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Veröffentlicht am 31.01.2019

Es war einmal der Stoff, aus dem die Märchen sind

Schund und Sühne
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Groschenromanschreiberin Kat verschlägt es auf Schloss Rosenbrunn. Sie hat ein Literaturstipendium bekommen, und darf sich nun in der adeligen Umgebung tummeln, mit der Fürstin Tee trinken und durch den ...

Groschenromanschreiberin Kat verschlägt es auf Schloss Rosenbrunn. Sie hat ein Literaturstipendium bekommen, und darf sich nun in der adeligen Umgebung tummeln, mit der Fürstin Tee trinken und durch den Park flanieren. Doch schnell wird klar, dass auch Adels ihr Päckchen zu tragen haben, egal ob das jetzt das Aussterben der eigenen Linie oder der ökologische Fußabdruck der prinzessinneneigenen Rose ist. Doch die Ungeborene Kat ist nun wirklich nicht auf den Mund gefallen, und mischt auf ihre ganz eigene quirlige Art den Alltag der von Schells gehörig auf.

Anna Baseners Roman hat mich schon mit seinem Klappentext überrascht und sehr neugierig gemacht. Die Welt des Adels und erst Recht der Groschenromane, romantischer Wegelchen in Rosengärten und der frühmorgendlichen Pirsch im eigenen Jagdgebiet, all das ist mir eigentlich fremd und irgendwie abseits meines üblichen Leseschemas. Warum sollte man Schund und Sühne trotzdem lesen? Weil es witzig ist. Ich habe selten so oft beim Lesen gelacht, geschmunzelt und gekichert. Originelle Szenen, kleine verschmitzte Seitenhiebe und der lockere, oft süffisant bis sarkastische Erzählstil haben mich wirklich begeistert. Die Dialoge sind schlagfertig, lassen sich aber auch bei ernsten Themen gut lesen. Die Figuren sind einerseits überspitzt gezeichnet, andererseits aber auch realistisch. Sie überraschen, und bewegen sich abseits der üblichen 08/15-Charaktere. Die Autorin spielt gekonnt mit Klischees, zeigt auf, wo sie wirklich zutreffen, und widerlegt sie an anderer Stelle. Der Alltag auf Schloss Rosenbrunn ist einerseits so alltäglich wie der von Otto Normalverbraucher, hat aber auch so seine Eigenheiten. Es hat Spaß gemacht die zu entdecken. Man hat lange Zeit sich in Rosenbrunn einzuleben, langweilig wird es nie. Selbstredend ist dann auch der Showdown so überraschend, wie die vielen kleinen Wendungen zuvor. Ich hatte mächtig Spaß mit Schund und Sühne, und kann den Roman nur jedem empfehlen, der Lust auf eine skurrile Geschichte der etwas anderen Art hat.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Humor
  • Idee
  • Geschichte
  • Figuren
Veröffentlicht am 30.12.2018

Schuld und Sühne

Der Wilde
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Juan Guillermo wird in Mexiko-City der 1960er groß. Doch vom einen auf den anderen Tag ändert sich sein Leben, denn sein Bruder Carlos wird ermordet; die Polizei tut das, was sie am besten kann, nämlich ...

Juan Guillermo wird in Mexiko-City der 1960er groß. Doch vom einen auf den anderen Tag ändert sich sein Leben, denn sein Bruder Carlos wird ermordet; die Polizei tut das, was sie am besten kann, nämlich wegsehen. Als auch noch der Rest der Familie unter tragischen Umständen stirbt, findet sich Juan mit 17 Jahren auf sich alleine gestellt wieder. An seiner Seite die liebeshungrige Chelo und … ein Wolf.
Guillermo Arriaga hat mir mit „Der Wilde“ ein echtes Highlight zum Jahresabschluss beschert. Ein großer Roman, der die großen Themen Verlust, Schuld, Rache, Freundschaft, Liebe… ach eigentlich alle großen Themen des Lebens bekommen ihren Moment. Dabei ist die Geschichte aber mitnichten mainstream, sondern überrascht und überrascht und überrascht. Die Figuren sind spannend, haben Tiefe, sind gleichzeitig frisch und doch uralt. Juan als Hauptfigur hat mir sehr gut gefallen, ein Teenie, der mit den Härten des Lebens konfrontiert wird und über sich hinauswachsen muss (ohne die Heldenattitüde diverser Jugendromane übrigens). Denn hart geht es schon zu, als Leser sollte schon ein bisschen was aushalten können. Arriaga beschreibt die Brutalität genauso akribisch, wie er auch die schönen Seiten sehr ausführlich und detailliert wiedergibt. Mir hat sein Stil sehr gut gefallen. Man muss sich erst ein bisschen einlesen, denn die Handlung wird nicht stur chronologisch wiedergegeben; auch Einschübe in Form kurzer Mythen aus aller Welt, Naturgesetzen, Gedichten uvm. erschweren manchmal den Lesefluss. Einen zweiten kurzen Handlungsstrang kann man erst nach mehreren hundert Seiten einordnen. Doch dieser etwas verschachtelte Aufbau macht den Roman erst recht interessant, und ich habe ihn sehr gerne gelesen. Eine beeindruckende Geschichte, die mich noch eine Weile beschäftigen wird.

