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Veröffentlicht am 04.01.2024

Debüt mit Schwächen

Wer den Löffel abgibt
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Weil ich von „Der späte Ruhm der Mrs Quinn“ begeistert war, hat auch Jessa Maxwells „Wer den Löffel abgibt“ mein Interesse geweckt. Der Vergleich drängt sich auf, denn die Ausgangssituation ist ähnlich: ...

Weil ich von „Der späte Ruhm der Mrs Quinn“ begeistert war, hat auch Jessa Maxwells „Wer den Löffel abgibt“ mein Interesse geweckt. Der Vergleich drängt sich auf, denn die Ausgangssituation ist ähnlich: Ein Backwettbewerb mit sechs Teilnehmern, bei dem es gilt, in täglichen Challenges sein Können zu beweisen, um am Ende auf dem Siegerpodest zu stehen. Ergänzt wird dies allerdings relativ früh durch einen Leichenfund und zahlreiche Sabotageakte während des Wettbewerbs, was dem Roman einen Dreh in Richtung ‚Cozy crime‘ verpasst.

Aber sowohl die Repräsentanten des Veranstalters als auch die Teilnehmer sind samt und sonders höchst unsympathisch, verbissen und nicht wählerisch in der Wahl ihrer Mittel, wenn es darum geht, den Konkurrenten zu schaden und ihre eigene Position zu verbessern.

„Wer den Löffel abgibt“ ist nach Bilderbüchern, Comics und Graphic Novels, allesamt dialogbasierte Medien, der erste Roman der Autorin, und das merkt man. Gute Ansätze sind zwar vorhanden, aber leider so ausgeführt, dass daraus weder ein spannender Krimi noch ein befriedigender Roman wird. Nach meinem Dafürhalten liegt das in erster Linie daran, dass die Autorin kapitelweise die Perspektiven wechseln lässt und es versäumt, Verbindungen zu schaffen. Die Übergänge sind mir zu abrupt, so dass ich die aus einem Guss erzählte Story vermisst habe. Das schafft Distanz zu den Personen, die sich auch leider im Verlauf der Geschichte nicht verliert. Und was definitiv auch viel zu kurz gekommen ist, war die Spannung, denn gemordet wird erst relativ spät. Bis dahin passiert außer der eher oberflächlichen Beschreibung der einzelnen Aufgaben des Wettbewerbs reichlich wenig.

Eine Lektüre für zwischendurch. Schnell gelesen, aber leider auch schnell wieder vergessen. Kann man lesen, muss man aber nicht.

Veröffentlicht am 21.12.2023

Kein großer Wurf. Leider.

Die Stunde der Reporterin
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Chicago, die fünfziger Jahre. Eine taffe Zeit für eine junge Frau, die in einer Männerdomäne Fuß fassen will. Speziell dort, wo Dinosaurier an den Hebeln sitzen, für die in erster Linie das Geschlecht ...

Chicago, die fünfziger Jahre. Eine taffe Zeit für eine junge Frau, die in einer Männerdomäne Fuß fassen will. Speziell dort, wo Dinosaurier an den Hebeln sitzen, für die in erster Linie das Geschlecht die Qualifikation für die Stellenbesetzung ist.

Das muss auch Jordan Walsh erfahren, die bei der Chicago Tribune durchstarten will. Getrieben von dem Wunsch zu schreiben, möchte sie die Familientradition – Mutter Schriftstellerin, Vater renommierter Journalist – fortführen. Sie ist intelligent, talentiert und ehrgeizig, aber das bewahrt sie nicht davor, für den Klatsch und Tratsch der Gesellschaftsseiten eingesetzt zu werden. Das typische Einsatzgebiet für eine Anfängerin und Arbeit, die sie zähneknirschend erledigt. Aber dennoch verliert sie ihr Ziel nicht aus den Augen. Sie möchte in die Nachrichtenredaktion, die eine große Story schreiben, die ihr dort einen Platz sichern soll.

