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Veröffentlicht am 11.05.2023

Zu schnell zu viel? Könnte man bei Gelegenheit lesen - oder doch gelegentlich?

Love Unscripted
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Stell dir vor, der größte Filmstar aller Zeiten steht plötzlich in deinem Café und bittet dich, seine Fake-Freundin zu werden. So ergeht es Norah in Love unscripted. Hals über Kopf stürzt sie sich in das ...

Stell dir vor, der größte Filmstar aller Zeiten steht plötzlich in deinem Café und bittet dich, seine Fake-Freundin zu werden. So ergeht es Norah in Love unscripted. Hals über Kopf stürzt sie sich in das Abenteuer und zieht bei der Film-Ikone Patrick ein. Es gibt einen Vertrag, alle Berührungen sind streng reguliert und doch knistert es gehörig zwischen den beiden. Nach und nach lernen sich die beiden besser kennen – fast.
Eigentlich geht alles ziemlich schnell und als Leser*in kommt man bisweilen nicht ganz hinterher. Es reiht sich Ereignis an Ereignis und zwischenzeitlich fragt man sich: Hab ich was verpasst? Wie sind sich die beiden plötzlich so nahe gekommen? Viele inhaltlich wichtige Szenen wirken wie unvollständig ausgeschrieben; die erotischen Szenen dagegen werden in extenso ausgeführt.

Norah ist eine charakterstarke und reflektierte Frau, die einen schnell für sich einnimmt. Auch andere Nebencharaktere haben spannende Persönlichkeiten. Vielleicht werden sie im zweiten Band noch stärker in den Vordergrund rücken. Von Patricks Innerem erfährt man dagegen wenig.

Leider überzeugt das Buch auch sprachlich nicht so ganz. Es lässt sich zwar sehr schnell lesen, aber an vielen Stellen spürt man sehr stark die Übersetzung aus dem Englischen. Übersetzungen sind ohne Frage eine große Herausforderung, aber Wendungen wie beispielsweise „Das solltest du gelegentlich probieren“ führen im Deutschen eindeutig zu Missverständnissen. Es wäre ein Leichtes sie in „Das solltest du bei Gelegenheit probieren“ zu ändern. Zur schnellen Geschwindigkeit der Handlung trägt sicherlich auch dazu, dass einige spannende Wendungen besser in Sprache und Interpunktion hätten hervorgebracht werden können. So stolpert man gelegentlich und nicht nur bei Gelegenheit über Sätze, die plötzlich die gesamte Handlung verändern. Und das führte letztlich doch dazu, dass sich das Buch für mich doch nicht so schnell und am Stück lesen ließ.

Die Idee der Handlung hatte große Hoffnungen geweckt und fasziniert mich weiterhin, aber leider konnte mich die Umsetzung hier nicht überzeugen, weshalb ich dem Buch nur 3 Sterne vergebe – für die Idee und für die Charaktere.

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  • Fantasy
Veröffentlicht am 02.01.2023

Viele Gedanken auf wenig Raum

How do I tell them I love them?
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Lark, 17 Jahre alt, liebt das Schreiben und träumt davon, deren ersten eigenen Roman „Birdie Takes Flight“ zu veröffentlichen. Über Twitter versucht dey sowohl über wichtige Themen wie Rassismus oder Queerfeindlichkeit ...

Lark, 17 Jahre alt, liebt das Schreiben und träumt davon, deren ersten eigenen Roman „Birdie Takes Flight“ zu veröffentlichen. Über Twitter versucht dey sowohl über wichtige Themen wie Rassismus oder Queerfeindlichkeit aufzuklären als auch eine größere Reichweite zu erlangen, um das Interesse der Verlage zu erreichen. Eines Tages postet Larks ehemals bester Freund Kasim versehentlich einen Kommentar auf Larks Account, der so erfolgreich wird, wie kein anderer zu vor. Das Problem ist: Die beiden verbindet eine komplizierte Beziehung; die Freundschaft liegt auf Eis und sie beäugen einander aus ausreichender Entfernung oder streiten sich. Lark ist hin und hergerissen, wie dey weiter vorgehen soll. Stillschweigen bewahren und das Wachstum der Follower:innen genießen oder mit der Wahrheit herausrücken? Je länger Lark mit sich hadert, desto mehr verstrickt sich deren Beziehungsgeflecht nicht nur zu Kasim, sondern auch allen anderen Menschen in deren Umfeld.

