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Veröffentlicht am 15.09.2016

Kaltgestellt

Codename E.L.I.A.S. – Kaltgestellt
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Michael Cavenaugh kann so schnell nichts erschüttern. Schließlich ist er Agent bei der Central Intelligence Agency, dem amerikanischen Geheimdienst. Bei einem seiner Einsätze kommt es zu einem Schusswechsel, ...

Michael Cavenaugh kann so schnell nichts erschüttern. Schließlich ist er Agent bei der Central Intelligence Agency, dem amerikanischen Geheimdienst. Bei einem seiner Einsätze kommt es zu einem Schusswechsel, die von ihm observierte Person ist tot, und nach einer darauffolgenden Explosion findet sich Michael im Krankenhaus wieder. Soweit so gut. Das sind die Risiken, die ein Agent einplanen muss. Womit er allerdings nicht rechnet, ist, dass irgendwo auf dem Weg zwischen Explosion und Krankenhaus die eigene Identität gelöscht wird. Denn bei seinem Erwachen verfügt Michael weder über einen Ausweis noch eine Sozialversicherungsnummer, ja nicht einmal ein Bankkonto. In seiner Wohnung lebt jemand anderes, und selbst sein Arbeitgeber kennt ihn nicht (mehr). Somit sind auch Wohnung und Job futsch.

In dieser Situation scheint sich Michael nur auf zwei Personen verlassen zu können: Brianna, seine Ex, die zwar nicht unbedingt gut auf ihn zu sprechen ist, ihm aber trotzdem ihre hilfreichen Hände reicht, und Luke, ein alter Freund.

Mila Roth vermag mit dem Startband der Serie "Codename E.L.I.A.S." gut zu unterhalten. Die Geschichte ist kurzweilig, die Handlung schreitet zügig voran, verfügt über spannungsreiche Elemente. Dabei wählt sie einen lässigen Grundton, der einerseits ironisch - besonders die Äußerungen der spitzzüngige Brianna bereiten vergnüglichen Lesespaß - und andererseits mit ernsten Klängen versetzt ist. Ihre in Los Angeles angesiedelte Geschichte beginnt gleich mit einem Knall, im wahrsten Sinne des Wortes, denn bei einem Einsatz wird Agent Michael Cavenaugh Opfer einer Explosion, bei der er zwar sein Leben im eigentlichen Sinne behält, jedoch das Leben, das er führte, existiert nicht mehr. Er ist "kaltgestellt".

Wie in einer Serie üblich, werden im "Pilot" zunächst die Protagonisten präsentiert. Michael ist ein äußerst professioneller Agent, der eine Situation hervorragend einzuschätzen vermag. Er vermittelt einen geradlinigen Eindruck, auch wenn er Entscheidungen treffen muss, die auf den ersten Blick fragwürdig erscheinen. Zudem ist er kein Mensch, der den Kopf in den Sand steckt, sondern ihn kühl auf seinen Schultern behält und die Sache angeht. Trotzdem stellt die Autorin ihn keineswegs als makellosen Held dar. Auch er hat seine wunden Punkte, die bereits angedeutet werden.

Ihm gegenüber steht seine Ex-Freundin Brianna, die nicht in Begeisterungsstürmen ausbricht, als sie Michael in der für ihn prekären Situation wiederbegegnet. Es zeigt sich jedoch, dass unter ihrer harten Schale ein weicher Kern sitzt. Der Dritte im Bunde ist Luke, mit dem Michael die Zeit beim Militär verbindet. Ein unkomplizierter Typ, dessen Figur in der Geschichte noch etwas im Hintergrund bleibt, der aber zumindest hier zur Stelle ist, als Michael ihn braucht, und der für einen Job sorgt.

Mila Roth ist eine routinierte Schreiberin. Sie setzt auf einen ungezwungenen amerikanischen Stil ähnlich einer TV-Vorabendserie, in der neben der Suche nach den Verantwortlichen für Michaels "Kaltstellung" Folge für Folge Probleme anderer Menschen bearbeitet und am Ende gelöst werden. Wer daran Freude hat, hält auch mit "Codename E.L.I.A.S." die richtige Lektüre in der Hand.

3,5 Sterne

Veröffentlicht am 15.09.2016

Eine Pension fürs kleine Glück

Ach du Liebesglück
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"Wer immer nur nach dem Zweck des Lebens fragt, wird seine Schönheit nie entdecken."

