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Veröffentlicht am 27.04.2025

Zwischen Pinselstrichen und Briefpapier – Eine leise Reise zur eigenen Mitte

Hatokos wunderbarer Schreibwarenladen
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Mit Hatokos wunderbarer Schreibwarenladen hat Ito Ogawa einen Roman geschaffen, der nicht mit lautem Drama oder überraschenden Wendungen punktet, sondern mit leiser Tiefe und poetischer Beobachtungsgabe. ...

Mit Hatokos wunderbarer Schreibwarenladen hat Ito Ogawa einen Roman geschaffen, der nicht mit lautem Drama oder überraschenden Wendungen punktet, sondern mit leiser Tiefe und poetischer Beobachtungsgabe. Als Leser begleitet man Hatoko, eine junge Frau, die nach dem Tod ihrer Großmutter deren Laden übernimmt – ein Ort, der mehr ist als nur ein Geschäft für Papier und Tinte. Hier beginnt für sie ein neues Kapitel, in dem sie nicht nur Briefe für andere Menschen schreibt, sondern auch langsam sich selbst neu kennenlernt.

Der Roman lebt von der stillen Kraft des Alltags. Es geht nicht um das große Spektakel, sondern um die kleinen, oft übersehenen Details: das Geräusch eines Pinsels auf Papier, die Auswahl der passenden Briefmarke, die Art, wie ein Kunde zögert, bevor er seine Geschichte erzählt. Hatoko hört zu, fühlt mit und verwandelt Gedanken in Worte, die berühren. Ihre Arbeit als professionelle Briefschreiberin mag in unserer digitalen Welt ungewöhnlich wirken, doch sie wird hier mit so viel Würde und Hingabe beschrieben, dass man sich fragt, warum wir überhaupt damit aufgehört haben, unsere Gefühle auf Papier zu bannen.

Das Buch ist in vier Kapitel gegliedert – Frühling, Sommer, Herbst und Winter – und genau wie die Natur folgt auch Hatokos Entwicklung einem unaufgeregten, aber stetigen Wandel. Besonders schön ist, dass wir durch ihre Begegnungen mit sehr unterschiedlichen Menschen auch viele Facetten menschlicher Emotionen erleben – Trauer, Hoffnung, Wut, Liebe. Und obwohl sie für andere schreibt, spiegelt sich in jedem Auftrag auch ein Stück ihrer eigenen Geschichte wider.

Die Sprache ist zart und bildreich, manchmal fast meditativer Natur, was wunderbar zur Atmosphäre passt. Wer einen schnellen Plot oder spannende Konflikte erwartet, wird hier vermutlich nicht fündig.

Ein Buch wie eine Tasse Tee: schlicht, warm, und lange nachklingend. Ideal für alle, die Literatur mögen, die zwischen den Zeilen lebt.

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Veröffentlicht am 25.04.2025

Eine epische Reise voller Herz, Magie und Sehnsucht

We free the Stars
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We Free the Stars bietet einen würdigen Abschluss der Sands of Arawiya-Reihe. Die Autorin Hafsah Faizal überzeugt erneut mit einer bildhaften Sprache und einer faszinierenden Welt, die stark von arabischer ...

We Free the Stars bietet einen würdigen Abschluss der Sands of Arawiya-Reihe. Die Autorin Hafsah Faizal überzeugt erneut mit einer bildhaften Sprache und einer faszinierenden Welt, die stark von arabischer Kultur geprägt ist. Zwar wirkt die Handlung stellenweise etwas langatmig, und die Charakterentwicklung wiederholt sich teilweise, doch insgesamt bleibt die Geschichte spannend und atmosphärisch.

Die Dynamik zwischen den Figuren, insbesondere zwischen Nasir und Zafira, wurde glaubwürdig weiterentwickelt. Auch das Tempo der Erzählung empfand ich als besser ausbalanciert als im ersten Band, obwohl die Länge des Buches nach wie vor spürbar ist.

