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Veröffentlicht am 09.07.2023

Der Sommer ihres Lebens

Sommertage im Quartier Latin
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Das Verschwinden ihrer Großmutter Rose bringt die rastlose Lola Mercier in ihre Heimatstadt Paris zurück, der sie für lange Zeit den Rücken gekehrt hatte. Im Quartier Latin am linken Seine-Ufer macht sich ...

Das Verschwinden ihrer Großmutter Rose bringt die rastlose Lola Mercier in ihre Heimatstadt Paris zurück, der sie für lange Zeit den Rücken gekehrt hatte. Im Quartier Latin am linken Seine-Ufer macht sich Lola auf die Suche nach ihrer Großmutter und trifft schon bald auf Menschen aus ihrer Vergangenheit, die Erinnerungen an ihre Kinder- und Jugendzeit wieder lebendig werden lassen. Bei ihren Streifzügen durch das Viertel begegnet sie im Café des Artisans Fabien wieder, der sie als 14-jährige geküsst und den sie doch nie wirklich vergessen hat. Wird Lola ihre Großmutter aufspüren? Gibt Fabien Lola endlich einen Grund, in Paris zu bleiben und ihr unstetes Leben aufzugeben?
Lily Martin alias Anne Stern hat mit „Sommertage im Quartier Latin“ eine sehr unterhaltsamen Roman vorgelegt, der nicht nur von den zauberhaften Beschreibungen der Örtlichkeiten, sondern auch von der feinsinnigen Zeichnung der Protagonisten lebt. Der flüssige, farbenfrohe und atmosphärische Erzählstil spendiert dem Leser ein Ticket für einen Kurztrip in die Stadt der Liebe, um dort neben weiteren Charakteren vor allem die knapp 30-jährige Lola kennenzulernen, die bisher rastlos durch die Weltgeschichte gegondelt ist, um nur weit genug von Paris entfernt zu sein. Allerdings ist es ihr bisher nicht gelungen, wirklich etwas aus ihrem Leben zu machen. Reisen bildet bekanntlich, doch Lola hat keine Ausbildung und lässt niemanden so richtig an sich heran. Es ist, als wäre sie auf einer Flucht, die ewig andauert. Die Nachricht vom Verschwinden ihrer Großmutter legt in ihrem Kopf einen Schalter um, zu wichtig ist Oma Rose für sie, ihre traurige Erinnerungen an Paris treten da in den Hintergrund. Der Streifzug im Quartier Latin ist gleichfalls eine Suche nach Lolas altem Ich. Freunde, Nachbarn, Bekannte, die Rose schon lange kennen, pflastern ihren Weg und bringen Erinnerungen an die Vergangenheit an die Oberfläche, so wie Fabien an ihre nie vergessene Jugendliebe. Martin beschreibt das Pariser Viertel so bildhaft und warmherzig, dass der Leser einen wunderbaren Film vor Augen hat, während er mit Lola durch die Straßen des Quartiers läuft oder Fabiens Café besucht. Der Funke des französischen Savoir vivre springt sofort über, während die ganze Palette des Gefühlsbarometers bespielt wird, geht es doch um traurige Lebensphasen, schöne Erinnerungsfetzen oder auch Menschen, die ihren Wert in Lolas Leben nicht verloren haben. Für Lola wird es ein Erlebnis des Ankommens nach der langen Wanderschaft, ihr wird endlich klar, was ihr wirklich die ganze Zeit gefehlt hat.
Die Charaktere sind sehr lebendig und facettenreich ausgestaltet und binden den Leser sofort an sich, der ihnen nicht mehr von der Seite weicht. Lola ist 30 Jahre alt, weiß aber immer noch nicht, was sie wirklich mit ihrem Leben anfangen will. Ihre innere Ruhelosigkeit sowie ihre Unsicherheit werden immer wieder spürbar. Dabei ist Lola fürsorglich, hilfsbereit und voller Liebe, sie weiß es nur nicht. Fabien ist ein netter Kerl, der Lola nie vergessen hat und sich seiner Gefühle selbst nicht so sicher ist. Aber auch Pierre, Operndiva Jacobine, Oma Rose sowie einige andere pressen mit ihren Episoden die Handlung dem Leser direkt aufs Herz.
„Sommertage im Quartier Latin“ ist nicht nur ein Titel, sondern bringt diese direkt zum Leser mit wunderbaren Charakteren, einem Familiengeheimnis, Romantik, Lebensbrüchen sowie ganz viel französischem Flair. Das Lesen dieser Lektüre gleicht einem wunderschönen Kurzurlaub, den man gern sofort verlängern würde. Absolute Leseempfehlung!