Sie haben Stress in ihrem Alltag, in ihrem Beruf, mit ihrem Partner und das Gefühl, alles wächst Ihnen über den Kopf?

Dann ...

"Wer immer nur nach dem Zweck des Lebens fragt, wird seine Schönheit nie entdecken."

Sie haben Stress in ihrem Alltag, in ihrem Beruf, mit ihrem Partner und das Gefühl, alles wächst Ihnen über den Kopf?

Dann kommen Sie zu uns. Hier an der Nordsee finden Sie einen Ort zum Wohlfühlen: Lillys Pension.

Warum gerade zu uns, werden Sie fragen, schließlich gibt es "Bed und Breakfast" überall. Doch wir tun ein bisschen mehr für unsere Gäste. Wir bieten Ihnen nicht nur geschmackvoll und mit Wärme eingerichtete Zimmer und Betten und stellen Ihnen das Frühstück hin, sondern wir kümmern uns auch um Ihre seelischen Belange, so dass sie vollkommen erholt wieder nach Hause fahren können.

Bei uns haben sie Familienanschluss, wenn Sie es wünschen. Vielleicht erscheinen wir ein bisschen chaotisch (manche Zungen behaupten sogar, wir wären sonderbar). Und perfekt sind wir schon lange nicht. Aber wir sind eng miteinander verbunden, mögen uns und unsere Tiere, sehen unsere Macken mit einem Augenzwinkern.

Lernen Sie uns kennen. Wo sonst begegnet Ihnen Tom, der Spinnenretter, der zudem mit Ameisen über eine mögliche Brüderschaft verhandelt oder versucht, Wasser nur durch Anstarren zum Einfrieren zu bewegen.

Sie können hier nicht nur den Geschmack der salzigen Luft spüren, sondern auch den Sand unter Ihren Füßen. Und Ihre Seele baumeln lassen. Im trauten Miteinander mit unseren Hühner zum Beispiel, die bei uns ihren Lebensabend verbringen. Denn wir sehen nicht immer nur auf Produktivität, unsere Hühner landen nicht im Kochtopf, wenn sie keine Eier mehr legen. Deshalb sind sie entspannt und hören Ihren Sorgen gerne zu. Es ist für Sie eine Gelegenheit zum Innehalten. Werden Sie zum Hühnerflüsterer.

Oder wollen Sie mit Kühen kuscheln? Hilde wird die richtige Kuh für ihr Seelenheil auswählen. Glauben Sie uns. Wer einmal einer Kuh ins Auge geschaut hat, vergisst ihr sanftes Wesen nicht so schnell wieder.

(Wir weisen allerdings daraufhin, dass Hilde Kuchen extra berechnet. Alternativ bietet sich die Bäckerei im Dorf an. Bei Marijke erhalten Sie alles, was das Herz begehrt, täglich frisch gebacken.)

Ist es ein Traum von Ihnen, Ihre Kreativität zu entfalten? Bei uns haben Sie die Möglichkeit. Der regional bekannte Maler Bernhard Pfeffer gibt Ihnen auf unserem Hof gern Unterricht. Sollten Sie zudem eines seiner Werke erstehen wollen, nutzen Sie die Chance.

Oder lassen Sie allen Frust raus und trommeln Sie eine Runde. Danach werden Sie sich befreit fühlen.

Was es auch ist, was Sie suchen, wir empfangen Sie mit offenen Herzen!

Das große, allumfassende Glück werden Sie hier zwar nicht finden. Aber die kleinen Glücksmomente wie Nusspesto essen, richtig laut lachen, einen Sonnenstrahl genießen, wenn es tagelang geregnet hat. Und das wird Ihr Leben ein wenig schöner und damit glücklicher machen.

Veröffentlicht am 15.09.2016

Die Geschichte einer Freundschaft

Raukland Trilogie
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Ronan ist Schwertkämpfer par excellence und scheint damit würdiger Nachfolge auf den Thron von Raukland zu sein. Allerdings will es das Schicksal anders. Weil er wegen eines angeblichen Rausches seine ...

Ronan ist Schwertkämpfer par excellence und scheint damit würdiger Nachfolge auf den Thron von Raukland zu sein. Allerdings will es das Schicksal anders. Weil er wegen eines angeblichen Rausches seine Männer nicht in eine Schlacht führen kann, fällt er bei seinem Vater, König Azel, in Ungnade. Nicht nur, dass dieser ihn auspeitschen und brandmarken lässt. Er schickt ihn auf die Insel Lannoch, damit er diese Raukland untertan macht. Nur dann kann er auch Rauklands König werden.

