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Veröffentlicht am 14.02.2019

Geschichtsträchtiger Kellerfund

Was uns erinnern lässt
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Die 33-jährige Milla arbeitet in einer Anwaltskanzlei und ist alleinerziehende Mutter. In ihrer knappen Freizeit liebt sie es, sogenannte „Lost Places“ zu entdecken und zu erkunden, worüber sie auch einen ...

Die 33-jährige Milla arbeitet in einer Anwaltskanzlei und ist alleinerziehende Mutter. In ihrer knappen Freizeit liebt sie es, sogenannte „Lost Places“ zu entdecken und zu erkunden, worüber sie auch einen Blog führt. Bei einer ihrer Wanderungen entdeckt sie einen alten verschütteten Keller mitten im Thüringer Wald, wo sich vor vielen Jahren der Grenzzaun der damaligen DDR entlang zog. Bei genauerer Inspektion des Kellers findet Milla einige Gegenstände, die noch gut erhalten sind, aber wie aus der Zeit gefallen wirken. Milla ist fasziniert von ihrem Fund, zu dem auch ein Tagebuch gehört und möchte unbedingt mehr über die ehemaligen Besitzer erfahren, deshalb begibt sie sich auf Spurensuche, die sie auf Christine Dressel treffen lässt, die Verfasserin des Tagebuchs, deren Familie damals das Hotel Waldeshöh betrieb, zu dem der von Milla gefundene Keller gehörte. Bei ihren Gesprächen freunden sich Milla und Christine an und tauchen ab in die ganz persönliche Vergangenheit der Familie Dressel und das alte Hotel…
Kati Naumann hat mit ihrem Buch „Was uns erinnern lässt“ einen sehr berührenden und fesselnden Roman vorgelegt, der mitten ins Herz des Lesers trifft und auch nach der Lektüre nicht loslässt. Der Schreibstil ist flüssig, gefühlvoll und packend, der Leser verschwindet zwischen den Seiten und kann das Buch kaum aus der Hand legen aufgrund der Fähigkeit der Autorin, die Geschichte spannend und gleichzeitig mit dem nötigen Fingerspitzengefühl zu erzählen, wobei auch ihre akribische Recherche zum Tragen kommt. Die Handlung bewegt sich auf zwei Zeitebenen, von denen die eine die Gegenwart um Milla, ihren Kellerfund und die Begegnung mit Christine darstellt, die andere lässt die Zeit im Jahr 1977 und früher wieder aufleben, die das Leben von Christines Familie in dem damaligen Sperrgebiet der DDR wiederspiegelt. Wie sehr die Familie unter Repressalien leiden musste und durch Schikanen der DDR-Führung drangsaliert wurde, macht sprachlos und lässt erahnen, dass dieses Schicksal auch viele andere Menschen getroffen haben muss. Von der Allgemeinheit völlig abgeschnitten und von der Außenwelt abgeschirmt stellt sich ein recht einsames und auch verzweifeltes Leben dar, wobei gerade die Frauen die starken Persönlichkeiten innerhalb dieser Zeit sind, denn sie finden Mittel und Wege, das ihnen zugewiesene Leben zu ertragen und im alles nur Erdenkliche abzugewinnen.
Die Charaktere wurden von der Autorin sehr lebendig gestaltet, sie wirken hautnah, stark und vor allem sehr menschlich und authentisch. Gerade die Frauen aus dem Vergangenheitspart wirken kraftvoll und unerschütterlich, wobei ihr Leben kein Zuckerschlecken war und sie in ihrer Handlungsfähigkeit doch sehr eingeschränkt, da sie sich den Gegebenheiten gezwungenermaßen anpassen mussten. Auf der Gefühlsebene zieht die Autorin mit viel Fingerspitzengefühl sämtliche Register, so dass der Leser eine emotionale Achterbahn durchmacht, denn von Trauer, Wut, Resignation sowie Hoffnung und schöne Momente ist alles vertreten. So wachsen die Protagonisten dem Leser sehr ans Herz und man teilt sowohl Freud als auch Leid mit ihnen sehr intensiv.
„Was uns erinnern lässt“ isst ein sehr atmosphärischer Roman über eine Zeit in Deutschland, die man so offen noch nie gelesen hat. Sehr anrührend und fesselnd erzählt, dass man darüber die Zeit vergisst. Absolute und sehr verdiente Leseempfehlung!

