Platzhalter für Profilbild

Christina19

Lesejury Profi
offline

Christina19 ist Mitglied der Lesejury

Melde dich in der Lesejury an, um dich mit Christina19 über deine Lieblingsbücher auszutauschen.

Anmelden

Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 04.04.2024

Außergewöhnliche Idee, witzige Umsetzung, niedliche Illustrationen

Der Geräuschehändler
0

In seinem kleinen Lädchen lagert der Geräuschehändler allerhand Töne und Klänge. Bei ihm raschelt und rauscht, klingelt und summt es. Jeden Tag empfängt er hier besondere Kunden: Der Straßenlaterne ist ...

In seinem kleinen Lädchen lagert der Geräuschehändler allerhand Töne und Klänge. Bei ihm raschelt und rauscht, klingelt und summt es. Jeden Tag empfängt er hier besondere Kunden: Der Straßenlaterne ist es nachts zu still, dem Zirkusclown fehlt Applaus und der Regenwurm sucht noch nach dem richtigen Sound für seine Gartenparty. Mit viel Liebe packt der Händler die passenden Geräusche in Tütchen ab und versucht so die außergewöhnlichen Wünsche seiner Kundschaft zu erfüllen.

„Der Geräuschehändler“ ist ein Kinderbuch mit einer ganz außergewöhnlichen und humorvollen Geschichte. Diese lenkt den Blick auf die Geräusche, Töne und Klänge in unserer Umwelt. Wie klingt beispielsweise Regen? Mal prasseln Tropfen ganz sacht, mal trommeln sie kräftig. Damit werden das Vorstellungsvermögen sowie die Fantasie von Kindern angeregt. Außerdem kann das Buch als Anlass dienen, die Umgebung genauer wahrzunehmen und akustische Reize zu beschreiben.
Witzig finde ich nicht nur die Idee, Geräusche abzupacken und zu verkaufen, sondern vor allem deren Umsetzung. Als Figuren treten Menschen, Tiere, Gegenstände und Weiteres auf, wobei mich vor allem der Trauerkloß überrascht und unterhalten hat. Daneben lädt auch die Handlung an vielen Stellen zum Schmunzeln ein, wenn der Geräuschehändler beispielsweise eine Messerspitze Martinshorn abfüllt und einen ordentlichen Bremsquietscher verpackt, aber von einem Lieferengpass für Autofahrergeschimpfe spricht.
An jedem Wochentag erlebt der Geräuschehändler ein anderes Abenteuer. Durch diese Einteilung in sieben kleine Geschichten besteht die Möglichkeit, täglich nur einen kürzeren Text vorzulesen und den Inhalt später mit der nächsten Geschichte wieder aufzugreifen.
Nicht unerwähnt bleiben sollen die tollen Illustrationen, die mir wirklich gut gefallen! Diese unterstreichen den Inhalt des Buches perfekt. Sie bezaubern außerdem durch einen besonderen Stil und eine spezielle Farbigkeit. Jule Wellerdiek besitzt damit einen hohen Wiedererkennungswert.

Große Empfehlung für den Geräuschehändler!

Veröffentlicht am 27.03.2024

Ein kluger Roman voller Weisheiten

25 letzte Sommer
0

Mit „25 letzte Sommer“ ist Stephan Schäfer ein kluger Roman gelungen. Er erzählt von einem Mittvierziger, der die Arbeit, Anerkennung und das Geldverdienen in den Mittelpunkt seines Lebens gestellt hat. ...

Mit „25 letzte Sommer“ ist Stephan Schäfer ein kluger Roman gelungen. Er erzählt von einem Mittvierziger, der die Arbeit, Anerkennung und das Geldverdienen in den Mittelpunkt seines Lebens gestellt hat. Getrieben von den Erwartungen anderer sowie den eigenen hat er schleichend immer mehr Pflichten gegen immer weniger Freiheiten eingetauscht. So zieht er sich am Ende einer vollen Arbeitswoche ohne seine Familie in das gemeinsame Wochenendhaus auf dem Land zurück. Dort trifft er beim morgendlichen Joggen auf Karl, dessen Leben nicht gegensätzlicher sein könnte. In langen Gesprächen lernen die beiden Männer sich kennen und spüren rasch eine Verbundenheit zueinander. Der Erzähler beginnt, seinen Lebensstil zu überdenken und erkennt, worauf es wirklich ankommt.

