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Veröffentlicht am 27.10.2017

Ein vielversprechendes Buch mit tollem Schreibstil, aber leider eine Erwartung schürend, die nicht bis zum Schluss eingehalten werden konnte.

All for You – Sehnsucht
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Die Autorin hat mich mit ihrer Geschichte sofort abgeholt, ich wollte wissen, was der Hauptprotagonistin in ihrer Jugend widerfahren ist, dass sie so eine weitreichende Entscheidung treffen musste, die ...

Die Autorin hat mich mit ihrer Geschichte sofort abgeholt, ich wollte wissen, was der Hauptprotagonistin in ihrer Jugend widerfahren ist, dass sie so eine weitreichende Entscheidung treffen musste, die dazu führte, dass sie ihre große Liebe verlor.

Einigen wird die Autorin Meredith Wild durch ihre HARD-Reihe bereits bekannt sein. Ich selbst habe die Bücher nicht gelesen und die Stimmen dazu schwanken. Nichts desto trotz handelt es sich bei den Büchern um New-York-Times- und USA-Today-Bestseller. Die Autorin lebt mit ihrer Familie in New Hampshire und bezeichnet sich selbst als Techniknarr, Whiskey-Kennerin und Romantikerin.
All For You – Sehnsucht ist der erste Teil eine Reihe, deren weitere Teile im Januar und April kommenden Jahres erscheinen werden.
Im Prolog werden Maya und Cameron, die beiden Hauptprotagonisten vorgestellt. Sie sind noch jung als Cameron Maya einen Heiratsantrag macht, den diese aber nicht annimmt. Der Leser bekommt zu verstehen, dass Maya von ihrer Vergangenheit verfolgt wird und deshalb nicht bereit ist, zu heiraten. Cameron ist daraufhin so verletzt, dass er Maya verlässt. Fünf Jahre später treffen sich die beiden nicht ganz zufällig wieder, ihre Liebe ist ungebrochen, doch beide sind sehr verletzt. Cameron kämpft für eine Beziehung.

Der Einstieg in das Buch fällt leicht und die Autorin hat einen angenehmen und sehr flüssigen Erzählstil. Die Erzählperspektive wechselt zwischen Maya und Cameron ab, sodass der Leser beide Sichtweisen kennenlernt. Die Spannung und Anziehung zwischen Maya und Cameron sind geradezu greifbar. Die ersten Annäherungen sowie die schlagfertigen Gespräche zwischen den beiden Protagonisten sind schön geschrieben. Auch die Nebencharaktere Eli und Darren haben mir gut gefallen. Und immer wieder stellte sich mir die Frage, was Maya mit ihrer Familie erlebt haben muss, denn sie ist ein tragischer Charakter, der sich selbst verloren zu haben scheint. Ihre Tristesse und wie sie mit ihrem unglücklichem Leben abgeschlossen hat, haben mich berührt. Dabei fragte ich mir, ob Cameron nun seine alte Maya wieder haben will, oder ob ihm auch etwas an der neuen, veränderten Maya liegt. Diese muss er aber erst einmal kennenlernen. Am Ende des zweiten Drittels kommt es zu einem wirklich einschneidenden Ereignis und ich habe die Seiten bis dahin wie im Flug gelesen. Das letzte Drittel des Buches enttäuschte mich dann leider zunehmend. Die Beziehung der beiden scheint auf der Stelle zu treten, es gibt keinen Fortschritt und sowohl Cameron als auch Maya entwickeln sich überhaupt nicht weiter. Das ach so schlimme Geheimnis aus Mayas Vergangenheit ist für meinen Geschmack nicht ausreichend, um ihre Handlungen zu erklären.

