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Veröffentlicht am 07.09.2021

von Haushalt und Krankheit

Barbara stirbt nicht
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In Herr Schmidts Leben gibt es klare Regeln, klare Abläufe und ganz viele Routinen. Für die Einhaltung dieser ist vor allem seine Frau Barbara verantwortlich. Als eines morgens kein Kaffeegeruch in der ...

In Herr Schmidts Leben gibt es klare Regeln, klare Abläufe und ganz viele Routinen. Für die Einhaltung dieser ist vor allem seine Frau Barbara verantwortlich. Als eines morgens kein Kaffeegeruch in der Luft liegt, er nicht vom Gewusel im Erdgeschoss wachwird, ist er zunächst irritiert und danach besorgt. Barbara liegt auf dem Fußboden des Badezimmers, wieder bei Bewusstsein, aber alles in Ordnung ist es nicht. Und ehe sich Herr Schmidt versieht, ist Barbara zum ersten Mal wirklich krank und er steht vor ganz anderen Problemen: Wer kocht denn nun? Und wer räumt auf? Und wie geht das überhaupt?
Eigentlich klingt „Barbara stirbt nicht“ wie ein kurzer, lustiger Roman, der zur Unterhaltung da ist und zwischendurch ist er das auch. Doch neben der kurzweiligen, humoristischen Art ist der Roman von Alina Bronsky doch sehr tiefgründig und melancholisch. Denn während Barbara sich „scheinbar“ erholt, ist Herr Schmidt, dessen Vorname konsequent nicht benutzt wird, überfordert und fast unsympathisch. Er ist eben der typische alte Herr, der von „Frauenkram“ spricht, stoische Ignoranz ausstrahlt und absolut nicht lebensfähig ohne seine Frau ist, dies aber nie zugeben würde. Doch am Ende beschreibt „Barbara stirbt nicht“ die Reise von Herrn Schmidt, wie er sich immer mehr mit den alltäglichen Dingen, aber auch dem Leben auseinandersetzt und die Komfortzone verlässt.
Und während Barbara immer kränker wird, Herr Schmidt dies jedoch gekonnt ignoriert, wird der Roman immer zu seiner Geschichte, der Liebe zum Kochen und dem eigentlichen Familienleben. Stück für Stück wird die Familie Schmidt aufgerollt, ein bisschen mehr erzählt und Hintergründe werden dem Leser auf einmal klar.
Doch hier ist auch der kleine Knackpunkt. Die ganzen Einzelgeschichten sind am Ende etwas zu konstruiert, so als wolle Bronsky noch mehr geben, noch mehr Punkte setzen und noch mehr Diversität zeigen. Feminismus, queere Einflüsse, Rassismus, Inklusion – am Ende wirkt es alles zu viel und zu gewollt. Hier hätte ein bisschen gespart und dafür die einzelnen Themen mehr Tiefe gegeben werden können.
Und das Ende, das kam leider viel zu abrupt. War man noch ein paar Seiten vorher massiv überrascht von so vielen Wendungen, neuen Erzählsträngen, so überfahren war man über den plötzlichen, kurzen Cut, der mir persönlich viel zu wenig gegeben hat.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 10.09.2018

Potential nicht ausgeschöpft

Hazel Wood
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Wir alle kennen sie, lieben sie und können noch nach vielen Jahren die Geschichten erzählen: Märchen. Jeder kennt noch das Ende von Dornröschen, weiß wer von wessen Teller gegessen hat und dass man niemals ...