Ronan hat keine Wahl. Auf Lannoch erwartet ihn ein Jahr voller Prüfungen. Mit Waffengewalt kann er dort nichts ausrichten, und die Insel darf er nicht verlassen. Schließlich ist Bedingung dafür, rechtmäßiger König von Lannoch zu werden, die Erfüllung der von den ehemaligen Königen Lannochs niedergeschriebenen Aufgaben.

Hierfür braucht er einen Freund, den er auf der Insel finden muss, weil er hierher allein gekommen ist. Könnte es nicht von Vorteil sein, dass er gerade Liam das Leben gerettet hat? Würde da nicht jeder andere auch zum Freund werden? Tatsächlich erklärt sich Liam bereit, als Ronans Freund aufzutreten, verlangt im Gegenzug, dass Ronan ihn beschützt.

Aber was macht einen Freund aus?

Ronan ist völlig ahnungslos, schon bei der Aufforderung, den Namen seines "Freundes" zu nennen, versagt er. Bis zu seinem Ziel liegt ein langer Weg vor ihm...

Jordis Lank erzählt mit dem ersten Band ihrer Raukland-Triologie eine fantastische Geschichte, die jedoch erfreulich menschlich und tiefgründig ist. Denn die Autorin legt vor allem Wert auf eine Schilderung, wie aus zwei unterschiedlichen jungen Männern Freunde werden können.

Mit Ronan und Liam hat sie zwei vielschichtige Charaktere geschaffen, die beeindrucken.

Als Ronan auf Lannoch eintrifft und Merin, dem König, begegnet, ist sein Blick noch dunkel und unergründlich, sein Tonfall selbstbewusst und fordernd. Er ist für Merin wie ein Splitter, der unter die Haut fährt. Stechend und drückend, unangenehm, so dass er eigentlich entfernt werden müsste. Ein Grund, warum es der König dem jungen Krieger nicht leicht macht.

Zwar verfügt Ronan nicht nur über eine klare Denkweise und Entschlossenheit, sondern auch über eine ruhige Körperbeherrschung, Ausdauer, Mut und Zuversicht, mit der er das Schwert federleicht und virtuos führt. Er fechtet mit jeder Faser seines Körpers, mit seinem Herzen. Das ist großartig, beängstigend und faszinierend zugleich. Doch Zuneigung, Liebe und Freundschaft sind ihm zum großen Teil fremd. Das Leben als Kämpfer in Raukland hat ihn geprägt. Schon als Fünfzehnjährige ist er Anführer von Männern geworden, die wesentlich älter als er sind, wenngleich sein Charisma ihn befähigt, jeden zu bewegen, ihm in eine Schlacht zu folgen.

In diesem Jahr auf Lannoch lernt Ronan das Lachen und außerdem, dass es beglückend ist, einfach mal sorglos Spaß an etwas zu haben. Er kann jungenhaft sein und anderen eine Freude machen, zum Beispiel mit geschnitzten Weidenflöten. Er begreift, was es heißt, für andere einzutreten und dass es zudem Aufgaben gibt, die nur mit Hilfe anderer bewältigt werden können.

Was es bedeutet, einen Freund wie Liam zu haben, der im Gegensatz zu Ronan schwach ist. Zumindest was seine körperliche Kraft und seinen Mut betrifft. Liam scheut die Konfrontation für den Fall, dass es unangenehm wird. Seine Stärke ist eher innerer Natur. Er ist selbstlos, weiß jedoch um seine Fehlbarkeit und steht dazu. Gefühle sind ihm nicht fremd und er verleiht ihnen Ausdruck. Ob es die Bewunderung für Ronans Fertigkeiten oder seine eigenen Ängste sind. Im Laufe der Zeit begreift er, dass es gewisser Fähigkeiten bedarf, um in der Welt zu bestehen. Und dank seiner Beharrlichkeit und seiner geschickten Hände ist er in der Lage, das Schwert immer besser zu führen.

