Wer macht die Spielregeln?
GesellschaftsspielIn ihrem Debütroman beschreibt die Autorin einfühlsam die Gedanken und Gefühle der beiden Schwestern Isabelle und Annika, als ihre Mutter einen schweren Schlaganfall erleidet und stirbt. Dazu gesellt sich ...
In ihrem Debütroman beschreibt die Autorin einfühlsam die Gedanken und Gefühle der beiden Schwestern Isabelle und Annika, als ihre Mutter einen schweren Schlaganfall erleidet und stirbt. Dazu gesellt sich ihre Tante Dagmar, die zu ihrer Schwester kein enges Verhältnis mehr hatte. Aber auch Annika und Isabelle haben sich sehr entfremdet, durch Vorfälle in ihrer gemeinsamen Vergangenheit, aber auch durch die räumliche Entfernung, denn Annika lebt in Amerika. Die Beziehung zur Mutter ist auch zwiegespalten.
In dieses Trauer-Stimmungs-Gewirr platzt die Nachricht eines Tech-Milliardärs, der in Weimar, ihrer Heimatstadt, in der Isabelle und Dagmar immer noch leben, eine „neue“ Gemeinschaft schaffen will: Demokratie soll neu gedacht und dann gelebt werden.
Diese Idee mischt die ganze Stadt auf und auch die drei Trauernden, die sich erst mühsam mit dem Geschehenen und ihrem Verhältnis zueinander auseinandersetzen müssen. Erschwerend kommt für Isabelle ihre Stellung als Politiklehrerin und für Dagmar ihre als Dozentin an der Uni hinzu, denn so können sie sich dem ganzen Rummel in Social Media und im realen Leben unmöglich entziehen.
Diese Flut an Gefühlen und Gedanken beschreibt die Autorin sehr eindrücklich, einfühlsam und nachvollziehbar, indem sie als auktorialer Erzähler die Perspektiven in den Kapiteln zwischen Isabelle, Annika und Dagmar wechselt. Unterbrochen wird das Ganze durch eingeschobene, fiktive Interviews, Chats, u. v. m. zu dem Geschehen um die „neue Demokratie in Weimar“, an denen sich auch die drei Protagonistinnen beteiligen.
Das fordert den Lesenden eine Menge geistiger Beweglichkeit ab, die sich aber sehr lohnt, um beiden Gedankensträngen, dem der Trauer in einer Familie und dem Gedankenexperiment einer neuen Gesellschaftsform zu folgen und zu beidem eigene Gedanken und Stellungnahmen zu entwickeln.
Der Titel „Gesellschaftsspiel“ passt hierbei sowohl zur „neuen Demokratie“ als auch zu dem Geschehen der Trauer in einer Familie, denn welche Regeln gibt es denn für das eine und das andere?
Ein empfehlenswertes Buch für alle, die sich mit diesen Themen auseinandersetzen wollen, und für alle, die anspruchsvolle Literatur mögen.