Veröffentlicht am 13.11.2018

Was wäre, wenn...

NSA - Nationales Sicherheits-Amt
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Bereits 1851 hat Lord Babbage den Vorläufer der heutigen Komputer erfunden. Die Technik hat seitdem riesige Fortschritte gemacht und so verfügen im Jahre 1942 viele Menschen über ein tragbares Volkstelefon, ...

Bereits 1851 hat Lord Babbage den Vorläufer der heutigen Komputer erfunden. Die Technik hat seitdem riesige Fortschritte gemacht und so verfügen im Jahre 1942 viele Menschen über ein tragbares Volkstelefon, einen eigenen Komputer, schicken sich über das Weltnetz Elektropost oder diskutieren in den vielen Foren. Auch die Nationalsozialisten machen sich die Technik zu Nutze, im NSA, dem Nationalen Sicherheitsamt, werden sämtliche Daten jedes Einzelnen gespeichert, verarbeitet und ausspioniert. Dort arbeitet Helene als Programmstrickerin, deren Job bald zu einem Kriegsentscheidenden wird.

Das Gedankenexperiment des Autors hat mich schon sehr interessiert. Was wäre, wenn im Dritten Reich schon die Möglichkeiten von heute verfügbar gewesen wären? Hat man sich erst mal an die eingedeutschen Begriffe wie z.B. Komputer, Parole (=Passwort), Weltnetz etc. gewöhnt, findet man sich schnell in der neuen Welt zurecht. Diese birgt neben dem historisch verbrieften Schrecken des Nationalsozialismus nun auch die Gefahren des gläsernen Ichs, und es wird mehr als deutlich was private Daten in den falschen Händen anrichten können. Ich fand die Ausführungen des Autors sehr authentisch, erschreckend und auf eine sehr verquere Art faszinierend. Erzählt wird dieses Szenario sehr anschaulich, selbst für mich komplexere Themen wie die Funktionsweise von Komputerprogrammen werden gut erklärt und waren so für mich nachvollziehbar. Den Erzählstil fand ich sehr ansprechend und so war ich schnell an die Seiten gefesselt. Die Figuren fand ich insgesamt ganz ok, es wäre aber sicherlich noch mehr drin gewesen. Helene als „Gute“ im Spiel bleibt etwas auf ihre Rolle reduziert und hätte durchaus mehr Tiefe vertragen können. Eugen als Gegenspieler fand ich schon spannender, doch auch er bleibt oft zu blass. Abgesehen von diesen fiktiven Figuren, kommen natürlich auch viele historische Persönlichkeiten vor, seien es die Oberen des Naziregimes, bekannte Wissenschaftler, oder auch bekannte Opfer der Nationalsozialisten. Alle werden recht authentisch dargestellt, und spielen perfekt mit den fiktiven Figuren zusammen.
Insgesamt fand ich NSA sehr gelungen, ein erschreckendes Gedankenexperiment, das einerseits zum Nachdenken anregt und andererseits aber auch großartig zu unterhalten weiß.

Veröffentlicht am 14.10.2018

Piccola Sicilia

Piccola Sicilia
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Nina ist Archäologin, arbeitet aber lieber im Archiv als sich in aufregende Expeditionen zu stürzen. Bis sie eines Tages von einem Flugzeugwrack aus dem zweiten Weltkrieg hört, das vor der Küste Siziliens ...