Das Buch ließ mich etwas enttäuscht zurück, da ich mir wirklich sehr viel von diesem Geheimnis erhofft habe. Die Spannung, die zu Beginn aufgebaut wird und einen immer weiter mitfiebern lässt, hielt nicht bis zu Ende an bzw. die Ursache für Mayas Verhalten war einfach nicht dramatisch genug, um ihre Handlungen zu rechtfertigen.
Nachdem ich das Buch zur Seite gelegt habe, dachte ich mir, dass ich die weiteren Teile wohl nicht mehr lesen werde. Durch meine Recherche habe ich aber jetzt herausgefunden, dass sich Teil 2 und Teil 3 nicht mehr um Maya und Cameron drehen, sondern um Nebenprotagonisten (Darren und Olivia) des ersten Teils. Das wiederum macht mich neugierig, und ich werde der Autorin wohl doch noch eine zweite Chance geben, in der Hoffnung, dass Meredith Wild mit den beiden anderen Romanen das Potential der Story ausschöpft und sie nicht wieder „nichts lieber wollte, als das es endlich vorbei war“ (S. 268 aus der Danksagung der Autorin).

Ein vielversprechendes Buch mit tollem Schreibstil, aber leider eine Erwartung schürend, die nicht bis zum Schluss eingehalten werden konnte.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erotik
  • Charaktere
  • Geschichte
  • Originalität
Veröffentlicht am 14.06.2017

Zamonien ich komme!

Das Labyrinth der Träumenden Bücher
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Als Käpt’n Blaubär Fan aus Kindertagen musste ich natürlich auch das passende Werk von Walter Moers dazu lesen. Der Erzählstil in Die 13 1/2 Leben des Käpt’n Blaubär hat mir gut gefallen und so verschlang ...

Als Käpt’n Blaubär Fan aus Kindertagen musste ich natürlich auch das passende Werk von Walter Moers dazu lesen. Der Erzählstil in Die 13 1/2 Leben des Käpt’n Blaubär hat mir gut gefallen und so verschlang ich auch die weiteren phantastischen Romane des Autors. 2011 erschien sein bisher letztes Werk Das Labyrinth der Träumenden Bücher, der Nachfolger seines grandiosen Romans Die Stadt der Träumenden Bücher. Endlich hatte ich die Zeit gefunden, dieses Buch zu lesen, doch leider enttäuschte es auf einer langen Strecke. Es beginnt wie immer spannend und es endet auch spannend, dazwischen beinhaltet es aber leider einige überflüssige Seiten. Dennoch, ein Muss für Zamonien Fans.

Walter Moers (geboren 1957) ist ein deutscher Schriftsteller, Illustrator und Comic-Zeichner. Er lebt in Hamburg. Seine Romane Die 13 ½ Leben des Käpt’n Blaubär, Die Stadt der träumenden Bücher, Der Schrecksenmeister, Rumo und Das Labyrinth der Träumenden Bücher sind Bestseller, auch über den deutschen Sprachraum hinaus.
Das Besondere an dem vorliegenden und einiger weiterer Romane ist, dass sie eigentlich aus der Sicht des zamonischen Schriftstellers Hildegunst von Mythenmetz – ein Lindwurm und einer der bedeutendsten Schriftsteller des fiktiven Kontinents Zamonien – geschrieben sind. Seine Reiseerinnerungen eines sentimentalen Dinosauriers machten ihn bekannt. Sie sind ein Bericht über die Abenteuer, welche er auf seinen Reisen, vor allem in der Stadt der Träumenden Bücher, erlebt hat.

Die Handlung setzt zwei Jahrhunderte nach dem verheerenden Brand in Buchhaim, der Stadt der Träumenden Bücher, ein. Der Erzähler Hildegunst von Mythenmetz war damals selbst hautnah dabei und wurde daraufhin zu einem der meist gefeiertsten Schriftstellern Zamoniens. Inzwischen sitzt er jedoch auf der Lindwurmfeste und ruht sich auf seinem damaligen Erfolg aus. Doch eines Tages erreicht ihn eine sonderbare Botschaft, der er auf den Grund gehen muss. Hildegunst von Mythenmetz kehrt nach Buchhaim zurück. Die einst prächtige Stadt ist wieder aufgebaut worden und zu neuem Leben erwacht. Nach wie vor leben hier buchverrückte Wesen und die Stadt ist wieder ein Magnet für Touristen. Mythenmetz begegnet seinen alten Freunden, der Schreckse Inazea Anazazi und natürlich dem Eydeeten Hachmed Ben Kibitzer. Mythenmetz lernt einiges über die neuen Bewohner der Stadt, dem neu entstandenem Puppetismus und dem neumodischen „Unsichtbaren Theater“. Dabei gerät Mythenmetz mal wieder ungewollt in die Tiefen des Labyrinths der Träumenden Bücher. Gewohnt passende Zeichnungen aus der Welt Zamoniens unterstreichen die Geschichte und helfen dem Leser, falls die Vorstellungskraft einmal versagen sollte.

