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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 22.11.2023

Ein Lied von Hygge

Lieder aller Lebenslagen
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„Meine Nerven verkraften es nicht, wenn Zwangshygge und Konkurrenzkampf miteinander kollidieren.“ In der als Genossenschaft organisierten Wohneinheit soll alles harmonisch geregelt werden, doch manchmal ...

„Meine Nerven verkraften es nicht, wenn Zwangshygge und Konkurrenzkampf miteinander kollidieren.“ In der als Genossenschaft organisierten Wohneinheit soll alles harmonisch geregelt werden, doch manchmal brodelt es eben unter der Oberfläche.
„Lieder aller Lebenslagen“ ist nichtsdestotrotz ein hyggeliges Buch, so wie es das Zusammenleben der Bewohner schildert, die vielleicht mal sticheln, aber niemals wirklich bösartig agieren. Auch wenn ihnen der Zusammenhalt von ihrer „Anführerin“ vorgelebt wird, ergibt sich Gemeinschaft schließlich irgendwie von selbst.
Die Besonderheit ist, typisch für die Autorin, dass in den Handlungsfluss andere Texte eingebaut werden, in diesem Fall Horoskope und Lieder. Diese bilden eine schöne Abwechslung und spiegeln doch die Grundstimmung des Romans wider. Auch wenn die episodenhafte Beleuchtung der Figuren mich eher von oben auf das Geschehen blicken ließ, als mich mit ihnen mitzufiebern, habe ich mich doch gerne von der lyrischen Art der Darstellung verzaubern lassen.

Veröffentlicht am 19.11.2023

Düstere Zeiten

Als wir an Wunder glaubten
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In einem kleinen Ort in Norddeutschland herrscht in der Zeit nach dem 2. Weltkrieg so etwas wie Aufbruchsstimmung, als die Maschinen kommen, die das Moor trockenlegen sollen. Und doch hängen die Anwohner ...

In einem kleinen Ort in Norddeutschland herrscht in der Zeit nach dem 2. Weltkrieg so etwas wie Aufbruchsstimmung, als die Maschinen kommen, die das Moor trockenlegen sollen. Und doch hängen die Anwohner noch im Aberglauben alter Zeiten fest, wo es Moorgeister und Hexen gibt. „Schließlich war Krieg gewesen und die Sünden, die begangen worden waren, wogen so schwer, dass da nichts zu vergeben war. Der Teufel würde sie alle holen. Zwar sprach das keiner laut aus, aber viele dachten so.“
Im Laufe des Romans folgen wir unterschiedlichen Dorfbewohnern, wie dem Mädchen, das noch seinen Platz in der Welt sucht, oder der Frau, die als Hexe verschrien ist. Wir begegnen aber auch einem Mann, der aus dem Krieg zurückkehrt und aufgrund des Traumas sein Gedächtnis verloren hat. Die Zusammenführung dieser Handlungsstränge hat mir gut gefallen und einen Gänsehautmoment verschafft.
Die Sprecherin schafft es, den Situationen durch das Verstellen der Stimme oder die Aussprache des Plattdeutschen Authentizität zu verleihen. Auf Dauer war mir die Atmosphäre vielleicht etwas zu düster, doch fand ich es durchaus interessant, mittels Fiktion ein durchaus realistisches Phänomen der Zeit zu ergründen.

Veröffentlicht am 11.11.2023

Lübecker Gesellschaft

Unsereins
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„Unsereins“ ist ein Familienroman, bei dem nicht nur Familienmitglieder eine Rolle spielen, sondern jede Menge weitere Figuren in deren Dunstkreis eine eigene Entwicklung vollziehen, vom Dienstmädchen ...

„Unsereins“ ist ein Familienroman, bei dem nicht nur Familienmitglieder eine Rolle spielen, sondern jede Menge weitere Figuren in deren Dunstkreis eine eigene Entwicklung vollziehen, vom Dienstmädchen bis zum Wasserbaudirektor.
Es ist nur vom „kleinsten Staat des Deutschen Reiches“ die Rede, ohne dass die Stadt je benannt wird, in der der Roman spielt. Ortskundigen wird womöglich auch ohne die Karten, die den Vorsatz des Buches zieren, klar, dass es sich um Lübeck handelt. Die Handlung spielt in einem Zeitraum zwischen 1890 und 1906.
Bemerkenswert ist die dichte Erzählweise, die jedes noch so kleine Detail einer Situation in die Beschreibungen einfließen lässt. „Friedrich setzt sich mit einem Ruck auf, ohne an den Teller zu denken; der kippt nach vorne, die Möhren rutschen auf seine Hosenbeine, die Steppdecke, Erbsen kullern über den Bettvorleger.“ Für mich wirkte es oftmals, als würde ich durch ein Fenster zusehen. Ich hätte berichten können, welche Kleidung getragen, welche Gespräche geführt wurden. Der Blick in die Köpfe, das Nachempfinden der Gefühle, blieb mir jedoch meist verborgen.
Womöglich ist es meiner eigenen Überforderung dabei, die Figuren auseinanderzuhalten, zu schulden, dass ich den Roman nicht vollumfänglich lobpreisen kann. Die Machart, die Authentizität der Darstellung der Zeit und die Sprache haben mir hingegen sehr zugesagt.

