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Veröffentlicht am 30.12.2017

Harald in fremden Diensten fern der Heimat

Herrscher des Nordens - Odins Blutraben
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Im zweiten Band der Trilogie um den großen Norwegerkönig Harald Hardrada treffen wir ihn und seine treuen Gefährten als Söldner im Dienste des Fürsten Jarisleif wieder.
Nachdem sein einstiger Feind Kalfr ...

Im zweiten Band der Trilogie um den großen Norwegerkönig Harald Hardrada treffen wir ihn und seine treuen Gefährten als Söldner im Dienste des Fürsten Jarisleif wieder.
Nachdem sein einstiger Feind Kalfr mit einer Abordnung am Fürstenhof erscheint, um den jungen Sohn des bei Stikla Stad gefallenen Königs Olaf in die Heimat zu bringen, um ihn dort zum Nachfolger seines Vaters zu machen, wird es auch für Harald Zeit aufzubrechen. Jarisleif sendet ihn in den Süden, nach Kiew, um sich dort um das Schlangenbollwerk zu kümmern, den Verteidigungswall südlich der Stadt, das in der Vergangenheit immer wieder von den Petschenegen, einem wilden und grausamen Steppenvolk bedroht wurde.
Doch gestaltet sich Haralds vermeintlicher Erholungsaufenthalt zu einem kriegerischen Albtraum, der ihm auch persönliche Verluste beschert. So beschließt er weiterzuziehen in das reiche, sagenumwobene Midgard, das heutige Istanbul, um den dortigen Herrschern seine Dienste anzutragen. Nicht nur möchte er eine aufwühlende Etappe seines Lebens hinter sich lassen, sondern sich so viel Silber wie möglich verdienen, das es ihm schließlich ermöglichen soll, in die ferne Heimat zurückzukehren, um dort seinen Thronanspruch geltend zu machen.
Doch dass der Weg zum Ziel ein langer und beschwerlicher sein wird, auf dem Harald auch unter einem neuen Herrscher viel Unbill zu erleiden und Kämpfe auszufechten hat, ist vorauszusehen...

In "Odins Blutraben" gewährt Ulf Schiewe einen weiteren Einblick in Harald Hardradas spannendes und abenteuerliches Leben. Gestützt auf die Quellen, in denen der große Norwegerkönit und seine Taten Erwähnung finden, erschafft der Autor seinen eigenen Harald, der keineswegs im Widerspruch zu der authentischen Person stehen mag, die in den Geschichtsbüchern Eingang gefunden hat: ein facettenreicher Charakter, der auch im vorliegenden zweiten Band immer wieder seine Führungsqualitäten unter Beweis stellt, der gelernt hat abzuwägen und besonnen und vorausschauend zu agieren, der aber auf der anderen Seite erbarmungslos gegen seine Feinde oder die Feinde der Herrscher, denen er dient, vorgeht, der als Söldner unschuldige Menschen töten und ihre Dörfer niederbrennen lässt.

Ja, Ulf Schiewes Harald ist eine Figur, der man Sympathie entgegenbringt, der man gleichzeitig aber auch kritisch gegenüberstehen muss, wenn man vom heutigen moralischen Standpunkt ausgeht. Wobei man allerdings nie die Zeit, in der Harald gelebt hat, das 11. Jahrhundert nämlich, und die damaligen Gepflogenheiten und Moralvorstellungen aus dem Auge verlieren darf.

Harald ist der Protagonist schlechthin in der Trilogie, die auch aus seiner Warte erzählt wird. Er ist dementsprechend exakt und vielschichtig gezeichnet. Doch gilt genau dies auch für die vielen weiteren Akteure, die man allesamt näher kennenlernt und von denen man sich ein aussagekräftiges Bild machen kann. Jeder Charakter, die positiven wie die negativen, ist klar umrissen, hat seinen festen Platz und erhält entsprechenden Raum. Man sieht die Romanfiguren vor sich, liebt sie, hasst sie, zittert um sie oder sieht sie mit Befriedigung ihre gerechte Strafe bekommen.

Zusammen mit seinen Charakteren erweckt der erzählbegabte und geschichtskundige Autor eine längst vergangene Zeit zu neuem Leben, die er mit den vielfältigsten historischen und kulturellen Hintergrundinformationen füllt, mit lebhaften Beschreibungen von Landschaften, Städten, Menschen verschiedener Schichten in ihrem Alltag, und der Dinge, mit denen sie sich umgaben, so dass es dem Leser unwillkürlich ein Gefühl des Dabeiseins, des Mittendrinseins beschert.
Was kann man sich mehr wünschen von einem historischen Roman? Diesen hier kann ich nur als großartig gelungen bezeichnen!