Veröffentlicht am 02.07.2023

Lisbeths Vermächtnis

Eifelfrauen: Das Haus der Füchsin
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1920 Trier. Als die wohlbehütet aufgewachsene Fabrikantentochter Johanna Fuchs an ihrem 21. Geburtstag überraschend die Erbschaft eines Bauernhofs macht mit der Bedingung, dass sie mindestens 6 Monate ...

1920 Trier. Als die wohlbehütet aufgewachsene Fabrikantentochter Johanna Fuchs an ihrem 21. Geburtstag überraschend die Erbschaft eines Bauernhofs macht mit der Bedingung, dass sie mindestens 6 Monate dort lebt, ist sie völlig überrumpelt. Von der Erblasserin Lisbeth hat sie noch nie gehört, obwohl sie ihre Tante ist. Johannas Eltern hüllen sich bei Nachfragen in unangenehmes Schweigen, was die Neugier der jungen Frau nur noch mehr anstachelt. Kurzerhand nimmt sie nach der ersten Inaugenscheinnahme des Erbes die Herausforderung an und zieht unter Protest ihrer Eltern von Trier auf den Bauernhof nach Altenburg, wo sie sich mit Hilfe ihrer Nachbarin Kätt und in Eigenregie nach und nach die nötigen Fertigkeiten aneignet, um heimisch zu fühlen. Aus der Bekanntschaft mit dem französischen Wildhüter Marc Degré wird schon bald eine große Liebe, die allerdings nur kurz währt. Auch die Begegnung mit der Füchsin und ihren Jungen verändert Johanna und bindet sie immer mehr an den Hof. Und dann kommt sie auch dem Geheimnis um Lisbeth und ihrer Familie auf die Spur…
Brigitte Riebe hat mit „Das Haus der Füchsin“ den ersten Teil ihrer historischen Eifelfrauen-Dilogie vorgelegt, die mit wunderbaren Landschaftsbeschreibungen, feinsinnig gezeichneten Protagonisten sowie einer spannenden Handlung den Leser zu verzaubern weiß. Der flüssige, farbenprächtige und gefühlvolle Erzählstil lässt den Leser schon mit den ersten Zeilen auf Zeitreise gehen und in die Handlung hineingleiten, um dort Johanna über einen Zeitraum von 1920 bis 1938 auf Schritt und Tritt zu begleiten. Diese ist das jüngste Kind des Fabrikantenehepaars Martin und Dorothea Fuchs, noch drei Söhne haben. Just am Tag ihrer Volljährigkeit erbt Johanna den Bauernhof ihrer unbekannten Tante Lisbeth, die in der Familie als schwarzes Schaf totgeschwiegen wurde. Johanna, mit einem unabhängigen, freien Geist ausgestattet, sieht in dem Erbe die große Chance, sich von den Eltern abzunabeln. Obwohl bisher mit dem sprichwörtlich goldenen Löffel im Mund aufgewachsen, überrascht Johanna den Leser mit ihrem starken Willen und dem Mut, sich auf dem Bauernhof zu beweisen. Die schwere Arbeit scheut sie nicht, und mit Nachbarin Kätt, deren Schwester Eva und Schwägerin Lika findet sie neben Unterstützung auch enge Freundinnen. Das Leben auf dem Land ist hart, aber Johanna fühlt sich frei von Zwängen, wächst über sich hinaus und erfindet sich neu. Je mehr sie über Lisbeth herausfindet, umso deutlicher wird die Ähnlichkeit zwischen den beiden Frauen. Johannas Spurensuche nach dem Familiengeheimnis, wobei ihr sinniger Weise auch die Füchsin hilft, ist nur ein Teil dieser von der Autorin wunderbar erzählten Geschichte. Auch die Liebe darf nicht fehlen, ebenso machen schwere politische und gesellschaftliche Umbrüche den Protagonisten das Leben schwer. Der Leser erlebt ein sagenhaftes Kopfkino und klebt an den Seiten, während er das Gefühlskaleidoskop ihn regelrecht überrollt.
Die Charaktere sind wunderbar lebendig ausgestaltet und überzeugen den Leser mit Authentizität, so dass dieser sich ihnen nur zu gern anschließt. Johanna ist eine mutige, starke und offene Persönlichkeit mit dem Herz am rechten Fleck. Sie ist sich für nichts zu schade, packt an und lässt sich nicht entmutigen. Ihre Wandlung innerhalb der Geschichte ist wunderbar mitzuerleben. Kätt, Eva und Lika sind Freundinnen fürs Leben, hilfsbereit und immer da, wo sie gebraucht werden. Bruder Christoph unterstützt Johanna, während Bruder Georg sich als Widerling der Extraklasse entpuppt. Aber auch Marc, Heinrich, Unikum Onkel Jupp, Bernhard und Cees machen diese Lektüre zu einem wahren Leckerbissen.
„Das Haus der Füchsin“ hat alles, was eine tolle Lektüre ausmacht: eine starke Protagonistin, Spannung, Familiengeheimnisse, exzellente historische Hintergrundrecherche, Liebe und vor allem einen Erzählstil zum Niederknien. Da möchte man als Leser gar nicht mehr aus den Seiten auftauchen. Absolute Leseempfehlung für einen gelungenen Auftakt, einfach herrlich!