Mit dem Ich-Erzähler, dessen Namen man im Verlauf des Romans nicht erfährt, hat der Autor eine Figur geschaffen, in der sich wohl viele Menschen wiedererkennen können. „Irgendetwas ist immer.“ - Oft unter Druck und ständig gestresst bleiben die eigenen Interessen sowie das eigene Wohlbefinden häufig auf der Strecke. Der Protagonist ist hier in unserer schnelllebigen Arbeitswelt absolut realistisch gezeichnet. Während er sich nun fragt, an welcher Stelle in seinem Leben er falsch abgebogen ist, um in diesen Strudel zu geraten, steht ihm mit Karl eine Figur entgegen, die im völligen Kontrast dazu lebt. Der Mittsechziger wirkt in sich ruhend, zufrieden und glücklich. Der Erzähler ist überrascht davon, wie wohl er sich bei Karl fühlt und wie schnell er sich ihm gegenüber öffnen kann. Die Zeit vergeht in der Gegenwart des Älteren sehr schnell, sodass der Erzähler seine Verpflichtungen für eine Weile vergessen kann. Auch mir erging es beim Lesen so, dass sich Karls gelassene Art auf mich übertragen hat, ich zur Ruhe kommen konnte und das Buch sehr genossen habe.
An mehreren Stellen des Romans habe ich gestoppt, um die Worte auf mich wirken zu lassen. In den Seiten stecken einige Fragen und Weisheiten, die ihren Raum und ihre Zeit brauchen, um ihren tiefgründigen Inhalt zu entfalten: „Warum hab ich mir selbst nicht oft genug erlaubt, einfach das zu tun, was mir guttut? Und warum hab ich nicht mehr im Leben gewagt?“ (S. 33, 34) Ich habe noch tagelang über so manche Textstelle nachgedacht und hoffe, die Worte selbst verinnerlichen zu können. Ein absolut empfehlenswerter Roman, den ich auf jeden Fall noch einmal lesen möchte!

Veröffentlicht am 24.03.2024

Eine Fabel im modernen Gewand

Mein erstaunlicher Hang zu Fehltritten
0

Archy wird als eines von sechs Jungen in eine Marderfamilie geboren. Der Vater verstirbt früh, sodass die Mutter ihren Nachwuchs alleine durchbringen muss. Da Archy nach einem Unfall an der Vorderpfote ...

Archy wird als eines von sechs Jungen in eine Marderfamilie geboren. Der Vater verstirbt früh, sodass die Mutter ihren Nachwuchs alleine durchbringen muss. Da Archy nach einem Unfall an der Vorderpfote verletzt ist, verkauft sie ihn an einen alten Fuchs. Der lernt ihm Lesen und Schreiben und bringt dem jungen Steinmarder den menschlichen Glauben näher. Ausgestattet mit diesen besonderen Fähigkeiten und Kenntnissen bestreitet Archy sein Leben zwischen dem Bau und den angrenzenden Wäldern, zwischen Leseabenden und Ausflügen, zwischen Kämpfen, der großen Liebe und Abschiedsschmerz.

„Mein erstaunlicher Hang zu Fehltritten“ ist ein Bestseller aus Italien, der zahlreiche renommierte Preise gewonnen hat. Alle Figuren sind Tiere, die überwiegend mit menschlichen Wesenszügen agieren, sodass die Geschichte den Charakter einer Fabel erhält.
Inhaltlich zeigt der Roman in der Hauptfigur Archy den Kontrast zwischen (menschlicher) Moral und dem Drang danach, seinen (tierischen) Instinkten nachzugeben. So hat der Marder beispielsweise Mitleid mit den Hühnern, die er täglich füttern muss, während er andererseits beim Töten dieser in einen regelrechten Blutrausch verfällt.
Eine große Rolle spielt in dem Buch außerdem der Glaube an Gott sowie die Vergänglichkeit des Lebens. Dank seiner Bibelstudien ist Archy der Tod, der jedes Lebewesen ereilt, mehr als bewusst. Er kann sein Leben daher nicht mit der gleichen Leichtigkeit führen wie die anderen Tiere, die stets im Hier und Jetzt leben.
Zannonis Debütroman habe ich beim Lesen teils als hoffnungsvoll, oft jedoch als grausam empfunden. In seinem Werk beschönigt der Autor nichts, sondern bildet die mitunter harte Realität ab. Trotzdem bzw. gerade deshalb hat mich die Geschichte zu jeder Zeit gefesselt, sodass ich das Buch recht schnell gelesen hatte. Die für Fabeln typische Lehre erschließt sich mir jedoch auch jetzt, einige Tage nachdem ich das Buch beendet habe, leider nicht. So bleibe ich mit dem Gefühl zurück, die Kernaussage von „Mein erstaunlicher Hang zu Fehltritten“ nicht klar greifen zu können.

Veröffentlicht am 17.03.2024

Eine starke, aber weitgehend unbekannte Frau

Die Entflammten
0

„Die Entflammten“ erzählt von Gina, deren Vater ein mehr oder minder erfolgreicher Autor ist. Sie studiert Kunstgeschichte und befasst sich dabei mit Vincent van Gogh. Schnell lernt sie dessen Schwägerin ...