Veröffentlicht am 09.11.2023

Mit Dürer unterwegs

Um 1500
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Wie der Titel bereits erkennen lässt, behandelt „Um 1500“ den Abschnitt des Mittelalters, in dem Albrecht Dürer lebte und nimmt sein Wirken als Ausgangspunkt für die Erkundung seiner Welt. In 50 Kapiteln ...

Wie der Titel bereits erkennen lässt, behandelt „Um 1500“ den Abschnitt des Mittelalters, in dem Albrecht Dürer lebte und nimmt sein Wirken als Ausgangspunkt für die Erkundung seiner Welt. In 50 Kapiteln erleben wir zwischen Geburt und Begräbnis zahlreiche Aspekte des Lebens, wie Kirche, Staat oder Haushalt.
Jedem Abschnitt ist eines von Dürers Werken vorangestellt, das im jeweiligen Kontext analysiert wird, bevor sich unser Blick dem Allgemeingültigen zuwendet. So erfahren wir beispielsweise zum Thema Geld, wie die Zahlung von Auftragsarbeiten vonstatten ging oder dass Münzen entzweigebrochen wurden, um kleinere Beträge zu zahlen.
Der Nachteil dieses Konzepts liegt darin, dass die Sicht aus Dürers Augen eine beschränkte bzw. auf gewisse Schichten, Länder oder Faktoren gerichtete war. Das ist schade, wird damit doch kaum ein Kontrast zu anderen Lebensweisen hergestellt.
Besonders interessant fand ich es, den Künstler selbst von seinen Reisen oder Alltäglichem berichten zu hören: „Ich hab mir selbs ein graw hor gefunden. Daz jst mir for lawtrer armüt gewagsen vnd daz jch mich also stenter [abmühe].“ Das schwergewichtige und hochwertige Geschichtsbuch hält also einige Entdeckungen bereit.

Veröffentlicht am 22.10.2023

Hip-Hop, ein Porträt

Hip-Hop. 100 Seiten
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In die 100-Seiten-Reihe von Reclam reiht sich nun auch dieser Titel über Hip-Hop ein. Wie der Name vermuten lässt, wird Wissen zu einem Thema auf 100 Seiten vermittelt. Die Seitenzählung beginnt hier ungewohnter ...

In die 100-Seiten-Reihe von Reclam reiht sich nun auch dieser Titel über Hip-Hop ein. Wie der Name vermuten lässt, wird Wissen zu einem Thema auf 100 Seiten vermittelt. Die Seitenzählung beginnt hier ungewohnter Weise erst auf Seite 7, damit auch wirklich keine thematische Seite fehlt. Fotos und Infografiken sind dem Konzept nach inbegriffen.
Wissen auf 100 Seiten zusammenfassen, ist eine Herausforderung. So ist es legitim, das Thema geographisch auf (die Ursprünge des Hip-Hops in den) USA und (seine Ableger in) Deutschland zu beschränken und nur deren Stars vorzustellen. Doch auch die Geschichte und Inhalte kommen nicht zu kurz, so dass ein rundes Gesamtbild entsteht.
Hört man dann noch in die dazugehörige Playlist rein, fällt es leicht, Worte in die Tat umzusetzen und mitzuwippen. „Hip-Hop löst eben das Glücksversprechen der Postmoderne ein: dass man Stile mischen und Kunstformen verunreinigen kann und daraus etwas Neues, Überraschendes entsteht.“
Ich hätte mir eine ausgewogenere Aufteilung gewünscht: An manchen Stellen hätte die persönliche Meinung des Autors (z.B. dass Texte im Schulunterricht analysiert werden sollten) zugunsten der Informationsvermittlung (z.B. fiel das Kapitel über Mode recht kurz aus) gekürzt werden können. Grundsätzlich hat das Büchlein aber sein Ziel erreicht: Ich habe auf unterhaltsame Weise mein Wissen erweitert und Inspiration erhalten, mich weiter mit diesem Musikstil zu beschäftigen.