mich nicht entziehen konnte. In meist kurzen Sätzen ...
Der Klappentext beginnt mit dem Satz „Marie rennt panisch einen Berg hinauf.“ Von Beginn an entwickelt der Roman von Katharina Köller einen Sog, dem ich mich nicht entziehen konnte. In meist kurzen Sätzen wird Marie bei ihrer Flucht begleitet. Warum und vor wem sie flieht, bleibt unklar. Fest steht, dass es etwas wichtiges sein muss, denn sie sucht ausgerechnet bei ihrer Cousine Johanna Schutz, die sie seit Jahren nicht gesehen hat.
Es ist die Geschichte der beiden ungleichen Frauen Marie und Johanna, die Katharina Köller ganz wunderbar erzählt. Auf der einen Seite ist die blonde Marie, die sich auch selbst als „Goldmarie“ bezeichnet. Sie entspricht dem Bild, das sich die anderen von ihr machen und erfüllt deren Anforderungen nahezu perfekt. Ihr gegenüber steht die dunkelhaarige Johanna, die ein völlig anderes Naturell hat. Beide Frauen haben ihre Traumata, die die Autorin sehr gut beschreibt. Sie bringt die Kindheit und Jugend von Marie und Johanna kurz und prägnant auf den Punkt, es ist kein Wort zu viel, aber auch keins zu wenig.
Der ungewöhnliche Schreibstil, den ich als Alltagssprache bezeichnen würde, passt ausgezeichnet. Die österreichischen Anklänge haben mich als Norddeutsche nicht gestört, sie machten die Kulisse und das Leben der beiden Protagonistinnen lebendig. Jede Beschreibung, jedes Bild entsteht unmittelbar. Obwohl der Roman nicht in Kapitel unterteilt ist, wird sofort deutlich, ob es sich um eine Rückblende oder die Geschehnisse der Gegenwart handelt.
Fazit: ein großartiger und bildgewaltiger Roman, eine Leseempfehlung
Auf nur rund 200 Seiten wird vor uns rasend schnell in Ausschnitten das so unterschiedlich verlaufene Leben zweier Cousinen aufgeblättert, an deren Ende beide auf einer einsamen Almhütte in Tirol vereint ...
Auf nur rund 200 Seiten wird vor uns rasend schnell in Ausschnitten das so unterschiedlich verlaufene Leben zweier Cousinen aufgeblättert, an deren Ende beide auf einer einsamen Almhütte in Tirol vereint sind – die Eremitin Johanna und die Städterin Marie. Etwas Märchenhaftes wohnt der Geschichte inne. Ein klein wenig fühle ich mich an Johanna Spyris Heidi erinnert oder an das Grimmsche Märchen von Frau Holle, mit deren Figuren Goldmarie und Pechmarie sich und die Cousine die eine Protagonistin Marie selbst vergleicht. Beide schleppen Traumata aus der Vergangenheit mit sich herum, die eine aus der Kindheit herrührend, die andere aus ihrem Erwachsenenleben als Ehefrau. Um was es konkret geht, wird erst nach und nach sichtbar, wie es sich für einen guten Roman gehört. Auf jeden Fall sind die Vergangenheiten beider Frauen jede für sich furchtbar und in ihrer Familie wurzelnd. Dazu passend sind die Schilderungen von Naturereignissen in den Bergen und Erlebnisse mit Tieren. Alles ist so bildhaft, dass man sich als Leser in das Geschehen hineinversetzt fühlt. Eigentlich gar nicht so recht zum Thema passend und dennoch so gelungen ist der erfrischende und humorvolle Schreibstil, mit dem die Autorin alles von Marie als Erzählerin schildern lässt. Frisch von der Leber weg, wie ihr der Schnabel gewachsen ist legt sie los. Eingestreut ist viel österreichischer Sprech, den ich immer wieder gerne lese und der die Personen so authentisch macht.
Dieses Buch zu lesen, macht einfach Spaß.
Marie hat ihn blutend zurückgelassen. Sie hat auf die Schnelle wenige Sachen in ihren Rucksack gestopft und ist zum Bahnhof gefahren. Zuerst wollte sie nach Italien, aber da hat er sie schon dreimal gefunden, ...
Marie hat ihn blutend zurückgelassen. Sie hat auf die Schnelle wenige Sachen in ihren Rucksack gestopft und ist zum Bahnhof gefahren. Zuerst wollte sie nach Italien, aber da hat er sie schon dreimal gefunden, obwohl sie immer an anderen Orten war. Dann steigt sie in den Zug, der vor ihr steht und das ist ein Glück, denn jetzt ist sie auf dem Weg zu Johanna. Da kann er sie nicht vermuten, denn er weiß nichts von Johanna.
Marie ist am Fuß des Berges angekommen, es ist stockfinstere Nacht und das Glas ihres Handys ist zerbrochen. Sie war lange nicht mehr hier und jetzt wird sie sich mit den Schemen begnügen. Es raschelt im Laub, Tiere schreien, ihr Atem überschlägt sich, die Ohren dröhnen. Sie muss ein Stück durch den Wald, es klingt dumpf, sie sieht die Hand vor Augen nicht. Jemand keucht. Panik. Sie weiß, dass sie einen Hang hinaufmuss. Da ist der Bach, sie erinnert sich, watet durch das eiskalte Wasser, wird fast umgerissen. Jetzt erklimmt sie den Hang auf allen vieren, sieht die Hütte und das Licht im Fenster, nein, doch nicht, eine Mondspiegelung. Sie klopft aber nichts passiert, drückt die Klinke herunter und schiebt die schwere Tür auf. Dunkelheit. Im Mondlicht sieht sie den großen Holztisch, Stühle. Ein Feuer glimmt im Ofen. In der Ecke steht ein Kleiderständer, den sie nicht kennt. Das passt gar nicht zur Johanna, dass sie ihn hier hochgeschleppt hat und da bewegt er sich, dreht sich um und die Johanna erscheint.
Es ist früher Morgen. Sie sitzen am Tisch und essen Polenta, die Johanna zubereitet hat. Wie lange sie bleiben will, will Johanna wissen. Ob sie wegen ihr gekommen sei. Natürlich nicht, denn dann würde Marie Wanderschuhe und keine Riemchensandalen tragen, es wäre nicht mitten in der Nacht gewesen und sie hätte etwas Nützliches mitgebracht, etwas zu essen, aber das sagt Marie der Johanna nicht.
Fazit: Katharina Köller hat eine epische Geschichte in der Klangfarbe Österreichs geschaffen. Die Protagonistin flüchtet aus einem Leben, das kopfsteht. Aus Not hat sie eine Dummheit begangen. Bei ihrer wortkargen und menschenfeindlichen Cousine sucht sie Zuflucht. Die anpassungsfähige Stadtfrau, die zu Selbstironie neigt, versucht sich dem harten, entbehrungsreichen Landleben der sich selbst versorgenden Johanna unterzuordnen, aber sie bleiben zu verschieden. Die Autorin hat mich mitgenommen in die Tiroler Alpen und mir die unberechenbare Natur gezeigt. Ich habe sie selber erlebt und mich gerne zurückerinnert. Sprachwitz und Metaphern lockern das schwierige Thema Kindheitsprägung auf. Die einfache Sprache erleichtert den Lesefluss und hat mich geschwind durch die Zeilen fliegen lassen. Für mich ein emotionaler Lesegenuss, den ich besonders empfehlen kann.