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Veröffentlicht am 22.06.2017

Temporeicher Thriller

Schwesterherz
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Martin Benner ist ein erfolgreicher Anwalt, hat eine Dachgeschosswohnung in einem der guten Viertel von Stockholm, fährt Porsche und plant gerade mit seiner Kanzlei-Partnerin mit der ihn eine on-off-Beziehung ...

Martin Benner ist ein erfolgreicher Anwalt, hat eine Dachgeschosswohnung in einem der guten Viertel von Stockholm, fährt Porsche und plant gerade mit seiner Kanzlei-Partnerin mit der ihn eine on-off-Beziehung verbindet, einen Urlaub an der Cote d`Azur.
Da kommt ein etwas abgerissener Mann in seine Kanzlei und bittet ihn, die Wahrheit über seine verstorbene Schwester und deren verschwundenen Sohn herauszufinden.
Wobei die Schwester fünf Morde gestanden hatte.....Mafia


Eigentlich ein No-Go, diesen Auftrag anzunehmen. Aber Benner war einmal kurzzeitig Polizist in Texas - und das Ermittlerfieber hat ihn nie ganz losgelassen. Und außerdem fanden die ersten Morde in Texas statt.


Und so fängt ein Strudel von Ereignissen an. Temporeich wird der Leser auf viele Fährten und in viele Sackgassen geführt und entwickelt so langsam eine Paranoia. Denn es ist irgendwie nichts, wie es scheint. Und Martin Benner scheint fast hoffnungslos verloren in diesem Spiel - und als dann noch Belle, seine Adoptivtochter, bedroht wird, begreift auch Martin Benner, dass er sich mit einem Mafia-ähnlichem Kartell angelegt hat.


Kristina Ohlsson ist eine bekannte schwedische Krimi-Autorin. Hier hat sie jedoch eher einen amerikanischen Thriller geschrieben. Actionreich, viele Tote, viele Verwicklungen, ein (Neben) Schauplatz in Texas und ein interessanter Ermittler. Erfolgreich als Rechtsanwalt und ein liebevoller Ersatzvater für seine Adoptivtochter. Aber auch mit schwierigen Seiten: Sexsüchtig, Beziehungsunfähig und mit einer traurigen Vergangenheit als Kind einer Alleinerziehenden, Alkoholsüchtigen Mutter, die vom Vater des Kindes (einem Afroamerikaner aus Texas) verlassen wurde.


Dies alles wird so einem wirklich furiosen Krimi verarbeitet. Und im zweiten Band "Bruderlüge" werden dann auch die restlichen offenen Fragen aus "Schwesterherz" geklärt.

Veröffentlicht am 02.06.2017

Gelungener Auftakt einer neuen Krimiserie aus Schottland

Tödliches Treibgut
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Jim Daley ist DI bei der Mordkommission in Glasgow/Strathclyde, Anfang 40 und so langsam fängt er an zu altern, die Pfunde setzen sich am Bauch fest und auch in seiner Ehe läuft es nicht rund.


Als Jim ...

Jim Daley ist DI bei der Mordkommission in Glasgow/Strathclyde, Anfang 40 und so langsam fängt er an zu altern, die Pfunde setzen sich am Bauch fest und auch in seiner Ehe läuft es nicht rund.


Als Jim Daley zu einem Mordfall auf einem Außenposten der Polizei von Strathclyde in den kleinen Küstenort Kinloch gerufen wird, führt dies zwar zu einer Beförderung zum DCI - aber auch zu vielen Verwicklungen - und zu einer Auseinandersetzung mit seiner Ehefrau.


Der Kriminalfall wird spannend erzählt, es gibt viele Verwicklungen, die alle gut aufgelöst werden. Lokalkolorit gibt es reichlich - und viele sehr schöne Landschaftbeschreibungen. Am liebsten würde man sofort nach Schottland reisen.
Charmant eingebettet ist das Privatleben der Ermittler. Da ist einmal der wenig glamouröse (aber sehr fähige) Jim Daley, Seine sehr komplizierte Ehe. Sein langjähriger beruflicher Weggefährte Scott. Sein mehr als furchbarer Chef, der anscheinend auch mehr als korrupt ist... jedenfalls lässt der Cliffhanger am Ende dies vermuten...



Tödliches Treibgut ist der erste Band einer Reihe um DCI Jim Daley, der jetzt auf Deutsch erschienen ist. Aufmerksam geworden bin ich auf das Buch, weil ich eine Art Vorgeschichte dazu gewonnen hatte. Diese war nur ca. 80 Seiten stark: "Die Mädchen von Strathclyde" aber perfekt gestaltet. Deshalb wollte ich dann unbedingt weiterlesen. Und ich freue mich sehr auf weitere Bände aus der Serie.

