Cover-Bild Kalmann
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22,00
inkl. MwSt
  • Verlag: Diogenes
  • Themenbereich: Belletristik - Belletristik: zeitgenössisch
  • Genre: Romane & Erzählungen / Sonstige Romane & Erzählungen
  • Seitenzahl: 352
  • Ersterscheinung: 26.08.2020
  • ISBN: 9783257071382
Joachim B. Schmidt

Kalmann

Er ist der selbsternannte Sheriff von Raufarhöfn. Er hat alles im Griff. Doch in Kalmanns Kopf laufen die Räder manchmal rückwärts. Als er eines Winters eine Blutlache im Schnee entdeckt, überrollen ihn die Ereignisse. Mit seiner naiven Weisheit und dem Mut des reinen Herzens wendet er alles zum Guten. Kein Grund zur Sorge.

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Lesejury-Facts

Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 16.09.2020

Vom Dorftrottel zum Dorfhelden

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Ich habe schon lange eine Sympathie für Island und da mich Cover und Klappentext sofort angesprochen haben, entschied ich mich für dieses Buch.

Kalmann ist Mitte Dreißig und leicht behindert. Er ist langsam ...

Ich habe schon lange eine Sympathie für Island und da mich Cover und Klappentext sofort angesprochen haben, entschied ich mich für dieses Buch.

Kalmann ist Mitte Dreißig und leicht behindert. Er ist langsam im Denken, sein Handeln wird von einer Routine, die er bei seinem Großvater abgeschaut hat, bestimmt. Seine Leidenschaften sind Jagen und Fernsehen. Als er eine große Blutlache in der Nähe einer Touristenattraktion entdeckt, kommt Leben in das verschlafene Dorf Raufarhövn. Eine prominente Person des Dorfes wird vermisst und natürlich liegt der Verdacht nahe, dass das Blut vom Vermissten stammt.
Im Verlauf der Handlung erfahren wir viel über die wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Nöte des kleinen Fischerdorfes. Das fand ich sehr interessant und auch stellenweise bedrückend.

Stellenweise hatte ich das Gefühl, die Geschichte plätschert so dahin, aber mit der Zeit habe ich mich an die Erzählweise und Stimmung gewöhnt. Alles wird aus der Sicht von Kalmann, der für mich leicht autistische Züge hat, erzählt. Das hatte einen eigenen Charme.

Von der Kurzbeschreibung her habe ich mehr Krimihandlung erwartet. Ich habe gedacht Kalmann wird den Fall auf seine eigene Art lösen. Die Handlung entwickelt sich aber in eine ganz eigene Richtung, die für mich auch passend war.

Wer einen typisch nordischen Krimi erwartet, wird enttäuscht sein. Dieses Buch lebt von der Beschreibung der Natur und der Gegend und den Gedanken von Kalmann.

Ich habe das Buch gerne gelesen und einiges über das Leben im isländischen Norden gelernt.

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Veröffentlicht am 14.09.2020

„Kein Grund zur Sorge“

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Der neue Roman von Joachim B. Schmidt ist ein sprachliches Literatur-Highlight, das auf Einfachheit in Wortwahl und Satzbau basiert. Der Stil des Romans folgt so dem Gemüt des sympathischen Titelhelden ...

Der neue Roman von Joachim B. Schmidt ist ein sprachliches Literatur-Highlight, das auf Einfachheit in Wortwahl und Satzbau basiert. Der Stil des Romans folgt so dem Gemüt des sympathischen Titelhelden Kalmann Óðinsson, in dessen Kopf die Räder manchmal rückwärts laufen, der aber trotzdem in seinem überschaubaren Umfeld von Raufarhöfn als Kleinstwildjäger, Gammelhai-Produzent und selbsternannter Sheriff gut zurecht kommt.