Veröffentlicht am 27.12.2017

Eine Silvesternacht wirft lange Schatten

Galgenhügel
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Die Schauspielerin Ellen Gerwing wird, nachdem sie ein Jahr zuvor als eine der wenigen einen Flugzeugabsturz in der Karibik überlebt hatte, erhängt auf dem Galgenhügel irgendwo im Münsterland gefunden.
Alles ...

Die Schauspielerin Ellen Gerwing wird, nachdem sie ein Jahr zuvor als eine der wenigen einen Flugzeugabsturz in der Karibik überlebt hatte, erhängt auf dem Galgenhügel irgendwo im Münsterland gefunden.
Alles deutet auf Selbstmord der traumatisierten Frau hin, doch Kommissar Heinrich Tenbrink glaubt nicht daran! Mit der ihm eigenen Sturheit hält er an seiner Mordtheorie fest, auch gegen die Anordnungen seiner Vorgesetzten, die den Fall am liebsten zu den Akten gelegt hätten. Tenbrink aber ermittelt unbeirrt weiter, wobei ihm sein zunehmender Gedächtnisverlust, dessen Ursachen er nicht nachgehen möchte, zunehmend zu schaffen macht. Schnell findet er, fast widerwillig unterstützt von seinem Kollegen Maik Bertram, heraus, dass die Ursache für die Geschehnisse, die in Ellens Tod kulminierten, in einer unseligen Silvesternacht 16 Jahre zuvor zu suchen ist, nach der Ellens Zwillingsschwester Eva durch einen vermeintlichen tragischen Unfall den Tod fand.
Alle damals Beteiligten scheinen etwas zu verbergen zu haben, wie Tenbrink bald herausfindet. Nach vielen falschen Fährten und gefährlichen Alleingängen gelingt es ihm schließlich, den Fall aufzuklären, wobei er sich selbst in höchste Lebensgefahr bringt.

Mit der Figur des aus dem Münsterland gebürtigen Kommissars Heinrich Tenbrink hat Tom Finnek einen höchst eigenwilligen Ermittler geschaffen, der sich selbst als Münsteraner Spürhund bezeichnet. Damit trifft er ins Schwarze, denn genau das ist er. Er lässt sich von seinem einmal gefassten Verdacht nicht abbringen, verfolgt ihn ohne Rücksicht auf seine eigene Karriere und entgegen aller Wahrscheinlichkeiten, immer auf seine Intuition vertrauend.
Dieser Tenbrink ist gewiss ein Sympathieträger, obwohl man nicht immer auf seiner Seite sein kann, - zu sehr scheint er sich zu verrennen, zu gerne eckt er an. Der Leser verfolgt dabei mit wachsender Sorge die Verschlechterung seines Gesundheitszustands: zuerst waren es nur Namen, mit denen er seine Schwierigkeiten hatte, bald aber sind es auch Gesichter, die er nicht einzuordnen weiß, und schließlich fehlen ihm ganze Passagen in seinem Leben.
Wie, fragt man sich, kann dieser angeschlagene, sich verlierende Kommissar weitere Fälle lösen, die uns der Autor versprochen hat?
Eine Antwort darauf gibt der erste Band mit Tenbrink als Protagonisten freilich nicht!
Dafür beschert er uns einen von der ersten bis zur letzten Seite ungemein spannenden und äußerst verwirrenden Fall, in dem nichts so ist, wie es scheinen mag, in dem der Leser auf falsche Spuren gelockt und immer wieder mit neuen Puzzlestücken versorgt wird, die aber lange nirgendwo hineinzupassen scheinen.

Was für den Fall gilt, mit dem wir hier konfrontiert sind und mit dem es der verwirrte Kommissar zu tun hat, gilt auch für die unterschiedlichen Charaktere, die einer nach dem anderen auftauchen und noch mehr Fragezeichen im Gefolge haben. Auch sie kann man nicht recht einordnen, stellen sich doch beinahe alle als ganz anders heraus, als zu vermuten war.
Es sind vielschichtige Charaktere, die Tom Finnek in seinem Krimi zum Leben erweckt, stellt man bald fest, nachdem man zu Anfang hätte meinen können, sie gleich in Schubladen ablegen zu können. Stattdessen zeigt sich im Laufe der Handlung, dass jeder von ihnen für allerlei Überraschungen gut ist, die verblüffen und sie in einem ganz neuen Licht sehen lassen.

