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Veröffentlicht am 27.09.2021

Eine sehr poetische Geschichte mit ernstem Hintergrund

Der perfekte Kreis
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Das sehr minimalistische Cover mit dem goldenen Kreis hat mich dazu gebracht mich näher mit dem Buch bzw. der Leseprobe zu beschäftigen. Für mich hat sich das absolut gelohnt.

Im Hitzesommer 1989 ziehen ...

Das sehr minimalistische Cover mit dem goldenen Kreis hat mich dazu gebracht mich näher mit dem Buch bzw. der Leseprobe zu beschäftigen. Für mich hat sich das absolut gelohnt.

Im Hitzesommer 1989 ziehen fast jeden Abend zwei vom Schicksal gebeutelte Männer los um im Süden von England komplizierte Kornkreise bzw. perfekt ausgearbeitete geometrische Figuren in die Felder zu plätten. Ivan Robert Calvert und Redbone sind sich sicher, wenn sie den perfekten Kornkreis, den Honigwaben-Doppelhelix, ziehen können, kann ihnen auch alles andere in ihrem Leben gelingen. Während die Presse in England und anderen Teilen der Welt davon ausgeht, es hier mit UFOs oder Außerirdischen zu tun zu haben, gehen die beiden Freunde mit der Natur unter ihren Füßen sehr respekt- und geradezu liebevoll um. Weder die Tiere noch das Korn soll unter ihnen leiden. Ihnen reicht es, dass die Menschen ihre Wahrnehmung wieder auf die Natur richten. Doch dann erleben sie einen Alptraum...

Benjamin Myers schafft es, diese Kornkreise bzw. Figuren beim Lesen Schritt für Schritt vor meinen Augen entstehen zu lassen. Ich fiebere bei jedem Objekt mit, ob es das einzig perfekte werden wird.

Mir sind die beiden Männer, deren vollständige Namen hier nichts zur Sache tun, sehr sympathisch. Wie sie auf die Natur achten. Wie diszipliniert sie ihre sich selbst auferlegten Regeln bei ihrer Arbeit beachten. Wie sie sich selbst in diesen Stunden der Arbeit genug sind. Obwohl ich gar nicht so viel von den beiden ungleichen Freunden erfahre, fühle ich mich mit diesen beiden nicht ganz einfache Typen tief verbunden. Ich hätte mir gewünscht, sie noch etwas persönlicher kennenzulernen zu dürfen.

Der Autor hat einen sehr bildhaften und vor allem poetischen Schreibstil, der voll auf die Natur und ihre Bewohner auf den Feldern gerichtet ist. Ich habe mich zurück gelehnt und die vielen Bilder, die er zeichnet an mir vorbei ziehen lassen. Ich beobachte die Beiden dabei, wie sie andere Menschen und Gruppen, die nachts unterwegs sind, beobachten.
Das Buch ist in 10 Kapitel gegliedert, wobei jedes der Kapitel mit dem Namen des Kornkreises überschrieben ist, der sich hier gerade in der Entstehung befindet.

Mich hat dieses Buch mit seinen beiden außergewöhnlichen Protagonisten und ihren interessanten Blickwinkeln sehr gut unterhalten. Und auch zum Nachdenken gebracht.

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Veröffentlicht am 15.09.2021

Trauerreden mal ganz anders

Nichts als Gutes
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Als ich das schlichte und doch sehr aussagekräftige Cover gesehen habe, wollte ich die darin abgedruckten Grabreden sofort lesen. Als ich dann gelesen habe, dass der Autor hier keine „echten“ sondern fiktive ...

Als ich das schlichte und doch sehr aussagekräftige Cover gesehen habe, wollte ich die darin abgedruckten Grabreden sofort lesen. Als ich dann gelesen habe, dass der Autor hier keine „echten“ sondern fiktive letzte Grüße an die Verstorbenen hat richten lassen, war ich noch neugieriger.

Stefan Slupetzky hat eine sehr poetische, manchmal sarkastische Art, das Leben in einer Grabrede vorzustellen. Mir gefällt, wie er es mit einem Buch vergleicht: den vorderen Deckel versehen mit Namen des Kindes, der Eltern und evtl. des Krankenhauses der Geburt. Dann folgt das Leben in seinem ganzen Ausmaß und der rückseitige Deckel bildet wie beim „normalen“ Buch die Zusammenfassung, in diesem Fall die Grabrede. Wir alle gehen irgendwann diesen letzten Weg. Schön, wenn auch schwierig, wenn sich dann Menschen für diese letzte Lebenszusammenstellung finden.

