Cover-Bild Menschen neben dem Leben
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20,00
inkl. MwSt
  • Verlag: Klett-Cotta
  • Themenbereich: Belletristik - Belletristik: Klassisch
  • Genre: Romane & Erzählungen / Erzählende Literatur
  • Seitenzahl: 303
  • Ersterscheinung: 14.09.2019
  • ISBN: 9783608964097
Ulrich Alexander Boschwitz

Menschen neben dem Leben

Roman
Peter Graf (Herausgeber)

»Eine wahnsinnig packende Wiederentdeckung.« Hildegard Elisabeth Keller, SRF

Nach der spektakulären literarischen Wiederentdeckung von »Der Reisende« erscheint nun auch der erste Roman von Ulrich Alexander Boschwitz zum ersten Mal auf Deutsch. Im Berlin der Zwanzigerjahre porträtiert »Menschen neben dem Leben« jene kleinen Leute, die nach Krieg und Weltwirtschaftskrise rein gar nichts mehr zu lachen haben und dennoch nicht aufhören, das Leben zu feiern.


Leicht haben es die Protagonisten in Ulrich Alexander Boschwitz’ Debütroman nicht. Sie sind die wahren Verlierer der Wirtschaftskrise: Kriegsheimkehrer, Bettler, Prostituierte, Verrückte. Doch abends zieht es sie alle in den Fröhlichen Waidmann. Die einen zum Trinken, die anderen zu Musik und Tanz. Sie treibt die Sehnsucht nach ein paar sorglosen Stunden, bevor sich der graue Alltag am nächsten Morgen wieder erhebt. Doch dann tanzt die Frau des blinden Sonnenbergs mit einem Mal mit Grissmann, der sich im Waidmann eine Frau angeln will und den Jähzorn des gehörnten Ehemanns unterschätzt. Und so nimmt das Verhängnis im Fröhlichen Waidmann seinen Lauf, bis sich neue Liebschaften gefunden haben, genügend Bier und Pfefferminzschnaps ausgeschenkt wurde und der nächste Morgen graut. Wie durch ein Brennglas seziert der zu diesem Zeitpunkt gerade mal zweiundzwanzigjährige Autor das Berliner Lumpenproletariat der Zwischenkriegsjahre.

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Lesejury-Facts

Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 16.10.2019

Episoden voller Entbehrungen und Emotionen

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Der jung verstorbene Ulrich Alexander Boschwitz skizziert hier anhand mehrerer Charaktere das Bild bestimmter Bevölkerungsschichten aus dem Berlin der Zwischenkriegszeit. Sie alle stehen in gewisser Hinsicht ...

Der jung verstorbene Ulrich Alexander Boschwitz skizziert hier anhand mehrerer Charaktere das Bild bestimmter Bevölkerungsschichten aus dem Berlin der Zwischenkriegszeit. Sie alle stehen in gewisser Hinsicht “neben dem Leben” - neben dem der gut situierten oder der über alle Zweifel erhabenen.

In unterschiedlichen Szenen begegnet der Leser Emil Fundholz, der betteln geht um Nahrung und Unterkunft zu haben; Tönnchen, einem leicht zurückgebliebenen Mann, der Fundholz’ Begleiter und von ihm abhängig ist; Grissmann, der Einbrüche dem Betteln vorzieht; Frau Fliebusch, die sich in ihre eigene Welt zurückgezogen hat; Minchen, die zwar deutlich mehr Geld hat als die anderen, dieses aber in der Waagrechten verdient - und vielen mehr.

Es sind teils komische, dann wieder sehr ernste und auch gefährliche Episoden die wir mit den Protagonisten erleben und die zeigen wie viel sie entbehren mussten, mit wie wenig sie auskamen und dass manche für uns alltägliche Dinge damals einfach unerreichbar waren.

Auch wenn die Abschnitte grundsätzlich chronologisch verlaufen, auch innerhalb der einzelnen Handlungsstränge der Figuren, sind sie doch keine so komplett zusammenhängende Geschichte wie man vermuten könnte. Am Ende aber lässt Boschwitz einige Charaktere aufeinanderprallen und sein Finale explodiert förmlich in einem Strudel an Emotionen. Das war auch das Einzige, wovon die Leute damals (zu) viel hatten und das nichts kostete.