Wer Val McDermids Roman um Allie Burns „1979“ gelesen und „Mad Men“ gesehen hat, bekommt einen Eindruck davon, wie es in den Büros der von Männern dominierten Redaktionen und Agenturen zugeht, in denen Frauen kein Bein auf den Boden bekommen. Die Chicago Tribune ist da keine Ausnahme. Dennoch fällt es schwer, Sympathie für Jordan Walsh zu entwickeln. Zu verbissen, zu unsolidarisch. „Die Stunde der Reporterin“ zeigt ihren Arbeitsalltag ungeschönt, aber auch immer wieder die Diskriminierungen, denen sie ausgesetzt ist und die sie ohne mit der Wimper zu zucken nach unten durchreicht. Das ist gut gelungen.

Aber leider nimmt der Blick auf die Korruption und die mafiösen Strukturen innerhalb der Windy City für meinen Geschmack viel zu wenig Raum ein. Hier hatte ich mir wesentlich mehr erwartet. Dafür gibt es jede Menge Namedropping und banales Füllmaterial, das der Story Authentizität verleihen soll, letztendlich diese aber ausbremst und zerfasert.

Leider nicht der erwartete große Wurf. Schade.

Veröffentlicht am 22.11.2023

Wenn die Logik auf der Strecke bleibt...

The Institution
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Willkommen in „The Institution“ @dtv_verlag, der Hochsicherheitseinrichtung irgendwo im Nirgendwo, in der jeder einzelne Insasse eine tickende, völlig unberechenbare Zeitbombe ist und zu Recht von der ...

Willkommen in „The Institution“ @dtv_verlag, der Hochsicherheitseinrichtung irgendwo im Nirgendwo, in der jeder einzelne Insasse eine tickende, völlig unberechenbare Zeitbombe ist und zu Recht von der Außenwelt ferngehalten wird.

Eine ermordete Krankenschwester und ein vermisstes Kind, dessen Überlebenschancen mit jeder Minute geringer werden. Ein Wettlauf gegen die Zeit. Eine Lösegeldforderung. Fünf Tage bleiben Connie Woolwine, der hinzugezogenen forensischen Profilerin, um das Kind zu retten. Fünf Tage, um Gut von Böse in einer Zwangsgemeinschaft zu unterscheiden, in der selbst das Personal nicht über jeden Zweifel erhaben ist. Wem kann sie trauen? Eine Frage, deren Beantwortung über Leben und Tod entscheidet.

Für einen Psychothriller ist die Ausgangssituation nicht wirklich neu. Ein düsterer Bau, der aufziehende Sturm, gefährliche Insassen, undurchsichtiges Personal und eine Ermittlerin, die mit eigenen Dämonen kämpft. Diese Eckdaten erinnern unweigerlich an „Shutter Island“ von Dennis Lehane, der allerdings dieses Spielen mit Wahn und Wirklichkeit wesentlich routiniert beherrscht als Helen Fields.

Im Gegensatz zu Lehanes raffiniertem Storytelling hatte ich bei der Autorin permanent das Gefühl, dem Abarbeiten einer To-Do-Liste beizuwohnen: Einleitung detailverliebt und deshalb langatmig klein-klein, Mittelteil mit Radiuserweiterung samt Sicht auf Protagonistin und Verdächtige, Schlusssequenzen ein permanentes Überbieten mit Verwicklungen und dramatischen Wendungen.

Zu dumm nur, dass bei dem Blick auf das Gesamtwerk die Logik völlig auf der Strecke bleibt. Zwei Beispiele gefällig? Da führt die Profilerin trotz knapper Zeit endlose Gespräche mit den Inhaftierten anstatt sich die vorhandenen Unterlagen anzuschauen. Und wo ist es Usus, dass dermaßen hochgefährliche Psychopathen sich ohne Einschränkung und Überwachung frei bewegen und innerhalb der Gruppe Kontakte pflegen können? Ziemlich an der Realität vorbei, oder?

Insgesamt zwar gute Ansätze, aber unterm Strich allesamt unzureichend umgesetzt.

Veröffentlicht am 10.11.2023

Ripper light

Jack the Ripper – ein Fall für „Verbrechen von nebenan“
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Gleich vorweg, ich bin weder ein Fan von True-Crime-Büchern, noch kenne ich den Podcast von Philip Fleiter. Aber ich mag Exit-Rätsel, Spannungsliteratur und historische Romane, die in England verortet ...

Gleich vorweg, ich bin weder ein Fan von True-Crime-Büchern, noch kenne ich den Podcast von Philip Fleiter. Aber ich mag Exit-Rätsel, Spannungsliteratur und historische Romane, die in England verortet sind. Dabei stolpert man zwangsläufig immer wieder über die Whitechapel-Morde und Jack the Ripper.

