In diesem Roman tauchen die Leser*innen tief mit dem Ich-Erzähler Friedrich nicht nur in das Schwimmbadbecken des hiesigen Freibads sondern auch in Friedrichs Gedanken- und Gefühlswelt ein. Er lernt sowohl ...
In diesem Roman tauchen die Leser*innen tief mit dem Ich-Erzähler Friedrich nicht nur in das Schwimmbadbecken des hiesigen Freibads sondern auch in Friedrichs Gedanken- und Gefühlswelt ein. Er lernt sowohl seine Großeltern, bei denen er fürs Lernen unterkommt, besser kennen als auch seine Familie und besten Freunde. Natürlich darf auch die Liebe nicht fehlen.
Mit einer außerordentlich angenehmen und authentischen Sprache trifft Arenz genau den richtigen Ton, um Friedrich durch die Höhen und Tiefen seiner - nicht ganz alltäglichen und dann doch wieder prototypischen - Jugend zu begleiten. Während der Lektüre hat man dadurch das Gefühl, direkt im Kopf eines 16- oder 17-Jährigen zu stecken. Da der Roman um 1980 spielt und Friedrich dem selben Geburtsjahrgang wie der Autor angehört, kann man wahrscheinlich davon ausgehen, dass viel Atmosphärisches aus dem Gedächtnis des Autors geschöpft wurde. Auch macht er sich sicherlich seine Tätigkeit als Lehrer zunutze, um die Befindlichkeiten eines Jugendlichen auszudrücken. Somit entsteht eine dichte und gleichzeitig unglaublich leichte Geschichte eines folgenschweren Sommers.
Für mich hausstechend war - neben der empathischen Einfühlung in den jungen Friedrich - die interessante Zusammenstellung an ungewöhnlichen Charakteren, die der Autor liebevoll herausarbeitet, sowie ein durchaus überraschender, selten vorsagbarer Plot. So hebt sich das Buch deutlich von einer Schwemme an vorhersehbaren Feel-Good-Sommerbüchern ab.
Insgesamt konnte mich dieser Roman vollkommen überzeugen und bekommt eine klare Leseempfehlung von mir.
Der Debütroman der 1987 in Kinshasa geborenen Autorin Christina Fonthes überzeugt durch seine Einblicke in die Leben zweier Frauen aus Zaire/Demokratische Republik Kongo, die auf den ersten Blick unterschiedlicher ...
Der Debütroman der 1987 in Kinshasa geborenen Autorin Christina Fonthes überzeugt durch seine Einblicke in die Leben zweier Frauen aus Zaire/Demokratische Republik Kongo, die auf den ersten Blick unterschiedlicher nicht sein könnten und doch eng miteinander verbunden sind. Dabei schafft es die Autorin gekonnt Intersektionalität als übergeordnetes Konstrukt immer wieder durchscheinen und lebendig auftreten zu lassen.
Wir lernen in „Wohin du auch gehst“ zwei Frauen auf zwei verschiedenen Zeitebenen kennen. Da ist zum einen Mira, deren Erzählfaden sie schon kurz als kleines Kind in 1974 in Kinshasa, Zaire, zeigt und später ganz ausführlich als 16jährige ab 1981. Sie ist eine lebensfrohe Jugendliche, die gern mit ihrer Freundin tanzen geht und dafür auch mal die gesellschaftlichen Regeln biegt. Denn sie gehört der aufsteigenden Klasse Zaires an, das Umfeld, in dem sie sich bewegt, eher den mittellosen Lebemenschen. Hals über Kopf verliebt sie sich in einen Gitarristen, was ihre Eltern gar nicht gern sehen. Und da ist Bijoux, die wir im Alter von Mitte Zwanzig im London des Jahres 2004 erstmals kennenlernen. Sie hat die ersten zwölf Jahre ihres Lebens in ihrem Geburtsort Kinshasa verbracht, musste jedoch zu ihrer strengen, sogar verbitterten Tante Mireille nach London ziehen und lebt nun noch immer dort bei ihrer Tante. Mit Tantine Mireille geht sie regelmäßig in die Kirche „The Mountain“, eine evangelikale Kirche, die unbarmherzig starren Vorstellungen folgt. Nur ist Bijoux lesbisch und seit einem Jahr in einer geheimgehaltenen Beziehung zu einer anderen Frau. Ein Lebenswandel, der für ihre rigide Tante jenseits von Gut und Böse liegt. Recht schnell wird klar, dass es sich bei ihrer Tante Mireille um die lebensfrohe und offene Mira aus dem ersten Zeitstrahl handelt und wir begeben uns über die nächsten 400 Seiten auf die Spur, um nicht nur zu erfahren, wie aus Mira diese so ganz andere Tantine Mireille werden konnte, indem wir dem Zeitstrahl aus 1981 fortschreitend folgen, wir erfahren auch, wie es mit Bijoux weitergeht und was das Leben für sie in den folgenden Jahren zu bieten oder eben nicht zu bieten hat.