Ich habe mich gefreut, wieder nach Zamonien zurückkehren zu können, in die wiedererwachte Stadt der träumenden Bücher. Die Geschichte setzt spannend ein. Mythenmetz hat das Orm verloren und fristet ein langweiliges Dasein auf der Lindwurmfeste. Da kommt es gerade recht, dass ein Unbekannter ihm eine Botschaft schickt, die ihn herausfordert und zurückkehren lässt. Zurück in die Welt da draußen. Es ist gleichzeitig eine Reise in die Vergangenheit. Denn Mythemetz erkundet die neu erbaute Stadt von neuem und vergleicht sie mit der alten. So erfährt der Leser, was aus der Stadt geworden ist, nachdem sie vom Schattenkönig in Brand gesetzt wurde. Dass die Schreckse und der Eydeet als alte Bekannte aus dem vorherigen Teil wieder auftauchen, hat mich sehr gefreut. Ich mochte beide Protagonisten schon in der Stadt der Träumenden Bücher. Die Ehrlichkeit der beiden Freunde ist erfrischend und empören Mythenmetz ungemein. Nach einem etwas schleppenden Einstieg meinerseits, nahm die Geschichte Fahrt auf und machte wieder einigen Spaß. Der Erzählstil des zamonischen Schriftstellers ist humorvoll und dennoch anspruchsvoll. Nach etwa 200 Seiten kommt die Handlung aber zu einem Stillstand, ja geradezu zu einem Rückschritt. Über 80 Seiten beschreibt Mythenmetz ein Theaterstück, welches den Inhalt des Romans Die Stadt der Träumenden Bücher wiedergibt. Die darauffolgenden rund 50 Seiten beschäftigen sich dann Sachbuch mäßig mit dem Puppetismus und sind auch mehr zäh als spannend oder unterhaltsam. Erst danach gibt es wieder etwas mehr Spannung und so geht die Geschichte mit einem offenen Ende aus. Nun warten die Leser schon seit einigen Jahren auf die versprochene Fortsetzung des Romans. Diese lässt aber auf sich warten und in der Zwischenzeit erscheint diesen Sommer erst ein andere Zamonien-Roman. Wie es im Labyrinth der Träumenden Bücher weitergeht, bleibt abzuwarten.

Rechnet man die knapp 200 überflüssigen Seiten weg, so hat man trotzdem noch etwas mehr als 200 Seiten spannende Geschichte zu lesen. Bei mir entstand durch das Wiederkäuen der alten Geschichte allerdings der Eindruck, als hätte nicht Mythenmetz zwischenzeitlich das Orm verloren, sondern Walter Moers selbst. Als schriebe auch er nur, um zu schreiben. Wer weiß, vielleicht war das auch so gewollt, denn es spiegelt die Trägheit des zamonischen Schriftstellers nochmals wider. Ich hoffe ganz bald auf die Fortsetzung des Labyrinths der Träumenden Bücher, um meinen momentan eher schwachen Eindruck überwinden zu können. Vielleicht findet Walter Moers ja doch zu alter Form zurück.

Veröffentlicht am 12.12.2016

Mit Mut erreichst du deine Ziele.

Das Pippilotta-Projekt
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Da ich momentan auf der Suche nach einer Arbeitsstelle bin, nachdem ich mein Studium abgeschlossen habe, habe ich mich ein wenig bei den Karriereratgebern umgesehen. Dabei bin ich auf Das Pippilotta Projekt ...