Wir alle kennen sie, lieben sie und können noch nach vielen Jahren die Geschichten erzählen: Märchen. Jeder kennt noch das Ende von Dornröschen, weiß wer von wessen Teller gegessen hat und dass man niemals allein seine Oma im Wald besuchen sollte. Doch was wenn Märchen auf einmal war werden? Und diese gar nicht so schön sind wie wir sie kennen? Sondern die bösen, nicht malerischen Märchen auf einmal in die reale Welt spazieren?
Das erlebt Alice, die Hauptfigur aus Melissa Alberts „Hazel Wood“, deren Mutter durch ein paar Märchengestalten entführt zu sein scheint. Generell scheint schon ihr Leben lang „etwas“ hinten ihnen her zu sein. Immerhin ist Alice‘ Großmutter Althea Prosperine, die berühmte Märchenerzählerin, die vom Hinterland und deren Wesen erzählt. Doch gesehen hat sie sie noch nie, da ihre Mutter Ella den Kontakt schlagartig abgebrochen hat. Doch plötzlich bekommen sie die Nachricht über ihr Ableben und von da an passieren seltsame Dinge.
„Hazel Wood“ ist der Auftakt einer neuen Reihe und war schon seit der Vorschau vielversprechend. Es gibt mittlerweile so viele Jugendbücher, dass ein etwas anderartiges Setting schon Interesse weckt und irgendwie wirkt das Buch auch wie eine Mischung aus Cornelia Funkes Tintenherz und auch ihr Reckless. Auch die erste Hälfte des Buches unterstützt diese Annahme und macht Lust auf mehr. Alice ist zwar ein rundum sehr blasser Charakter zu dem man nur schwer eine Bindung aufbauen kann, jedoch ist ihre Geschichte und ihr Kennenlernen mit dem mysteriösen und irgendwie doch sympathischen Finch spannend genug. Die zweite Hälfte des Buches kann leider nicht mehr mit dem spannenden Anfang mithalten.
Sobald Alice mehr über das Hinterland erfährt und mit Finch die Grenzen durchbricht, ist die Luft raus aus dem Buch. Es wird wirr, unverständlich und langatmig, obwohl die beiden Figuren endlich am „Ziel“ angelangt sind. Nach der letzten Seite blieb viel Unverständnis zurück und viele offene Fragen, die aber mit hoher Wahrscheinlichkeit auch nicht in der Fortsetzung beantwortet werden.
Insgesamt fehlt vielen Figuren einfach die Tiefe – aus der Stiefschwester Audrey, auch aus Finch und Ella hätte man weitaus mehr machen können. Leider kann auch die Geschichte keine Fahrt aufnehmen und das Potential wird nicht ausgeschöpft. Außerdem wären mehr Geschichten und Einblicke in das Buch von Alice Großmutter toll gewesen. Die Thematik bleibt viel zu unberührt und „offen“, dabei fehlte mir hier die Vorstellungskraft und hätte in einigen Punkten mehr Unterstützung gebraucht.

So bleibt „Hazel Wood“ ein solider, wenn auch verwirrender Auftakt einer Jugendbuchreihe, die aber wohl nicht mit den großen Reihen mithalten kann.

Veröffentlicht am 04.07.2018

Schwacher Roman

Wie man die Zeit anhält
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Wer hat es sich nicht schon mal vorgestellt: Wie wäre es, wenn ich nicht älter werden müsste? Was könnte ich dann noch alles tun? Klingt wie ein Traum, den man schon immer einmal hatte – Zeit haben für ...

