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Veröffentlicht am 10.11.2025

Mord in Holly House

Der Tote im Kamin
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Die Glasgow-Krimireihe um D.C.I. Daley des leider bereits verstorbenen schottischen Autors Denzil Meyrick hatte ich bereits zum Teil gelesen und fand sie außergewöhnlich gut; daher war ich auf "Der Tote ...

Die Glasgow-Krimireihe um D.C.I. Daley des leider bereits verstorbenen schottischen Autors Denzil Meyrick hatte ich bereits zum Teil gelesen und fand sie außergewöhnlich gut; daher war ich auf "Der Tote im Kamin" sehr gespannt: Im Gegensatz zu den Glasgow-Krimis handelt es sich hier um Cosy-Crime. Da ich dieses Krimi-Untergenre auch mag und das tolle Cover der deutschen Ausgabe wirklich sehr gelungen finde, habe ich mich also neugierig auf die Spurensuche in Holly House und Elderby gemacht, um dem Ermittler, Inspector Frank oder Francis Grasby über die Schulter zu schauen.

York, Dezember 1952

Inspector Grasby hat so einiges in seiner polizeilichen Vergangenheit 'vermasselt'. Sein Vorgesetzter Juggers zählt ihm seine Ausrutscher auf und Grasby befürchtet schon, in Hull zu landen, um dort in Hafennähe seinen Polizeidienst verrichten zu müssen: Doch es sollte anders kommen (auch wenn Juggers sehr erbost über den letzten Faux-pas Grasby's ist; bei einem missglückten Festnahmeversuch sind 30 wertvolle Pferde bei Lady Winthorpe entlaufen! Statt nach Hull wird Grasby nach Elderby in die North York Moors entsendet, um dort einige Farmdiebstähle (auf dem Grund von Lord Damnish, also hat er es schon wieder mit dem Adel zu tun) möglichst rasch aufzuklären. Kaum angekommen, wird er zu Lord Damnish gerufen, der einen Einbruch meldet: Beim Besuch des Inspectors ist der Kamin verrusst - und auch der Butler findet keine Lösung. Da Grasby sich mit Kaminen gut auskennt, schaut er nach und entdeckt "etwas Großes", das im Kamin des Wohnzimmers im stattlichen Anwesen steckt. Es sollte sich als eine Leiche entpuppen, die dem Krimi seinen Namen gab. Im weiteren Verlauf gesellt sich eine weitere Leiche hinzu, die auf dem Gelände unweit der Kirche aufgefunden wird: Was hat es mit diesen brutalen Morden auf sich?

Dies herauszufinden, muss der Leser sich selbst bemühen; es gibt durchaus einige Wendungen und der lange etwas vor sich hinplätschernde Cosy Crime nimmt am Ende sehr an Fahrt auf: Dazwischen bevölkern einige zwielichtige Figuren den Krimi; so z.B. Bleakly, ein Sgt., der sich daran gewöhnen muss, dass Inspector Grasby nun sein Vorgesetzter ist und an einer Schlafkrankheit leidet; zwei Constables, die hinzugezogen werden, nachdem ein Mr. X auftaucht (im Schlepptau Juggers) und Grasby einweiht, dass die nationale Sicherheit in Gefahr sei - und er zum Schein zu ermitteln habe; es würde sich offiziell um zwei Unfälle handeln.

Eine recht schräge Figur, die mir gut gefallen hat und fast einem Märchenbuch entsprungen sein könnte, ist Mrs. Hetty Gaunt, eine Vermieterin, die hexenhafte Züge hat (Rabe Cecil eingeschlossen, der gerne auf ihrer Schulter sitzt) und oftmals mehr sieht als andere Menschen. Die Bleibe von Grasby und Deedee, der Praktikantin aus Amerika, ist also recht gruslig, jedoch ist Mrs. Gaunt eine hervorragende Köchin, was ersteres wieder wettmacht (zumindest in Grasby's Augen; er ist Ende 30 und im Gegensatz zu den meisten seiner Kollegen noch unverheiratet). DeeDee, eigentlich Mr. Daisy Dean, spielt im Krimi ebenfalls eine zwielichtige Rolle, die ich jedoch nicht spoilern mag. Als LeserIn traut man ihr nicht über den Weg und auch in anderen Menschen könnte man sich hier durchaus täuschen!