Beide Protagonisten entwickeln sich im Verlauf der Handlung, vertiefen Wesenszüge. So werden sie langsam, aber stetig zu echten Freunden. Diese Entwicklung stellt die Autorin glaubhaft, überzeugend und mit Kunstfertigkeit dar. Dazu tragen im hohen Maße auch die sorgsam ausgearbeiteten Nebenfiguren bei, zu denen Eila, die Enkelin des Königs, und Gismo, Ronans Lieblingspferd, gehören. Denn obwohl das Augenmerk auf der Freundschaft zwischen Ronan und Lima liegt, lässt Jordis Lank Ronan auch zarte Liebesbande knüpfen, sehr dezent und sorgsam. Das erfreut die geneigte Leserin.

Die Orte des Geschehens sind überschaubar, doch der Autorin gelingt es mit ihrer detaillierten und intensiven Beschreibung Bilder beim Lesen zu erzeugen. Ihr Schreibstil ist klar und lebendig, zudem voller Energie, beispielsweise bei der Schilderung des Schwertkampfes. Hier punktet die Autorin mit ihrem Fachwissen, ohne den Leser zu überfordern. Außerdem wird die Geschichte mit humorvollen Momenten aufgelockert. Wenn beispielsweise ein gestandener Mann ein kleines Ei ausblasen muss, kann ein Schmunzeln nicht vermieden werden.

Was bleibt nach der Lektüre? Vor allen Dankbarkeit. Für eine wunderbare Geschichte, an deren Ende der Leser froh ist, dass er miterleben durfte, wie aus zwei Jungen Freunde werden. Fantastisch, aber immer auch gegenwärtig.

Veröffentlicht am 15.09.2016

Baba Dunjas letzte Liebe

Baba Dunjas letzte Liebe
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Tschernowo ist ein kleines Dorf in der Nähe des Kernreaktors Tschernobyl. Hier lebt niemand freiwillig, sollte man denken. Weit gefehlt. Baba Dunja, eine einfache Frau, bedeutet die Heimat so viel, dass ...

Tschernowo ist ein kleines Dorf in der Nähe des Kernreaktors Tschernobyl. Hier lebt niemand freiwillig, sollte man denken. Weit gefehlt. Baba Dunja, eine einfache Frau, bedeutet die Heimat so viel, dass sie dort den Rest ihres Lebens verbringen will. Die Nähe zum Kernreaktor macht ihr nichts aus. Denn sie hat nichts mehr zu verlieren. Sie ist alt, über neunzig, und das Gute für sie am Alter ist, dass sie niemand mehr um Erlaubnis fragen muss. Zum Beispiel, ob sie in ihrem alten Haus wohnen kann und ob sie Spinnennetze hängen lassen darf. Baba Dunja hat alles gesehen und vor nichts mehr Angst. 'Der Tod kann kommen, aber bitte höflich." (Seite 12)

Für sie ist Tschernowo das Paradies, wenn auch ein verstrahltes. Besonders im Winter ist es stiller als still. "Wenn eine Schneedecke über allem liegt, sind sogar die Träume gedämpft, und nur die Dompfaffen springen durch das Gestrüpp und sorgen für Farbe in der weißen Landschaft." (Seite 32)

Hier läuft das Leben in ruhigen Bahnen ab. Für Baba Dunjas Nachbarin Marja, deren Hahn Konstantin gleich im Kochtopf landet. Sidorow, der noch mit hundert Jahren auf der Suche nach einer Frau ist. Lenotschka, die einen endlos langen Schal strickt und lächelt, wenn man sie anspricht, jedoch nicht antwortet. Das gebildete Ehepaar Gavrilov, das nicht auf Annehmlichkeiten verzichten muss. In Tschernowo verlangt niemand etwas von den Bewohnern. Es zählt das Heute, nicht das Morgen. Die Alten leben von der Selbstversorgung, das Gemüse wächst üppig in ihren Gärten. Nur nicht bei Petrow, der als letzter ein Häuschen im Dorf bezog und der seinen Krebs, von dem sein Körper komplett durchsetzt ist, nicht füttern will. Die Öfen werden mit Holz befeuert, Wasser spenden Brunnen, und an manchen Tagen gibt es auch Strom.