Veröffentlicht am 14.02.2019

"Wer Schmetterlinge Lachen hört, der weiß wie Wolken schmecken." (Carlo Karges)

Liebe geht durch den Garten
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Die freischaffende Kinderbuchillustratorin Anna ist alleinerziehende Mutter von Max und Anton. Der stressige Alltag wächst ihr langsam über den Kopf. Sie kann sich auf ihre Arbeit kaum konzentrieren, da ...

Die freischaffende Kinderbuchillustratorin Anna ist alleinerziehende Mutter von Max und Anton. Der stressige Alltag wächst ihr langsam über den Kopf. Sie kann sich auf ihre Arbeit kaum konzentrieren, da im Haus lautstark Bauarbeiten stattfinden. Überhaupt wird das Leben in der Stadt überschätzt, deshalb wagt sich Anna aus ihrem Schneckenhaus und legt sich einen Schrebergarten zu. Sie freut sich darauf, dass ihre Söhne endlich einen Ort zum Spielen haben, während sie sich in den Beeten selbst verwirklichen und dabei abschalten kann. Allerdings muss sie erst jede Menge Arbeit in die heruntergekommene und vollgemüllte Gartenfläche und auch in die abrissreife Laube stecken, damit es halbwegs gemütlich wird. Wie gut, dass sie von einem rettenden Engel namens Paul tatkräftige Unterstützung bekommt, der selbst eine Gartenparzelle sein Eigen nennt. Doch ihre Gartennachbarin Sabine mischt sich ständig ein und macht Anna das Leben schwer, denn sie hat gegenüber Paul eigene Ambitionen. Da ist das Chaos vorprogrammiert…
Ulrike Hartmann hat mit ihrem Buch „Liebe geht durch den Garten“ ihren Debütroman vorgelegt, der mit viel Einfühlungsvermögen, einer tollen Prise Humor und einer spritzigen Handlung punkten kann. Der Schreibstil ist locker-flockig und gefühlvoll, der Leser kann sofort eintauchen in Annas Welt und erlebt mit ihr die täglichen Strickfallen einer alleinerziehenden selbständigen Frau, darf ihre Gedanken, Träume, Sorgen und Ängste kennenlernen und sich auf ein Abenteuer mit ihr zusammen einlassen. Die Autorin schafft mit lebendig gestalteten Charakteren, alltäglichen Szenen und vor allem tollen Dialogen eine Atmosphäre zum Wohlfühlen, wobei sie aber auch jede Menge kleiner Fallstricke auslegt und der Handlung zwischendurch einige Wendungen gibt, um immer gleichbleibend fesselnd zu bleiben – alles mit einem Zwinkern in den Augen. Das Buch ist kaum aus der Hand zu legen, so sehr ist der Leser selbst mit all den Hürden beschäftigt, die solch ein Garten mit sich bringt, aber auch die zwischenmenschlichen Beziehungen und das Miteinander in einer Schrebergartenkolonie sind eine Herausforderung für sich, die einem manchmal die Lachtränen in die Augen treibt.
Die Charaktere sind mitten aus dem Leben gegriffen und wirken sehr menschlich sowie authentisch, was es dem Leser leicht macht, einige von ihnen sofort ins Herz zu schließen, während man bei dem einen oder anderen auch schon mal mit den Augen rollt! Anna ist ein Muttertier, aber auch eine verkannte Gärtnerin. Sie besitzt Humor, ein offenes Wesen und ist sich für nichts zu schade, was ab und an zu einigen kleine Katastrophen führt. Doch sie hat das Herz am rechten Fleck und kann in ihrem Chaos noch über sich selbst lachen, was sie doppelt sympathisch macht. Ganz anders dagegen Sabine Rodenberg, die immer alles besser weiß, selbstgefällig und arrogant rüberkommt, dabei ist sie innerlich neidisch und gönnt gerade Anna nicht das Weiße unter dem Fingernagel. Max und Anton sind zwei kleine Hallodris, die viel von ihrer Mutter haben und gerade deshalb so herzerfrischend sind. Paul ist ein attraktiver Mann, der sich mit seiner Hilfsbereitschaft und seiner freundlichen Art schnell in Annas Herz schleicht. Die Randprotagonisten sind ebenfalls sehr gut getroffen und machen die gesamte Geschichte zu einem einzigen Vergnügen.
„Liebe geht durch den Garten“ ist ein wunderbares und überzeugendes Debüt, das das Herz im Sturm erobert und Lust auf Blumenduft und Gartenromantik weckt. Absolute Leseempfehlung für einen Pageturner der herzlichen Art!