Wer hat es sich nicht schon mal vorgestellt: Wie wäre es, wenn ich nicht älter werden müsste? Was könnte ich dann noch alles tun? Klingt wie ein Traum, den man schon immer einmal hatte – Zeit haben für all das, was man vorhat. Alles erleben, Länder bereisen, Sprachen lernen, Kulturen kennenlernen. Was für manchen eine schöne Vorstellung ist für Tom Hazard ein Fluch. Er ist 400 Jahre alt, gleicht optisch aber einem Vierzigjährigen. Was nach Leichtigkeit und Freisein klingt, ist jedoch ein Balanceakt – alle acht Jahre nimmt er eine neue Identität an und schwört allen Beziehungen ab. Das macht vor allem einsam, aber dann – wie soll es anders sein – lernt er Camille kennen und alle Grundsätze scheinen nicht mehr zu existieren.
Unsterblichkeit – kein neues Thema, sondern schon reichlich durch die Literatur gereicht und trotzdem hat es Matt Haig für seinen neuen Roman gewählt. Leider hat er es sich damit nicht leicht gemacht. Zwar muss ein Autor nicht mit jedem Buch das Rad neu erfinden, doch neue Ansätze sind immer gern gesehen, doch leider in „Wie man die Zeit anhält“ rar gesät. Sicherlich, Matt Haig kann schreiben – immerhin ist dies nicht sein Debütroman, aber gerade in diesem Fall und bei seinen vorangegangen Werken kann man die Messlatte ruhig etwas höher schrauben.
Zeitgleich war die Marketingabteilung fleißig unterwegs und hat die Social Media Welt mit Vorabexemplaren versorgt. Die Kanäle, sei es bei instagram und Twitter, waren voll von seinem Buch. Auch das steigert und steigert Erwartungen, die dann auch erfüllt werden wollen – in diesem Fall aber leider nicht wurden.
Tom Hazard, unser Unsterblicher, bleibt zu blass in seiner Beschreibung, sein Charakter kriegt keine Tiefe. Camille, sein Grund für seine Nachlässigkeiten und Grenzüberschreitungen ist höchstens eine kleine Randnotiz, die keineswegs das wiederspiegelt, was Tom so fühlen mag, um all die aufgestellten Regeln zu brechen. Auch die Geschichte ist zu fad, wobei die Ansätze stimmen. Haig wählt zwei Erzählstränge – zum Einen die Gegenwart, in der es um die aktuelle Lage geht, das Kennenlernen mit Camille und der Misere, in der Tom nach all den Jahren steckt, zum Anderen die Vergangenheit, die dem Leser den Protagonisten näher bringen soll. Das tut es, wenn auch nicht genug. Die Geschichte um seine erste große Liebe ist die einzig gefüllte, wahrlich gut beschriebene Episode des ganzen Buches. Hier gibt es Tiefgang, Gefühle und eine nachvollziehbare Geschichte. Camille, der Streit mit der Organisation – alles wirkt lieblos drangeheftet.
Daher bleibt „Wie man die Zeit anhält“ für mich eins der schwächeren Bücher von Matt Haig. Leider nicht wie gewohnt. Wer also leichte, oberflächliche Lektüre möchte und auf Tiefgang verzichten kann, der findet mit diesem Buch eines, das man in kürzester Zeit lesen kann.

Veröffentlicht am 21.12.2017

Qualität - aber wo?

QualityLand
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Qualität – aber wo?
Was, wenn die Computer allmächtig werden? Wenn diese uns lenken können und alles technisch gesteuert ist? Wenn amazon dir deine Pakete aussucht, weil sie wissen, was du willst. Wenn ...

Qualität – aber wo?
Was, wenn die Computer allmächtig werden? Wenn diese uns lenken können und alles technisch gesteuert ist? Wenn amazon dir deine Pakete aussucht, weil sie wissen, was du willst. Wenn dein Partner für dich ausgesucht wird und der neue Präsident ein Roboter ist?
Klingt wie eine typische Dystopie? Schon George Orwell, Aldous Huxley oder Dave Eggers haben uns gezeigt, was passieren kann, wenn die Computer, Roboter und Maschinen die Welt übernehmen. Jetzt reiht sich auch noch Marc-Uwe Kling in die Reihe ein und setzt sein neustes Buch QualityLand in die Reihen von Brave New World oder 1984. Nach den Kängeruh-Chroniken, in denen ein sprechendes Tier die Hauptrolle spielte, hätte das Setting seines neuen Buches nicht unerwarteter und konträrer sein können.
Willkommen in QualityLand, in dem nur noch in Superlativen gesprochen wird und in dem nichts mehr unvorhersehbar ist. Bestellungen müssen nicht mehr getätigt werden, weil die Systeme deine Wünsche schon vor dir wissen… Dein Nachname ist dein Berufsstatus und alles, wirklich alles, ist vernetzt. Doch ist wirklich alles am besten, am schönsten und am spannensten? Nein: Das Setting wirkt zu gewollt: zu gewollt witzig, zu gewollt dystopisch, zu gewollt rätselhaft. Leider klappt nichts davon so richtig und am Ende bleibt eins: Ein solider Roman, mit Höhen und Tiefen, ganz „okayen“ Charakteren und einer passablen Handlung, doch von den Superlativen, die es in QualityLand so gibt, kann sich das Buch nicht schmücken. Es ist weder das beste Buch aller Zeiten, noch das Schlechteste, was je geschrieben wurde. Klings neues Werk wirkt eher wie der typische Durchschnitt – ein Buch für zwischendurch, etwas dass man gut schnell lesen kann, das aber nicht nachhaltig zum Denken anregt.
Denn dazu fehlt beispielsweise Peter Arbeitsloser, dem heimlichen Helden des Buches oder Kalliope, dem Roboter-Autor mit Schreibblockade, die nötige Tiefe und auch der nötige Witz. Es wirkt unausgereift und stellenweise zu langatmig. Die Seiten wirken zu lang, die Kapitel zu voll und die „witzigen“ Passagen, die als Werbung daher kommen, zu aufgesetzt.