Meyrick beschreibt sehr gut die winterliche Atmosphäre und die Umgebung sowie das Herrenhaus von Lord Damnish im fiktiven schottischen Elderby, wo die Handlung verortet ist. Er freut sich (er läuft ungern), dass auch hier alles in erreichbarer Nähe ist (Pub, Wettbüro, Fish-and-Chips Imbiss) und von Beginn an schmunzelt man über die etwas skurrile Beziehung von Grasby Senior (einem betagten, oft mürrischen Reverend, der an seinem Sohn vieles auszusetzen hat) und Frank Grasby: Einen späten Auftritt sollte der Reverend auch noch haben und es ist ersichtlich, dass beiden bewusst ist, dass ihnen der andere trotz aller Gegensätze doch sehr wichtig ist. So sind viele Anekdoten aus der Kindheit Frank's eingestreut, die dies untermauern und einen zuweilen zum Schmunzeln bringen. Schade fand ich die fehlende Spannung und der krasse Gegensatz zum Ende des Cosy-Crime: Der Showdown wurde so fulminant, dass es fast an einen der James-Bond-Filme erinnerte, zumal es am Ende auch um einen politischen Hintergrund geht, der aktuell gar nicht so surreal wirkt.

Leider konnte mich insgesamt die Mischung zwischen Cosy Crime und Spionagekrimi nicht gänzlich überzeugen, allerdings war die Atmosphäre und die Zeit der 50er Jahre in Großbritannien sowie so mancher Seitenhieb (in Sachen Adelstitel z.B.) sehr gelungen; auch stilistisch - aus der Ich-Perspektive von Grasby - ist der Cosy Krimi mit gut ausgeleuchteten, teils schrägen Figuren, sehr gut zu lesen. Ich werde die noch zu lesende Glasgow-Reihentitel des Autors auf jeden Fall weiterverfolgen! 3,5 *

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Veröffentlicht am 12.05.2025

Des Hauses Hüterin und ihre Nachbarn...

Ms Darling und ihre Nachbarn
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"Ms Darling und ihre Nachbarn" von Freya Sampson erschien (tb, brosch., 365 Seiten) im Verlag Dumont, Köln, 2025 und ist bereits der 3. ins Deutsche übersetzte Unterhaltungsroman der Autorin.


"Die argwöhnische ...

"Ms Darling und ihre Nachbarn" von Freya Sampson erschien (tb, brosch., 365 Seiten) im Verlag Dumont, Köln, 2025 und ist bereits der 3. ins Deutsche übersetzte Unterhaltungsroman der Autorin.


"Die argwöhnische Dorothy Darling ist die älteste Mieterin in Shelley House und hat alles im Blick. Kein Regelverstoß ihrer Nachbarn bleibt ihr verborgen. Die neue Untermieterin von nebenan, die 25jährige Kat mit ihren pinken Haaren und schlechten Manieren, ist der alten Dame gleich ein Dorn im Auge. Doch dann bringt eine schreckliche Nachricht unvorhergesehene Ereignisse ins Rollen: Shelley House soll abgerissen werden, und die Bewohner stehen kurz vor der Zwangsräumung. Jetzt ist es ausgerechnet an Dorothy und Kat, die Dinge gemeinsam wieder ins Lot zu bringen."