Veröffentlicht am 14.02.2019

Wogende Gefühle

Dünenrauschen
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Die Mitvierzigerin Tina führt zusammen mit ihrem Ehemann Peter eine Vermittlung für Ferienwohnungen in Prerow an der Ostsee. Bisher war sie mit ihrem Leben eigentlich zufrieden, lebt sie doch an einem ...

Die Mitvierzigerin Tina führt zusammen mit ihrem Ehemann Peter eine Vermittlung für Ferienwohnungen in Prerow an der Ostsee. Bisher war sie mit ihrem Leben eigentlich zufrieden, lebt sie doch an einem zauberhaften Ort und führt eine glückliche Ehe. Doch dann verstirbt ihre ältere beste Freundin Marion, die im Nachbarort einen kleinen Schmuckladen führte, in dem es ausschließlich Bernstein zu kaufen gab. Tina ist tottraurig über den Verlust ihrer Freundin. Als sie erfährt, dass Marion ihr ihren Laden vermacht hat, ist das für sie wie ein Zeichen, ihrem Leben noch einmal eine neue Richtung zu geben und möchte das Schmuckgeschäft gern weiterführen, womit Ehemann überhaupt nicht einverstanden ist. Da brauen sich bereits Wolken am Ostseehorizont zusammen. Allerdings gibt es da auch noch Daniel, der ihren Weg so ungewöhnlich gekreuzt hat und ihr immer wieder über den Weg läuft. Wie wird sich Tina entscheiden?
Evelyn Kühne hat mit ihrem Buch „Dünenrauschen“ den dritten Band ihrer Ostseereihe vorgelegt und entführt den Leser wieder in die malerischen Dünen und zu einem weiteren Abenteuer mit lieben Charakteren. Der Schreibstil ist locker-flüssig und gefühlvoll, schnell kann der Leser in einen Ostseekurztrip abtauchen und sich an die Fersen der Protagonisten heften, um sie bei ihrem Alltag und ihrer Gedanken- und Gefühlswelt zu begleiten. Die Autorin hat einen Blick für das tagtägliche Einerlei der Menschen und beschreibt diese auf ihre wunderbare Art naturgetreu und wirklichkeitsnah, so dass sich der Leser schnell in einigen von ihnen wiederfindet, was eine besondere Nähe schafft. Sehr schön herausgearbeitet sind die Fragen, die man sich oftmals selber stellt, wenn man vor schwierigen Situationen steht oder es um die eigenen Wünsche im Leben geht. Hier geht die Autorin sehr feinfühlig vor und gibt die Emotionen sehr gut wieder, die ihre Protagonisten umtreibt. Die Landschaftsbeschreibungen sind so bildgewaltig und farbenfroh, man spürt regelrecht den Sand unter den Fußsohlen und den Ostseewind im Haar. Auch in dieser Idylle ist niemand vor Problemen sicher.
Die Charaktere sind sehr liebevoll in Szene gesetzt und überzeugen mit ihren individuellen Attributen. Sie wirken lebendig, glaubhaft und sehr lebendig, so dass der Leser sich mit ihnen identifizieren und mitfiebern kann. Tina ist eine gestandene Frau, die mit ihrem Mann das Geschäft wuppt und gleichzeitig die Familie zusammenhält. Bisher hat sie nicht gemerkt, dass ihr etwas fehlt, und wenn doch, dann hat sie ihre innere Stimme unterdrückt. Doch der Tod von Marion lässt ihre Wünsche und Träume an die Oberfläche gelangen. Sie hat sich über die Jahre eingerichtet und sich selbst irgendwo dabei verloren. Dabei sind auch ihre eigenen Träume wichtig. Ehemann Peter zeigt leider nicht viel Einfühlungsvermögen, wenn es nach ihm geht, muss alles so bleiben, wie es ist. Marion war Tina immer eine enge Freundin und Ratgeberin, sie hat Farbe in ihr Leben gebracht. Daniel ist ein sympathischer Mann, der Tina den Kopf verdreht. Auch die weiteren Protagonisten wie Sonja und Lissy geben der Geschichte zusätzliche Impulse.
„Dünenrauschen“ ist ein rundum gelungenes Wohlfühlbuch, dass den Leser neben einer gefühlvollen Geschichte eine wunderbare Auszeit vom Alltag gibt. Absolute Leseempfehlung!