Nicht zuletzt reizvoll ist auch der Schauplatz des Romans, das Münsterland, mit dem nicht nur Kommissar Tenbrink verwachsen ist. Die meisten der Protagonisten passen hierher, sind typische Vertreter ihrer Heimat, mit der sie eine wunderbare, authentische Einheit bilden.
Ja, alles passt zueinander in diesem über lange Strecken ruhigen und unaufgeregten, doch immer spannenden Kriminalroman, der dann zum Ende hin unerwartet tüchtig an Fahrt aufnimmt.
Und all das macht "Galgenhügel" zu dem hervorragenden Auftakt einer vielversprechenden neuen Krimireihe, dem ich eine unbedingte Leseempfehlung mitgeben möchte!

Veröffentlicht am 22.12.2017

Die 60er Jahre, die Beatles - und eine Liebesgeschichte

Winterrosenzeit
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Wir schreiben das Jahr 1965! Die Beatles feiern in England ihre ersten Erfolge und auch in Deutschland beginnen die jungen Leute, sich für die Pilzköpfe, ihre neue Musikrichtung und für das zu interessieren, ...

Wir schreiben das Jahr 1965! Die Beatles feiern in England ihre ersten Erfolge und auch in Deutschland beginnen die jungen Leute, sich für die Pilzköpfe, ihre neue Musikrichtung und für das zu interessieren, was damit einhergeht und den Beginn einer neuen Zeit einläutet.
Doch die ältere, die Kriegsgeneration, wehrt sich vehement gegen das, was sie als "Hottentottenmusik" bezeichnet, der man im besten Falle skeptisch gegenübersteht. Je tiefer die Provinz, umso ablehnender zeigt man sich.
Das bekommt auch der junge Student der Rechtswissenschaften Hans-Peter aus einem Dorf im Schwäbischen zu spüren, dessen großer Traum es ist, die Beatles live im englischen Blackpool zu erleben. Dafür schuftet er auf dem Bau, - und macht sich gegen den Willen seiner Mutter und des Stiefvaters per Anhalter auf den Weg nach England!
Dass er dort alsbald in der bezaubernden Ginny die große Liebe finden würde, hätte er sich nie träumen lassen. Doch scheint diese Liebe unter keinem guten Stern zu stehen. Hans-Peter ist als Deutscher für viele Engländer in jener Zeit, denen der von seinen Landsleuten angezettelte Zweite Weltkrieg noch in allen Knochen steckt, eine persona non grata!
Und als sich dann auch noch herausstellt, dass sein wirklicher Vater keineswegs, wie seine Mutter ihm glauben gemacht hatte, als Soldat der Wehrmacht in Ostpreußen gefallen ist, sondern im Gegenteil ein untergetauchter, ruchloser ehemaliger SS-Mann ist, der auf der Fahndungsliste der Kriegsverbrecher steht und, wie Hans-Peter bei seinen Nachforschungen entdeckt, noch am Leben ist, scheint eine Zukunft mit Ginny ausgeschlossen!

Um es vorweg zu sagen - die Autorin Ricarda Martin hat mit "Winterrosenzeit" einen hervorragenden Roman voller Dramatik und voller Gefühl geschrieben, der die 60er Jahre so authentisch wieder auferstehen lässt, dass die Generation, die diese Zeit miterlebt hat, sich unwillkürlich zurückversetzt fühlt. Erinnerungen kommen aus der Versenkung hervor, Bilder erscheinen vor dem inneren Auge, die man fast mit Händen greifen kann!
Für die jüngeren Leser, die die muffigen, prüden 60er nur aus Erzählungen ihrer Eltern oder gar Großeltern kennen, ist es sicher kaum vorstellbar, dass es noch gar nicht so lange her ist, dass etwa die Jeans ein verpöntes Kleidungsstück waren, oder dass die Moral eines Menschen an seinem Haarschnitt festgemacht wurde.
Es war die Zeit des braven deutschen Schlagers, der guten, einfallslosen Hausmannskost, junge Männer liefen in Anzügen oder biederen Stoffhosen und sauber geknüpften Hemden ohne jeden Chic umher. Alles Ausländische wurde mit Misstrauen beäugt. Spießbürgertum und nicht hinterfragte Gehorsamkeit den Eltern gegenüber - das war es, was man von den jungen Leuten widerspruchslos erwartete!

