Ein Buch, wie es eine KI niemals schreiben könnte
Wildhof"Wildhof" ist Eva Strassers Romandebüt. Und was für eins! Das am 20. Februar 2025 im Verlag Klaus Wagenbach erschienene, 208 Seiten starke Buch ist schon jetzt mein Jahreshighlight!
In "Wildhof" geht ...
"Wildhof" ist Eva Strassers Romandebüt. Und was für eins! Das am 20. Februar 2025 im Verlag Klaus Wagenbach erschienene, 208 Seiten starke Buch ist schon jetzt mein Jahreshighlight!
In "Wildhof" geht es um Lina, die mit ihren knapp 30 Jahren schon mehrere Verluste erlitten hat. Kurz vor ihrem 13. Geburtstag verschwand ihre Zwillingsschwester Luise. Kürzlich sind Linas Eltern bei einem Autounfall ums Leben gekommen. Lina steht nun vor der Aufgabe, Mutter und Vater zu begraben und ihr Elternhaus in Wildhof im Schwarzwald zu verkaufen.
Als sie nach vielen Jahren erstmals wieder in ihr Heimatdorf zurückkehrt, reißt sie damit alte Wunden auf. Kleinste Details genügen, und schon spielen sich vor ihrem geistigen Auge vermeintlich bis in die hintersten Winkel des Bewusstseins verbannte Erinnerungen ab. Das Bellen eines Hundes oder der Anblick eines alten Fußballs lösen bei Lina regelrechte Flashbacks aus, in denen die Gegenwart von Kindheitserinnerungen überlagert wird.
Lina, die als letzte Überlebende eigentlich nur ihren Pflichten nachkommen wollte, nämlich ihre Eltern beerdigen und das Haus verkaufen, wird von ihrer Vergangenheit überwältigt. Das gilt für schlimme Erlebnisse, aber auch für die schönen. Sie begegnet in Wildhof ihrer einstigen besten Freundin wieder, ihrer Jugendliebe und unverarbeiteter Trauer.
Mit ihrer wütenden und unangepassten Art ist Lina mitten in mein Herz getrampelt. Trotz ihres Schicksals strahlt die Protagonistin eine trotzige Kraft aus, die sich auf den Leser überträgt. Sie lässt sich nicht entmutigen. Da gehen Scheiben zu Bruch, da wird geflucht und es werden Türen eingetreten, aber schicksalsergebener Rückzug ist keine Option für Lina, die Kämpferin, die in Jogginghosen und mit Hut zu Beerdigungen geht.
Doch nicht nur starke Figuren sind Eva Strassers Steckenpferd. Sie hat vor allem ein Händchen für Atmosphäre! In "Wildhof" reißt sie ihre Leser schon allein durch das Setting mit: Das alte Haus am Waldrand, der Bach, die Forellen, das Mühlrad.
Dieses Buch ist angefüllt mit Gerüchen, Empfindungen und Geräuschen, die Geschichte so bildhaft erzählt, dass man als Leser zwischen die Buchdeckel schlüpft und Lina hautnah dabei begleitet, wie sie sich ihrer Vergangenheit stellt.
Ich habe dieses Buch nicht gelesen, ich habe es inhaliert. Und am Ende gedacht: Ein solches Buch könnte eine KI niemals schreiben. Denn es wäre ihr schlichtweg nicht möglich, mit der Wucht Eva Strassers zu erzählen, Linas Schmerz so authentisch zu transportieren und den Wald oder den verwilderten Garten in seiner verschwenderischen Schönheit zu beschreiben. Und auf den grandiosen Plottwist, den die Autorin im Laufe des Buchs hinlegt, wäre die KI wohl auch nicht gekommen.
Danke für dieses bildgewaltige Meisterwerk, Eva Strasser!