Wer eine stringente, noch stärker berührende Geschichte lesen will, die sich auf einen Hauptcharakter konzentriert, dem sei “Der Reisende” ans Herz gelegt.

Veröffentlicht am 29.09.2019

Erstaunlich und lesenswert

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REZENSION – Vor einem Jahr überraschte Herausgeber Peter Graf mit der Wiederentdeckung eines vor 80 Jahren in London auf Englisch erstveröffentlichten Romans „Der Reisende“ (1939) des damals erst 24-jährigen ...

REZENSION – Vor einem Jahr überraschte Herausgeber Peter Graf mit der Wiederentdeckung eines vor 80 Jahren in London auf Englisch erstveröffentlichten Romans „Der Reisende“ (1939) des damals erst 24-jährigen Ulrich Alexander Boschwitz (1915-1942). Jetzt folgte die deutsche Erstveröffentlichung seines bereits 1937 in Stockholm auf Schwedisch erschienenen Debüts „Menschen neben dem Leben“. Zwei Jahre zuvor war der damals 20-Jährige – sein jüdischer Vater war 1915 als Soldat im Ersten Weltkrieg gefallen – mit der Mutter aus Berlin nach Skandinavien emigriert.
Obwohl in großbürgerlichem Hause aufgewachsen, dürfte Boschwitz die frühzeitige Ausgrenzung der Berliner Juden unter den Nazis bewusster erlebt haben als jene Welt der Kriegsheimkehrer, Bettler, Prostituierten und Verrückten in seiner Kindheit der 1920er Jahre nach dem Ersten Weltkrieg, deren „Nebenwelt“ er in seinem Romandebüt dennoch so facettenreich und faszinierend schildert. Seine Protagonisten gehören der untersten Gesellschaftsschicht an, dem Berliner „Lumpenproletariat“. Trotz Armut und Obdachlosigkeit versuchen sie tagtäglich, ihrem Leben noch einen Sinn zu geben.
Da ist der alte Fundholz, der mit dem letzten Rest seines Stolzes das Betteln und trockenes Brot jeder Gefängniskost vorzieht, sich ansonsten mit seinem Schicksal abgefunden hat. Ihm folgt, treu ergeben wie ein Hund, der ewig hungrige und seit seiner Kindheit verrückte „Tönnchen“. Als Dritten im Bunde lernen wir den arbeitslosen Straßenbahnschaffner Grissmann mit leichtem Hang zur Kriminalität kennen. Aber da sind auch noch Frau Fliebusch, die nach dem Kriegstod ihres Mannes an der Welt verzweifelt, der blinde Kriegsheimkehrer Sonneberg, der mit seinem Schicksal hadert, und der „schöner Wilhelm“ genannte Zuhälter.
Sie alle werden uns vertraut. Wir begleiten sie beim Betteln oder beim Warten, bis endlich wieder ein Tag ihres trostlosen Lebens geschafft ist und sie sich abends alle im „Fröhlichen Waidmann“ treffen. Der „Waidmann“ ist in Boschwitz Roman gleichsam eine „Nebenwelt“, die die „Menschen neben dem Leben“ ihre Alltagssorgen vergessen lässt. Gehören sie draußen in der Tageswelt zur untersten Gesellschaftsschicht der Verlorenen, formen sie im „Waidmann“ ihre eigene Welt, ihr eigenes Gesellschaftssystem. Hier regiert der ehrbare Vorstand des Ringvereins, eine in damaliger Zeit für Berlin typische mafiöse Vereinigung. Hier steht der „schöne Wilhelm“ zusammen mit der Edelnutte Minchen gesellschaftlich noch über dem Möchtegern-Ganoven Grissmann und allen anderen.
Boschwitz beschreibt dieses ihm doch eigentlich fremde Milieu so detailreich, als wäre er selbst Stammgast im „Fröhlichen Waidmann“. Vieles mag er sich in zeitgenössischer Literatur angelesen, vieles schon als Kind auf der Straße beobachtet haben. Als Halbjude selbst aus der Berliner Gesellschaft ausgegrenzt, kann er seinen Figuren deren Schicksal nachfühlen. Boschwitz fasziniert durch seine lebendige Szenerie voller Empathie, die uns seine „Nebenwelt“ so sympathisch werden lässt. Vielleicht hätte der damals erst 22-jährige Autor, wäre er älter und lebenserfahrener gewesen, seinen Charakteren noch mehr Tiefenschärfe geben können. Dennoch ist „Menschen neben dem Leben“ zweifellos ein erstaunlicher und deshalb lesenswerter Roman. Nach diesem Debüt und Boschwitz' zweitem Roman „Der Reisende“ wäre man auf einen dritten Roman gespannt. Doch Ulrich A. Boschwitz starb als 27-Jähriger, als das britische Schiff, das ihn und andere „feindliche Ausländer“ aus Australien nach England zurückholen sollte, auf der Überfahrt nach deutschem Torpedo-Beschuss versank.

