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Veröffentlicht am 31.01.2018

Second-Chance-Roman mit viel Potenzial, aber zu vielen Krisen, um von der Liebesgeschichte gefesselt zu werden

Before you go - Jeder letzte Tag mit dir
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Zoes Ehemann Ed stirbt bei einem Verkehrsunfall-. Die 38-Jährige kann seinen Tod nicht wahrhaben und macht sich Vorwürfe, dass sie im Streit auseinandergegangen sind und sie ihm nicht mehr sagen konnte, ...

Zoes Ehemann Ed stirbt bei einem Verkehrsunfall-. Die 38-Jährige kann seinen Tod nicht wahrhaben und macht sich Vorwürfe, dass sie im Streit auseinandergegangen sind und sie ihm nicht mehr sagen konnte, wie sehr sie ihn liebt. In den letzten Jahren ist die Liebe der beiden wegen Streitigkeiten und existentieller Krisen zu kurz gekommen.
Zwei Monate nach Eds Tod stürzt Zoe und wacht im Jahr 1993 auf, als sie Ed kennenlernte. Ab sofort lebt sie vergangene Schlüsselmomente mit Ed wieder und versucht Dinge zu ändern, ihre Beziehung zu verbessern, um seinen Tod möglichst verhindern zu können.

"Before you go - Jeder letzte Tag mit dir" ist der Debütroman von Clare Swatman, der in über 20 Ländern verkauft wurde. Auch aufgrund der überschwänglichen Kritiken ("Das Debüt begeistert die Welt!") hatte ich hohe Erwartungen an diesen Roman.

Er beginnt zunächst auch sehr emotional mit der Beerdigung von Ed und man kann Zoes Trauer und ihren Schmerz nachvollziehen. Ihr Sturz, die damit verbundene Reise in die Vergangenheit und die Idee, durch die Möglichkeit einer zweiten Chance, sein Leben zu ändern, Dinge besser zu machen, die man im Nachhinein bereut, sind eine schöne Vorstellung und bieten die Vorlage für einen gefühlvollen Liebesroman.

Gleich zu Beginn stellt man allerdings fest, dass es bei Zoe und Ed nicht die Liebe auf den ersten Blick war, sondern dass sie erst in einem zweiten Anlauf Jahre später zusamen gekommen sind. Ihr Zusammenleben war stark von Unzufriedenheiten miteinander und permanenten Konflikten geprägt. Mehrfach haben sie sich zumindest kurzzeitig getrennt. Ed bevorzugt das Leben auf dem Land, Zoe möchte in London wohnen. Ed möchte viele Kinder haben, Zoe keine. Als die beiden sich dann doch entschließen, eine Familie zu gründen, stellen sie fest, dass ihr Kinderwunsch nicht so einfach umzusetzen ist. Die Ehe wird daraufhin durch eine erfolglose Kinderwunschbehandlung nachhaltig erschüttert.

Die Tage der großen Streits und Trennungen erlebt Zoe wieder und kann tatsächlich etwas an ihrem Verhalten ändern, so dass mancher Konflikt gar nicht erst entsteht oder eskaliert. Mir war allerdings beim Lesen irgendwann nicht mehr bewusst, warum Zoe überhaupt so krampfhaft an einer Beziehung festhält, die von so viel Spannungen und wenig Harmonie geprägt ist. Gab es gar keine schönen Erlebnisse zwischen den beiden oder wurden diese für ihren Flashback einfach ausgelassen? Selbst ihre Versöhnungen und Liebesschwüre am Ende der überstanden Krisen konnten mich dann nicht wirklich berühren.

Der Roman hatte viel Potenzial und gerade am Anfang merkt man auch, dass die Autorin sehr emotional schreiben kann und man den Protagonisten nahe kommt. Die Umsetzung der Idee der Zeitreise in die Vergangenheit, um seinem Glück durch eine zweite Chance auf die Sprünge zu helfen, war für mich allerdings nicht so gelungen, da sie zu sehr auf den Aspekt konzentriert war, was Zoe und Ed trennt und nicht auf das, was sie eint.
Das Ende - dieses halbe Happy End - fand ich unpassend, realistischer wäre es gewesen, wenn es einfach mit einem guten Gefühl für Zoe geendet hätte, alles für Ed und eine gemeinsame Zukunft mit getan zu haben.