Meines Erachtens verwebt Fonthes inhaltlich wie auch sprachlich geschickt diese beiden Lebenswege miteinander und leitet psychologisch unglaublich authentisch her, wie sich die Figuren fortan verhalten bzw. in der Vergangenheit verhalten habe und zu welcher Art Mensch sie haben werden müssen. Durch den gekonnten Wechsel zwischen den Erzählfäden entsteht ein unglaublicher Sog und das Buch wird ein wirklicher Pageturner, ohne dabei an Tiefe zu verlieren. Außerdem gibt der Roman Einblicke in zum Beispiel eine lesbische Szene, in der sich vorrangig Schwarze Frauen bewegen. Ein von der Mainstreamgesellschaft selten gesehenes Milieu. Wenn dann auch noch eine Figur in einem Café für lesbische Frauen auftaucht, die vollkommen alltäglich und unaufgeregt im Rollstuhl sitzt und genauso agiert, wie jede andere Frau auch im Raum, nur eben im Sitzen, ist die Intersektionalität des Textes gesetzt. Die Autorin trägt diese Eigenschaften von marginalisierten Gruppen allerdings nie zu dick auf, sie sind einfach da und fügen sich absolut ins Buch, die Geschehnisse, die Figuren ein. Die Autorin bildet die Gesellschaft mit vielen Facetten ab. Allein zum Ende hin wurde mir ein klitzekleines bisschen der Plot um die Familiengeheimnisse herum runtererzählt, was der Klasse des Gesamtwerks aber keinen Abbruch tut.
Was soll ich noch sagen? Ich hing der Autorin quasi an den Lippen, habe mit den Figuren mitgefiebert und konnte das Buch kaum aus der Hand legen. „Wohin du auch gehst“ erfüllt für mich alle Kriterien eines Highlights und das ist es auch. Also gibt es eine klare Leseempfehlung von meiner Seite für diesen interessanten Debütroman, der nach Verbindungen über Kontinente, Hautfarben, sexuelle Orientierung, Klasse und so viele Eigenschaften hinweg sucht. Toll!
So facettenreich wie der abgebildete Vogel aus einem Kunstwerk des neuseeländischen Künstlers Totaea Rendell entfaltet sich auch der Debütroman der neuseeländischen Autorin mit Maori-Vorfahren Becky Manawatu. ...
So facettenreich wie der abgebildete Vogel aus einem Kunstwerk des neuseeländischen Künstlers Totaea Rendell entfaltet sich auch der Debütroman der neuseeländischen Autorin mit Maori-Vorfahren Becky Manawatu. Dort lernen wir zunächst den achtjährigen Arama und seinen siebzehnjährigen Bruder Taukiri kennen, deren Eltern scheinbar ums Leben gekommen sind. Taukiri liefert seinen kleinen Bruder bei deren Tante Kat und Onkel Stu einfach nur ab und verschwindet danach auf die Nordinsel Neuseelands. Während sich die Wege der beiden Brüder trennen erlebt jeder Bruder für sich seine ganz eigene Hölle und auch ganz eigenen, leider nur seltene positiven Momente. Sie müssen nicht nur den Verlust ihrer Eltern verarbeiten sondern auch ihren Weg im Leben finden. Diesen Weg als holprig zu bezeichnen wäre massiv untertrieben, da Arama mit einem gewalttätigen Onkel zu kämpfen hat und Taukiri mit einem Abwärtsstrudel, der ihn zu verschlingen droht.