Kalmann mochte ich sehr. Er ist aufgrund seiner geistigen Einschränkung ein Außenseiter, wird nie richtig ernst genommen, hat gleichzeitig ganz normale Bedürfnisse, beispielsweise sehnt er sich nach einer Frau. Obwohl die Chancen dafür schlecht stehen, ist er stets positiv gestimmt. „Kein Grund zur Sorge“ ist sein Lieblingssatz. Kalmann hilft seinen Mitmenschen, beschützt sie. Dank seines Großvaters, der ihm alles beigebracht hat, was ein Mann im Leben braucht, ist er dazu auch in der Lage.

In meinen Augen ist der Roman eine Auseinandersetzung mit den Lebensperspektiven von Menschen mit Handicap, ob dies nun auf einer Behinderung oder auf einer Krankheit beruht. Der Autor spielt regelrecht mit dem Leser. Er lässt Kalmann verrückte Dinge tun, so das man hin- und hergerissen ist. Wieviel selbstbestimmtes Leben ist erlaubt, wenn es doch gleichzeitig ein Risiko für den Betroffenen und andere darstellt? In diesem Zusammenhang fand ich die Gegenüberstellung von Kalmann’s Leben mit dem von Nói, seinem besten Freund, den er nur übers Internet trifft, überaus gelungen.

Eingebettet ist die liebevolle Geschichte von Kalmann in eine Krimihandlung, die in der wunderschönen Natur Islands stattfindet. Weite und Stille sind maßgeblich für die gezeichnete Landschaftsaufnahme. Der sogenannte König von Raufarhöfn ist verschwunden. So werden im Porträt einer aussterbenden Gemeinde, die ohne Fischfang keine Existenzgrundlage mehr hat, Täter gesucht, Fremde verdächtigt. Vorurteile und die Sensationsgier der Medien heizen die Stimmung an.

Die Geschichte lebt von Übertreibungen und überspitzter Darstellung. Das ließ mich an Stellen laut auflachen, an denen mein politisch korrektes Ich niemals lachen würde. Deshalb ist es dem Roman auch überhaupt nicht übel zu nehmen, dass die Handlung einen bestimmten Weg einschlagen muss, auch wenn dieser in der Realität vielleicht abwegig ist. Ich wurde sehr gut unterhalten und konnte eigene Vorurteile reflektieren.

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Veröffentlicht am 13.09.2020

Von Eisbären, Gammelhai und Blutlachen

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Im Nordosten von Island, einige Autostunden von Reykjavik entfernt liegt das Dorf Raufarhöfn mit 173 Bewohnern, davon etwa 20 Kinder. Zu klein und unbedeutend, um eine eigene Polizeistation zu besitzen. ...

Im Nordosten von Island, einige Autostunden von Reykjavik entfernt liegt das Dorf Raufarhöfn mit 173 Bewohnern, davon etwa 20 Kinder. Zu klein und unbedeutend, um eine eigene Polizeistation zu besitzen. Deshalb sorgt im Dorf der selbsternannte Sheriff Kalmann für Ordnung. Er hat alles im Griff. Keine Sorge. Bis er eines Winters Blutflecken entdeckt. Zu wenig für ein geschossenes Tier, zu viel für einen Menschen, um die Verletzung zu überleben. Doch wer ist das Opfer? Wer der Täter? Kalmann fängt an zu ermitteln….
Kalmann ist ein komischer Kauz. Er ist Anfang 30 und in der geistigen Entwicklung etwas „zurück geblieben“, wobei die Behinderung bzw. Krankheit nicht näher benannt wird. Seinen Lebensunterhalt bestreitet er als Produzent des zweitbesten Gammelhais von Island. Er hat durch seinen Opa von klein auf alles wichtige gelernt z.B. wie man jagt und Haie ausnimmt. Somit kennt er die Umgebung wie kein anderer und stößt dabei auf die Blutflecken. Bei den Ermittlungen bekommt er die echte Polizistin Birna zur Seite gestellt. Seine Expertise und Aussagen und ihre Fachkenntnisse bringen sie auf die Spur des Täters. Dabei ist es alles andere als leicht zu ermitteln, denn Kalmanns Krankheit erschwert die Ermittlungen. Er denkt einfach anders als ein „normaler“ Mensch und sehnt sich in der Einöde vor allem nach einer Frau.n
Das Buch hat sein ganz eigenes Tempo. Es ist wie Island weitläufig und sehr ruhig, mit einer Art stoischen Gelassenheit. Jeder kennt jeden und mit Kalmann ist es nicht so einfach. Es kommt zwar ein Mord drin vor, ist aber kein Krimi, sondern ein Roman.
Der Autor hat die andersartige Denkweise von ihm gut rübergebracht und auch Probleme und Einsamkeit, die damit zusammenhängen. Größten Respekt hatte ich vor Kalmann`s Mutter, die „nur mal eben“ ein paar Stunden nach der Arbeit zu ihrem Sohn gefahren ist, um nach dem Rechten zu sehen. Die ein oder anderen Ereignisse hätten für mich gerne noch etwas mehr aufgeklärt werden können. Aber das wesentliche wurde aufgelöst.
Fazit:
Ein ruhiges Buch das das isländische Leben gut beschreibt und einen außergewöhnlichen Protagonisten hat. Das Ende wurde zum Großteil aufgelöst. Die „offenen“ Punkte kann man, muß man aber nicht zwangsläufig aufklären. Insgesamt ein schönes Buch für eine kurze, gedankliche Reise nach Island.