Veröffentlicht am 24.01.2018

Keine leicht zu lesende Liebesgeschichte, sondern schwermütige, langatmige Erzählung, fokussiert auf die Gedankenwelt von Lara

Träume, die ich uns stehle
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Lara leidet nach einem Verkehrsunfall unter Amnesie und ist in einer Psychiatrie untergebracht. Die Amnesie scheint aber nicht ihr eigentliches Problem zu sein, denn Lara hat einen unwahrscheinlichen Rededrang, ...

Lara leidet nach einem Verkehrsunfall unter Amnesie und ist in einer Psychiatrie untergebracht. Die Amnesie scheint aber nicht ihr eigentliches Problem zu sein, denn Lara hat einen unwahrscheinlichen Rededrang, den sie nicht kontrollieren kann. In Gesprächen mit ihrem Therapeuten und vor allem bei den Gruppentherapien kann sie sich nicht zurückhalten. Ihre Worte müssen heraus, gleichzeitig hat sie immer wieder die Worte ihrer Mutter im Kopf, dass sie dumm sei.

Im selben Klinikum ist Thomas untergebracht, der nach einem Unfall auf der Intensivstation im Koma liegt. Lara fühlt sich von dem jungen Mann hingezogen, der nur vereinzelt Besuch von seiner Schwester erhält. Erst schleicht sich Lara heimlich in sein Zimmer, um zu erzählen, da er ihr nicht entkommen kann. Als die Ärzte feststellen, dass Thomas nur auf Laras Stimme reagiert, darf sie auch mit Erlaubnis der Ärzte bei ihm sein. Lara tut das, was sie am besten kann, sie redet und hilft damit ihnen beiden. Thomas zeigt erste Reaktionen, während Lara ihm ihre Geschichte erzählen kann.
Sie glaubt, sich an Thomas zu erinnern und fragt sich, ob die enge Verbindung daher rührt, dass sie ein Liebespaar sind und ob sie Schuld an seinem Zustand sein könnte. Bald ist nicht mehr klar, was Lara wirklich erlebt hat und welche Geschichten nur ihren Träumen entspringen.

Der Roman ist abwechselnd aus der Perspektive von Lara und Thomas erzählt, wobei die Abschnitte von Thomas siech rein auf seine Gedanken als Reaktion auf die Erzählungen von Lara beschränken und jeweils nur ein bis zwei Seiten umfassen.

Ich fand es schwierig, mich in die Geschichte der beiden einzufinden und mit der anstrengenden Protagonisten Lara warm zu werden. Der Roman spielt sich allein im Krankenhaus ab und beschränkt sich im Wesentlichen auf Laras Besuche bei Thomas und den Geschichten, die sie im erzählt.

Ihre Erzählungen sind verwirrend, sie interpretiert selbst viel und als Leser kann man sich nie sicher sein, was sie tatsächlich erlebt hat, was nur ihrer Einbildung entspringt oder was sich zumindest in Teilen so ähnlich ereignet haben mag. Dieser Erzählstil wird konsequent fortgesetzt bis es Lara durch die Therapie besser geht und sich auch die Verwirrung für den Leser legt, als ihre Diagnose und Leidensgeschichte klarer wird.

"Träume, die ich uns stehle" ist keine leicht zu lesende Liebesgeschichte, sondern eher schwere Kost. Ich musste das Buch mehrfach zur Seite legen, da es sich für mich bis zum Bekanntwerden ihrer Diagnose und zum Verständnis ihrer Krankheit für mich in die Länge gezogen hat. Dann hätte ich mir mehr Hintergrund Informationen zu ihrer Erkrankung, dem Krankheitsbild und vor allem auch ihrer Kindheit gewünscht. Das hätte man durch intensivere Gespräche mit ihrem Therapeuten aufklären können, stattdessen wird der Leser ähnlich wie Lara selbst ein wenig allein mit der Wahrheitsfindung gelassen.