Becky Manawatu inszeniert ihren Roman sehr geschickt, indem sie nur nach und nach Informationen zu den einzelnen Protagonisten freigibt und sich Zusammenhänge, die bis in die Großelterngeneration der beiden Brüder zurückgehen langsam aufdeckt. Das macht den Einstieg in den Roman nicht leicht, lohnt sich aber mit jeder weiteren gelesenen Seite. Die mit den Namen der im jeweiligen Kapitel verfolgten Personen überschriebenen Kapitel folgen nicht nur Arama und Taukiri sondern auch deren Vorfahren Jade und Toko. Auf diesen beiden Zeitebenen der Vergangenheit und Gegenwart nähern wir uns einem fulminanten Finale an, das Kapitel für Kapitel einen beim lesen gefangen nimmt. Wir erkennen, dass das Leben dieser Familie schon lange Zeit von Gewalt und Drogen geprägt ist und bis zum Schluss eine Gefahr für alle Beteiligten darstellt. Wobei es sich hier keinesfalls um ein reines Actionspektakel handelt, ganz im Gegenteil. Mitunter sehr leise und mit großartigen, wiederkehrenden sprachlichen Bildern arbeitet Manawatu die einzelnen Facetten ihrer Figuren und deren (Innen-)Leben heraus. Figuren, die zunächst von Grund auf böse erscheinen, bekommen im Verlauf eine mehrdimensionale Tiefe verliehen, selbst mit nur ganz kurzen Szenen und Sequenzen. Spiralen der Gewalt und Angst aber auch der Zusammenhang mit Liebe und Anziehung werden psychologisch authentisch an den Beispielen der Figuren aufgeschlüsselt. Und durch die Hinzunahme der Erzählebene um Jade und Toko bleibt der Roman auch kein reiner Coming-of-Age-Roman mit kindlichen/jugendlichen Protagonisten, sondern entfaltet seine Anziehungskraft auch für Leser:innen, die sich eher weniger in diesem Genre wohlfühlen. Letztlich habe ich mit allen Hauptfiguren bis zum Schluss mitgefiebert und konnte das Buch kaum noch aus der Hand legen. Durch den Stil des nach und nach Offenbarens lohnt hier sicherlich auch eine Zweitlektüre, um noch mehr Feinheiten der Geschichte erfassen zu können.
Sprachlich zeigt die Autorin ein besonderes Talent, atemberaubende Metaphern für grundlegende, menschliche Bedürfnisse und Zwänge zu entwerfen. Wobei ihr Stil niemals „drüber“ ist, sondern trotzdem bodenständig und verständlich. Etwas „drüber“ finde ich allerdings den Drang des Verlags im Anhang im Rahmen des Glossars alle möglichen Begrifflichkeiten zu erläutern. Vollkommen hilfreich, sinnvoll und wissenswert ist dies bei den vielen Begriffen aus der maorischen Sprache, die im Text vorkommen. Das hat die Übersetzerin Jana Grohnert, ebenso wie natürlich beim gesamten Romantext, ganz hervorragend gemacht. Allerdings werden neben den maorischen Begriffen auch Worte der gegenwärtigen Sprachkultur wie Chewbacca, Hacky Sack oder Snapchat im Glossar erklärt, was kurios bis lächerlich wirkt. Hier hätte sich der Verlag meines Erachtens auf die maorischen Begriffe beschränken sollen. An einer Stelle ging es dann auch bei einer Anspielung auf den Film „Die Reifeprüfung“ mit der Übersetzerin oder dem Verlag durch, denn dort bieten sie im Glossar eine komplette Deutung der Anspielung im Roman an. Das hat nach meinem Empfinden dort nichts zu suchen und sollte dem Kombinationsvermögen der Leser:innen überlassen bleiben. Leider kennzeichnet der Verlag die im Glossar auftauchenden Worte auch nicht im eigentlich Romantext. Meine persönliche Präferenz wären hier Fußnoten direkt auf der entsprechenden Seite im Roman gewesen.
Da diese Kleinigkeiten bezogen auf den Anhang zum Buch allerdings meine einzigen Kritikpunkte am Buch darstellen, ich ansonsten inhaltlich wie sprachlich den Roman wirklich toll finde ebenso wie die Covergestaltung, kann ich eine Lektüre aus diesem ansonsten in der deutschsprachigen Übersetzung nur selten vertretenen Region der Erde nur dringend empfehlen.