Und dann kommt so einer wie Hans-Peter daher, der seine eigene Meinung vertritt, der aufmüpfig ist und über den Tellerrand schaut! Der muss doch verdorben und komplett missraten sein!
Da geht der auch noch nach England und verliebt sich in eine Ausländerin! Nein, das ist wirklich unerhört!
Doch Hans-Peter lässt sich nicht beirren. Nicht nur die Liebe findet er fern seines schwäbischen Dorfes, sondern zu seinem Erstaunen auch ein viel freieres, ungezwungeneres Leben.
Ja, die Autorin hat Recht: England hat die schweren Nachkriegsjahre bereits Ende der 50er Jahre überwunden, es feiert das Leben, es tanzt und swingt. Die Zukunft gehört der neuen Leichtigkeit, die es in vollen Zügen auszukosten gilt!
Und diese unter und über der Oberfläche gleichsam brodelnde Atmosphäre ist ebenso plastisch, so fühl- und erlebbar eingefangen, wie die Zeit in Deutschland zwischen dem Anhaften an die alte und dem Aufbruch in eine neue Zeit! Die Autorin schafft es mühelos, den Leser mitten hinein zu katapultieren!

Mit dem aufrechten Hans-Peter hat Ricarda Martin darüberhinaus einen durch und durch glaubhaften Protagonisten geschaffen, dem die anderen Hauptfiguren in nichts nachstehen!
Ob es die deutschen oder die englischen Charaktere des Romans sind - man nimmt gleich Anteil an ihrem Leben, an ihren Entwicklungen, fühlt sich angezogen oder abgestoßen, bleibt nie gleichgültig.
So authentisch, wie die Autorin die Zeit schildert, in der die Romanhandlung angesiedelt ist, so authentisch sind auch die Menschen, die sich in ihr bewegen. Sie wirken vertraut, erinnern an Nachbarn, Freunde, flüchtige Bekannte, deren Nähe man sucht oder denen man lieber aus dem Weg gehen möchte. Fehlerlos ist keiner, falsche Entscheidungen mit verheerenden Folgen treffen nahezu alle von ihnen. Kurz und gut - sie sind wie aus dem Leben gegriffen!

Auch dem schwierigen und sensiblen Thema Krieg und der Kriegsbewältigung stellt sich Ricarda Martin und beschreibt einfühlsam die Empfindlichkeiten der ehemaligen Feinde, die gerade erst begonnen haben, sich einander anzunähern und dabei immer wieder Rückschläge erleiden, je tiefer man in das Herz eines erschütternden Geheimnisses vordringt, dass die Feinde von einst auf verhängnisvolle Weise verbindet und das wie ein Menetekel über den Köpfen aller, vor allem aber über Hans-Peter und Ginny schwebt und ihrer aller Leben zu zerstören droht.

Während man zwar entgegen allem Anschein darauf hofft, dass sich für die beiden Liebenden noch ein Weg zueinander auftut, ist die Autorin immer für Überraschungen und unerwartete Wendungen gut! Und so kann man sich bis zum Schluss nicht sicher sein, ob sie den längst lieb gewonnenen Helden aus der Patsche hilft oder ob sie den Ausgang einer Tragödie gewählt hat, die manchem Leser am plausibelsten erscheinen mag, angesichts dessen, was sie trennt.
Aber um das herauszufinden, sollte man sich das Lesevergnügen gönnen und selbst den Roman aufschlagen!

Veröffentlicht am 07.12.2017

Wenn Träume zerplatzen...

Der Tanz unseres Lebens
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Die Pariserin Florence ist Musicaldarstellerin mit Leib und Seele. Als sie kurz davor steht, sich den Traum ihres Lebens, Tänzerin am Broadway, zu erfüllen, geschieht etwas, das ihr Leben aus der Bahn ...