Da im Krankenhaus selbst nicht viel passiert, ist der Roman eine ganz ruhige, besonnen erzählte Geschichte. Es handelt von kaputten Seelen aufgrund von traumatischen Erlebnissen und/ der psychischen Krankheiten. Lara hat zwei Jahre ihres Lebens komplett vergessen, die sie sich durch ihre eigenen Erzählungen wieder holt. Das Vergessen liegt nicht allein an der Amnesie, sondern an dem Mittel der Verdrängung, das sie unbewusst nutzt, um sich selbst vor belastenden Ereignissen und Erinnerungen zu schützen.
Es ist keine klassische Liebesgeschichte, in welcher sich zwei Personen kennenlernen, annähern, und in einander verlieben. Bei Lara und Thomas ist die Anziehungskraft von Anbeginn da. Es ist dieses unerklärliche, magische Band, das den beiden letztlich zur Linderung verhelfen wird.

"Träume, die ich uns stehle" ist keine Wohlfühlgeschichte. Ich fand den eigentümlichen Erzählstil nach einer Eingewöhnungsphase wirklich interessant, aber letztlich blieb mir die Erzählung zu sehr auf das Innenleben, die Gedanken von Lara, beschränkt. Ich hätte mir mehr Interaktion mit ihren Mitpatienten und vor allem auch ihrem Therapeuten gewünscht. Ihre Krankheitsgeschichte blieb mir zu vage, ihre Angehörigen blieben komplett außen vor. So konnte mich die Geschichte nicht fesseln, die Liebesgeschichte nicht berühren.

Veröffentlicht am 17.01.2018

Roman über die Annäherung dreier Schwestern, Versöhnung und die Suche nach dem Glück

Die Blumenschwestern
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Die dreifache Mutter Iris Parker ist im Alter von 87 Jahren gestorben. Sie hat ein nicht unerhebliches Vermögen hinterlassen; der Antritt des Erbes ist allerdings an bestimmte Bedingungen gebunden, was ...

Die dreifache Mutter Iris Parker ist im Alter von 87 Jahren gestorben. Sie hat ein nicht unerhebliches Vermögen hinterlassen; der Antritt des Erbes ist allerdings an bestimmte Bedingungen gebunden, was den Schwestern bei der Testamentseröffnung überraschend mitgeteilt wird.

Die "Blumenschwestern" Rose, Daisy "Dee" und Fleur sind ganz unterschiedliche Charaktere und haben sich in den letzten Jahren nicht oft gesehen. Selbst die Mutter haben sie in der Senioreneinrichtung stets getrennt voneinander besucht.
Die älteste der Schwestern, Rose, ist verheiratet und hat zwei Kinder. Sie ist sehr kontrolliert, ehrgeizig und setzt sich mit ihrem Perfektionismus selbst unter Druck. Dee ist Künstlerin, geschieden, hat eine erwachsene Tochter, die in Australien bei ihrem Vater wohnt und lebt in einem gemieteten Cottage in Cornwall. Die Jüngste, Fleur, war noch nie verheiratet, hat wechselnde Lebenspartner und genießt ihr freies, unbeschwertes Leben.

Iris hatte sich gewünscht, dass die Schwestern, die sich nach einem Streit über die Unterbringung der Mutter und über die Jahre hinweg immer weiter voneinander entfernt haben, wieder annähern. Sie sollen sich dazu alle zwei Monate für ein Wochenende treffen und die Aufgaben absolvieren, die ihnen Iris mittels Videobotschaften mitteilt. Gerade Dee, deren Vermieterin gestorben ist, ist auf das Erbe angewiesen, um das Cottage selbst kaufen zu können. Die Schwestern lassen sich insofern auf das Experiment ein und sind bewegt davon, Botschaften aus dem Jenseits zu erhalten und den endgültigen Abschied von der Mutter damit noch hinauszögern zu können. Die gemeinsamen Wochenenden sind aber gerade zu Beginn alles andere als harmonisch und drohen ein ums andere Mal an der Verweigerungshaltung von Rose oder Fleur zu scheitern.
Dee ist jedoch nicht nur an der Erfüllung des letzten Wunsches ihrer Mutter gelegen. Sie entwickelt auch ein zunehmendes Interesse an Daniel, der von Iris eingesetzt wurde, um die Umsetzung des Testaments zu überwachsen.