Veröffentlicht am 30.05.2017

Ein wichtiges Kapitel der Deutschen Geschichte

Montagsnächte
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Montagsnächte sind in Film und Literatur eher kein Thema. Es geht meistens um Samstagsnächte (siehe: Saturday Night Fever).


Aber für Deutschland waren die Montag-Abende sehr wichtig für den Weg zur ...

Montagsnächte sind in Film und Literatur eher kein Thema. Es geht meistens um Samstagsnächte (siehe: Saturday Night Fever).


Aber für Deutschland waren die Montag-Abende sehr wichtig für den Weg zur Wiedervereinigung. Und zwar besonders die Montag-Abende in Leipzig, wo sich kritische Bürger trafen und konstruktive Vorschläge für eine Neugestaltung der DDR trafen.


In diese Szene kommt die junge Ania, die aus einem kleinen Ort im Harz nach Leipzig zieht, um eine Ausbildung zu machen. Ania kommt aus einer DDR-konformen Familie. Vater LPG Vorsitzender, Mutter Krankenschwester. Und immer ist der Besuch der West-Verwandten schwierig. Aber Ania und ihre jüngere Schwester haben eh andere Probleme: Erste Liebe, Schule usw. Ania verliebt sich in einen Nachbarsjungen, Der ist nicht-konform. Und ihn trifft sie in Leipzig wieder. Als Freund einer guten Freundin.


Diese Dreiecks-Geschichte und die rasante Entwicklung vom Montags-Protest bis zum Zusammenbruch der DDR werden in diesem Buch sehr gut beschrieben.
Das Private wird sozusagen politisch.


Da ich selbst im tiefsten Westen der Bundesrepublik aufgewachsen bin, habe ich damals den Weg zur Wiedervereinigung zwar verfolgt. Aber richtig mitfühlen konnte ich nicht. Zu Unbekannt waren mir die Konflikte in Familie und Gesellschaft, wenn Freunde oder Kollegen in den Westen gegangen waren. Nie ist mir der Gedanke gekommen, dass dies für z.B. die Krankenhäuser in der DDR ein Drama war, wenn von einem auf den anderen Tag Ärzte und Krankenschwester fehlten.


Daher: Vielen Dank für dieses Buch, das diese Zeit wieder hat auferstehen lassen. Und bei mir ein kleines Bedauern darüber ausgelöst hat. wie wenig von den guten Ideen damals in die spätere Politik eingeflossen ist.

Veröffentlicht am 17.04.2017

Subtile psychologische Spannung

Wenn das Eis bricht
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Am Anfang ist es blutig und grausam. Eine Frau wird ermordet aufgefunden, geköpft. Und der Kopf zeigt in Richtung Eingang.
Zunächst tappt das Ermittlerteam im Dunkeln, bis die Psychologin Hanne hinzugezogen ...

Am Anfang ist es blutig und grausam. Eine Frau wird ermordet aufgefunden, geköpft. Und der Kopf zeigt in Richtung Eingang.
Zunächst tappt das Ermittlerteam im Dunkeln, bis die Psychologin Hanne hinzugezogen wird. Sie hat vor 10 Jahren die Kriminalpolizei in einem ähnlichen Fall beraten.

Die Geschichte wird aus drei Perspektiven erzählt: Da ist Hanne, die Psychologin, die nur beratend bei der Kriminalpolizei eingesetzt wird. Sie leidet im Anfangsstadium unter Demenz und hat Angst, wie diese Krankheit ihr Leben bestimmen wird. Aber zunächst analysiert sie ihr Leben und trifft weitreichende Entscheidungen. Dazu gehört auch die Analyse ihrer früheren Beziehung zu Peter, einem der Ermittler, er bildet die zweite Perspektive. Peter ist ein schwieriger Mensch, recht unsympathisch. Er kümmert sich kaum um seinen Sohn und hat bisher alle Beziehungen mit Frauen in den Sand gesetzt. Die dritte Perspektive stammt von Emma, einer jungen Frau, die in einem Geschäft arbeitet, das zu der Modehauskette gehört, die von dem Besitzer des Hauses geleitet wurde, in dem das Mordopfer aufgefunden wurde. Ist Emma die ermordete Frau? Oder jemand anders?

Sehr subtil und ruhig schreitet die Handlung voran. Es gibt kein weiteres Blutvergiessen, keine Gewalt - nur Rückblicke in die Vergangenheit und Einblicke ins Gefühlsleben der drei Personen, die erzählen. Und erst zum Schluss kommt es zum spannenden Finale.