Insgesamt ein empfehlenswerter Abschluss für alle, die den ersten Teil mochten. Wer Geduld für einen langsamen Erzählstil mitbringt, wird hier eine solide Fantasygeschichte mit einer besonderen kulturellen Note finden.

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Veröffentlicht am 17.04.2025

Schmerzhaft ehrlich, zutiefst bewegend

Before I Let Go
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Ich wusste, dass Before I Let Go von Kennedy Ryan intensiv sein würde, aber ich war nicht darauf vorbereitet, wie tief diese Geschichte wirklich geht. Was wie eine zweite Chance für eine zerbrochene Ehe ...

Ich wusste, dass Before I Let Go von Kennedy Ryan intensiv sein würde, aber ich war nicht darauf vorbereitet, wie tief diese Geschichte wirklich geht. Was wie eine zweite Chance für eine zerbrochene Ehe beginnt, entfaltet sich zu einer vielschichtigen Reise durch Trauer, mentale Gesundheit, Elternschaft und Selbstfindung. Yasmen und Josiah sind kein typisches Liebespaar, das sich neu entdeckt – sie sind zwei Menschen, die bereits alles miteinander geteilt und fast alles verloren haben. Und genau das macht ihre Geschichte so echt, so greifbar.

Yasmens Schmerz hat mich erschüttert. Ihre Trauer, ihr Versuch, in einem Alltag zu funktionieren, der sich vollkommen verändert hat, hat mich oft sprachlos gemacht. Sie kämpft nicht nur für sich, sondern auch darum, als Mutter präsent zu bleiben – obwohl sie selbst kaum noch weiß, wer sie ist. Diese Art der Verletzlichkeit und gleichzeitig inneren Stärke habe ich selten so eindringlich erlebt.

Auch Josiah war keine einfache Figur. Zu Beginn war ich frustriert über seine Verschlossenheit, aber im Verlauf habe ich verstanden, wie tief seine Wunden sitzen. Beide Figuren haben ihre eigenen Wege des Überlebens gefunden – und beide mussten erst wieder lernen, sich zu öffnen, zu kommunizieren und einander wirklich zu sehen. Die Therapiesitzungen waren ehrlich, unbequem und voller Erkenntnisse – nicht nur für die Charaktere, sondern auch für mich als Leserin.

Was man allerdings wissen sollte: Das Buch enthält eine ganze Reihe sehr expliziter Szenen. Für mich persönlich war es manchmal etwas zu viel, und ich kann mir gut vorstellen, dass das nicht jedem gefällt. Dennoch – oder vielleicht gerade deshalb – spiegelt es die große körperliche und emotionale Verbindung zwischen den Figuren wider, wenn auch mit mehr Intensität, als ich erwartet hätte.

Dieses Buch ist keine klassische Romanze, sondern eher ein Spiegel dafür, wie Liebe nach Verlust, Schmerz und Entfremdung neu entstehen kann – nicht trotz, sondern gerade wegen all der Narben. Kennedy Ryan schreibt mit solcher Empathie, dass ich am Ende das Gefühl hatte, nicht nur eine Geschichte gelesen, sondern sie gelebt zu haben.

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Veröffentlicht am 09.04.2025

Ein Kaleidoskop aus Bildern und Hinweisen

HEN NA E - Seltsame Bilder
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Wer glaubt, Krimis schon in all ihren Formen gelesen zu haben, wird bei Uketsus Hen Na E- Seltsame Bilder eines Besseren belehrt. Dieses Buch wirft nicht nur mit einer außergewöhnlichen Erzählstruktur, ...

Wer glaubt, Krimis schon in all ihren Formen gelesen zu haben, wird bei Uketsus Hen Na E- Seltsame Bilder eines Besseren belehrt. Dieses Buch wirft nicht nur mit einer außergewöhnlichen Erzählstruktur, sondern auch mit visuellen Reizen um sich, die weit mehr sind als bloße Spielerei. Ich habe mich beim Lesen nicht nur als Leserin, sondern regelrecht als Ermittlerin gefühlt – als hätte ich eine Fallakte in der Hand, komplett mit Beweisfotos und obskuren Skizzen.