Cathy Hopkins ist als Autorin zahlreicher Jugendromane bekannt. "Die Blumenschwestern" ist ihr erster Roman für Erwachsene.

Das Buch ist aus der Perspektive von Dee geschrieben, in vereinzelten Abschnitten wird diese jedoch gewechselt, um Einblick in die Gefühls- und Gedankenwelt von Rose und Fleur zu erhalten. Der Roman konzentriert sich auf die sechs Wochenenden, die die drei Schwestern zwangsweise miteinander verbringen müssen und die unterschiedlichen Aufgaben, die sie absolvieren müssen. Dies können entspannte Aufenthalte im Spa, spirituelle Gespräche, kreative Kurse oder auch körperlich anstrengende Aktivitäten sein. Iris möchte dadurch nicht nur erreichen, dass sich ihre Töchter neu kennenlernen und emotional annähern, sondern dass sie durch de Übungen auch ihren persönlichen Weg zum Glück finden.

Was Iris nicht ahnen konnte, ist, dass Daniel gleich ein Auge auf zwei Schwestern geworfen hat und dass Rose nach der Testamentseröffnung mit einer weiteren schlimmen Nachricht konfrontiert werden wird.

Der Roman ist emotional bis traurig, enthält aber auch viele witzige Szenen bei der Absolvierung der Aufgaben durch die Schwestern. Der Hauptcharakter Dee ist eine sympathische Frau, die zunächst naiv und unbeholfen wirkt, im Verlauf des Romans aber eine Entwicklung durchmacht und durch die Wochenenden mit ihren Schwestern neues Selbstbewusstsein entwickelt. Rose findet ihren inneren Frieden und Fleur wirkt am Ende weniger kaltherzig und abweisend.

Die Idee des Romans ist nicht neu, sogenannte Bucket-Listen von toten Müttern waren schon häufiger Thema diverser Frauenbücher. "Die Blumenschwestern" sorgt aber dennoch für unterhaltsame Lesestunden, in denen man eine Veränderung der Schwestern verfolgen kann und man zu einer anderen Einschätzung ihrer Persönlichkeiten als zu Beginn des Romans gelangt.

Da die Protagonistinnen im Alter von 46 bis 52 Jahren deutlich älter sind als ich und mit anderen Sorgen und Problemen zu kämpfen haben, blieben mit vor allem Rose und Fleur zu unnahbar.
Mit dem Ende des Romans ist "Die Blumenschwestern" tragischer als erwartet und für meinen Geschmack hätte es diesen Teil des Romans für die vorhersehbare Versöhnung der Schwestern nicht benötigt.

Das Nachwort der Autorin, ihre zehn Schritte zum Glück, hat mir dagegen sehr gut gefallen und ist eine Liste, die man sich selbst immer wieder vor Augen halten kann.

Veröffentlicht am 22.12.2017

Unblutiger Psychothriller mit einem etwas passiven Opfer und zu wenig Erklärungen für das Verbrechen - dennoch spannend

Saving Grace - Bis dein Tod uns scheidet
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Die 33-jährige Grace lernt den charmanten Anwalt Jack Angel kennen, der keinerlei Berührungsängste mit ihrer am Down-Syndrom erkrankten jüngeren Schwester Millie hat. Sie verliebt sich auf den ersten Blick ...

Die 33-jährige Grace lernt den charmanten Anwalt Jack Angel kennen, der keinerlei Berührungsängste mit ihrer am Down-Syndrom erkrankten jüngeren Schwester Millie hat. Sie verliebt sich auf den ersten Blick in den erfolgreichen Rechtsanwalt, der sich auf die Vertretung von misshandelten Frauen spezialisiert hat, und auch Jack scheint in Grace, die sich so liebevoll wie Mutter und Schwester zugleich um Millie kümmert, verliebt zu haben. Sie träumen gemeinsam von einem großen Haus im Grünen, in dem sie zusammen mit Millie leben werden, wenn diese volljährig ist und aus ihrem Internat ausziehen muss.