Baba Dunjas Kontakte zur Außenwelt bestehen aus gelegentlichen Busfahrten nach Malyschi. Dann erzählt ihr Boris, der Busfahrer, was er im Fernsehen gesehen hat. Viel über Politik. Die ist natürlich wichtig, doch Baba Dunja ist da pragmatisch, denn "es bleibt trotzdem immer an einem selbst hängen, die Kartoffeln zu düngen, wenn man irgendwann Püree essen will." (Seite 46)

Ab und an bekommt Baba Dunja Pakete von ihrer Tochter Irina. Diese ist Ärztin und lebt mit Enkelin Laura in Deutschland. Wenn Baba Dunja daran denkt, dass sie Laura (außer auf Fotos) noch nie gesehen hat, kommt Wehmut auf. Gut, dass gelegentlich Ehemann Jegor vorbeischaut, der aber nicht wirklich stört. Baba Dunja plaudert gern mit ihm. Seit er nämlich tot ist, ist er sehr höflich. Als er noch lebte, war das leider nicht so.

In die Idylle kommt Unruhe, als eines Tages ein Mann seine Tochter mitbringt. Recht schnell wird klar, dass das Kind als Spielball zwischen den getrennten Eltern steht. Das ist für Baba Dunja unhaltbar. Ein Kind hat in Tschernowo nichts zu suchen. Zwar ist Tschernowo ein schöner und guter Ort für seine Bewohner. Niemand wird fortgejagt. Nur wenn jemand noch jung und gesund ist, sollte er sich ein anderes Heim wählen. Schon gar nicht sollte ein kleines Kind aus Rache dem Tode geweiht werden.

Und daher dauert es nicht lange, das liegt der Mann tot auf der Erde, und Baba Dunja nimmt alle Schuld auf sich...

Mit viel Verständnis und Geradlinigkeit lässt Alina Bronsky Baba Dunja erzählen. Die im Grunde kleine Geschichte entfaltet eine große Wirkung. Sie ist poetisch, lebendig, weise und ehrlich, manchmal verschmitzt, dann wieder traurig und anrührend.

Baba Dunja "strahlt" - im wahrsten Sinne des Wortes - eine Lebensfreude aus, die zu Herzen gehend ist. Mit Klugheit und Nachsicht schaut sie auf ihre Mitmenschen und ist der Mittelpunkt der eigenwilligen, schrulligen, sturen und manchmal auch exzentrischen Dorfbewohner, die trotzdem allesamt liebenswert in ihrer Gelassenheit, mit der sie ihr Dasein verbringen, erscheinen.

Man möchte sie in den Arm nehmen und fest drücken. Und auf jeden Fall ein langes Leben wünschen.

Veröffentlicht am 15.09.2016

Marked. Ein teuflische Liebe

Marked - Eine teuflische Liebe
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Lucinda de Salle, genannt Lucky ist 28, hat keine Familie und bis auf eine Ausnahme auch keine Freunde. Auf Grund ihrer Fähigkeit, Geister zu sehen, gilt sie als sonderbar und fühlt sich von der Gemeinschaft ...

Lucinda de Salle, genannt Lucky ist 28, hat keine Familie und bis auf eine Ausnahme auch keine Freunde. Auf Grund ihrer Fähigkeit, Geister zu sehen, gilt sie als sonderbar und fühlt sich von der Gemeinschaft ausgeschlossen und von vielen schikaniert. Andererseits wird sie immer dann gerufen, wenn irgendwo unerklärliche Dinge geschehen, als deren Ursache Geister verdächtigt werden.

Nach allem ist es nicht verwunderlich, dass Luckys einzige Freundin Kayla ein Geist ist. Sie kennt Kayla schon ihr ganzes Leben und vertraut ihr. Doch Kayla hat ein Geheimnis, und es offenbart sich, dass sie nicht die ist, für die Lucky sie bislang gehalten hat.

Als in Luckys Schule nämlich wieder einmal Geister auftauchen, soll Lucky dafür sorgen, dass diese Ruhe geben. Die Geister wären ein kleines Problem im Gegensatz zu dem, was Lucky tatsächlich erwartet: Henri le Dent, seines Zeichens ein Dämon aus der Anderwelt, eine völlig andere Erscheinung, massiver, realer, gefährlicher, furchteinflößend' und mit einer Botschaft für Kayla.

Mit der Ruhe in Luckys Leben ist es nun vorbei. Und das nicht nur, weil im Anschluss daran weitere Personen aufkreuzen, die ihre Hilfe zu benötigen scheinen...

Letzten Endes gerät Lucky in das außergewöhnlichste Abenteuer ihres Lebens, in dem alles über den Haufen geworfen wird, woran sie bisher glaubte. Niemand ist der, der er vorgibt zu sein. Niemand.