Veröffentlicht am 02.07.2023

Wer seine Wünsche zähmt, ist immer reich. (Voltaire)

KaDeWe. Haus der Wünsche
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1927 Berlin. Das KaDeWe wechselt den Besitzer und geht vom Gründer Jandorf auf die jüdische Familie Tietz über, die bereits über mehrere Läden verfügt. Die aus einfachsten Verhältnissen stammende Rieke ...

1927 Berlin. Das KaDeWe wechselt den Besitzer und geht vom Gründer Jandorf auf die jüdische Familie Tietz über, die bereits über mehrere Läden verfügt. Die aus einfachsten Verhältnissen stammende Rieke Krause hat sich mit viel Engagement und Fleiß zur Abteilungsleiterin der Damenabteilung im KaDeWe hochgearbeitet, was vor allem ihrem Vorgesetzten Gunter Perl ein Dorn im Auge ist. Auch Riekes Ehemann Peter klettert als Dekorateur die Karriereleiter im Kaufhaus hoch. Riekes Freundin Judith Bergmann geht derweil ihrer Arbeit als Dozentin an der Universität nach und lehrt zudem an der Sozialen Frauenschule. Sie unterhält eine Liaison mit dem neuen KaDeWe Geschäftsführer Martin Tietz. Die Arbeit in den sozialen Brennpunkten der Stadt befriedigt sie sehr, zeigt ihr aber auch die großen Gräben innerhalb der Bevölkerung, denn während die einen Not leiden, schwelgen die anderen im Überfluss. Die Zeiten sind schlecht und die Lage spitzt sich zu, als mit den Nazis ein extremer politischer Wind Einzug in Deutschland hält und vor allem auf die Familie Tietz Druck ausübt…
Marie Lacrosse alias Marita Spang hat mit „Haus der Wünsche“ den zweiten Teil ihrer Kaufhaus-Dilogie vorgelegt, der dem ersten in punkto Unterhaltung, historischer Hintergrundrecherche sowie dem perfekten Mix von Familiengeschichte, Liebe, Intrigen und Freundschaft in nichts nachsteht. Der flüssige, bildgewaltige und empathische Erzählstil der Autorin lädt den Leser zu einer Zeitreise ins vergangene Jahrhundert ein, wo er während der Jahre 1927 bis 1934 sowohl das Schicksal von Rieke und Judith als auch das des Kaufhauses KaDeWe mit seinem Eigentümerwechsel sowie weiteren Protagonisten mitverfolgen darf. Die Autorin versteht es wunderbar, ihre fiktive Handlung mit realen Fakten vor einem exzellent recherchierten historischen Hintergrund zu verweben, so dass der Leser während der Lektüre alles hautnah miterlebt. Rieke hat sich eine gehobene