(Quelle : Buchrückentext)


Dieses Mal entführt uns Freya Sampson in eine alte viktorianische Villa, dem Shelley House in Chalcot, in der Poet's Road gelegen: Vorstellbar ist es auf dem sehr schönen Cover und signalisiert Alter und Würde, auch wenn so manches im Argen liegt und nicht auf dem neuesten Stand ist, da Alexander Fergus, der Hausbesitzer, ein raffgieriger Immobilienmakler ist und eines Tages allen Bewohnern eine Räumungsklage zukommen lässt: Er will Shelley House abreißen lassen und es durch 24 moderne Wohnungen komplett ersetzen.


Was der Vermieter unterschätzt, sind die wehrhaften Bewohner; allen voran Joseph Chambers, der Kat, der jungen Frau (25), die gerade einzog und aus deren Perspektive der Roman entworfen ist (wie auch aus der Perspektive von Dorothy Darling, 77). Nun ist guter Rat teuer und besonders Joseph und Dorothy möchten ihre Bleibe, die sie schon sehr lange bewohnen, nicht kampflos aufgeben. So zieht Joseph mit einem Megafon und Schildern vor das Büro von Fergus und protestiert auf diese Weise gegen die Räumung; nicht lange danach hat er durchaus Mitstreiter, doch wird es den Bewohnern gelingen, den Abriss des alten historischen Hauses zu verhindern?


Dieser Frage geht dieses Buch nach und zeichnet sehr sympathische Figuren, die allesamt BewohnerInnen von Shelley House sind; allen voran Joseph, Kat (die nicht lange bleiben wollte, warum, wird erst viel später im Roman klar..) und Dorothy, die, stets den Notizblock samt Bleistift in der Hand, alle Mängel des Hauses, die sie finden kann und auch die Mängel im Verhalten der Nachbarn festhält; die jedoch sogar ihre Abneigung gegen Hunde (Flohbündel) überwindet und Reggie, den kleinen Hund von Joseph, übernimmt, wenn Kat arbeitet. Mich hat sie anfangs an eine Art 'Concierge' erinnert; nicht eine der sympathischen. Doch das änderte sich im Laufe der Handlung. So formieren sich die Bewohner, die zuvor recht wenig miteinander zu tun hatten, mehr und mehr gegen die Absicht des Vermieters; es gesellt sich auch ein Journalist hinzu, Will, der den Leuten helfen will, Shelley House zu retten und ganz nebenbei auch an Kat großen Gefallen findet.


Die Themen des Romans, der leicht lesbar und eingängig geschrieben wurde und großen Unterhaltungswert besitzt, sind vielfältig: Es geht um Familienkonflikte, Verlust, Trauer, Nachbarschaft, Solidarität, Vorurteile, Schuldgefühle, Selbstbestrafung, aber auch um Neubeginn und (späte) Liebe. Der Schreibstil von Freya Sampson sagt mir zu; allerdings bemängele ich hier des öfteren eine gewisse Vorhersehbarkeit und dass der Roman leider nicht frei von Klischees ist. Die sehr sympathischen Figuren sind jedoch sehr gut ausgeleuchtet (besonders Dorothy und Kat, deren Veränderungen im Laufe der Handlung nicht zu übersehen ist) und der schöne, gelungene und auch stimmige Schluss versöhnte mich ein wenig damit, dass die ersten zwei Drittel des Romans etwas langatmig und spannungslos verliefen. Dennoch handelt es sich um einen Roman mit Wohlfühlcharakter, der den Lesern vor Augen hält, dass es gut ist, mit eigenen Vorbehalten aufzuräumen und sich solidarisch zu verhalten, und der mit einem schönen und stimmigen Ende aufwarten kann.

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Veröffentlicht am 18.12.2023

Auftakt einer Krimireihe um Josephine Tey

Experte in Sachen Mord
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"Experte in Sachen Mord" von der britischen Autorin Nicola Upson, ihres Zeichens Fan der klassischen Kriminalautorin Josephine Tey (1896 - 1952), holt mit dieser ins Deutsche von Verena Kilching übersetzten ...