Da ich momentan auf der Suche nach einer Arbeitsstelle bin, nachdem ich mein Studium abgeschlossen habe, habe ich mich ein wenig bei den Karriereratgebern umgesehen. Dabei bin ich auf Das Pippilotta Projekt aufmerksam geworden. Hier werden die Schritte auf dem Weg zum Ziel mit Pippi Langstrumpf verglichen. Pippi ist ein Kind mit viel Selbstbewusstsein und Entschlossenheit. Was sie haben möchte, das nimmt sie sich, egal was der Rest der Welt davon hält. Die Autoren des Buches machen besonders Frauen Mut, ein starkes Auftreten zu haben und sich etwas zu trauen, um ein Ziel zu erreichen.

„Nicht perfekte Menschen sind im Job besser, erfolgreicher, vergnügter, entspannter, begeisterter, motivierter und motivierender.“ (Seite 94)

Christine Weiner (geb. 1960) hat sowohl eine Ausbildung als auch ein Studium absolviert. Sie arbeitete selbstständig als Trainerin, Beraterin und Supervisorin. Inzwischen ist sie Dozentin und Coach an der Hochschule Mannheim. Sie hält Vorträge zum „Pippilotta Projekt“ und weiteren Themen und unterstützt Menschen, die sich verändern wollen.
Carola Kupfer (geb. 1964) hat auch ein Studium absolviert und arbeitete als Werbetexterin und Journalistin. Sie schreibt sowohl Ratgeber als auch Fachbücher zu Personal- und Wirtschaftsthemen. Außerdem ist sie Autorin historischer Romane und als Kommunikations-Couch tätig.

Die Hauptthese des Buches ist wohl: Mit Mut erreichst du deine Ziele. Angepasst zu sein bedeutet uninteressant und nicht durchsetzungsfähig zu sein. Christine Weiner und Carola Kupfer beschreiben in elf Kapiteln den Weg zur Karriereplanung. In erster Linie geht es darum, sich selbst zu gefallen, dann gefällt man auch dem Rest der Welt. Die Autoren ziehen immer wieder Beispiele aus den Pippi Langstrumpf Texten heran, um ihre Argumente zu untermauern. Das sorgt für einen leichten und verständlichen Informationsgehalt.

Mir persönlich hat das Buch nicht wirklich viele neue Erkenntnisse gebracht, aber es ist auch eher an die Frauen gerichtet, die bereits eine Arbeitsstelle haben, sich aber verändern wollen. Der Aufbau ist gut durchdacht und kann sicherlich helfen, zu erfahren wer man selbst ist und was man überhaupt in seinem Leben erreichen möchte. Die Methode der virtuellen Kommode war mir persönlich ehrlich gesagt aber viel zu abstrakt. Andere Frauen können das aber sicherlich anders auffassen, das ist wohl eine Typsache. Das Buch ist bestimmt hilfreich, wenn man etwas Mut gemacht bekommen muss, weil man vielleicht nicht so recht an sich glaubt oder einfach nicht weiß, wo man als erstes beginnen soll. Pippilotta bietet sich da als role model ideal an, denn sie eckt gerne mal an, ist ungewöhnlich, aber dennoch erfolgreich in dem, was sie tut. Die Zitate aus den Originaltexten lockern das Geschriebene auf und sorgen dafür, dass es sich nicht um einen trockenen, fachlichen Text handelt.

Optisch ist das Buch ansprechend gestaltet, einzelne Symbole (wie ein Zopf, eine Socke oder eine Goldtruhe) bieten dem Leser einen guten Überblick. Von Beginn an wird der Leser nämlich ermutigt nicht unbedingt gradlinig von der ersten bis zur letzten Seite zu lesen, sondern gerne auch die Kapitel zu lesen, die ihn ansprechen und die in der momentanen Situation am wichtigsten erscheinen. Die Symbole ermöglichen es einem dann zusätzlich, sich die gewünschten Inhalte schnell heraus zu ziehen. Diese Idee zieht sich im gesamten Buch durch, denn der Leser wird immer wieder aufgefordert ungewöhnlich zu sein, nicht mit dem Strom zu schwimmen und vor allem man selbst zu sein. Ob dies wirklich in jedem Fall empfehlenswert ist bezweifle ich aber doch. Denn es ist nicht selbstverständlich, dass man mit einem einnehmenden Auftreten bekommt, was man will. Ich denke das kann in einigen Situationen angebracht und erfolgreich sein, in anderen aber eckt man vielleicht auch zu sehr an und fällt durch das gewollte Raster hindurch. Hat man noch keine Stelle und ist auf der Suche, sollte man sicherlich mutig in Gespräche gehen, aber man sollte sich nicht zu sicher fühlen, denn es gibt noch viele andere tolle Menschen, die auf der Suche nach dem perfekten Job sind. Außerdem hinkt der Vergleich zu Pippilotta leider auch insofern, dass sie keine reale Person ist, sondern einfach nur eine fiktive Protagonistin eines Kinderbuchs. Sicher, viele Menschen lieben sie, aber einige können sie zum Beispiel auch gar nicht leiden. Und ist sie nicht eigentlich auch deswegen beliebt, weil sie so ungewöhnlich ist und weil sie eben nicht in die reale Welt zu passen scheint? Weil sie macht, was sie möchte, was im realen Leben eben nicht einfach so möglich ist?