Veröffentlicht am 10.02.2019

Vertrauen ist die Basis

Der Weg zu den Dünen
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Der erfolgsverwöhnte Anwalt Eric Nash ist auf dem Weg zu seinem Vater nach Hope Harbour, denn er hat gerade aufgrund von Einsparungen seinen Job und die Aussicht auf eine Partnerschaft in einer angesehenen ...

Der erfolgsverwöhnte Anwalt Eric Nash ist auf dem Weg zu seinem Vater nach Hope Harbour, denn er hat gerade aufgrund von Einsparungen seinen Job und die Aussicht auf eine Partnerschaft in einer angesehenen Kanzlei verloren, als er einen Unfall verursacht und der attraktiven Architektin BJ Stevens in den Wagen fährt. Schnell trifft er sie wieder, als er das Haus seines Vaters erreicht, denn sie gestaltet dieses gerade zu einem B&B um, was sich John Nash schon lange gewünscht hat. Während seines Aufenthalts in Hope Harbour trifft Eric nicht nur auf alte Weggefährten, sondern hat auch Zeit genug, sich über seine Zukunft Gedanken zu machen und BJ näher kennenzulernen, die ihm nicht mehr aus dem Kopf geht. Schon bald entdeckt er mit Hilfe von Freunden alte Talente wieder und lebt sich wieder in Hope Harbour ein. Sieht er seinen Beruf als Anwalt immer noch als Maß aller Dinge, oder wird er sich in seinem malerischen Heimatörtchen doch noch niederlassen?
Irene Hannon hat mit „Der Weg zu den Dünen“ den zweiten Band um das kleine Örtchen Hope Harbour in Oregon vorgelegt. Der Schreibstil ist wunderbar flüssig und gefühlvoll, der Leser kann schnell in der Geschichte versinken und an diesen wunderschönen Ort reisen, der am Meer liegt und die richtige Stimmung transportiert, dass man sich rundum wohl fühlt und sich ganz auf das Treiben der Protagonisten einlassen kann. Die Autorin versteht es hervorragend, die zwischenmenschlichen Beziehungen spielerisch darzustellen und den Leser am vielfältigen Gemeinschaftsleben der Ortsbewohner teilhaben zu lassen. Wunderbar wird die Verbindung zum Vorgängerband geknüpft, indem alte Bekannte wieder eine Rolle in dieser Geschichte spielen. Die Beschreibung der Örtlichkeiten ist farbenfroh und bildgewaltig, so dass die Phantasie des Lesers während der Lektüre auf Reisen geht. Die Autorin legt in ihrer Handlung viel Wert auf eine große Palette von Themen, so ist das Los kubanischer Einwanderer und deren Aussicht auf eine Anstellung, obwohl hochqualifiziert, ein Hotspot, ein anderer beschreibt die Einsamkeit von Senioren, die aufgrund von mangelnder Beweglichkeit nicht mehr am öffentlichen Leben teilhaben können. Alle Themen greifen ineinander über und geben dem Leser genügend Raum für eigene Gedanken.