"Experte in Sachen Mord" von der britischen Autorin Nicola Upson, ihres Zeichens Fan der klassischen Kriminalautorin Josephine Tey (1896 - 1952), holt mit dieser ins Deutsche von Verena Kilching übersetzten Trilogie die etwas in Vergessenheit geratene Autorin wieder ans Licht: Erschienen ist das Buch im Verlag Kein & Aber, Zürich/Berlin (HC, geb., 474 S.).


Vorneweg muss ich sagen, dass mich die Verbindung zu Josephine Tey, die zeitlebens sehr zurückgezogen und eher introvertiert lebte; dabei Erfolg mit ihren Kriminalromanen und auch mit Drehbüchern, die sie für's Theater schrieb, hatte, hier sehr interessiert hat: Die Autorin versteht es in der Tat, die reale Person J. Tey als Freundin des ermittelnden DI namens Archie Penrose, mitermitteln - und ihre eigenen Schlüsse ziehen zu lassen. Allerdings fehlte es mir an Spannung und gegen Mitte des Kriminalromans war ich bereits auf der richtigen Fährte, die Hintergründe zu den Morden betreffend. Zudem sollte man Interesse für's Theater und die Schauspielerei mitbringen, das bei mir (leider) nur dürftig ausgeprägt bzw. kein sehr starker Bezug vorhanden ist. Denn große Teile des Inhalts spielt in der "Scheinwelt des Theaters" mit Konkurrenzkämpfen der SchauspielerInnen, mit klugen Produzenten, die ein Händchen für den Geschmack des Publikums haben und der Zukunft des Theaters, die stets etwas ungewiss ist - in Zeiten zwischen den beiden Weltkriegen, denn in den 30er Jahren ist dieser Kriminalroman, der meist in London spielt, angesiedelt.


Worum geht's?


Josephine Tey pendelt oft zwischen Inverness und London, um Kontakt zu ihrem Theaterproduzenten Bernhard Aubrey zu halten. Eines Tages begegnet ihr auf ihrer Zugreise nach London Elspeth Simmons, eine junge Hutmacherin, die vom Theater und besonders von Josephine's Stück "Richard von Bordeaux" sehr begeistert ist. Die beiden kommen ins Plaudern und essen gemeinsam im Zug. Abgeholt wird J. Tey von Lydia, der Hauptdarstellerin des Stückes und wohnen wird sie bei den beiden Kostümbildnerinnen Ronnie und Lettice Motley; allesamt Freundinnen der Autorin, die im Roman eine Rolle spielen: Eigentlich sollte Onkel Frank Elspeth abholen, doch dieser verspätet sich und Elspeth geht ins Abteil zurück, da sie die Sendung mit den Hüten für Frank darin vergaß.

Es sollte ihre letzte Handlung sein, denn kurze Zeit später wird sie im Abteil erstochen.


DI Archie Penrose, Freund von Josephine Tey und Cousin der Motley-Schwestern, beginnt mit den Ermittlungen und findet heraus, dass Josephine der letzte Mensch gewesen sein muss, mit dem Elspeth Simmons gesprochen hat... Und es sollte nicht bei diesem Mord bleiben - wobei eine Blume, eine Schwertlilie dafür sorgte, dass beide Morde wie eine Theaterszene inszeniert schienen....


Meine Meinung:


Der Stil von Nicola Upson ist sehr atmosphärisch; für Theaterinteressierte dürfte dieser klassisch gehaltene Kriminalroman ein Vergnügen sein; denn es treten einige junge Schauspieler auf die Bühne, die allesamt ein Motiv haben könnten; auch der Zeitgeist der 30er Jahre und die Lust der Menschen, sich im Theater von den Grauen des 1. Weltkrieges zu erholen, sind gut 'auf die Leinwand projiziert' - ebenso wie die Traumatisierungen, die die Soldaten (wie Aubrey oder DI Archie Penrose) im 'Großen Krieg' erlitten haben. Was hat es mit Elspeth's Herkunft auf sich? Liegt der Schlüssel zu den Verbrechen etwa in der Vergangenheit?