Das Buch macht Mut für ein starkes Auftreten, die empfohlenen Übungen wie die virtuelle Kommode oder die Aufzuggespräche finde ich persönlich nicht sonderlich geeignet, zumindest nicht für Jedermann. Es sind aber gute Tipps enthalten, wie man es schaffen kann, im Gedächtnis des Gegenübers zu bleiben. Die Kapitel sind gut aufeinander aufgebaut und die Schwerpunkte machen Sinn. Der Selbsttest am Schluss war für mich überflüssig, da sehr vorhersehbar und nicht gerade universell anwendbar. Eine wichtige These bringt das Buch aber auf den Punkt. Frauen sind oft sehr zurückhaltend, wenn es um die eigenen Fähigkeiten und die eigene Karriere geht, während Männer eher zielstrebig ihren Weg gehen und nicht alles im kleinsten Detail vorher überdenken. Die Autoren fordern auf, mit Mut an die Dinge des Lebens heran zu gehen, von sich überzeugt zu sein und sich zu nehmen, was man möchte. Fehler passieren immer und sind nicht immer nur negativ zu sehen. Aus ihnen ergeben sich vielleicht ungeahnte Möglichkeiten. Nur wenn man an sich selbst glaubt, kann man ein selbst gestecktes Ziel erreichen.

„Aus Fehlern ergeben sich sehr viele Möglichkeiten – vorausgesetzt wir betrachten den Fehler als Tor zu neuen Optionen und als kreativen Input.“ (Seite 175)

Veröffentlicht am 06.10.2016

Ein düsterer Comic mit schwerer Thematik.

Keine Macht für Al Tsoy Ma
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Eigentlich lese ich ja keine Comics, sie haben mir zu wenig Text. Aber da ich mich erst vor Kurzem mit dem Buch "Ein halber Held" und dessen Thematik (der Demenz) beschäftigt habe, war ich neugierig, wie ...

Eigentlich lese ich ja keine Comics, sie haben mir zu wenig Text. Aber da ich mich erst vor Kurzem mit dem Buch "Ein halber Held" und dessen Thematik (der Demenz) beschäftigt habe, war ich neugierig, wie das Thema in einem Comic für Kinder umgesetzt wird. Mit "Keine Macht für Al Tsoy Ma" haben Thibaut Lambert und Sabine Henry einen Alzheimer-Comic vorgelegt, dessen Superheld ein kleiner Junge ist, der sich um seinen Opa sorgt.

Thibaut Lambert ist ein belgischer Schriftsteller und Künstler. Die Geschichten seiner Freundin, die in einem Altenheim arbeitet, brachten Lambert auf die Idee, einen Comic zur Thematik Alzheimer zu schreiben. So wandte er sich an die belgische Alzheimer-Organisation Ligue Alzheimer A.S.B.L. Deren Präsidentin Sabine Henry war begeistert von dieser Idee und gemeinsam erarbeiteten sie die belgische Originalausgabe mit dem Titel "Al Zimmeur".

Zitat: "Opa wird in der nächsten Zeit immer mehr vergessen. Es kann sogar passieren, dass er uns vergisst."