Veröffentlicht am 26.09.2019

Ein wichtiges Buch

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Der leider viel zu früh verstorbene Autor Ulrich Alexander Boschwitz nimmt uns mit in ein Milleu das so gar nicht zu den goldenen Zwanzigern passt und dennoch präsent war.
Wir begegnen Arbeitslosen, Kriegsversehrten, ...

Der leider viel zu früh verstorbene Autor Ulrich Alexander Boschwitz nimmt uns mit in ein Milleu das so gar nicht zu den goldenen Zwanzigern passt und dennoch präsent war.
Wir begegnen Arbeitslosen, Kriegsversehrten, Prostituierten, einem Geschäftsmann der um seine Existenz kämpft, kurzum Menschen denen das Leben nichts mehr schönes zu bieten hat und doch wollen sie leben.
Für die heutige Zeit unvorstellbar, wie man in so einer Armut überleben kann und den Glauben ans Gute nicht verliert. Die Charaktere sind so klar dargestellt, daß man meint man wäre mittendrin. Mit einfacher Wortwahl beschreibt der Autor ein Milleu, das oft nur durch ein Gläschen Pfefferminzschnaps und ein Glas Bier leichter zu ertragen ist.
Ein wunderbares Zeitdokument, das ich gerne weiter empfehle.

Veröffentlicht am 25.09.2019

Ein trostloser Tag auf den Straßen Berlins

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Am Anfang der 30er Jahre gibt es in Berlin viel Not. Maschinen ersetzen Menschen, darum gibt es viele Arbeitslose. Andere leiden unter den Folgen des Großen Kriegs. Männer müssen betteln, Frauen verdienen ...

Am Anfang der 30er Jahre gibt es in Berlin viel Not. Maschinen ersetzen Menschen, darum gibt es viele Arbeitslose. Andere leiden unter den Folgen des Großen Kriegs. Männer müssen betteln, Frauen verdienen Geld mit „Gefälligkeiten“.

Diese Geschichte beginnt mit einem Gemüsehändler, der einen muffigen Kellerraum als Schlafplatz an zwei Obdachlose vermietet. Abends werden sie eingeschlossen und morgens herausgelassen, sodass die hungrigen Männer sich nicht an Obst und Gemüse des Händlers zu schaffen machen können.

Der Tag beginnt viel zu früh für die beiden Männer. Während der eine hausieren geht, wartet der andere im Park. Er ist geistig behindert, die Folge eines traumatischen Erlebnisses in seiner Kindheit.

Im Laufe des Tages tauchen viele weitere Männer und Frauen auf. Jeder hat seine Geschichte und alle leiden auf der einen oder anderen Weise Not.

Da gibt es den Blinden, der im Krieg sein Augenlicht verlor, und seine Frau, die sich aus dieser gewalttätigen Beziehung befreien möchte. Eine betagte Frau glaubt auch mehr als Jahrzehnt später nicht, dass ihr Mann gefallen und ihr Vermögen wertlos geworden ist. Eine hübsche, junge Frau hat ein gutes Einkommen. Verschiedene ältere Herrn suchen sie regelmäßig auf. Ein Arbeitsloser ist wegen seinen Umständen wütend und er fragt sich, warum immer er benachteiligt wird. Er heckt verschiedene Pläne aus, um zu bekommen, was ihm seiner Meinung nach zusteht.