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Veröffentlicht am 13.09.2020

Eine Geschichte zwischen Gut und Böse

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Kalmann Odinnsson lebt, seit der Demenzerkrankung seines Großvaters, alleine in dem kleinem Ort Raufarhöven in Island. Eines Tages bemerkt er während der Jagd eine Blutspur im Schnee und damit überschlagen ...

Kalmann Odinnsson lebt, seit der Demenzerkrankung seines Großvaters, alleine in dem kleinem Ort Raufarhöven in Island. Eines Tages bemerkt er während der Jagd eine Blutspur im Schnee und damit überschlagen sich die Ereignisse in seinem Leben. Kallmann wird in eine Geschichte hineingezogen aus welcher nicht wirklich hinaus zu kommen scheint und die größere Ausmaße annimmt als zunächst angenommen.

Mit diesem Roman ist es Joachim B. Schmidt gelungen ein schwieriges Thema sensibel anzusprechen und zum Nachdenken über ethische Aspekte anzuregen. Denn der Protagonist Kalmann leidet an einer nicht näher definierten Behinderung. Größtenteils meistert er seinen Alltag alleine und geht sogar Haie fischen und Kleintiere jagen. Jedoch wird dem Leser immer wieder deutlich wie schwer es ist mit Kalmann umzugehen und wie sensibel dieser ist. Ist es richtig ihn alleine leben zu lassen und diese Arbeiten zu erledigen? Wo fängt Bevormundung und Einschränkung an? Wo geht es um de Schutz der Mitmenschen? Das alles sind schwierige Fragen, welche auch im Buch nicht beantwortet werden können.

Der Lesefluss des Buches war nicht immer gegeben, teilweise empfand ich das Buch als zäh und langatmig, was jedoch auch an an Kalmann liegt, welcher nun einmal eine andere Denkweise hat. Jedoch überschlugen sich die Ereignisse auf den letzten Hundert Seiten und diese zeigen erst die Komplexität der gesamten Geschichte auf. Schade finde ich jedoch, dass nicht aufgelöst wird, was mit Kalmanns Freund Noi passiert ist, da dieser eine interessante Figur ist.

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Veröffentlicht am 12.09.2020

Literarischer Krimi mit “unzuverlässigem Erzähler”

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Der Nordosten Islands ist der Schauplatz von Joachim B. Schmidts Roman "Kalmann", genauer gesagt das kleine Dorf Raufarhöfn (609 km entfernt von Reykjavík). Dieser Landstrich der wilden Insel im Atlantik ...

