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Veröffentlicht am 15.05.2025

Gelungene Hommage ...

Die Geschichte der Maria Schneider
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DIE GESCHICHTE DER MARIA SCHNEIDER
Vanessa Schneider

Maria Schneider war die uneheliche Tochter des Schauspielers Daniel Gélin. Schon als Minderjährige nahm er sie mit zu Partys und in Clubs – mitten ...

DIE GESCHICHTE DER MARIA SCHNEIDER
Vanessa Schneider

Maria Schneider war die uneheliche Tochter des Schauspielers Daniel Gélin. Schon als Minderjährige nahm er sie mit zu Partys und in Clubs – mitten hinein in die Welt der Film- und Partyszene. Über Nacht wurde sie selbst berühmt, als sie an der Seite von Marlon Brando die Hauptrolle in „Der letzte Tango von Paris“ spielte. Doch der Film des italienischen Regisseurs Bernardo Bertolucci war in den 1970er-Jahren ein Skandal. Er zeigt eine 19-jährige Frau, die von einem fast 50-jährigen Mann anal vergewaltigt wird.

Was das Publikum damals nicht wusste: Maria Schneider kannte die Szene vorher nicht. Sie stand nicht im Drehbuch. Bertolucci und Brando hatten sie sich zuvor heimlich ausgedacht, um den Film „authentischer“ wirken zu lassen. Maria sollte die Erniedrigung nicht spielen, sondern spüren – um genau das vor der Kamera sichtbar zu machen. Obwohl die Penetration am Set nur simuliert wurde, war der emotionale Schaden real: Maria Schneider war fassungslos, tobte und zerstörte das gesamte Set.

Dieses traumatische Erlebnis hatte schwerwiegende Folgen. Fortan bekam sie nur noch Rollen angeboten, die sie nackt zeigen sollten – Angebote, die sie strikt ablehnte. Sie geriet in eine Abwärtsspirale, nahm harte Drogen, trank bis zur Bewusstlosigkeit, ihr Körper bald gezeichnet vom Heroin. Halt fand sie nirgends – auch nicht bei engen Freunden wie Brigitte Bardot, Alain Delon oder ihrem späteren Liebhaber Bob Dylan.

Maria Schneider starb 2011 im Alter von nur 58 Jahren.


„Du warst achtundfünfzig Jahre alt, als du uns verlassen hast. Kein Alter, um zu sterben, sagt man. Dabei hätten wir ehrlich gesagt nie gedacht, dass du es überhaupt erreichen würdest.“ (S. 6)

Vanessa Schneider hat ein eindringliches Porträt über ihre Cousine geschrieben, für die die #MeToo-Bewegung zu spät kam. Eine Hommage an eine zerbrechliche Seele, die von rücksichtslosen, erfolgshungrigen Männern ausgenutzt wurde.
Ein tief berührendes und sprachlich anspruchsvolles Buch – eindringlich, ehrlich aber nicht immer leicht zu lesen.
3½/5

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  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 09.05.2025

Ein lesenswertes Buch!

Toyboy
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TOYBOY
Jonas Theresia

Zwei Brüder, wie sie unterschiedlicher kaum sein könnten: Levin, der Ältere, ist extrovertiert, eitel, ehemaliges Model in L.A., drogenerfahren und inzwischen in der Porno- und Escortbranche ...

TOYBOY
Jonas Theresia

Zwei Brüder, wie sie unterschiedlicher kaum sein könnten: Levin, der Ältere, ist extrovertiert, eitel, ehemaliges Model in L.A., drogenerfahren und inzwischen in der Porno- und Escortbranche gelandet. Gregor hingegen lebt zurückgezogen, versteckt sich lieber hinter dem Bildschirm seiner Spielkonsole und kämpft mit dem Gefühl, unverstanden zu sein – nicht zuletzt, weil ihm familiärer Rückhalt fehlt.

Schon zu Beginn spürt man als Leser*in, dass tiefer liegende Konflikte zwischen den Brüdern schwelen. Vor Jahren ist Levin ohne Erklärung nach Amerika aufgebrochen – ein Bruch, von dem sich Gregor nie erholt hat. Als Levin nun zurückkehrt, trifft er auf einen abweisenden Bruder, dessen Groll er zunächst nicht versteht. Erst allmählich erkennt er, wie sehr er Gregor in der Vergangenheit im Stich gelassen hat.

Besonders gelungen fand ich die Grundidee des Romans. Obwohl das Buch nicht meinem bevorzugten Genre entspricht, war ich schnell in der Geschichte gefangen und habe es in einem Rutsch gelesen. Das Setting erschien mir an manchen Stellen zwar leicht überzeichnet, aber durchaus vorstellbar – gerade im Hinblick auf die dargestellte Szene.