Diese unterschiedlichen Personen haben eins gemeinsam: Sie stehen neben dem Leben. Sie sind die Leidtragenden der Wirtschaftskrise.

Der junge Autor dieses literarischen Werks starb schon als junger Mann im Jahr 1942. Sein Buch wurde 1937 in Schweden herausgegeben. Der Text wurde vor dieser ersten deutschen Veröffentlichung lektoriert und dabei vermutlich der heutigen Sprache ein wenig angepasst.

Die Lebensläufe der Menschen stehen nebeneinander. Immer wieder erfährt der Leser Bruchstücke aus ihrer traurigen Vergangenheit. Der Autor beschreibt die Beweggründe dieser Menschen und erzählt von Motiven, die ihnen oft selbst nicht bewusst sind. Es sind oft niedere Instinkte und Wünschen, von denen diese einfachen Menschen gesteuert sind.

Was diesem Buch fehlt ist eine überzeugende Handlung. Die beschriebenen Menschen versammeln sich abends in einer Wirtschaft, in der etwas Dramatisches geschieht, aber dem Buch fehlt ein Spannungsbogen. Die Persönlichkeiten und Verhältnisse in dieser Stadt sind gut beschrieben, aber für einen Roman vielleicht zu sachlich und spannungslos.

Die Beschreibungen der hoffnungslosen Schicksale lässt besser verstehen, warum ein Führer, der versprach die Arbeitslosigkeit zu bekämpfen, immer beliebter wurde. Als Zeitzeugnis ist dieses Buch besonders wertvoll. Hier schreibt jemand, der diese Zeit tatsächlich erlebt hat. Er kannte die Fragen und Probleme, aber er ahnte nicht wie viel Leid die angebliche Antwort mit sich bringen würde.

Der Autor streut tiefsinnige Reflektionen und Vergleich in seine Geschichte ein. So vergleicht er neutrale Beobachter bei einer Auseinandersetzung in einer Kneipe mit Staaten, die den Starken unterstützen und doch auf Seiten der Schwachen stehen. „Ihre eigentliche Aufgabe besteht darin, die kriegführenden Parteien aufzustacheln und, im Falle von Nationen, kriegsfähig durch Lieferungen zu erhalten.“ Wer denkt da nicht an aktuelle Ereignisse!

Fazit: Die Besonderheit dieses Buchs ist, dass es das authentische Zeugnis eines Zeitgenossen ist. Da er Berlin in diesen längst vergangenen Jahren so gut kennt, kann er ein bewegendes Bild der vergessenen Menschen dieser Stadt malen.

Veröffentlicht am 23.09.2019

Eine sehr schöne Milieustudie

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Das Buch, des leider viel zu früh verstorbenen Autors Ulrich Alexander Boschwitz, zeigt eine sehr schöne Milieustudie der kleinen Leute, des sogenannten ‚Lumpenproletariats‘ des Berlins der 1920 er Jahre. ...

Das Buch, des leider viel zu früh verstorbenen Autors Ulrich Alexander Boschwitz, zeigt eine sehr schöne Milieustudie der kleinen Leute, des sogenannten ‚Lumpenproletariats‘ des Berlins der 1920 er Jahre. Sie alle treffen sich mit ihren unterschiedlichen Hintergründen abends in der Kneipe ‚Fröhlicher Waidmann‘. Hier kochen die Gefühle bei reichlich Alkohol oft hoch. Die liebevoll und ausdrucksstark gezeichneten Protagonisten Grissmann, Tönnchen und Fundholz, machen die Geschichte der Zwischenkriegsjahre auf ihre eigene Art sehr lebendig. Trotz aller Widrigkeiten versuchen sie nicht nur zu überleben, sondern das Leben irgendwie zu feiern. Hier ist dem Autor eine gute Charakterstudie gelungen, die sich auch auf Grund des flüssigen Sprachstils herrlich weg lesen läßt.

Fazit:
Eine tolle Geschichte, die leider erst spät wiederentdeckt wurde. Eine klare Leseempfehlung von meiner Seite.