Der Nordosten Islands ist der Schauplatz von Joachim B. Schmidts Roman "Kalmann", genauer gesagt das kleine Dorf Raufarhöfn (609 km entfernt von Reykjavík). Dieser Landstrich der wilden Insel im Atlantik ist geprägt von der Küste und lebt hauptsächlich von der Fischindustrie. Gelegentlich verirren sich auch ein paar wenige abenteuerlustige Touristen hierher. Landschaftlich gesehen ist die Gegend eher karg, hier wächst nicht viel heißt es im Roman, die Winter sind lang und bis weit ins Frühjahr hinein bestimmen Eis und Schnee das Landschaftsbild. In einem kalten März unserer Gegenwart - eine genaue Jahreszahl nennt uns der Erzähler nicht - spielt sich die Handlung des Romans ab.

Der titelgebende Protagonist Kalmann Óðinsson ist 33 Jahre alt und verdient seinen Lebensunterhalt mit dem Jagen und Fermentieren von Grönlandhaien, die er dann als Delikatesse (“Gammelhai”) verkauft. Er wuchs in Raufarhöfn bei seinem Großvater und seiner Mutter auf, der Vater ist ein amerikanischer GI, den er nur einmal gesehen hat. Kalmann ist geistig behindert, weswegen ihm die Mutter auch in seinem fortgeschrittenen Alter noch als Vormund dient.

Kalmann ist ein sogenannter "unzuverlässiger Ich-Erzähler", der in der Literaturgeschichte eine gewisse Tradition hat. Das heißt, der Leser muss die von ihm getätigten Aussagen über die Welt, die ihm hier präsentiert wird, grundsätzlich infrage stellen. Kalmann erzählt ganz klar seine wenig komplexe, eindimensionale Sicht der Dinge. Er hinterfragt vieles nicht, seine Wahrnehmung ist schwarz oder weiß, unklare Situationen oder Ungewohntes bringen ihn völlig aus dem Konzept und kanalisieren sich mitunter in Wut. Es ist beeindruckend wie der Autor es schafft, die scheinbar simplistische Gedankenwelt Kalmanns zu imagnieren, seine "einfachen" Satzgefüge zu erschaffen, ohne dass es jemals künstlich wirkt. Ja, so könnte jemand denken, der eben "anders" denkt. "Kein Grund zur Sorge", dieser Ausdruck spult sich mantraartig in Kalmanns Kopf ab.

Trotz seiner Tätigkeit als Jäger, seiner Unberechenbarkeit und Grobschlächtigkeit hat der Autor mit Kalmann eine Figur erschaffen, die dem Leser sympathisch ist und in sich stimmig. Dennoch lässt der Erzähler den Leser bis zum Schluss im Ungewissen, wie Kalmanns Rolle innerhalb der Krimihandlung zu verorten ist. Er geriert sich - geprägt von der amerikanischen Popkultur, konsumiert durch den TV, denn Kalmann hat nach eigener Aussage noch nie ein Buch gelesen - als "Sherriff von Raufarhöfn". Beim Jagen findet er eine Blutlache, die vom verschwundenen Geschäftsmann und Hotelbesitzer Róbert McKenzie zu stammen scheint. Es ist ein anspruchsvoller literarischer Krimi, der sich hier entfaltet, mit vielen überraschenden Wendungen und einer unbestreitbar philosophischen Komponente.

Dennoch kann ich nicht die volle Punktzahl geben, denn einige Fragen bleiben am Ende leider offen und das erzählte Gerüst - so unverlässig der Erzähler auch sein mag - bröckelt an manchen stellen. Die Tiertötungsszenen sind weniger "schlimm", als ich sie erwartet habe und die erlegten Tiere wurden nicht gequält. Trotzdem gibt es einige explizite Szenen, in denen Tiere getötet werden. Für mich immer und in jedem Buch ein Minuspunkt, da kann “Kalmann” nix dafür.

Alles in allem aber hat mir der Roman aufgrund seiner unbestreitbar literarischen Qualität sehr gut gefallen. Ich möchte gerne noch mehr von diesem Autor lesen und fand es irgendwie schade, am Ende von Kalmann Abschied nehmen zu müssen.


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