Meine Lieblingsfigur war DS Fallowfield mit seinen humorvollen Kommentaren; auch Hedley White mochte ich sehr, der sich eine Zukunft mit Elspeth vorstellte und dessen Welt nach ihrem frühen Tod zusammenbrach. DI Archie Penrose blieb ein bisschen verschwommen; sein Pendant Alan Grant dagegen (Ermittler in den Josephine Tey Krimis) ist mir hingegen in guter Erinnerung. Aber dies könnte sich ja in den beiden Folgebänden noch ändern, die ebenfalls bereits erschienen sind. Die Idee der Autorin (die auf der "Krimi-Couch" ein interessantes Interview zu ihren nun ins Deutsche veröffentlichten Kriminalromanen gab) finde ich sehr gut; vielleicht wird Josephine Tey (deren Kriminalromane ebenfalls neu aufgelegt wurden) dadurch auch deutschen KrimileserInnen bekannter, als sie es in Großbritannien ohnehin ist. Allerdings ist es auch ein stilistischer Spagat, den Upson hier gewagt hat, wenn man das Début mit z.B. "Der letzte Zug nach Schottland" vergleicht, den ich jüngst gelesen habe.


Fazit:


Ein klassischer britischer Kriminalroman um die Autorin Josephine Tey; fiktional, jedoch von realen Personen und Ereignissen inspiriert, das ich LeserInnen klassischer 'brit crime' und LiebhaberInnen des Theaters und hier, britischer Theatergeschichte gerne empfehle. Es werden nicht nur Mordfälle gelöst, sondern auch Momente des britischen Theaters beleuchtet, in der die Bevölkerung zwischen den beiden Weltkriegen des vorigen Jahrhunderts nach Ablenkung - und auch Aufmunterung gierten. Ich vergebe 3,5 * und 87° auf der "Krimi-Couch".


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Veröffentlicht am 08.08.2023

Im (eigenen) Leben ankommen ...

Sommertage im Quartier Latin
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"Sommertage im Quartier Latin" von Lily Martin (ein Pseudonym der Bestseller-Autorin Anne Stern, die unter diesem Namen auch Liebesromane schreibt), erschien im Rowohlt-Verlag (tb, 317 Seiten, brosch.) ...

"Sommertage im Quartier Latin" von Lily Martin (ein Pseudonym der Bestseller-Autorin Anne Stern, die unter diesem Namen auch Liebesromane schreibt), erschien im Rowohlt-Verlag (tb, 317 Seiten, brosch.) 2023.

Im ersten Roman, die wie es aussieht, als eine Serie geplant ist, wird die Leserschaft mitten ins Herz von Paris entführt; ans "rive gauche" und das berühmte Quartier Latin.


Inhalt:


Lola Mercier hat in jungen Jahren Paris verlassen und ist viel herumgekommen in der Welt: Derzeit arbeitet sie an einer Bar in Bordeaux. Eines Tages erhält sie einen Anruf von ihrem Vater Émile, der sich um seine über 80jährige Schwiegermutter sorgt und Lola bittet, nach Hause zu kommen. Lola hat als Kind ihre Mutter verloren und hat viel Zeit bei ihrer Großmutter Rose verbracht. Mit gemischten Gefühlen reist sie daher nach Paris, um zu sehen, wo die spurlos Verschwundene denn sein könnte... Da es in der Wohnung ihres Vaters und Ninettes, seiner netten Lebensgefährtin, äußerst beengt ist, quartiert sich Lola kurzerhand in das "bonne chambre", eine kleine Wohnung im Dachgeschoss eines naheliegenden Hauses, die Rose ihr ganzes Leben lang bewohnt hat, ein. Die Dächer von Paris, der Platz unten mit dem "Café des Artisans", dessen Besitzer Fabien erschrocken reagierte, als er sie wiedersah, der Bäcker und das gesamte Quartier lassen sie nach und nach fühlen, dass dies doch der Platz sein könnte, an den sie gehört: Im Grunde ihres Herzens liebt sie ihre Heimatstadt sehr. So ist Lola hin- und hergerissen zwischen dem Weiterziehen und dem Bleiben - und da sie Geld braucht, verdingt sie sich kurzerhand "für ein paar Tage" als Aushilfskraft im Café von Fabien, den sie - ebenso wie Samir - schon seit Schulzeiten kennt und eine kleine romantische Erinnerung wieder ans Tageslicht befördert wird, die sie längst vergessen glaubte...