Insgesamt ein lesenswertes Buch mit einem beeindruckenden Cover.
3½/5

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Veröffentlicht am 18.03.2025

Das Leben einer Terroristin

Ich dachte, bis dahin bin ich tot
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ICH DACHTE, BIS DAHIN BIN ICH TOT
Meine Zeit als RAF-Terroristin und mein Leben danach
Silke Maier-Witt
André Groenewoud

Ich war das Kind, das in jeder Bank oder Post vor dem großen Plakat der RAF-Gesuchten ...

ICH DACHTE, BIS DAHIN BIN ICH TOT
Meine Zeit als RAF-Terroristin und mein Leben danach
Silke Maier-Witt
André Groenewoud

Ich war das Kind, das in jeder Bank oder Post vor dem großen Plakat der RAF-Gesuchten stand, während meine Mutter am Schalter ihre Angelegenheiten erledigte. Jedes Mal glaubte ich, gerade eine dieser Personen gerade gesehen zu haben. Doch meine Mutter tat es als Hirngespinst ab - ohne zu ahnen, dass nur 300 Meter Luftlinie entfernt von der Post am Poppenbüttler Wentzelplatz, wo wir gerade standen, eine konspirative Wohnung der RAF lag. Hamburg war damals voller Polizeikontrollen; ohne Papiere fuhren meine Eltern nie los.
Eine dieser Terroristinnen war Silke Maier-Witt. Sie gehörte zur zweiten Generation der RAF. Gudrun Ensslin, Andreas Baader, Jan-Carl Raspe und Ulrike Meinhof saßen bereits in Stammheim ein - die verbliebenen RAF-Mitglieder versuchten die Inhaftierten freizupressen.

Wie gerät man in eine anarchistische Gruppe wie diese?

Silkes Kindheit war schwierig. Ihre Mutter starb früh, der Vater zeigte kaum Interesse an ihr und ihrer Schwester, schickte sie zu den Großeltern und später übernahm die Stiefmutter die Erziehung.
Trotz dieser unbeständigen Kindheit war Silke eine ausgezeichnete Schülerin. Das Gymnasium meisterte sie spielend. Als sie später erste Kontakte zur linken Szene knüpfte, brach sie ihr Medizinstudium ab. 1977, als sich ihr die Möglichkeit bot, der RAF beizutreten, beendete sie ihr Psychologiestudium, obwohl sie bereits an ihrer Diplomarbeit schrieb.

Zweieinhalb Jahre lebte sie im Untergrund, erledigte Botengänge, mietete konspirative Wohnungen in Deutschland und den Nachbarländern an und war schließlich an der Entführung des Arbeitgeberpräsidenten Hans Martin Schleyer beteiligt.

Als Schleyer nach der gescheiterten Flugzeugentführung der Lufthansa-Maschine „Landshut“ von der RAF erschossen wurde, „war unsere Daseinsberechtigung weggebrochen“ (S. 90).
Die RAF versuchte sich neu zu formieren, doch Silke Maier-Witt fühlte sich nicht mehr zugehörig und wurde von „den Illegalen“ verstoßen.

Die DDR nahm sie auf, gab ihr eine neue Identität und half ihr, sich einzugliedern - was ihr bis zum Mauerfall auch einigermaßen gelang.
Was danach geschah und ob Silke Maier-Witt je wieder ein normales Leben führen konnte, müsst ihr selbst nachlesen.

Fazit:
Das Buch war für mich eine Achterbahnfahrt. Die RAF hat mich schon immer interessiert, doch ich konnte nie verstehen, wie man bereit sein kann, für eine Ideologie so viel Gewalt zu rechtfertigen. Nicht immer konnte mich das Buch fesseln, einige Passagen haben mich schlicht gelangweilt, dann wieder gab es Abschnitte, wo ich das Buch nicht aus der Hand legen konnte. Einige seltene Male konnte ich mit Silke Maier-Witt mitfühlen, an anderen Stellen wiederum dachte ich, dass sie ihre gerechte Strafe bekommen hat.

Stefan Austs Buch über die RAF habe ich damals verschlungen, und auch dieses Werk kann ich allen empfehlen, die ein Stück deutsche Geschichte aufgrund ihres Alters nicht selbst erlebt haben oder sich für die Geschichte der RAF interessieren.
3½/5

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  • Charaktere
Veröffentlicht am 27.02.2025

Gerne gelesen!

Von hier aus weiter
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VON HIER AUS WEITER
Susann Pásztor

Nach 30 Jahren Ehe steht Marlene plötzlich alleine da. Ihr Mann Rolf hat sich nach der Diagnose eines Hirntumors das Leben genommen.
Marlene fühlt sich verlassen und ...