Stellung im KaDeWe mit viel Ausdauer und Fleiß erarbeitet, sieht sich jedoch immer wieder dem Neid ihres Vorgesetzten und anderer ausgesetzt, dem sie sich mutig stellt. Judith, obwohl aus gutem Hause stammend, hat sich ebenso wie ihre Freundin ihre Selbständigkeit erarbeitet und kümmert sich mit viel Liebe um die Ärmsten der Armen. Die gesellschaftliche und politische Lage verändert sich durch das Erstarken der Nationalsozialisten für Teile der Bevölkerung dramatisch, davon betroffen ist auch die Familie Tietz. Das braune Gesocks greift erst subtil, dann immer härter durch und bald schon weiß niemand mehr, wem er noch trauen kann. Sowohl Rieke als auch Judith sind unmittelbar davon mitbetroffen und müssen so einiges durchstehen. Der Leser geht der Lektüre durch eine Achterbahn der Gefühle und hat ein tolles Kopfkino, so dass die Seiten nur so die Finger rinnen. Ein sehr informatives Nachwort gibt zusätzliche nützliche Details zur Entstehung der Geschichte.
Die Charaktere sind ausgesprochen lebendig und detailgenau in Szene gesetzt, der Leser findet sich sofort in ihrer Mitte wieder. Rieke ist eine starke Frau, die sich nicht unterkriegen lässt. Mit ihrem Fleiß hat sie sich einiges erarbeitet, das sie nun gegen Neider verteidigen muss. Judith ist eine mitfühlende Frau, die mit offenen Augen durch die Welt geht und etwas verändern will. Aber auch Protagonisten wie Paul Bergmann, Martin Tietz und Gunter Perl bringen Spannung in die Handlung.
„Haus der Wünsche“ ist eine wunderbare und unterhaltsame Lektüre, die von der geschickten Verflechtung von Realität und Fiktion durch die Autorin lebt und dem Leser dabei nicht nur einen ausgezeichnet recherchierten historischen Hintergrund präsentiert, sondern auch zwei starke Frauen ins Scheinwerferlicht rückt, denen man sich sofort verbunden fühlt. Absolute Leseempfehlung für ein Kleinod – unbedingt lesen – besser geht es nicht. Chapeau!

Veröffentlicht am 25.06.2023

Wer nie genug hat, ist immer arm. (Deutsches Sprichwort)

Club Paradies - Im Glanz der Macht
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1976 Berlin. Der erfolgreiche Immobilienmagnat Hanns Borchardt ist in der Stadt bekannt wie ein bunter Hund, er ist ein Macher und hat als tyrannisiert als skrupelloser Geschäftsmann nicht nur seine Familie. ...