Der christliche Aspekt wird durch gedankliche Gebete wunderbar unterstrichen, die immer zur jeweiligen Situation passen. Der Glaube wird durch die Sorge umeinander und das Miteinander der Menschen auf sehr schöne Weise dargestellt. Man kümmert sich um seinen Nächsten, lässt ihm Hilfe zuteilwerden. Auch die Hoffnung auf Hilfe bei Entscheidungen wird sehr gut vermittelt, ohne dabei belehrend zu wirken.
Die Charaktere sind liebevoll ausgestaltet und überzeugen durch Lebendigkeit und vor allem durch ihre menschlichen Stärken und Schwächen. Der Leser fühlt sich mit ihnen wohl und als Teil der Gemeinschaft. Eric ist ein fleißiger junger Mann, der sich Sicherheit im Leben wünscht. Doch gerade diese wurde ihm entzogen. Sein Aufenthalt soll ihm die Ruhe für Entscheidungen bringen, dabei entdeckt er verborgene Talente, die er lange Zeit verdrängt hat. Er wirkt selbstsicher, offen und vertrauensvoll, aber er ist auch unsicher und durch seine Erziehung geprägt. BJ hat einige Schicksalsschläge hinter sich, die sie nach Hope Harbour verschlagen haben. Sie ist eine tatkräftige Frau, die sich für andere einsetzt und immer zur Stelle ist, wenn Hilfe gebraucht wird. Eleonor ist eine liebe alte Dame, die sich einsam fühlt. Luis fühlt sich in seiner neuen Heimat fremd und allein, verzweifelt fast daran. Doch insgeheim hat er noch ein klein wenig Hoffnung. Charley ist Künstler und als Tacoverkäufer ein As. Er sieht in die Menschen hinein und gibt immer den richtigen Hinweis, wenn jemand einen Rat braucht, auch wenn sie manchmal erst später verstanden werden.
„Der Weg zu den Dünen“ erzählt eine wunderbare Geschichte von Nächstenliebe, Hoffnung und dem Miteinander, dass sich jeder von uns insgeheim wünscht. Hope Harbour ist ein traumhafter Ort, den man einfach aufgrund der Menschen nicht verlassen möchte. Ein zauberhaftes Buch, dass Stoff zum Nachdenken gibt und gleichzeitig ein Wohlgefühl hinterlässt, das einen noch eine Weile begleitet. Absolute Leseempfehlung!

Veröffentlicht am 10.02.2019

Ronne-Marie

Was man unter Wasser sehen kann
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Luca hat sich in einem Lagerraum eines Berliner Lebensmittelgeschäfts eingerichtet und hilft im Laden, der ihrem Freund Vinz gehört. Sie hat ihr Studium abgebrochen und kaum Kontakt zu ihrer Familie. Der ...