Das Buch greift viele aktuelle und wichtige Themen wie unter anderem Rassismus, Queerfeindlichkeit, psychische Gesundheit und Geschlechtsdysphorie auf und möchte die Leser:innen sensibel hindurchführen. Eine Trigger-Warnung wird zu Beginn des Buches ausgesprochen. Bisweilen ist man sehr stark gefordert, wenn die Themen in hoher Geschwindigkeit wechseln, doch spiegelt das höchstwahrscheinlich am treffendsten die Gedankengänge eines 17jährigen Menschen wider. Manche Themen finden leider nur wenige Worte und werden zwar aufgebracht, aber auch schnell wieder fallengelassen.

Der Roman ist ursprünglich auf Englisch erschienen; für die deutsche Übersetzung hat der LYX-Verlag Rücksprache mit einigen nicht-binären Personen gehalten und sich für die Neopronomen dey/demm und den Genderstern entschieden. Die Veränderungen im Lesetext sind augenscheinlicher als in der englischen Sprache. Den inneren Lesefluss störte das meiner Meinung nach nicht, schwieriger könnte es vielleicht beim Vorlesen werden. Diese Umsetzung ist in jedem Fall ein wichtiger Bestandteil im Diskurs über eine genderfreundliche Sprache, die Deutsch bisher nicht ist.

Die Diversität der Charaktere führte mir immer wieder vor Augen, wie voreingenommen viele Menschen noch immer sind. Spannend ist zu beobachten, wie sich die einzelnen Menschen über die Geschichte hinweg entwickeln und alle einen individuellen Lernprozess durchlaufen. Die Beziehungen zwischen den Protagonist:innen machen für mich das Kernstück dieses Buches aus. Allerdings werden sie unterschiedlich ausführlich erzählt. Auch hier gibt es Aspekte, die kurzzeitig aufgegriffen, aber nicht ausgeführt werden. Es entsteht bisweilen das Gefühl, dass Kacen Callender eigentlich noch viel mehr zu sagen gehabt hätte, aber womöglich die Seitenzahl limitiert war.

Insgesamt leistet das Buch meiner Meinung nach einen wichtigen Beitrag zu der Frage: Wie will Literatur in Zukunft aussehen? Welche Vorurteile haben wir bewusst und unterbewusst, wenn wir queere Geschichte hören/lesen? Sind wir irritiert, wenn mehrere nicht-binäre Personen in einer Geschichte auftreten und warum? Welche Themen sind immer noch tabuisiert und fordern uns? Und was den Aspekt der Übersetzung angeht, bleibt die große Frage: Wie gehen wir mit gendergerechter Sprache im Deutschen um? Da diese Fragen aktuell von so großer Bedeutung sind, vergebe ich dem Buch vier von fünf Sternen.

Anmerkung: Da der Genderstern gleichzeitig das Fettmarkieren einer Textpassage markiert, wird in diesem Text stattdessen das : verwendet.

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Veröffentlicht am 31.07.2019

Feinster Humor in Spitze oder Warnung! Lesen kann zu Einsichten führen und verursacht Bewusstsein.

Effi liest
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Auf den ersten Seiten des Buches erwartet einen zugleich den wohl amüsantesten Abriss über die Medizingeschichte des 19. Jahrhunderts. Dieser gibt nicht nur einen ersten Einstieg in die Gedankenkonstrukte ...

Auf den ersten Seiten des Buches erwartet einen zugleich den wohl amüsantesten Abriss über die Medizingeschichte des 19. Jahrhunderts. Dieser gibt nicht nur einen ersten Einstieg in die Gedankenkonstrukte der Zeit, sondern zeigt viel mehr gleich zu Beginn den wunderbaren Humor des gesamten Romans auf. Auch wenn das Buch in den noch recht prüden 1890er Jahren spielt, könnte die Sprache nicht treffender oder spitzer gewählt sein
.
Doch zunächst: Man schlage ein Buch auf und werde der Schule verwiesen. Was in der heutigen Zeit befremdlich klingen mag, widerfährt Effi, als sie ein mysteriöses Exemplar in der Nähe ihres Mädchenpensionat findet. Doch auf dem Weg zurück nach Berlin zu ihrem Vater wird ihr während eines Gesprächs das erste Mal bewusst, wie viel wissenschaftlicher doch manche Dinge ergründet werden könnten. Oder kann bestimmtes Wissen tatsächlich krank machen?