Zugegebenermaßen hatte ich etwas Angst, als ich das Buch sah: Fast 600 Seiten - und ein Psychothriller. Ich hatte Angst vor viel Blutvergießen. Aber die Spannung ist wirklich rein psychologisch. Und wird durch den Perspektivenwechsel gesteigert. Die einzelnen Abschnitte sind lang genug, um sich in die einzelnen Personen einfühlen zu können. Und die Wechsel sind gut gemacht, so dass man als Leser nicht den Überblick verliert.

Ich habe das Buch in knapp zwei Tagen ausgelesen, weil mich die Geschichte und der Spannungsaufbau gefesselt haben. Für alle Fans von skandinavischen Krimis sehr zu empfehlen.

Veröffentlicht am 27.03.2017

Ungewöhnlich, spannend, überraschend und ziemlich unkorrekt

Als die Omma den Huren noch Taubensuppe kochte
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Der Titel ist ziemlich lang und ziemlich ungewöhnlich und enthält einige Wörter, die im normalen Sprachgebrauch eher selten benutzt werden: Huren und Taubensuppe.

Und so ungewöhnlich wie der Titel ist ...

Der Titel ist ziemlich lang und ziemlich ungewöhnlich und enthält einige Wörter, die im normalen Sprachgebrauch eher selten benutzt werden: Huren und Taubensuppe.

Und so ungewöhnlich wie der Titel ist auch das Buch.
Es geht um eine Familie und deren Freunde, die im Ruhrpott leben und eng mit dem sogenannten "halbseidenen Milieu" verbandelt sind.

Omma ist inzwischen zwar alt - aber noch recht fit im Kopf. Und sie führt mit einer Freundin eine Pension. Aber früher, da war Omma ein "heißer Feger", 5 Kinder von 3 Männern, und das alles unter 30. Und "Wirtschafterin" in einem Hotel - das aber ein Bordell war. Natürlich innerhalb der Sperrzone. Und die Mitzi, die war eine der Huren. Und die Mitzi konnte nie so richtig aufhören mit den Freiern - es gibt einfach zu viel Geld zu verdienen mit diesem Beruf.

Mit diesem Statement fängt es schon an, das politisch unkorrekte. Hier werden nur Huren beschrieben, die ihren Beruf freiwillig ausüben. So etwas gibt es doch eigentlich nicht, meint jedenfalls die Mitbewohnerin von Bianca. Und schon entspinnt sich ein großer Streit zwischen Bianca und ihrer Mitbewohnerin. Und die Mitbewohnerin zieht aus.
Und Bianca muss nun sehen, wie sie den zweiten Mietanteil hereinbekommt. Aber Bianca ist ja begabt. Glaubt sie jedenfalls. Sie hat ziemlich lustlos Germanistik studiert, wollte dann als Schauspielerin arbeiten, das hat nicht geklappt. Jetzt nennt sie sich "Designerin" und näht Seidenunterwäsche. Allerdings ist der Erfolg bisher bescheiden. Aber Bianca liebt Seide. Dabei ist sie doch eher mit Blick auf halbseidene Verhältnisse aufgewachsen. Bianca ist nämlich die Enkelin der Omma. Und die Mitzi, das war immer ihre "Wahl-Oma".

Aber nun zieht die Omma zu Bianca nach Kreuzberg, weg aus ihrem geliebten Ruhrpott. Das mit dem Mietanteil ist jetzt schon einmal geregelt. Und Biancas Vater zieht gleich hinterher.. Warum das alles? Und was passiert noch?
Das alles lässt sich sehr vergnüglich in diesem Buch nachlesen. Es wird übrigens auch spannend. Und Liebe gibt es auch. Echte - und die der Huren. Und es ist alles nicht nur leicht und witzig, sondern zwischendurch auch nachdenklich und traurig. Denn natürlich gibt es auch Gewalt. Auch bei Huren, die den Beruf freiwillig ausüben.


Habe mich selten so amüsiert, über die "Omma" (ja, natürlich mit zwei M), den Ruhrpottslang, die unsentimentale Schilderung des Huren-Alltags (Prostituierte scheint eher eine Schimpfwort zu sein als Hure...?). die tollen Milieuschilderungen (sowohl die über das Bordell als auch die über das auch so coole Kreuzberg). Und die nachdenklichen Zwischentöne, die schönen Bilder (so von wegen Seide und Glanz und das alles mit einer Omma im Versandhaus-Shirt mit Leopardendruck) haben das Lese-Vergnügen abgerundet.

Und nachher weiß man auch, was das schöne bunte Cover für eine Bedeutung hat.

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