Meine Meinung:


Lily Martin gelingt es leichtfüßig, den Leser auf sommerlich-beschwingte Weise in eine (bzw. sogar zwei) Liebesgeschichten zu entführen, die in der Stadt der Liebe verortet sind und die die Autorin selbst gut kennt. So geht das Flair von Paris, den Gerüchen, den frischen Croissants und einem ehrlichen Rotwein auf den Leser über, in dem diese nette Sommergeschichte spielt: Wir erfahren im Laufe des Romans mehr von Lola und ihrer Familie und erleben ein Familiengeheimnis mit, dem sie in der Wohnung ihrer Großmutter auf die Spur kommt. Wir lernen viele sympathische Charaktere kennen wie Fabien und seine Mutter Jeannette, die wir auf einem kurzen Ausflug in die Bretagne näher kennenlernen, die köstliche Figur einer älteren Opernsängerin; Madame Jacobine Simenon, die auch noch im Alter sehr auf ihr Äußeres achtet und einen älteren Korsen, den es ebenfalls nach Paris verschlagen hat und der seine größten Talente (Backen und Poesie) zu seinem Beruf machte und Lebkuchenherzen mit persönlichen Widmungen bäckt, die er im Viertel verkauft, Pierre Leco.


Die Themen sind neben der Stadt Paris und auch der Liebe das bei-sich-selbst-ankommen, das zuweilen Umwege braucht; auch die Verletzlichkeit von Gefühlen und das in Würde älter werden spielen eine gewisse Rolle. Letztendlich gibt es auch noch ein Familiengeheimnis, mit dem weder Lola noch ihr Vater gerechnet haben dürften, zu entdecken und zu entschlüsseln. Der Stil ist leicht-beschwingt und bestens für ein Wochenende im Sommer geeignet; die Figuren sind durchweg sehr sympathisch und auch eine Prise Gesellschaftskritik habe ich dem Roman entnehmen können, was mir im Genre Liebesroman sehr gefallen hat.


Fazit:


Der Beginn einer Liebesroman-Reihe, die sommerlich-beschwingt und leicht geschrieben wurde; dessen Figuren mit sehr sympathisch waren und das viel Pariser Flair überzeugend versprüht: Eine 'histoire d'amour' aus jetzigen und auch aus früheren Zeiten, deren Verlauf man gerne mitverfolgt und man auf die folgenden Romane dieser geplanten Reihe (Sommer 2024) schon jetzt gespannt sein kann!

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Veröffentlicht am 29.05.2023

Hawthorne ermittelt - diesmal auf Alderney

Wenn Worte töten
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"Wenn Worte töten" (A line to kill im Originaltitel) von Anthony Horowitz erschien (2023, HC, geb., 329 S.) im Insel-Verlag. Es ist der dritte Kriminalroman, in dem der frühere Scotland-Yard-Inspector ...