Schade, ein neuer Orwell, ein neuer Huxley hätten gut getan. So ist es nur ein neuer Kling, der im Schatten eines Kängurus steht.

Veröffentlicht am 20.08.2021

Unterwältigender Auftakt

Die Verlorenen
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„Der Auftakt einer atemberaubenden neuen Thrillerserie von Bestsellerautor Simon Beckett.“ Das preist das Internet auf der Suche nach „Die Verlorenen“ von Beckett an und macht erstmal Lust auf mehr.

Denn ...

„Der Auftakt einer atemberaubenden neuen Thrillerserie von Bestsellerautor Simon Beckett.“ Das preist das Internet auf der Suche nach „Die Verlorenen“ von Beckett an und macht erstmal Lust auf mehr.

Denn Beckett ist für alle Thriller-Fans eine bekannte Nummer und ein Garant für gute und spannende Unterhaltung. Nun gibt es also einen neuen Protagonisten, der den Leser fesseln soll. In die „Verlorenen“ spielt Jonah die Hauptrolle. Er ist Polizist bei der Spezialeinheit der Londoner Polizei und findet in einer Lagehalle einige Leichen. Einer davon sein bester Freund, mit dem der Kontakt vor Jahren abgebrochen ist.
Klingt alles, als könnte es ein richtig guter neuer Band werden. So richtig rund ist der Auftakt jedoch nicht geworden. Jonah ist als Hauptfigur absolut blaß geblieben und konnte den Leser nicht wirklich für sich einnehmen. Beckett beschreibt ihn als Ermittler einer Sondereinheit. Davon ist leider nichts zu sehen, denn Jonah stolpert von Tatort zu Tatort, von Problem zu Problem. Täter überraschen ihn, Situationen kommen unerwartet und so wirklich vorbereitet und durchdacht wirkt er in keinem Moment. Dass so ein Charakter Mitglied einer Spezialeinheit sein kann, ist absolut unglaubhaft.
Auch die Story kann am Ende nicht ganz überzeugen. Die Zusammenhänge zwischen der Entführung des Sohnes von Jonah als der Freundschaft des Opfers und dem Ermittler als auch all den Verknüpfungen in die Vergangenheit gehen am Ende nicht wirklich auf und bleiben mit einem Stirnrunzeln zurück.
Nichts destotrotz merkt man, dass ein Simon Beckett das Buch geschrieben hat. Es ist kurzweilig, schnell zu lesen und ein kleiner Pageturner. Jedoch nicht aus den richtigen Gründen, die ich mir bei einem Thriller wünschen würde. Es ist nicht die Spannung, eher das kurzweilige Gefühl, das einen weiterlesen lässt. Hätte nicht Beckett auf dem Cover gestanden, wäre es sicherlich noch weiter in der Gunst gefallen.
Ein atemberaubender Thriller ist es daher nicht. Leider unten den Erwartungen, die gemäß dem Autor einfach auch sehr hoch waren.

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