VON HIER AUS WEITER
Susann Pásztor

Nach 30 Jahren Ehe steht Marlene plötzlich alleine da. Ihr Mann Rolf hat sich nach der Diagnose eines Hirntumors das Leben genommen.
Marlene fühlt sich verlassen und im Stich gelassen. Statt tiefer Trauer empfindet sie vor allem Wut. Ihr Telefon klingelt unaufhörlich - ihre Freundinnen und Rolfs Söhne möchten mit ihr sprechen und sich um sie kümmern. Doch Marlene ignoriert die Anrufe und betäubt ihre Gefühle mit Valium.
Mahlzeiten und Körperpflege verlieren für sie an Bedeutung. Erst als nach drei Wochen ohne Dusche kein Wasser mehr aus der Leitung kommt, beschließt sie, einen Klempner zu rufen. Zu ihrer Überraschung steht ihr ehemaliger Grundschüler Jack vor ihr.
Jack erkennt sofort, in welcher Verfassung sie ist, und übernimmt kurzerhand die Kontrolle. Als schließlich auch Ida, die Hausärztin, auf den Plan tritt, kommt Marlenes Leben langsam wieder in Bewegung.
Was all das mit einem Brief, einer ausgemusterten Freundin und einem Roadtrip zu tun hat, solltet ihr am besten selbst lesen.

Susann Pásztor hat ein sehr authentisches Buch über Trauerbewältigung geschrieben. Besonders die erste Hälfte hat mir gut gefallen. Marlenes Gefühle, ihre Trauer und Wut wurden eindrucksvoll vermittelt. In der zweiten Hälfte gefiel mir vor allem die Darstellung, wie wichtig es ist, füreinander da zu sein, und wie sehr Ablenkung nach einem Verlust helfen kann. Auch wenn mir Marlenes kühle Art nicht immer sympathisch war, konnte ich mich gut in sie hineinversetzen.
Was mir weniger gefiel, war der starke Fokus auf das viele Essen in der zweiten Hälfte - ich hatte fast das Gefühl, dass der Autorin die Ideen für den Roadtrip ausgingen und die Handlung aufgefüllt werden musste.

Insgesamt habe ich das Buch gerne gelesen.
3½/5

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Veröffentlicht am 02.12.2024

Drei Frauen ...

Unser Ole
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UNSER OLE
Katja Lange-Müller

Katja Lange-Müllers neuester Roman stellt drei Frauen in den Mittelpunkt, deren Leben durch Einsamkeit, Traumata und emotionale Verstrickungen geprägt ist:
Ida, ein ehemaliges ...


UNSER OLE
Katja Lange-Müller

Katja Lange-Müllers neuester Roman stellt drei Frauen in den Mittelpunkt, deren Leben durch Einsamkeit, Traumata und emotionale Verstrickungen geprägt ist:
Ida, ein ehemaliges Seniorenmodel, sieht sich zunehmend mit dem Älterwerden und chronischer Geldnot konfrontiert. Die Tage, in denen wohlhabende Herren ihr jeden Wunsch erfüllten, gehören längst der Vergangenheit an. Nach einer unbedeutenden Modelshow in einem Kaufhaus begegnet sie Elvira, die ihr vorschlägt, bei ihr einzuziehen.

Elvira lebt in einem kleinen Haus mit ihrem autistischen Enkel Ole. Nachdem ihre Tochter Manuela nach der Geburt ihres Sohnes unter postnatalen Depressionen litt, nahm Elvira den Jungen zu sich. Sie verwöhnte Ole, der inzwischen zu einem korpulenten Jugendlichen herangewachsen ist und zunehmend Spannungen in den Alltag bringt – besonders, seit er seine Sexualität entdeckt hat. Ihre Beziehung ist von ständigen Streitigkeiten geprägt.

Manuela hingegen hat den Kontakt zu ihrer Mutter und ihrem Sohn seit Jahren abgebrochen. Erst ein tragischer Unfall führt sie zurück in das Haus, das sie einst verlassen hat.

Lange-Müller seziert die Lebensgeschichten dieser Figuren mit einem präzisen Blick für emotionale Kälte und die Folgen unerfüllter Bedürfnisse. Im Kern geht es um empathiearme Menschen, die selbst nie Liebe erfahren haben, und die Narben, die solche Erfahrungen hinterlassen. Besonders gelungen ist der Blick hinter die Fassade: Elvira, die sich immer einen Sohn gewünscht hat, war von Anfang an eifersüchtig auf die Beziehung zwischen ihrer Tochter und deren Vater, der Manuela stets wie eine Prinzessin behandelte. Manuela wiederum flüchtete nach seinem Tod in eine Opferrolle.
Zwischen diesen Konflikten versucht Ida zu vermitteln, denn als mittellose Außenseiterin hat sie keine andere Wahl, als in dieser zerrütteten Gemeinschaft zu bleiben.

Der Roman besticht durch einen flüssigen Schreibstil, bleibt jedoch erzählerisch oberflächlich. Ein klarer Höhepunkt oder tiefgreifender Plot fehlt.
Dennoch ist es ein kurzweiliges, gut lesbares Kammerspiel.
3½/ 5

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