Die Pariserin Florence ist Musicaldarstellerin mit Leib und Seele. Als sie kurz davor steht, sich den Traum ihres Lebens, Tänzerin am Broadway, zu erfüllen, geschieht etwas, das ihr Leben aus der Bahn wirft und scheinbar all ihre Hoffnungen zunichte macht.
So zieht sie sich in ein kleines Bergdorf in der Romandie, der französischen Schweiz, zurück, nicht wissend, wie es weitergehen soll.
Was fängt man mit zerplatzten Träumen an? Wie findet man einen Neuanfang?
Florence hat darauf erstmal nur eine Antwort: sie tanzt! Sie tanzt voller Leidenschaft, aber auch Verzweiflung, entschlossen, dem Leben zu trotzen. Und ganz allmählich tanzt sie sich in die Herzen einer Handvoll Menschen in ihrem Übergangszuhause, das bald weit mehr als nur ihr Zufluchtsort wird, hinein.
Mit der ihr eigenen Fröhlichkeit, die immer wieder den Kampf gegen ihren Kummer gewinnt, nimmt sie Einfluss auf die neugewonnenen Freunde, bringt Sonne in ihr Leben, um festzustellen, dass die Liebe, die sie gibt, zu ihr zurückkommt, und um zu erkennen, dass aus Träumen, die sich in Luft aufgelöst haben, ein unerwarteter Neuanfang geboren werden kann, eine neue Chance auf Glück, das viel tiefer und reicher ist, als sie je für möglich gehalten hätte.

Einen wunderschönen, stimmungsvollen, zutiefst berührenden Roman hat Noa C. Walker da geschrieben!
Er lebt von seinen Protagonisten, allen voran der jungen Florence, die trotz allem Schweren, das sie erlebt hat, einen überwältigenden Optimismus ausstrahlt, der ansteckend ist und sich unwillkürlich auch auf den Leser überträgt.
Aber nicht nur auf ihn! Sie beeinflusst nachhaltig das Leben der so liebevoll ausgearbeiteten, sympathischen Charaktere, die die Autorin ihr zur Seite gestellt hat, und die ebenso ihre eigenen Träume haben begraben müssen.

Da ist Martin, ein junger Arzt, der sich genau wie Florence in dem Bergdorf vergraben hat, nachdem er erkannt hatte, dass sein Ehrgeiz, sein Leben auf der Überholspur, seine hochfliegenden Träume ihn von sich selbst und dem, was er eigentlich wollte, weggeführt haben. Er hat längst erkannt, was die anderen Akteure noch lernen müssen...
Oder Claire, deren sehnlichster Wunsch es war, ein eigenes Hotel zu führen. Stattdessen aber verdient sie ihren und den Lebensunterhalt für ihre kleine Familie mühsam als Hotelangestellte, nachdem ihr Mann sie verlassen hatte, als klar war, dass ihre jüngere Tochter Zoé mit Down-Syndrom geboren werden würde.
Zoé wiederum ist mit der ihr eigenen Offenheit und ihrem gewinnenden, vorurteilsfreien Wesen schließlich ein unverzichtbares, verzauberndes Bindeglied zwischen allen im Roman versammelten Charakteren, deren Leben sie entschieden bereichert!
Als Claires ältere Tochter, Lysann, eine begabte Nachwuchsskiläuferin, schwer erkrankt und es sich abzeichnet, dass ein weiterer Schicksalsschlag Claires Leben aus den Fugen zu bringen droht, ist es Florence, die Halt und Hoffnung gibt.
Ihr Tanzen zieht sich wie ein roter Faden durch den gesamten Roman. Florence, das Energiebündel par excellence, kann ihre Füße für keine Sekunde still halten, sie tanzt, wann immer ihr Bedürfnis danach übermächtig wird, und wo immer sie auch ist, - und alle tanzen mit ihr, tanzen die Trauer weg, die Hoffnungslosigkeit oder einfach nur den grauen Alltag. Als Leser möchte man so manches Mal dabei sein...

Während die Handlung voranschreitet, lässt Noa C. Walker die Protagonistin eine unglaubliche und doch überzeugende Entwicklung durchlaufen, lässt sie, und mit ihr die übrigen Akteure, sehen lernen, was im Leben wirklich von Bedeutung ist, und dass das Leben selbst eigentlich ein großes Geschenk ist, das man dankbar annehmen darf.
Wenn alle Beteiligten am Ende erkennen, dass es nicht nur den einen großen Traum gibt, und dass auch aus Träumen, von denen man sich verabschieden musste, die einem genommen wurden, manchmal etwas Gutes, vielleicht sogar etwas Besseres und Intensiveres als vorher erwachsen kann, wenn man nur die Hoffnung nicht aufgibt, dann mag auch der eine oder andere Leser nachdenklich werden und die eigenen zerplatzten Träume in einem anderen Licht sehen....