Nach wenigen Wochen des Kennenlernens heiraten Grace und Jack und damit beginnt das Grauen für Grace, denn Jack ist nicht der Mann, für den er sich ausgegeben hat. Um 180° gedreht, beginnt ein Psychoterror für Grace, wobei nach Außen der Anschein einer glücklichen und perfekten Ehe in einer für Grace sorglosen Umgebung, aufrecht erhalten wird.

Der Roman handelt auf zwei Zeitebenen und schildert aus der Vergangenheit das Kennenlernen von Grace und Jack bis zum Persönlichkeitswandel von Jack, während jedes zweite Kapitel die Gegenwart nach der Hochzeit beschreibt.

Die Spannung des Psychothrillers baut sich von Beginn langsam auf. Zunächst wird die Anfangszeit von Graces und Jacks Beziehung geschildert, die Phase der ersten Verliebtheit. Bei den Schilderungen der Dinner in der Gegenwart wird subtil offenbar, dass Grace aus Angst vor ihrem Mann, der sie mit Argusaugen beobachtet, sehr zurückhaltenden und im Umgang mit anderen gehemmt ist.

Nach und nach wird deutlich, warum Grace keinen Schritt ohne ihren Ehemann machen kann und womit er sie unter Druck setzt. Während Grace am Anfang noch sehr naiv ist und sich unbeholfen versucht zu wehren und teilweise resigniert, ist es ihre behinderte Schwester, die im Gegensatz zu allen anderen Bekannten durchschaut, das Jack "böse" ist und den Anstoß gibt, dass Grace selbst raffinierter wird und den Ausbruch aus ihrem goldenen Käfig plant.

"Saving Grace" ist in unblutiger Thriller, bei dem es spannend ist zu erfahren, wie Grace und auch Millie aus einer schier aussichtslosen Situation herauskommen.
Ich empfand es stellenweise als unrealistisch, wie wenig Risiko Grace auf sich nimmt, um sich selbst zu befreien, auch wenn ihre Angst um Millie nachvollziehbar war, und dass Jack ihr stets einen Schritt voraus war.
Als Leser versetzt man sich unweigerlich in Graces Situation und überlegt, wie man selbst handeln würde. Es ist beklemmend zu lesen, mit welch einfachen Mitteln ein Mensch seiner Freiheit beraubt werden kann, ohne dass Außenstehende - Freunde, Verwandte, Nachbarn - etwas davon erfahren.

Zum Charakter Jack hätte ich mir mehr tiefer gehende Erklärungen gewünscht. Zwar erfährt man von einem Schlüsselerlebnis aus seiner Kindheit, was aber dennoch seine Motivation in der Gegenwart nicht ganz erklären und konnte und mir der reine Verweis auf einen schlicht grausamen Psychopathen zu wenig ist.

Veröffentlicht am 16.12.2017

Atmosphärischer Fantasyroman um die Überwindung der Angst vor dem Fremden, Unbekannten und der Intention für mehr Offenheit

Tochter des dunklen Waldes
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Seit ihre Eltern verschwunden sind, lebt Lilah bei ihrem Onkel Ben und seiner Frau in Grünweite. Die junge Frau arbeitet in deren Gaststätte "Schwarze Eiche" mit und interessiert sich für die Natur, Blumen ...