Die verschiedenen Reden gehen ans Herz, lassen tief blicken, sind humorvoll, unterhaltsam, skurril oder auch fantasievoll. Auf alle Fälle regen sie zum Nachdenken an. Über das Leben und über den Tod. Nicht so viel anfangen kann ich mit den Einleitungen vor jeder Rede.

„Die große Null“ so titelt der Verstorbene selbst seine letzten Wort an die Trauergemeinde, die er einen guten Freund überbringen lässt. Das ist etwas, was ich mir auch für mich gut vorstellen kann.

Sehr gut gefallen mir die letzten Wort aus aller Welt. Hier besonders die aus dem japanischen übersetzten wenigen Worte für Takeda Tokawa. Schlimm und hoffentlich nicht ernst gemeint dagegen die Worte von N. N. Da musste ich schon schlucken.

Ein wundervolles kleines Buch, das zum Schmunzeln und zum Nachdenken anregt. Ich werde es bestimmt noch öfter in die Hand nehmen.

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Veröffentlicht am 13.09.2021

Unterhaltsame Geschichten von Friedhof

Zweites Grab, halber Preis
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Die Autorin Annemieke Hendriks trauert um ihren verstorbenen Ehemann Antoine, der nun auf einem kleinen Berliner Friedhof, ihrer „Insel“, begraben liegt. Hier begegnet sie im Laufe eines Jahres von Frühling ...

Die Autorin Annemieke Hendriks trauert um ihren verstorbenen Ehemann Antoine, der nun auf einem kleinen Berliner Friedhof, ihrer „Insel“, begraben liegt. Hier begegnet sie im Laufe eines Jahres von Frühling bis Winter den verschiedensten Menschen, erfährt berührende, spannende und skurrile Geschichten und erlebt die tollsten Sachen. Sie erzählt von dem unterschiedlichen Umgang mit dem Tod zwischen den Niederlanden und Deutschland. Sie ist erstaunt über die verschiedenen Rituale des Begrabens und der verschiedenen Gepflogenheiten auf dem Friedhof. Vieles von dem, was sie hier beschreibt, kannte ich bisher auch noch nicht.

Ich finde es toll, wie sie mit dem Tod ihres Lebensgefährten Antoine umgeht. Wie sie ihn jeden Tag besucht, mit ihm spricht und ihn weiterhin an ihrem Leben teilhaben lässt. Wie sie sich über z.B. eine auf einer Grünfläche im Friedhofsgelände nackt sonnenbadende Frau amüsiert; wie sie neue Freundschaften schließt und wie sie auf dem Grab Gemüse anpflanzt. Wie sie sich dafür einsetzt, dass der Friedhof abends wieder geschlossen wird, um so Grabräubern, Alkoholikern, Drogendealern und Fixern ihre Anlaufstelle zu nehmen und den Toten ihre Ruhe zu garantieren.

Eine nette, kurzweilige Lektüre über das Leben, das Sterben und den Tod. Mir hat sie einige Denkanstöße gegeben und unterhaltsame Stunden geschenkt.

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Veröffentlicht am 12.09.2021

Aus dem wahren Leben

In allen Punkten
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Vor seiner Arbeit als Strafrichter in zahlreichen Drogen-, Wirtschafts-, Mord- und Totschlag- und Dschihadistenprozessen war der in Graz als Suchtgiftrichter bekannte Autor Helmut Wlasak Gendarmeriebeamter ...

Vor seiner Arbeit als Strafrichter in zahlreichen Drogen-, Wirtschafts-, Mord- und Totschlag- und Dschihadistenprozessen war der in Graz als Suchtgiftrichter bekannte Autor Helmut Wlasak Gendarmeriebeamter unterwegs. Aus seiner jahrelangen Erfahrung hat er in diesem Buch 30 Geschichten aus seinem Richteralltag aufgeschrieben, die ich als sehr lesenswert empfinde.