Anna Moretti gelingt es auf hervorragende Weise, die damalige Zeit heraufzubeschwören – weder verklärend noch dramatisierend. Der historische Hintergrund fügt sich, ohne sich aufdrängen zu wollen, nahtlos in das Geschehen ein und alle Handlungen und Charaktere sind stringent darin verwurzelt. Geradezu begeistert hat mich der authentische Umgang mit den sozialen und medizinischen Vorstellungen der Zeit, der stets reflektiert und informativ ist, dabei aber ohne den erhobenen, urteilenden Zeigefinger (wie er leider in manch anderen historischen Romanen zu finden ist) auskommt. Man wird gezwungen, sich wirklich auf den damaligen Wissenstand einzulassen und erfährt wie beiläufig viel über die Zeit.

Die Protagonist Effi ist eine scharfdenkende, schlagfertige und sympathische junge Frau, deren Gedankengängen und vor allem ihrem feinen Humor ich gerne gefolgt bin. Aber auch die Nebenfiguren sind allesamt Personen für sich, die in ihrer Gestaltung Effi in keinster Weise nachstehen. Dadurch liest sich das Buch durchweg spannend.

So leicht und amüsant die Geschichte und Sprache zu Beginn erscheinen mögen, umso mehr gibt einem das Buch im Nachhinein zu denken. Gerade diese Kombination aus Leichtigkeit, Humor und Ernst haben mich in besonderem Maße überzeugt, sodass ich „Effi liest“ fünf Sterne vergebe.

Fräulein Grimaud sagte immer noch nichts. Der Karpfen sah jetzt aus, als würde er gleich zuschnappen. - S. 57 Effi bringt mich einfach immer wieder zum Schmunzeln…

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Veröffentlicht am 07.03.2019

"A Medal for Sparing Criminals"

Mord braucht keine Bühne
2

"A Medal for Murder" - so lautet der englischsprachige Originaltitel zu diesem Buch und er bringt um einiges besser diesen Kriminalroman auf einen Punkt, als es der deutsche Titel vermag.
Wir haben es ...

"A Medal for Murder" - so lautet der englischsprachige Originaltitel zu diesem Buch und er bringt um einiges besser diesen Kriminalroman auf einen Punkt, als es der deutsche Titel vermag.
Wir haben es mit Mord, Raub und Erpressung im beschaulichen 20iger Jahre Städtchen Harrogate zu tun. Dabei wird der Eindruck erweckt, die Autorin Frances Brody versuche unter allen Umständen, möglichst viele Aspekte in diese Geschichte zu packen. Zunächst ist der Leser mit einer Vielzahl an neuen Personen konfrontiert, die jedoch - jede auf ihre eigene Weise - Teil eines großen Komplexes sind.

Die Geschichte ist spannend und filigran aufgebaut, allerdings geht diese Güte bei der Erzählweise etwas verloren. Den logischen Schlüssen der Privatdetektivin Kate ist nicht immer zu folgen: Einerseits kommt sie durch weit hergeholte Spekulationen meist zu den richtigen Schlüssen, andererseits dauern die Ermittlungen für einfachere Aspekte sehr viel länger.
Da der Leser durch Perspektivenwechsel und Rückblenden einige Auflösungen bereits früh kennt und dem Ermittlungsstand weit voraus ist, wirkt der Handlungsverlauf an manchen Stellen etwas fad.

Auch die Protagonistin kann nicht so richtig überzeugen. Dass Kate am Ende ihre eigenen Moralvorstellungen voranstellt und einige Täter davonkommen lässt, ist für mich nicht nachvollziehbar. Geht es ihr wirklich darum, Fälle für andere aufzuklären, oder vielleicht doch nur um die eigenen Neugier?

Insgesamt war ich von der Geschichte an sich begeistert, weshalb ich letztlich doch 3 Sterne vergebe, denn jedes noch so kleine Detail ist am Ende wichtig, . Allerdings wirkt Kate noch sehr unerfahren und die Erzählweise wies für mich zu viele Inkohärenzen auf. Einen dritten Fall von Kate Shackleton würde ich vermutlich eher weit unten auf meiner Leseliste ansiedeln.

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