Als kleine Einführung in die Geschichte schreibt Sabine Henry einen Brief an ihre Enkel, in welchem sie beschreibt, wie sie mit der Krankheit Alzheimer zum ersten Mal in Kontakt gekommen ist. Dann geht es auch gleich los mit dem Comic. Im Mittelpunkt steht der kleine Junge Tom, der mit seinem Opa immer viele Abenteuer erlebt hat, zum Beispiel haben sie Sternenkrieger gespielt und sich eine richtige Ausrüstung dafür gebaut. Doch dann geschieht das unerwartet. Der Opa verhält sich nicht mehr, wie er sich sonst immer verhalten hat. Aus heiterem Himmel wird er wütend und gar handgreiflich. Seine Eltern sprechen mit Tom und erklären ihm, dass sein Opa an Alzheimer leidet und sich deshalb seltsam verhält. In der Fantasie des Jungen wird die Krankheit Alzheimer zu einem Antihelden mit Namen Al Tsoy Ma, den es zu bekämpfen gilt. Aber wie bekämpft man einen Bösewicht, der winzig klein im Kopf des Großvaters sitzt? Das Abendteuer beginnt.

Zitat: "Keine Sorge Opa, ich werde dich retten."

Lambert hatte eine schöne Idee zur Erklärung, was im Kopf eines an Alzheimer erkrankten Menschen vor sich geht. Die Personifikation der Krankheit gibt Tom Mut und eine Idee, was er tun kann, um seinem Großvater zu helfen. Das merkwürdige Verhalten der erkrankten Person ergibt nun einen Sinn, wird greifbar. Held und Antiheld sind außerdem typische Bilder in Kinder- und Jugendliteratur und bieten dem kindlichen Leser einen spielerischen Einstieg in eine komplexe Thematik. Schade finde ich, dass die Bilder alle in schwarz-weiß abgedruckt sind. Etwas Farbe würden sicherlich auch die kindlichen Leser ansprechender finden und der Comic würde vielleicht etwas an seiner Düsterkeit verlieren und somit auch für kleinere Kinder geeignet sein.

Mir fällt es schwer, diesen Comic einzuordnen. Zum Einen ist er sehr dunkel und gruselig gezeichnet und viele Bilder sind ohne Text, sodass man sich einiges an der Geschichte selbst zusammen reimen muss. Zum Anderen sind Vorwort und Nachwort wirklich gelungen und bringen dem Leser auf kindgerechter Ebene die Krankheit Alzheimer näher. Das Buch hilft betroffenen Kindern sicherlich, sich mit der Thematik auseinander zu setzen und die Krankheit „Demenz“ etwas besser zu verstehen. Allerdings fehlt mir die Altersangabe. Ich kann nicht einschätzen, für Kinder welchen Alters dieser Comic geeignet ist. Ich hatte vor, ihn auch mit meiner fünf-jährigen Tochter zu lesen, habe mich dann aber dagegen entschieden, da er für meinen Geschmack zu dunkel und bedrohlich gezeichnet ist. Auch die Idee mit der Waschmaschine gefällt mir gar nicht und ich finde es daher für kleine Kinder nicht passend.

Zitat: "Opa ist vielleicht nicht mehr der Alte. Aber er hat mich immer noch lieb."

Veröffentlicht am 21.09.2016

Eine namenlose Frau, auf der Flucht vor ihrer eigenen Identität.

Des Tauchers leere Kleider
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Du hast dich von Sabine Alyse befreit. Du hast dich von jedweder Verstrickung mit ihrem Schicksal befreit. (S. 212)

Vendela Vida (geboren 1971) ist eine US-amerikanische Schriftstellerin und Journalistin. ...