So erfahre ich, wie Hans anhand der Aufzeichnung von Autokennzeichen in den Knast kommt; wie Edith und Erika, denen ihre Geldknappheit und ihre plötzliche Liebe zu Gartenzwergen zum Verhängnis wird; wie Anna ihre nicht frisierten Haare zum Verhängnis werden; wie Günther seine Flucht nach 18 Jahren beendet und wie Louis, der einmal etwas erleben will, dann meint, er habe einen Mord begangen. Ich lerne Dr. med. SA, der fast nackt ein Magenleiden diagnostiziert, kennen; erfahre, warum Jan von „seiner“ Marinella und seinen Freunden Silviu und Lorand zutiefst enttäuscht ist und warum Gerald schon zum vierten Mal vor Gericht steht und auch Franz das Gefängnis schon gut von innen kennt. Ich bin bei einem aberwitziges Gespräch zwischen Ivan und seinem Richter dabei und kann den Richter immer wieder den Kopf schütteln sehen, wenn es um 50 verkaufte Würschtl mit 1500 Senfgurken und 30kg Senf geht. Bei dem Fall von Dietmar und Gerhard habe ich schlucken müssen. All diese Menschen geraten in die Fänge der Justiz. Alle haben die verschiedensten Gründe. Die einen sind einfach etwas dumm oder naiv, die anderen wollen einfach ihre Begierde stillen oder etwas Gutes tun, ohne an die Folgen zu denken. Wieder andere lassen sich ausnutzen oder geraten einfach an die falschen Menschen, die ihnen nicht gut tun. Alle hatten sie sich ihr Leben bestimmt anders vorgestellt.

Ich finde die hier angesprochenen Fälle alle sehr unterhaltsam. Ich habe manchmal geschmunzelt, hier und da den Kopf geschüttelt und ich war auch mal baff. Warum? Das kann jeder in dieser Kurzgeschichtensammlung selbst heraus finden.

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Veröffentlicht am 12.09.2021

Wenn man nicht mehr weiß, wem man trauen kann

Die andere Tochter
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Antonia „Toni“ Petzold verdient sich ihr Geld mit der Wohnungsräumung Verstorbener. Hierbei verliert sie durch eine Verkettung unglücklicher Umstände ihr Augenlicht und ist auf eine Hornhautverpflanzung ...

Antonia „Toni“ Petzold verdient sich ihr Geld mit der Wohnungsräumung Verstorbener. Hierbei verliert sie durch eine Verkettung unglücklicher Umstände ihr Augenlicht und ist auf eine Hornhautverpflanzung angewiesen. Die bekommt sie recht schnell durch eine bei einem Autounfall verstorbene junge Frau. Obwohl gesetzlich der Kontakt zwischen Implantatempfänger und den Angehörigen untersagt ist, gelingt es Toni Kontakt zur Mutter der Verstorbenen aufzunehmen. Damit begibt sie sich in ein Netz von Verstrickungen, aus dem sie fast nicht mehr entkommt.

Das Cover mit den vielen Puzzleteilen und dem sich dahinter verbergenden Foto und der Klappentext machen gleich neugierig. Nachdem ich das Buch nun gelesen habe, stelle ich fest, dass das Cover perfekt zur Geschichte passt, was leider nicht immer der Fall ist.

Nachdem ich mit dem Buch angefangen hatte, ist es mir sehr schwer gefallen, es doch immer mal wieder zur Seite zu legen. Es entwickelt mit jeder Seite, mit jedem Puzzleteil, das aufgedeckt wird, einen stärkeren Sog. Und es werden viel Puzzleteilchen aufgedeckt. Was sich dahinter versteckt, ist nicht immer schön.
Dinah Marte Golch versteht es, mich an die Geschichte zu fesseln. Kurze, knappe Sätze treiben die Spannung immer weiter in die Höhe. Ich darf die Protagonisten einmal ab April 2019 begleiten, ab dem Zeitpunkt von Tonis Sehkraftverlustes. Ab Oktober 2019 erzählt Toni die Geschichte in der Ich-Form, was weitere Spannung schafft. Hier geht es hauptsächlich um den Mordversuch an ihrer Mutter Brigitte. Ganz langsam nähern sich die beiden Zeiten an und ergeben zum Schluss ein schlüssiges Ganzes.
Die einzelnen Figuren, denen ich hier begegne, sind sehr gut ausgearbeitet und erscheinen menschlich und greifbar. Besonders Antonia, um die es ja auch hauptsächlich geht, bin ich hier emotional sehr nahe gekommen. Immer kann ich ihr Handeln aber nicht verstehen.
Sehr interessant finde ich die Gespräche über die psychologischen Auswirkungen ihrer Cornea-Transplantation, die Toni mit ihrem Psychiater führt. Ein weiteres Thema, der Kunstraub im Nationalsozialismus in Berchtesgaden, von Bildern, die in Goebbels Besitz übergingen, hat mir dagegen in diesem Zusammenhang nicht gefallen. Das war mir dann doch etwas zu viel und zu weit her geholt.

Es gibt einige Erzählstränge und Wirrungen, die sich aber gekonnt und vor allen für mich nachvollziehbar zu einer Geschichte zusammenfügen. Bis auf den einen angesprochenen Kritikpunkt hat mir das Buch, das sich wie ein Krimi liest, sehr gut gefallen.

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