Mit einmal wird Lucky hineingezogen in politischen Machtkämpfe der Unterwelt um den Königsthron. Sie sieht erschreckende und wunderbare Dinge, die sie sich niemals vorstellen konnte, und sie entdeckt auf ihrem Weg nicht nur ihre eigenen Fähigkeiten, auch wenn sie parallel dazu immer wieder versucht, wieder nach Hause in die Oberwelt zu gelangen.

Dabei unterscheidet sich die Unterwelt in gewisser Weise nicht von Luckys Welt und übt eine gewisse Faszination aus. Während in der einen Welt die Menschen nach Reichtum und Macht gieren, existieren in der anderen ebenso oberflächliche Dämonen. Aber auch welche anderen Kalibers, gefährlicher und bedrohlicher. Darum braucht Lucky eine 'Schutztruppe', um in der Unterwelt bestehen zu können. Neben Mr. Kerfuffle und Mr. Shenanigans findet sich Lucky zwischen zwei weiteren außerordentlich unterschiedlichen Dämonen wieder: dem charismatischen Todbringer Jinx und dem Wächter Jamie. Komplettiert wird die Mannschaft von Pyrites, dem Drachen, der seine Größe den Umständen anpassen kann...

Die interessante Geschichte, die ein fantastisches, gleichwohl kluges Konstrukt der Unterwelt entwirft, in der es genauso wie bei den menschlichen Kämpfen um Macht und Einfluss geht, weist einen frischen und anschaulichen Schreibstil auf. Sie nimmt langsam Fahrt auf, steigert sich und variiert im Verlauf der Handlung im Tempo. Lucky erzählt selbst, weswegen der Leser stets nah dran an ihren Eindrücken und Gefühlen ist. So gibt es neben unterhaltsamen, amüsanten auch dramatische Szenen sowie durchaus ein paar dämonisch schauerliche Momente.

Sue Tingey hat zum großen Teil bemerkenswerte und überzeugende Charaktere geschaffen.

Da ist zunächst Lucky, sympathisch, gutherzig, wenn auch etwas verrückt. Sie ist es gewohnt, dass sie einst als komisches Kind und durchgeknallter Teenager galt und ihr nun als Frau immer noch das Siegel 'seltsam' anhaftet. Hierbei bewahrt sie sich ihren wunderbar trockenen Humor ("Männer waren wie Busse in meinem Leben: monatelang kam keiner, dann drei auf einmal...' Seite 66) und vermittelt den Eindruck, mit ihrem Leben zufrieden zu sein. Trotz aller Seltsamkeit kommt sie gut damit zurecht. Deshalb gefällt es ihr gar nicht, dass alles bizarr und durcheinander gewirbelt wird und sie in Gefahr gerät. Und es zeigt sich, dass ihre Freundin Kayla daran nicht ganz unschuldig ist. Obwohl die Zuneigung zwischen ihnen ein festes Band knüpft, steht ihre Freundschaft unerwarteterweise auf den Prüfstand, und mit Lucky gerät der Leser das eine oder andere Mal in Zwiespalt.

Denn wenngleich sie bislang stets vom Gegenteil ausging, sieht es jetzt so aus, als ob sie tatsächlich Schutz bedarf. Allerdings können sich ihre Leibwächter wahrlich sehen lassen. Besonders Jinx und Jamie fallen auf, stellen sie doch zwei Seiten einer Münze dar, gegensätzlich und trotzdem eins: Jinx sieht aus wie der Teufel, mit Hörnern und ein Schwanz erweckt er das Bild des Bösen, Jamie dagegen trägt Flügel, und der Gedanke an einen Engel liegt nicht fern. Beide gehören zu den mächtigsten Dämonen ihrer Welt und besitzen das Recht, sich in das Leben anderer einzumischen.

Auf den ersten Blick bietet sich natürlich Jamie eher für eine Romanze mit Lucky an. Jedoch ist Jinx sehr direkt, was sein Interesse an Lucky betrifft. Außerdem haben beide Dämonen der jungen Frau ihr Zeichen aufgedrückt, sie "markiert". Die Dreiecksbeziehung bleibt in 'Eine teuflische Liebe' erfreulicherweise dezent und wird nicht in den Vordergrund gerückt, verspricht so auch in den Folgebänden der Triologie kurzweilig zu werden.

Insgesamt bietet sich eine atmosphärische Geschichte mit hohem Unterhaltungswert, die einen das weitere Geschehen mit Vergnügen erwarten lässt.