1976 Berlin. Der erfolgreiche Immobilienmagnat Hanns Borchardt ist in der Stadt bekannt wie ein bunter Hund, er ist ein Macher und hat als tyrannisiert als skrupelloser Geschäftsmann nicht nur seine Familie. Für ein luxuriöses Leben in der großen Statusvilla müssen Ehefrau Maria sowie die Kinder Hanna und Holger so einiges über sich ergehen lassen. Während Maria von Hanns die Nase voll hat, sich aber weiterhin von ihm manipulieren lässt, rebelliert Holger gegen seinen Vater und zieht mit seinem Studienfreund Thomas zusammen. Die 18-jährige Hanna drängt es hinaus in die Freiheit, doch sie will Mutter und Bruder nicht im Stich lassen. Die Bekanntschaft mit der jüdischen Club-Paradies-Besitzerin Lea Stern lässt Hanna allerdings von einem selbstbestimmten Leben träumen. Was Hanna nicht weiß: Lea Stern könnte der Sargnagel für die großspurige Geschäftsfassade ihres Vaters sein…
Caren Benedikt hat mit „Im Glanz der Macht“ den Auftaktband für ihre Dilogie „Club Paradies“ vorgelegt, der den Leser nicht nur auf eine unterhaltsame Zeitreise ins Berlin der 70er Jahre des vergangenen Jahrhunderts entführt, sondern auch mit der ausgezeichneten Verflechtung von belegter Historie und Fiktion überzeugen kann. Der flüssige, bildgewaltige und empathische Erzählstil katapultiert den Leser mitten hinein in die Familie Borchardt, um aus unterschiedlichen Blickwinkeln die einzelnen Mitglieder sowie ihre Gedanken- und Gefühlswelt kennenzulernen. Hanns Borchardt ist ein Tyrann wie aus dem Lehrbuch. Als Kind einfacher Leute aufgewachsen, giert er nun als Erwachsener nach immer mehr: Ruhm, Erfolg, Ansehen, Geld. Alles spielt nach seinen Regeln, wie es seiner Familie oder anderen damit geht, ist ihm völlig egal. Hanns ist ein Betrüger – mehr Schein als Sein - der bisher Glück gehabt hat, sich nicht das Genick zu brechen mit seinen unlauteren Machenschaften. Wie gut, dass wenigstens Maria, Hanna und Holger zusammenhalten, wobei jeder auf die eigene Weise versucht, seinem Leben Zugeständnisse abzutrotzen. Am erfolgreichsten ist Holger, der den heimischen vier Wänden den Rücken kehrt, um auf eigenen Beinen zu stehen. Der Kontakt zur RAF allerdings lässt den Leser schon sorgenvoll die Stirn runzeln. Hanns‘ Art kann bei der Nachtclub-Besitzerin Lea allerdings nicht landen, dafür hat sie zu hart gearbeitet, um sich von ihm die Butter vom Brot nehmen zu lassen. Benedikt hat nicht nur sehr gut recherchiert und die historischen Fakten mit ihrer Handlung verwoben, sondern versteht es auch exzellent, die Spannung in ihrer Geschichte immer weiter in die Höhe zu treiben, so dass dem Leser die Seiten nur so um die Ohren fliegen.
Die Charaktere wirken mit ihren menschlichen Ecken und Kanten lebendig und authentisch, der Leser folgt ihnen auf Schritt und Tritt, um ihnen bei ihren Unternehmungen über die Schulter zu schauen. Hanns ist ein machtbesessener und manipulativer Mann, der sich hinter seinen kalten Drohgebärden versteckt. Er ist ein Blender und Widerling, der allen etwas vormacht immer mit der Angst im Nacken, dass jemand ihn durchschauen könnte. Maria hat nicht die Kraft, der Hölle zu entkommen, während Holger ein Mann der Tat ist und seine Sachen packt. Hanna ist hin- und hergerissen, lässt Mutter und Bruder nicht im Stich, will aber auch ihre Träume leben. Lea Stern ist eine geheimnisvolle und schillernde Persönlichkeit. Sie ist hart im Nehmen, lässt sich nicht manipulieren, pfeift auf Konventionen und steht mutig ihre Frau.
„Im Glanz der Macht“ ist nicht nur eine wunderbare Zeitreise ins jüngste vergangene Jahrhundert, sondern überzeugt mit Spannung und sehr gut recherchiertem Hintergrund. Die Mischung aus Fiktion und real basierten Fakten sowie gut ausgestaltete, interessante Charaktere verführen den Leser dazu, das Buch kaum aus der Hand zu legen. Absolute Leseempfehlung für eine tolle Lektüre!

Veröffentlicht am 11.06.2023

Musik ist die Kurzschrift des Gefühls. (Leo Tolstoi)

Dunkel der Himmel, goldhell die Melodie
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1841 Dresden. Die neue Semperoper hat ihre Pforten geöffnet und zieht die Menschen magisch an. Elise Spielmanns Leidenschaft ist die Musik und das Geigenspiel, stammt sie doch aus einer angesehenen Musikerfamilie. ...