Nina ist Archäologin, arbeitet aber lieber im Archiv als sich in aufregende Expeditionen zu stürzen. Bis sie eines Tages von einem Flugzeugwrack aus dem zweiten Weltkrieg hört, das vor der Küste Siziliens geborgen werden soll. Das Flugzeug, mit dem ihr Großvater Moritz in den 1940ern in den Tod stürzte. Zumindest dachten das alle immer, doch die Wahrheit ist sehr viel komplizierter.
Daniel Speck führt uns zurück in die 1940er, nach Piccola Sicilia in Tunis. In kräftigen Farben malt er ein anschauliches Bild dieser bunten Gemeinschaft, Land und Leute kann man sich sehr schnell sehr gut vorstellen. Er lässt sich viel Zeit dafür dem Leser die Kultur und die Besonderheiten dieses kleinen Viertels nahe zu bringen, langweilig wird es dabei aber sicherlich nicht. Die Geschichte, die sich dann rund um Moritz entspinnt, hat mir wirklich Spaß gemacht; stellenweise sicherlich vorhersehbar, doch das hat mich gar nicht so sehr gestört, weil das Drumrum so gut gepasst hat. Die Figuren in dem Erzählstrang rund um Moritz sind dann auch gut ausgearbeitet, man entdeckt immer wieder neue Facetten. Im Heute von Nina wird das leider etwas versäumt, ich hätte sie gerne näher kennen gelernt. Auch wenn sich Ninas Erzählstrang nur wie ein Rahmen um das Geschehen von 1942 legt, hätte hier durchaus noch etwas mehr kommen können. Specks Erzählstil hat mir sehr zugesagt, wie bereits erwähnt sehr bildhaft, außerdem mit einem nachdenklichen Unterton, der vieles noch einmal hervorhebt. Historische Fakten werden wie nebenbei eingearbeitet, und so hat man am Ende nicht nur einen fesselnden Roman gelesen, sondern auch noch das ein oder andere gelernt.
Mich hat Piccola Sicilia wirklich positiv überrascht, ein nur auf den ersten Blick seichter Roman rund um die eigene Vergangenheit.

Veröffentlicht am 30.09.2018

Was Shakespeare nicht erzählte

Der Sturm
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Der Herzog von Milano hat alles was er sich wünschen kann: eine bezaubernde Frau, Nachwuchs ist unterwegs, er wird von seinen Untertanen geschätzt. Doch mit der Gefangenen Coraxa ändert sich alles, denn ...

Der Herzog von Milano hat alles was er sich wünschen kann: eine bezaubernde Frau, Nachwuchs ist unterwegs, er wird von seinen Untertanen geschätzt. Doch mit der Gefangenen Coraxa ändert sich alles, denn die vermeintliche Hexe scheint wirklich mysteriöse Kräfte zu haben. Als auch noch Julia stirbt, gerät Prospero in eine Abwärtsspirale, die nicht aufzuhalten ist. Eine Spirale, die ihn und seine Tochter Miranda zu vernichten droht.

Ich mochte Shakespeares Sturm schon immer, und so war ich auf diese Vorgeschichte mehr als gespannt. Meine Erwartungen wurden dann auch wirklich erfüllt, denn mich hat Tom Jacubas neuestes Werk ganz wunderbar unterhalten. Es knüpft sehr gut an Shakespeares Theaterstück an, füllt die Figuren aber natürlich auf ganz eigene Art mit Leben, sodass man das eine sehr wohl auch ohne das andere lesen kann. Ich mochte besonders Prospero, denn seine Figur ist sehr wandelbar und immer für eine weitere Wendung gut. Aber auch seine Tochter Miranda war mir sehr sympathisch, die man buchstäblich von der Wiege auf kennenlernen kann. Aber auch die magischeren Wesen wie Ariel sind sehr gut gelungen. Obwohl einige Fantasyelemente vorkommen, würde ich die Geschichte nicht unbedingt dem reinen Fantasyfan empfehlen, dafür ist die Handlung zu „normal“, mir hat sie jedoch genau so gefallen wie sie ist. Sowohl reale Orte wie Milano, die Heimat von Prospero als auch fantastischere Ecken wie die Insel sind sehr plastisch dargestellt und man hat sie dank bildhafter Beschreibungen sehr gut vor Augen. Überhaupt konnte man sich dank der besonderen Erzählweise des Autors sehr schnell in die Geschichte fallen lassen; immer wieder gibt es Zeitsprünge, doch denen kann man als Leser sehr gut folgen. Insgesamt habe ich den Sturm sehr gerne gelesen, für mich genau die richtige Mischung zwischen klassischen Motiven und modernen Fantasyelementen.