Ocean Vuong ist mit seinem zweiten Roman der große Wurf gelungen. Mithilfe eines jungen Mannes von 19 Jahren, der als kleines Kind mit seiner Familie Anfang der 1990er Jahre aus Vietnam in die USA emigrierte, ...
Ocean Vuong ist mit seinem zweiten Roman der große Wurf gelungen. Mithilfe eines jungen Mannes von 19 Jahren, der als kleines Kind mit seiner Familie Anfang der 1990er Jahre aus Vietnam in die USA emigrierte, seiner nächsten Verwandten sowie seinem direkten sozialen Umfeld zeigt Vuong auf, dass das Versprechen des amerikanischen Traums, vom Tellerwäscher zum Millionär, schon lange nicht mehr gilt, wenn es denn je gegolten hat. Scheinbar in einer langsamen aber dauerhaften Abwärtsspirale befindet sich Hai, den wir zu Beginn am scheinbaren Tiefpunkt antreffen. Er lebt in Gladness, einem Arbeitervorort Hartfords in Connecticut, und ist gerade dabei von einer Brücke in den Fluss Connecticut zu springen, um sich das Leben zu nehmen. Denn viel ist nicht mehr für ihn zu holen in dieser trostlosen Welt aus verlassenen Fabriken, heruntergekommenen Wohngebieten und Drogen. Doch die hochbetagte Grazina, die selbst einmal vor langer Zeit auf der Flucht vor Stalin und Hitler aus Litauen in die USA emigrierte, unterbricht Hais Plan und nimmt ihn als ihren neuen Pfleger bei sich im ansonsten leerstehenden Haus auf.
Nun könnte man meinen, hieraus entwickelt sich eine Feel-Good-Geschichte um dieses ungleiche Paar herum. Nur ist hier nicht viel „Feel-Good“ in diesem Roman, wenn auch trotzdem Witz und Humor an der ein oder anderen Stelle. Es gibt kleine, zwischenmenschliche Lichtblicke in dieser harten Geschichte. Lichtblicke, die selbst eine zum Zeitpunkt der Geschehnisse bestehenden Obama-Regierung nicht zu bieten vermag. Die Lichtblicke entstehen durch den genauen Blick auf die Arbeiter:innen, die hier im Mittelpunkt stehen, wie sie miteinander umgehen und einander auch aushelfen. So kann man einigermaßen überleben, aber von Leben kann kaum die Rede sein, wenn zwei oder drei Jobs gleichzeitig kaum ausreichen, um den existenziellen Bedürfnissen nachzugehen. Alle Figuren tun es irgendwie doch, leben.
Sprachlich vermittelt Vuong diese Atmosphäre der objektiven Hoffnungslosigkeit und des subjektiven Durchhaltevermögens einfach nur herausragend. Die genutzten Sprachbilder sind so poetisch und pointiert, dass man über fast jeden Satz Ewigkeiten nachdenken kann. Da steckt so viel in Vuongs Sprache, Dinge, die eventuell im englischsprachigen Original noch besser in ihrer Mehrdeutigkeit erfasst werden können. Anne-Kristin Mittag und Nikolaus Stingl haben hier trotzdem hervorragende Arbeit in der Überführung ins Deutsche geleistet. Allein die brillante Mehrdeutigkeit des englischsprachigen Originaltitels kann gar nicht richtig ins Deutsche überführt werden. „The Emperor of Gladness“. Was es mit diesem „Kaiser“ auf sich hat, und dass dies rein gar nichts mit der sozialen Stellung eines tatsächlichen Herrschers als Staatsoberhaupt zu tun hat, erfährt man erst im Laufe des Romans. In genau einem Satz fast am Ende des Buches wird die Tiefgründigkeit dieser Formulierung deutlich und haut einem beim Lesen einfach nur um. Und natürlich „der Freude“, die Direktübersetzung vom Wort „Gladness“. Dass der Handlungsort des Romans absolut nichts mit wahrer Freude zu tun hat, aber doch mit zwischenmenschlichen Freudenmomenten, schwingt alles in diesem fiktiven Ortsnamen mit. Bei Vuong könnte man jedes Wort auf die Goldwaage legen und hätte seine helle Freude am Interpretationsspielraum.