Für mich jedenfalls war "Der Tanz unseres Lebens" in vielerlei Hinsicht einer der bemerkenswertesten Romane, die ich in diesem Jahr gelesen habe, wahrlich ein Roman mit Tiefgang!
Und so möchte ich ihn unbedingt weiterempfehlen, - allen, die sich berühren lassen möchten, den Träumern wie den Realisten, den Verzagten wie den Mutigen....

Veröffentlicht am 30.11.2017

Hüter des Paradieses

Dilmun - Suche nach dem ewigen Leben
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Ahmad ist seit vielen Jahrhunderten der Hüter des geheimnisumwitterten Gartens Dilmun, des Paradieses aus der sumerischen Mythologie, um das vor Urzeiten ein Kampf entbrannt ist. Denn die Bewohner des ...

Ahmad ist seit vielen Jahrhunderten der Hüter des geheimnisumwitterten Gartens Dilmun, des Paradieses aus der sumerischen Mythologie, um das vor Urzeiten ein Kampf entbrannt ist. Denn die Bewohner des Gartens, die Deva, begannen, gegeneinander um die Vorherrschaft in ihrem Paradies zu kämpfen, wobei die aufständische Gruppe den Garten verlassen musste und sich von nun an Ashura nannte. Und ebenso seit Urzeiten versuchen die Ausgestoßenen, nach Dilmun zurückzukehren, was ihnen aber von den Deva verwehrt wird.
Ahmad weiß, dass seine Kräfte erlahmen und dass er einem neuen Hüter Platz machen muss. Die Suche nach einem würdigen Nachfolger steht im Mittelpunkt des spannenden und bildgewaltigen Fantasyromans von Robin Gates, in dem er die reale Welt, in der Ahmads Nachfolger gefunden werden soll, mit der mythologischen, gleichsam der Parallelwelt verwebt, in der das Gute mit dem Bösen ringt, in der sich geheimnisvolle, buntschillernde, im Lichterglanz der Abendsonne erstrahlende, aber auch düstere, schwarze, unheimliche Wesen der Dunkelheit tummeln und in der auf die Protagonisten allenthalben Gefahren lauern, die sie überwinden müssen, um die drei Teile des Schlüssels zur Pforte des Gartens Dilmun zu finden, mit dem der würdige Nachfolger das Tor öffnen kann.

Es ist kaum möglich, sich der Faszination zu entziehen, die von diesem mich geradezu überwältigenden Roman ausgeht!
Nicht nur lässt der Autor den Leser eintauchen in eine Welt, die er mit betörend schönen Worten und Bildern beschreibt, er hat sich auch eine mitreißende, berührende Handlung ausgedacht, die gefangen nimmt und mitfiebern lässt, in der Hoffnung, dass die "bösen Buben" in Gestalt der Ashura und des mächtigen Konzerns des todkranken Belgiers Vandenberg, dessen Ziel nicht nur die Beherrschung des Gartens ist, sondern auch das ewige Leben, das dieser verspricht, nicht obsiegen werden.

Den vor Gewalt und Mord nicht zurückschreckenden Feinden des Paradieses stehen die Bewahrer, die Devas, gegenüber - und die kleine Gruppe derjenigen, die Ahmads potentielle Nachfolger sind.
Auch diese positiven Charaktere, Colin, ein Professor für Alte Geschichte aus Berlin, seine ungestüme Studentin Annika und Tarik, ein junger Architekt aus Istanbul, sind vom Autor hervorragend ausgearbeitet und agieren überzeugend.
Auf der Suche nach den Teilen des Schlüssels dürfen sie eine Entwicklung durchmachen, die ihnen tiefe Einsichten in das Leben beschert und sie auf ungeahnte Weise zu sich selbst führt, indem sie mit ihren wahren, bislang uneingestandenen oder gar beschönigten Wünschen, Sehnsüchten und Ambitionen konfrontiert werden, die womöglich im Widerspruch zu den Eigenschaften stehen, die der rechte Nachfolger Ahmads aufweisen muss.
Hier zeigt sich Robin Gates auch als profunder Kenner der menschlichen Natur, ihren Stärken und Schwächen, denen er mit großer Empathie und einem guten Schuss Weisheit begegnet.

Fürwahr - ein ganz besonderer, facettenreicher Roman, der nicht nur Freunden der Fantasyliteratur empfohlen werden kann!