Die Handlung ist auf den ersten Blick fragmentarisch, episodisch – fast so, als läse man mehrere Kurzgeschichten. Doch das täuscht. Die Puzzleteile greifen nach und nach ineinander, bis sich ein komplexes Bild offenbart. Einen klassischen Ermittler sucht man hier vergeblich. Die Herausforderung besteht darin, aus scheinbar zusammenhanglosen Momenten eine Bedeutung zu extrahieren.

Besonders spannend ist die Rolle der Bilder: Zeichnungen, Diagramme, sogar Infografiken, die Hinweise enthalten oder neue Fragen aufwerfen. Die Idee, psychologische Diagnostik über Kinderzeichnungen zu erzählen, verleiht dem Ganzen eine unheimliche Tiefe. Es erinnerte mich an forensische Fallanalysen – allerdings mit einer surrealen, fast poetischen Note.

Dabei gelingt es Uketsu, Spannung aufzubauen, ohne sich an gängige Erzählmuster zu klammern. Die abrupten Übergänge zwischen Kapiteln wirken zunächst irritierend, dann zunehmend wie filmische Schnitttechniken, die die fragmentierte Realität der Figuren widerspiegeln. Das Spiel mit Perspektive und Interpretation ist durchgehend präsent – subtil, aber wirkungsvoll.

Ein kleiner Wermutstropfen: Die Sprache wirkt mitunter schlicht, beinahe spröde. Es fehlt stellenweise an Tiefe in den Dialogen und Beschreibungen – was jedoch auch an der Übersetzung liegen könnte.

Fazit: Ein visuell und erzählerisch innovativer Krimi, der mehr fordert als erzählt – aber genau darin seine Stärke entfaltet.

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Veröffentlicht am 24.03.2025

Wegweiser zur kindlichen Selbstständigkeit – Ein praxisnaher Begleiter für den Familienalltag

Ich kann das selber machen
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Juliane Jakubek gelingt mit ihrem Werk ein einfühlsamer und zugleich realistischer Einblick in eine Montessori-orientierte Erziehung im Familienalltag. Ohne belehrend zu wirken, zeigt sie auf, wie Eltern ...

Juliane Jakubek gelingt mit ihrem Werk ein einfühlsamer und zugleich realistischer Einblick in eine Montessori-orientierte Erziehung im Familienalltag. Ohne belehrend zu wirken, zeigt sie auf, wie Eltern ihre Kinder in ihrer Eigenständigkeit stärken können – stets orientiert am Prinzip: „Hilf mir, es selbst zu tun“. Dabei gelingt es ihr, sowohl die Perspektive der Kinder als auch die der Erwachsenen in Balance zu halten.

Was besonders positiv auffällt, ist die undogmatische Herangehensweise. Die Autorin macht deutlich, dass Erziehung kein starrer Fahrplan ist, sondern ein lebendiger Prozess – mit Höhen und Tiefen. Sie vermittelt, dass es völlig in Ordnung ist, nicht immer nach dem Ideal zu handeln, sondern authentisch und flexibel zu bleiben.

Bemerkenswert ist zudem, dass Jakubek bewusst auf Alterszuordnungen verzichtet. Zwar mag das auf den ersten Blick ungewohnt wirken, doch letztlich macht es den Blick frei für die individuelle Entwicklung jedes Kindes. Denn kein Kind folgt exakt einem vorgegebenen Schema – eine Erkenntnis, die Eltern enorm entlasten kann.

Für Leserinnen und Leser, die bereits tiefer in der Montessori-Pädagogik verwurzelt sind, wird nicht jede Idee neu sein. Dennoch bietet das Buch eine gelungene Zusammenstellung praxisnaher Impulse.

Insgesamt ist dieser Ratgeber eine wertvolle Inspirationsquelle für Familien, die sich auf den Weg machen möchten, ihre Kinder mit Vertrauen, Klarheit und Achtsamkeit durch die ersten Lebensjahre zu begleiten – ohne sich selbst dabei aus dem Blick zu verlieren.

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