1841 Dresden. Die neue Semperoper hat ihre Pforten geöffnet und zieht die Menschen magisch an. Elise Spielmanns Leidenschaft ist die Musik und das Geigenspiel, stammt sie doch aus einer angesehenen Musikerfamilie. Ihr Vater Georg Spielmann, selbst ein guter Violinist, hat ihr schon früh den Unterricht ermöglicht. Während Vater Georg sich erhofft, Konzertmeister zu werden, träumt Elise davon, als Violinistin die Bühnen der Welt zu erobern. Aber als Frau ist ihr Weg bereits vorgezeichnet: Elise soll mit Adam Jacobi, einem Freund ihres Vaters die Ehe eingehen. Als Elise bei einem Opernbesuch Christian Hildebrand begegnet, der dem Requisitenmaler zur Hand geht. Schnell fühlen sich die beiden voneinander angezogen, obwohl sich das aufgrund ihrer unterschiedlichen gesellschaftlichen Stellung nicht schickt. Elise muss sich entscheiden: will sie die Träume ihres Vaters verwirklichen oder ihre eigenen?
Anne Stern hat mit „Dunkel der Himmel, goldhell die Melodie“ einen zauberhaften historischen Roman vorgelegt, der nicht nur wunderbar die damalige Gesellschaft wiederspiegelt, sondern mit einer hinreißenden Geschichte den Leser sofort in seinen Bann schlägt. Der flüssige, farbenprächtige und anrührende Erzählstil entführt den Leser ins 19. Jahrhundert, um sich dort an Elises Fersen zu heften und ihren Werdegang in einer politisch unruhigen und von gesellschaftlichen Konventionen geprägten Zeit mitzuverfolgen. Elise hat die Musikleidenschaft geerbt, die ihre gutsituierte Familie seit jeher prägt. Ihr Vater lässt sie Unterricht im Violinenspiel nehmen, ist er doch selbst ein Meister dieses Instruments. Während Georg allerdings das Ziel verfolgt, mit der Verheiratung seiner ältesten Tochter Elise seinen eigenen Traum zu verwirklichen, Konzertmeister zu werden, möchte Elise selbst auf der Bühne stehen, um die Menschen zu unterhalten. Doch als Frau sind Elise zur damaligen Zeit die Hände gebunden und die Türen zur Bühne verschlossen. Sie muss sich den Gepflogenheiten der Gesellschaft unterwerfen, will sie nicht geächtet und verstoßen werden. Ausgerechnet jetzt verliebt sie sich in einen Mann, der standesmäßig weit unter ihr rangiert und gesellschaftlich ebenfalls nicht akzeptiert werden würde. Die Autorin hebt nicht nur die damaligen Standesdünkel und die Etikette wunderbar hervor, sondern bietet dem Leser mit ihren plastischen detaillierten Beschreibungen der Oper sowie der sich zart entwickelnden Liebesgeschichte ein atemberaubendes Kopfkino mit Gefühlsachterbahn.
Den Charakteren wurde liebevoll Leben eingehaucht, ihre authentischen Eigenschaften nehmen den Leser sofort für sich ein, der ihnen nicht von der Seite weicht, um nichts zu verpassen. Elise ist eine talentierte junge Frau, eigensinnig, impulsiv und manchmal stur, allerdings auch mit viel Rücksicht auf ihre Familie. Schwester Barbara ist das Gegenteil von Elise, offen und für die damalige Zeit sehr modern eingestellt, könnte man sie mit ihren Ansichten fast schon eine Suffragette nennen. Christian ist ein begabter, einfühlsamer Maler, dem allerdings die Türen zu einer Karriere aufgrund seiner Herkunft verschlossen sind. Adam Jacobi ist ein widerlicher Kerl, der alles tut, um seinen Willen zu bekommen ohne Rücksicht auf Verluste.
„Dunkel der Himmel, goldhell die Melodie“ schlägt den Leser sofort in seinen Bann mit einem opulenten und plastischen Gemälde, dass nicht nur den damaligen Zeitgeist sowie die gesellschaftlichen Konventionen wiederspiegelt, sondern auch die gefühlige Zerrissenheit seiner Hauptprotagonisten wunderbar zu übertragen weiß. Über diesem wunderbar-sinnlichen Kopfkino schweben die Musiknoten und lassen die Geschichte selbst zu einer tragischen Oper werden. Absolute Leseempfehlung für ein echtes Highlight!!!