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Veröffentlicht am 07.09.2019

Pulverfass Bienville

Verratenes Land
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Nur widerwillig ist Marshall vor einigen Monaten wieder nach Hause, zurück an den Mississippi gezogen. Sein Vater ist schwer erkrankt, die Leitung der Zeitung in Gefahr. Statt also in Washington vom Puls ...

Nur widerwillig ist Marshall vor einigen Monaten wieder nach Hause, zurück an den Mississippi gezogen. Sein Vater ist schwer erkrankt, die Leitung der Zeitung in Gefahr. Statt also in Washington vom Puls der Zeit zu berichten, steckt er mit Mitte 40 dort fest wo er nie hinwollte. Doch als sein Ziehvater Buck kurz vorm Spatenstich einer für die Stadt so wichtigen Papierfabrik tot aufgefunden wird, da weiß Marshall gleich, dass es hier nicht mit rechten Dingen zugegangen sein kann.

Greg Iles hat mich schon mit seiner Penn Cage Trilogie begeistert, umso besser, dass auch sein neuer Roman mit ähnlicher Thematik punkten kann. Das bedeutet aber mitnichten, dass der Autor alte Stories wieder aufwärmt, sondern er schafft etwas Neues. Bienville krankt an vielen Dingen: verstecktem, aber auch offenem Rassismus. Der Tatsache, dass man wirtschaftlich irgendwie den Anschluss verpasst hat. Und natürlich am Pokerclub, dem elitären Zirkel der Stadt, der aus denen besteht, die halt etwas gleicher als die anderen Gleichen sind. Diese explosive Mischung sorgt auf den fast 900 Seiten für reichlich Zündstoff, langweilig wird es nie, dafür oft beklemmend, brenzlig und sehr spannend. Ich mochte Marshall gerne, auch wenn er mir an mancher Stelle doch etwas zu naiv durchs Leben gegangen ist; oder vielleicht macht Liebe auch einfach nur blind. Die anderen Figuren sind unterm Strich ebenfalls gut gelungen, gerade die Mitglieder des Pokerclubs sind der Inbegriff des Bösen; ab und an vielleicht etwas zu dick aufgetragen, was aber ebenfalls zu verschmerzen war. Das Mit- und Gegeneinander funktioniert trotzdem als Story super, Iles erzählt mit seinem wunderbaren Stil als wäre er direkt dabei gewesen. Auch seine detaillierten und sehr bildlichen Beschreibungen der Landschaften und v.a. des großen Mississippis waren für mich ein Highlight des Buches. Ein wirklich toller Südstaatenroman, der viele heiße Themen anfasst, dabei aber immer noch eine spannende Story erzählt.

Veröffentlicht am 04.08.2019

Definitiv Horror

Harz
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„Ich weiß nicht, ob ich unser Leben als Märchen oder als Horrorgeschichte bezeichnen soll. Vielleicht ein bisschen von beidem?“
Die 7Jährige Liv lebt mit ihrem Bruder und ihren Eltern auf einem verborgenen ...

„Ich weiß nicht, ob ich unser Leben als Märchen oder als Horrorgeschichte bezeichnen soll. Vielleicht ein bisschen von beidem?“
Die 7Jährige Liv lebt mit ihrem Bruder und ihren Eltern auf einem verborgenen Hof im Norden einer Insel. Der Vater bringt ihr vieles bei, erklärt ihr viel zu der örtlichen Flora und Fauna, bringt ihr Fischen und Bogenschießen bei. Dafür nutzt er auch gerne Dinge, die andere einfach so entsorgt haben, schließlich kann man im Sinne der Nachhaltigkeit viel upcyclen.
Klingt so erst mal ganz normal. Doch der Leser merkt sehr viel schneller als Liv, dass in ihrem Leben gehörig etwas falsch läuft. So circa auf Seite eins, da wird nämlich erst mal die Großmutter ermordet. Doch die Isolation von anderen Menschen verhindert eben auch, dass Liv lernen kann was richtig und falsch ist. Die Ansichten des Vaters sind dazu eben – naja – speziell. Man sieht als Leser hilflos zu wie der Hof und die Menschen darin im absoluten Chaos und Elend versinken. Die Hoffnung gibt man nie auf, schon alleine deswegen, weil einem Liv so schnell ans Herz gewachsen ist. Bei der Lektüre wird man von Ane Riel nicht geschont, Ekel, Abscheu, Angst, Verzweiflung, viele Emotionen prasseln auf einen ein. Aber auch die wenigen Lichtblicke sind von der Autorin so unglaublich intensiv geschildert wie sie eben auch die negativen Seiten zeigt. Mich hat ihr Stil völlig gefesselt. Harz ist sicherlich kein typischer Thriller, sondern eher ein Psychogramm eines sehr kranken Mannes, und die Auswirkungen auf seine Familie. Mir hat die Geschichte trotzdem sehr gefallen.

Veröffentlicht am 04.08.2019

Rahel und das Eichhörnchen

Wir von der anderen Seite
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Gerade noch steckte Rahel in den Weihnachtsvorbereitungen, da findet sie sich plötzlich im Krankenhaus wieder. Tagelang hat sie im Koma gelegen, ihr Leben steht immer noch auf Messers Schneide. Wirre Fieberträume, ...