Ich könnte jetzt noch ewig weiter jubeln über diesen umwerfenden Roman, empfehle stattdessen aber, ihn selbst zu lesen. Und ich selbst nehme mir vor, nun endlich auch den Debütroman „Auf Erden sind wir kurz grandios“ von Ocean Vuong zu lesen. Er konnte mich mit seinem Schreibstil komplett von seinem Können überzeugen. Dieser 1988 in Vietnam geborene Autor steht nun auf meiner „muss ich lesen“-Liste.
Ich muss zugeben, dass sich dieser historische Roman von Cristina Henríquez für mich überraschend als Highlight gemausert hat. Er gibt mithilfe von vielen Figuren einen breiten Überblick über den Bau des ...
Ich muss zugeben, dass sich dieser historische Roman von Cristina Henríquez für mich überraschend als Highlight gemausert hat. Er gibt mithilfe von vielen Figuren einen breiten Überblick über den Bau des Panamakanals, die Arbeitsbedingungen unter denen dies Anfang des vergangenen Jahrhunderts geschehen ist, das Leben auf dem Isthmus zur damaligen Zeit, die politischen Verwicklungen und Einflüsse, sowie die ganz persönlichen Befindlichkeiten von einfachen Menschen, die irgendwie – unter anderem auch eher lose - in Verbindung mit dem Bau dieses Mammutprojekts von Menschenhand standen. Dabei wird nicht minutiös über die Baufortschritte berichtet, sondern Schlaglichter auf einzelne Szenen und Personen geworfen.
Nach den ersten 100 Seiten des Romans kam mir der Gedanke: „Sollten jetzt nicht so langsam mal alle Hauptfiguren vorgestellt sein, oder wie viele Personen sollen hier noch eingeführt werden?“ Denn eins muss man Henríquez lassen: Sie spart nicht an Figuren, deren Lebensgeschichten bis zum Punkt, an dem wir sie im Buch antreffen, in kleinen Vignetten knackig vorgestellt werden und die uns meist bist zum Schluss des Romans begleiten. Oder auch nicht, denn es gibt auch Todesfälle, die das Erzählte nur umso realistischer und nie heroisierend wirken lassen. Und gerade diese Art des Erzählens, dass ich so viele Einblicke in so viele Leben bekommen habe, und dabei die Hand, an die ich genommen wurde, niemals fallen gelassen wurde, ich also dem immensen Personal problemlos folgen konnte, hat mich bis zuletzt gefesselt. Innerhalb von zwei Tagen war dieser historische Pageturner von über 400 Seiten eingesogen. Nebenbei lernt man die wichtigsten historischen, politischen, gesellschaftlichen, wissenschaftlichen, technischen Zusammenhänge zum Panamakanal, die einen denken lassen: „Warum habe ich bisher so unwissend diesen Kanal, den man im Geografieunterricht kurz kennengelernt hat, als gegeben hingenommen?“
Cristina Henríquez schreibt unglaublich süffig und zügig. Keiner einzigen Länge begegnete ich in diesem Roman und trotzdem fehlte meines Erachtens nichts. Ich habe selten mit so vielen Figuren gleichzeitig mitgefiebert, denn geschickt wechselt sie in den Kapiteln zwischen den Figuren, kein Erzählstrang fällt hinten runter, jeder wird zielsicher zum richtigen Moment wieder aufgegriffen.
Allein die deutsche Übersetzung, welche inhaltlich und stilistisch grundsätzlich gelungen ist, braucht für diese erste Auflage noch einmal ein aufmerksames Lektorat, welches an der ein oder anderen Stelle ein paar Tippfehler korrigiert. Die Schutzumschlag- und Buchdeckelgestaltung finde ich äußerst gelungen und nach der Lektüre erkennt man auch, dass genau das richtige Bild- und Kartenmaterial hier herausgesucht und genutzt wurde. Eine runde Sache.
Somit bin ich insgesamt durchaus begeistert von „Der große Riss“, habe viel Wissenswertes erfahren, wurde gut unterhalten und kann die Lektüre demnach guten Gewissens empfehlen.