"Wenn Worte töten" (A line to kill im Originaltitel) von Anthony Horowitz erschien (2023, HC, geb., 329 S.) im Insel-Verlag. Es ist der dritte Kriminalroman, in dem der frühere Scotland-Yard-Inspector und jetzige Privatermittler Hawthorne seinen (gewohnt zuweilen recht witzigen) Auftritt hat: Die Besonderheit hier lag für mich darin, dass Hawthorne, also eine Romanfigur, hier personalisiert wurde und mit dem Autor auf eine literarische Reise geht, die plötzlich zu einer mörderischen wird:


Beide (der Autor und Hawthorne) erhalten eine Einladung zum Literaturfestival auf Alderney, der kleinen Kanalinsel, die friedlich ist und auf der es nie zuvor einen Mord gab: So fliegt man mit den beiden gemeinsam auf die Insel; erlebt stellenweise die Lesungen und Vorträge mit und kann sich ein Bild von den weiteren Schriftstellern machen, die hier angetreten sind; teils mit schweren Koffern in der Hoffnung, viele Bücher zu verkaufen: Da sind Marc Bellem, ein TV-Koch, der auf Kalorien pfeift und Deftiges zubereitet mit seinem neuen Buch und der Assistentin Kathryn, die er für kleines Geld kurz zuvor anheuerte. Da ist der Inselhistoriker Elkin und die französische Lyrikerin Maissa Lamar sowie die Kinderbuchautorin Anne Cleary, die kürzlich eine üble Scheidung hinter sich brachte. Weiterhin gibt es die "blinde Seherin" (Buchtitel 'Blind Sight, Dark Sight' etc., mit der wir später eine Séance erleben sollen. Sponsor des Festivals ist der Inselmäzen Charles le Mesurier, der steinreich ist und sich eine Villa in der Nähe alter Bunkeranlagen aus dem 2. Weltkrieg hat bauen lassen: Er hat seine Finger überall im Spiel und seine Frau Helen gibt dieses nach Gusto beim Shoppen in Paris und sonstwo gerne wieder aus: Eine neue Stromtrasse spaltet die Inselbewohner; auch hier will Charles, dass diese gebaut wird, da er sich Profit davon verspricht; andere sind sehr dagegen, da sie mittels Umspannwerken etc. die Insel verschandeln würde - und was noch schlimmer ist, direkt über einem Massengrab aus dem 2. WK verlaufen soll, in dem auch so mancher Großvater der Inselbewohner seine letzte Ruhe fand.


Bei der Party in der Villa von Charles, die sich dem Literaturfestival anschließt und zu der alle eingeladen sind, kommt es zum Eklat: Charles wird übel zugerichtet und mausetot von seiner Ehefrau Helen gefunden: Der kriminalistische Spürsinn von Hawthorne und dem Autor sind geweckt: Motive finden sich zuhauf, da Charles ein menschliches Ekelpaket gewesen ist, das sein Geld im Online-Glücksspiel machte und selbst über Leichen ging: Doch wer von den Anwesenden hat das plausibelste Mordmotiv?


Dies gilt es nunmehr herauszufinden und die Überlegungen und Nachforschungen der beiden erinnern stark an einen unaufgeregten aber dennoch spannenden 'crime noir' à la Sherlock Holmes oder Agatha Christie: Immer wieder gleitet einem beim Lesen ein Schmunzeln ins Gesicht, da der Schlagabtausch zwischen Hawthorne (der sich selten in die Karten gucken lässt und z.B. ungern mit anderen speist) und dem Autor zuweilen gnadenlos - und sehr witzig ist. Genau dies macht den atmosphärischen und eher ruhig gehaltenen Schreibstil von Horowitz für mich aus; der es auch an weiteren Leichen (und Rätselhaftem) nicht mangeln lässt.


Fazit:


Eine witzige Kriminalromanidee, bei der die Buchfigur Hawthorne personifiziert wird und gemeinsam mit dem Autor ein Literaturfestival besucht, das einen mörderischen Verlauf auf einer sonst sehr friedlichen Insel nimmt: Es ist nicht der stärkste Kriminalroman in der Reihe "Hawthorne ermittelt" für mich, jedoch absolut lesenswert für Krimifans, die einen ruhigen Handlungs- und Spannungsaufbau lieben - ebenso wie kriminelle, wahre, gesellschaftliche Hintergründe, die auch hier zu denken geben. Von mir erhält "Wenn Worte töten" 3,5 * und ich freue mich bereits auf Neues von Anthony Horowitz!

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