Luca hat sich in einem Lagerraum eines Berliner Lebensmittelgeschäfts eingerichtet und hilft im Laden, der ihrem Freund Vinz gehört. Sie hat ihr Studium abgebrochen und kaum Kontakt zu ihrer Familie. Der Anruf ihrer Mutter Marion, die ihren Besuch bei Luca ankündigt, lässt bei ihr alle Alarmglocken schrillen. Doch Marion taucht nicht auf, sie meldet sich auch nicht mehr, niemand weiß, wo sie geblieben ist, nur ihr Wagen wird auf einem Waldweg an der Ronnetalsperre gefunden. Luca macht sich Sorgen und reist kurzerhand in ihre alte Heimat Ronnbach, wo sie bei ihrer Großmutter Grete einzieht. Grete hat Luca aufgezogen, weil Marion ein unsteter Geist war und sich Mutter und Tochter nie verstanden haben. Luca wundert sich, dass Grete sich so gar keine Sorgen macht um das Verschwinden der eigenen Tochter und beginnt selbst, nach Antworten zu suchen über den Verbleib ihrer Mutter. Dabei trifft sie alte Bekannte und ehemalige Freunde aus ihrer Jugendzeit, es ist, als wäre die Zeit stehengeblieben. Aber es dauert, denn bis Luca Teilchen für Teilchen des Puzzles zusammensetzt, um das Verschwinden ihrer Mutter ansatzweise zu erklären, muss sie erst einmal in die Vergangenheit reisen…
Henriette Dyckerhoff hat mit ihrem Buch „Was man unter Wasser sehen kann“ einen sehr berührenden und fesselnden Roman vorgelegt. Der Schreibstil ist flüssig und packt den Leser von Beginn an, lässt ihn durch wechselnde Zeitzonen reisen, um sowohl die Gegenwart als auch die Vergangenheit kennenzulernen. Durch kursiv eingestellte kurze Kapitel erhält der Leser zudem Einblick in die Legende der „Ronne-Marie“, die immer wieder anders erzählt wird, jedoch am Ende immer traurig endet, wobei der Ausgang der einzelnen Passagen immer gut zu der Handlung passt, die gerade erzählt wird. Mal in der Gegenwart an der Seite von Luca, mal in der Vergangenheit in den 60er Jahren im Schatten von Cord erfährt der Leser von der Entstehung der Talsperre und was die Menschen dafür aufgeben mussten. Lucas Suche nach ihrer Mutter ist gleichzeitig eine Suche nach sich selbst. Vieles wird Luca erst nach aufgeschnappten Gesprächsfetzen und Unterhaltungen mit Bekannten ihrer Mutter klar, was sie immer weitersuchen lässt. Je mehr sie sucht, umso mehr erfährt sie, warum die eigene Mutter und die Großmutter nicht miteinander ausgekommen sind. Der unregelmäßige Wechsel der Zeitzonen schraubt die Spannung immer weiter in die Höhe, gleichzeitig lässt die Autorin die Spannung auch durch ihre Protagonisten entstehen, die sich oftmals widersprüchlich verhalten. Die Beschreibung der Landschaft ist sehr bildgewaltig und zeichnen ein tolles Bild eines vergessenen Ortes irgendwo im Nirgendwo.
Die Charaktere sind alle sehr individuell ausgestaltet, besitzen Ecken und Kanten und lassen das Bild von Bewohnern eines kleinen Ortes entstehen, wo jeder jeden kennt und über jeden eine Meinung hat. Nichts bleibt verborgen, doch keiner sagt was. Wunderbar gezeichnet lässt die Autorin den Leser immer wieder rätseln, wer wohl zu den Guten oder zu den Bösen zählt. Oder gibt es gar keine Bösen? Luca ist eine junge Frau, die noch nicht weiß, wohin es in ihrem Leben gehen soll. Sie kommt aus schwierigen Familienverhältnissen, ihre Mutter hat sich früh vom Vater getrennt und ist mit der Tochter bei ihrer eigenen Mutter eingezogen. Während Luca von Grete nur Zuwendung und Liebe erfuhr, war die Mutter ihr gegenüber oftmals gleichgültig. Marion war eine unstete Person, die immer das wollte, was sie nicht haben konnte. Sie tat immer das Gegenteil von dem, was von ihr erwartet wurde. Grete ist eine strenge alte Dame, die plötzlich allein ist und über die Vergangenheit schweigt. Dabei könnte gerade sie so einiges aufklären. Auch Protagonisten wie Cord, Jan oder Paul geben der Geschichte zusätzliche Spannung und lassen den Leser lange im Dunkeln tappen.
„Was man unter Wasser sehen kann“ ist ein spannender Roman über das Schicksal von drei Frauen, welches eng miteinander verwebt ist. Gleichzeitig besitzt die Geschichte kriminalistische und historische Elemente, die sie rundum gelungen machen. Tolle Lektüre und mit einer verdienten Leseempfehlung ausgestattet!