Gerade noch steckte Rahel in den Weihnachtsvorbereitungen, da findet sie sich plötzlich im Krankenhaus wieder. Tagelang hat sie im Koma gelegen, ihr Leben steht immer noch auf Messers Schneide. Wirre Fieberträume, medikamenteninduzierte Halluzinationen von freundlich winkenden Eichhörnchen bestimmen ihre kurzen Wachphasen genauso wie die Besuche ihrer Familie.

Ich bin absolut kein Fan der geradezu inflationär auf den Buchmarkt geworfenen Ich-bin-ach-so-krank-Stories, aber Anika Deckers Roman ist einfach anders. Schonungslos ehrlich erzählt Rahel von ihren Ängsten, aber auch ganz pragmatisch von ihren Tagen im Krankenhaus. Man fühlt jederzeit mit, freut sich über den ersten gegessenen Löffel Joghurt, leidet mit beim Warten auf Ergebnisse, schämt sich bei den doch entwürdigenden Details wie Bettpfanne & Co. Die Autorin beschreibt all das sehr detailliert, gleichzeitig aber auf eine sehr flappsige, frische und humorvolle Art und Weise. Aber auch melancholische Töne kommen zum Tragen, je mehr Rahel ihre Situation versteht, desto mehr setzt sie sich auch mit ihrem alten Leben auseinander. Der Leser tut das natürlich auch, und fragt sich immer mehr, auf was es im Leben denn wirklich ankommt. Stoff zum Nachdenken, zum Lachen und Daumen drücken. Ein Roman, der wirklich mal anders ist. Ich mochte ihn sehr.

Veröffentlicht am 01.08.2019

Ein würdiger 10ter Fall

Jagd auf die Bestie (Ein Hunter-und-Garcia-Thriller 10)
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Lucien Folter, Serienmörder, Psychopath und pikanterweise ehemaliger Zimmergenosse von Robert Hunter ist wieder auf freiem Fuß. Aus dem Hochsicherheitsgefängnis entflohen, verkriecht er sich jetzt nicht ...

Lucien Folter, Serienmörder, Psychopath und pikanterweise ehemaliger Zimmergenosse von Robert Hunter ist wieder auf freiem Fuß. Aus dem Hochsicherheitsgefängnis entflohen, verkriecht er sich jetzt nicht etwa um die wiedergewonnene Freiheit zu genießen. Nein, Lucien muss seine Mordstudien beenden; dafür spielt er nicht nur mit dem Leben seiner Opfer, sondern auch mit Hunter.

Dieser Band knüpft an den vorherigen (Blutrausch) an und bezieht sich außerdem stark auf Band 6 (Die stille Bestie). Zumindest letzteren sollte man also vor der Lektüre des neuesten Bandes rund um Hunter und Garcia gelesen haben. Lucien Folter ist also kein neuer Bösewicht, zeigt sich in diesem Buch aber von einer neuen, noch scheußlicheren Seite. Gerade die Tatsache, dass er den schlauen Hunter so klein hält, macht einen besonderen Reiz aus, dieser Fall hat eine zutiefst persönliche Note. Ich fand das Katz-und-Maus-Spiel zwischen den beiden sehr spannend und mitreißend, Carters Stil macht einfach Spaß. Seine Thriller gefallen mir eigentlich immer, dieser hier war der erste, den ich in einem Rutsch durchlesen musste. Ein toller zehnter Band, der jetzt schon Lust auf den elften macht.

Veröffentlicht am 06.07.2019

Dschungel

Dschungel
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„Wenn ein Mensch verschwindet, hinterlässt er ein Loch. So unendlich tief und dunkel, man kann hineinfallen und nie wieder auftauchen.“ (S. 327)
Der beste Freund unseres Erzählers ist so ein spurlos Verschwundener. ...

„Wenn ein Mensch verschwindet, hinterlässt er ein Loch. So unendlich tief und dunkel, man kann hineinfallen und nie wieder auftauchen.“ (S. 327)
Der beste Freund unseres Erzählers ist so ein spurlos Verschwundener. Zu einem Trip durch Asien aufgebrochen, hören weder seine Mutter noch sein bester Freund wochenlang auch nur ein Sterbenswörtchen von ihm. Als die Mutter völlig zu verzweifeln scheint, macht sich sein Freund aus Kindertagen auf ihn zu suchen. Widerwillig, überhaupt nicht abenteuerlustig, und bockig, weil der verrückte Felix ihn mal wieder zu etwas zwingt. Zu einer Reise ins ferne Asien, zu einer Reise in die gemeinsame Vergangenheit.

Dieser Roman kommt recht unscheinbar daher, und dann entwickelt er doch eine erzählerische Kraft und einen Sog, dem ich mich nur schwer entziehen konnte. Einerseits weil man natürlich unbedingt wissen will, wo Felix steckt. Andererseits erfährt man häppchenweise von der Kindheit und Jugend der zwei Jungs, sodass sich erst nach und nach die gesamte Geschichte entfaltet. Dem namenlosen Erzähler folgt man gerne auf seiner exotischen Odyssee, die nicht nur von der spannenden Suche, sondern eben auch von Land und Leuten lebt. Gerade die Beschreibungen der Natur fand ich sehr bildhaft, man wähnt sich sofort am heißen Sandstrand oder im schwülen Dschungel. Das Ende kommt dann nicht ganz so bildgewaltig und wuchtig daher wie der Spannungsbogen vorher vermuten ließ, trotzdem war dieser Roman für mich ein großes Vergnügen.