Seit ihre Eltern verschwunden sind, lebt Lilah bei ihrem Onkel Ben und seiner Frau in Grünweite. Die junge Frau arbeitet in deren Gaststätte "Schwarze Eiche" mit und interessiert sich für die Natur, Blumen und (Heil-)kräuter.
An Grünweite grenzt der sagenumwobene Morgenwald, über den gruselige Schauermärchen erzählt werden. So soll es ein Mädchen gegeben haben, das neugierig den Wald betreten hat und dort von einem Baum gefangen gehalten und nie mehr gesehen wurde.
Jedes Jahr im Sommer kommen Erntehelfer in das 100-Seelen-Dorf, darunter auch Dorean, in den sich Lilah im letzten Sommer verliebt hatte.
Er ist auch dieses Jahr wieder in Grünweite, um auf den Feldern zu arbeiten und verhält sich Lilah gegenüber sehr distanziert. Als eine Frauenleiche gefunden wird, ist auch Dorean verschwunden. Er hinterlässt Lilah einen Abschiedsbrief, aus dem sie schließt, dass Dorean in den Morgenwald gegangen ist. Sie selbst spürte schon immer die Anziehungskraft, die von dem Wald ausging, überwindet ihre Angst und folgt ihrem Herzen.
Im Morgenwald trifft sie nicht nur auf Dorean, sondern auch auf eine ganz eigene Welt voller Mythen und Geheimnisse.

"Tochter des dunklen Waldes" ist ein Fantasyroman aus der Feder von Katharina Seck, von der ich bereits "Die Stille zwischen Himmel und Meer" gelesen habe, von dem ich begeistert war. Aufgrund des Genres unterscheiden sich die Romane zwar inhaltlich, aber den atmosphärischen Stil und die Melancholie, die auch von dieser Protagonistin auszugehen scheint, findet man auch in diesem Roman.

Es ist nicht klar, zu welcher Zeit der Roman handelt, mit Sicherheit aber in der Vergangenheit. Lange wird nicht deutlich, wohin der Roman zielt und ob es einfach nur ein Märchen über die enge Verbundenheit zur Natur und insbesondere zu den Bäumen, ist.

Die Beschreibung des Settings von Dorf und insbesondere dem Wald ist so intensiv bildhaft, dass man die Natur unmittelbar vor Augen hat und wie die Protagonistin selbst, eintaucht. Der Roman ist aus der Perspektive von Lilah geschrieben, wobei jedes Kapitel mit den Gedanken von Dorean beginnt, die seine Unsicherheit und Verlorenheit in der Welt verdeutlichen.

Die Handlung im Wald ist märchenhaft-mythisch, ein wenig düster, aber nicht gruselig. Lilah entdeckt dort eine eigene Welt, eine Gesellschaft, die eng mit den Bäumen verbunden ist. Auch sie findet dort ihren Gefährten, einen Ahorn und fühlt sich Zuhause, bei sich angekommen.
Als eine alte Eiche verbrennt und dem Ältesten der Bewohner im Morgenwald damit das Leben genommen wird, herrschen auf einmal Hass und Misstrauen, bei dem sonst so friedlichen, naturverbundenem Volk.

Auch wenn man als Leser wie Lilah neugierig in den Wald hineintaucht und fasziniert ist von der Atmosphäre dort, liest sich der Roman im Mittelteil etwas zäh bis gegen Ende die Handlung deutlich an Spannung zunimmt.
Im spannungsgeladenen letzten Viertel des Romans - beim Kampf Gut gegen Böse - thematisiert die Autorin die alten Ängste der Menschen, die Angst vor dem Unbekannten, vor dem Fremden.

"Tochter des dunklen Waldes" ist mehr als nur ein Fantasyroman über die Liebe zur Natur. Er vermittelt eine Botschaft, die gerade heute in Zeiten der Zuwanderung und dahin eingehender Verunsicherung aktuell ist. Lilah ist die Heldin, die trotz ihrer Unbedarftheit eine Menge Mut entwickelt und gegen Grausamkeit und Gewalt ankämpft und dafür, dass sich Waldbewohner und Einwohner des Dorfes annähern, sich kennenlernen und gegenseitige Vorbehalte und Vorurteile abbauen, um friedlich nebeneinander und auch miteinander leben zu könne.

Der Schreibstil der Autorin hat einen hohen Wiedererkennungswert und ist beeindruckend atmosphärisch, die sehr ausführlichen Beschreibungen der Flora gehen in "Die Tochter des dunklen Waldes" allerdings zu Lasten der Spannung.

Auch wenn die Moral der Geschichte nicht zu beanstanden sein kann und wie in jedem Märchen Gut über Böse siegt, empfand ich den Roman am Ende etwas zu pathetisch und zu sehr mit dem erhobenen Zeigefinger geschrieben.