„Die Entflammten“ erzählt von Gina, deren Vater ein mehr oder minder erfolgreicher Autor ist. Sie studiert Kunstgeschichte und befasst sich dabei mit Vincent van Gogh. Schnell lernt sie dessen Schwägerin Johanna kennen, von der sie zunehmend fasziniert ist. Gina beschließt, es ihrem Vater gleichzutun und beginnt mit ihrer Arbeit an einem Buch.
Ein zweiter Erzählstrang berichtet aus dem Leben von Johanna van Gogh-Bonger. Wir lernen sie als junge Frau kennen, erfahren von ihrer Ehe mit Theo van Gogh und ihrem Wirken nach dessen frühen Tod.

Das Buch stellt die Leistung von Johanna van Gogh-Bonger in den Mittelpunkt, die Vincent van Gogh nach dessen Tod berühmt gemacht hat. Johanna wird anfangs als eine zarte junge Frau beschrieben, die sich durch ihre Erlebnisse und Erfahrungen zu einer starken Persönlichkeit entwickelt. Dabei erfährt man viel über sie und ihre Familie, genauso wie über die Familie van Gogh und den bekannten Maler.
Kapitelweise wechselt sich die Erzählung mit der über Gina ab. Hier werden viele Episoden aus ihrem Leben erzählt, wobei ihr Vater als Autor eine große Rolle einnimmt. Dabei geht es um Themen wie Erfolg und Misserfolg, Selbstverwirklichung und persönliches Glück, aber auch um familiäre Beziehungen und Erwartungen.
Die Autorin verbindet die beiden Geschichten geschickt miteinander, wobei sich etliche Parallelen zwischen den Familien auftun.
Etwas gewöhnungsbedürftig fand ich den Erzählstil, der teilweise recht ausschweifend war. Außerdem wurde auf direkte Rede bzw. deren Markierung durch die entsprechenden Satzzeichen verzichtet. Durch diesen fließenden Übergang von direkter Rede in den Redebericht/inneren Monolog wird Ginas Rolle als Ich-Erzählerin gestärkt, denn ich hatte durchgängig das Gefühl, in ihren Gedanken zu lesen. Allerdings hat das Fehlen der Anführungszeichen nach meinem Ermessen die Lesefreundlichkeit des Textes herabgesetzt.

Veröffentlicht am 13.03.2024

Ein unterhaltsamer Roman über einen sympathischen Hochstapler

König von Albanien
0

Mit seinem Freund Max schlägt sich Otto seit einiger Zeit durch Konstantinopel. Um an Geld zu kommen, ist den beiden jede Betrügerei recht. Ob ein arrangiertes Hunderennen oder manipulierte Wetten, an ...

Mit seinem Freund Max schlägt sich Otto seit einiger Zeit durch Konstantinopel. Um an Geld zu kommen, ist den beiden jede Betrügerei recht. Ob ein arrangiertes Hunderennen oder manipulierte Wetten, an Einfallsreichtum mangelt es nicht. Als sich die politische Lage auf dem Balkan zuspitzt, sieht Otto seine Chance, König von Albanien zu werden. Dank seiner Ähnlichkeit mit Prinz Eddine, grandioser Ideen sowie einer großen Portion Glück gelingt ihm der Coup und mit ihm beginnt ein außergewöhnliches Abenteuer!

Der Roman stammt aus der Feder von Andreas Izquierdo, der mit einem angenehmen Schreibstil überzeugen kann.
Die Geschichte spielt in den Jahren 1912/1913 und dreht sich um die Erlebnisse von Otto Witte. Obwohl der Protagonist ein Hochstapler ist, hat er meine Sympathien geweckt. Seine Streiche, so kriminell sie auch sind, haben mich öfter schmunzeln lassen, sodass ich sie ihm kaum übelnehmen konnte. Neben ihm werden eine übersichtliche Anzahl weiterer Figuren beschrieben, die Otto teils freundschaftlich gegenüberstehen, ihm teils aber auch eher feindlich gesonnen sind. Nachdem Ottos Geschichte in Konstantinopel beginnt, spielt der Großteil später in Albanien. Hierbei wird an mehreren Stellen die politische Lage des Landes im frühen 20. Jahrhundert beschrieben. Mit dieser war ich bislang nicht vertraut und empfand daher manche Szenen als etwas langatmig.
In seinem Werk gibt der Autor der Geschichte von Ottos Tagen als König eine Rahmenhandlung. Diese spielt in einer Heilanstalt für Gemütskranke in Salzburg und wird aus Sicht eines angehenden Arztes erzählt. Durch den Ortswechsel sowie die unterschiedliche Erzählperspektive gewinnt der Roman an Tiefe und für den Leser bietet sich eine willkommene Abwechslung.
Überraschend ist für mich die Tatsache, dass die Geschichte einen wahren Kern hat. Neben der Hauptfigur Otto Witte basieren auch andere Figuren auf real existierenden Personen. Ob der wahre Otto allerdings wirklich zum König von Albanien gekrönt wurde, wie er zeit seines Lebens behauptet hatte, konnte nie bewiesen werden.
„König von Albanien“ hat mich mit seinen Figuren und deren Abenteuern öfter überrascht, stellenweise berührt und insgesamt gut unterhalten!