Du hast dich von Sabine Alyse befreit. Du hast dich von jedweder Verstrickung mit ihrem Schicksal befreit. (S. 212)

Vendela Vida (geboren 1971) ist eine US-amerikanische Schriftstellerin und Journalistin. Außerdem ist sie eine der Herausgeberinnen des Believer Magazine. Sie lebt mit ihrem Mann und ihren beiden Kindern in San Francisco Bay Area. Insgesamt hat sie bisher vier Romane veröffentlicht. Sie debütierte 2003 mit ihrem Roman And Now You Can Go (dt.: Und jetzt können sie gehen, Knaus 2005). Ihr zweiter Roman folgte 2008 unter dem Titel Let The Northern Lights Erase Your Name (dt.: Weil ich zu spät kam, btb 2008). Gefolgt 2010 von The Lovers (dt.: Liebende, btb 2012) und dem hier vorliegenen Werk Des Tauchers Leere Kleider (Aufbau 2016) im Original unter dem Titel The Diver’s Clothes Lie Empty (Ecco/Harper Collins 2015) erschienen. Außerdem schrieb sie 2009 gemeinsam mit ihrem Mann an dem Drehbuch Away We Go – Auf nach Irgendwo.

Die Geschichte, welche in Des Tauchers Leere Kleider erzählt wird, beginnt in einem Flugzeug. Völlig überstürzt flieht die Protagonistin, deren Namen der Leser nie erfährt, aus ihrer Heimat Amerika und reist nach Casablanca. Welche dramatischen Ereignisse sie dazu brachten, ihr bisheriges Leben aufzugeben, wird zunächst einmal nicht erklärt. In Casablanca angekommen wird der Protagonistin am Checkin des Hotels ihr Rucksack samt Portemonnaie gestohlen. Die Polizei wird alarmiert, welche allerdings überfordert wirkt und ihr schließlich einen fremden Rucksack mit fremden Pass aushändigt. Die Protagonistin nimmt die Identität von Sabine Alyse an und stolpert von einem Ereignis ins nächste, ohne Herr ihrer Lage zu sein. Erst im Laufe der Ereignisse beginnt die Protagonistin an Stärke zu gewinnen, sodass sie später ganz bewusst in eine neue Identität schlüpft. Sie scheint keinen Grund mehr zu haben, in ihr altes Leben zurück zu kehren und so bleibt ihre Identität verschleiert. Auch die meisten anderen Personen, die ihr begegnen bleiben namenlos.

Vendela Vida schlägt einen ungewöhnlichen Erzählstil an. Die Protagonistin erzählt nicht aus ihrer Sicht, indem sie sich des Pronomens „ich“ bedient, sondern alles wird aus Sicht der zweiten Personen Singular, dem „du“ erzählt. Ich muss zugeben, dass mir dieser Stil zu Beginn sehr befremdlich war, sodass ich nach ein paar Seiten das Buch durchblätterte, um zu sehen, ob das nun die ganzen 250 Seiten so weiter geht. Nach anfänglicher Skepsis meinerseits gewöhnte ich mich aber doch an diese ungewöhnliche Art des Erzählens und ich stellte fest, dass es der Geschichte dient. Denn schließlich geht es um eine Frau, welche ihre Identität verloren oder eher gestohlen bekommen hat. Sie ist Spielball der äußeren Einflüsse und somit passt die Erzählperspektive gut zum Inhalt, welcher transportiert werden soll. Eine namenlose Frau, ohne Identität und ohne Einfluss auf ihr eigenes weiteres Leben steht im Mittelpunkt der Geschichte.

Leser die, einen ungewöhnlichen Erzählstil erleben möchten, werden hier fündig werden. Der Stil trägt zur Geschichte bei, allerdings muss man auch sagen, dass die Story dahinter nicht allzu stark ausgefeilt wirkt. So werden Rückblenden nur kurz angerissen und nicht sehr ausführlich beschrieben. Bis zum Ende hin bleibt die Protagonistin für mich ein Rätsel. Sicherlich gibt es Gründe für ihren Ausstieg aus dem Leben, allerdings ist mit schleierhaft, wieso sie ihre Identität so leichtfertig aufgibt bzw. keinen Weg zurück zu finden scheint. Das Ende bleibt außerdem relativ offen. Es geht hier nicht um das Wiederfinden der eigenen Identität sondern um die Flucht vor der selbigen.

Für einen Augenblick spielst du mit dem Gedanken, deinen echten Namen zu nennen, aber nein, so weit bist du noch nicht. (S. 250)

Die Originalausgabe erschien 2015 unter dem Titel The Diver’s Clothes Lie Empty bei Ecco, einem Imprint von HaperCollins.