Natürlich gibt es zu diesem Thema bereits zahlreiche Veröffentlichungen, viele spekulativ und reißerisch, einige mit informativen und durchaus lesenswerten Analysen wie beispielsweise Hallie Rubenholds „The Five“, bei der die Opfer, deren prekäre Lebensumstände und die rigiden Moralvorstellungen der viktorianischen Gesellschaft samt der daraus folgenden Misogynie im Mittelpunkt steht. Ganz im Gegensatz zu den zahllosen Veröffentlichungen, die den Ripper-Mythos feiern und am Leben erhalten, da bis heute die Ergebnisse der Ermittlungen zwar in eine ganz bestimmte Richtung weisen, aber die Identität des Täters schlussendlich nicht zweifelsfrei geklärt ist. Obwohl…

Diese Unsicherheit, was den Täter angeht, macht sich Fleitner in seinem True-Crime-Rätselbuch „Jack the Ripper – ein Fall für Verbrechen von nebenan“ zunutze. In 10 Kapiteln, an deren Ende jeweils eine Rätselfrage steht, nimmt er seine Leser/Leserinnen mit auf Spurensuche in Whitechapel und verarbeitet die bisher bekannten Informationen der historischen Forschung in verkürzter Form. Das mag zwar interessant für diejenigen sein, die sich noch nicht eingehend mit der Thematik befasst haben und eignet sich als Einstieg. Wer allerdings neue Aspekte sucht, ist hier fehl am Platz. Aber das Buch will ja auch keine wissenschaftliche Abhandlung sondern ein unterhaltsamer Zeitvertreib sein.

Erfüllt es seinen Zweck? Die Zutaten sind einem viktorianischen Krimi angemessen. Das East End mit seinen dunklen Gässchen und den flackernden Gaslichtern, bevölkert von zwielichtigen Gestalten und heimatlosen Kindern, die der Polizei und der Journalistin Charlotte Frances Foster, die gemeinsam mit Inspector Abberline auf der Suche nach dem Ripper ist, Informationen zutragen. Prinzipiell ist das stimmig, aber was absolut nicht passt ist die Sprache, insbesondere Fleitners Bemühen, den Slang der Straßenkinder stimmig wiederzugeben. Tut mir leid, aber das ist plump und aufgesetzt.

Und was hat es mit der Qualität der Rätselfragen auf sich? Diese sind recht willkürlich und von unterschiedlicher Qualität, stehen nicht alle im Zusammenhang mit den Ripper-Morden und sind durch aufmerksames lesen und kombinieren schnell einfach zu knacken. Am interessantesten ist noch der „Wer ist Jack?“ Abschnitt am Ende, der in einer Zusammenfassung die vier Hauptverdächtigen präsentiert, wobei ich Fleitners Schlussfolgerung zwar nachvollziehbar, aber etwas gewagt finde. Da halte ich mich eher an die Forschungsergebnisse.

Alles in allem ein Spielbuch, eine Podcast Zweitverwertung, das auf den Popularitätszug dieses historischen Falls aufspringt. Eher „Ripper light“ als eine ernsthafte Auseinandersetzung mit dem Thema.

Veröffentlicht am 22.10.2023

Gute Ansätze, aber...

Hope's End
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Ein dem Verfall preisgegebenes Herrenhaus mit einer dunklen Vergangenheit. Lenora, die einzige Überlebende einer Familientragödie, die sich 1929 zugetragen hat. Die bis zum heutigen Tag ungeklärte Frage ...

Ein dem Verfall preisgegebenes Herrenhaus mit einer dunklen Vergangenheit. Lenora, die einzige Überlebende einer Familientragödie, die sich 1929 zugetragen hat. Die bis zum heutigen Tag ungeklärte Frage nach Täter oder Täterin. Kit, eine ungelernte Altenpflegerin ohne sichere Zukunft, die in ihrem neuen Job bei Lenora nicht versagen darf, auch wenn sie dafür mit dem Teufel tanzen muss. Das sind die Zutaten, aus denen Riley Sager seinen Gothic-Thriller „Hope’s End“ gestrickt hat, dessen Ähnlichkeiten mit Daphne du Mauriers „Rebecca“ vielleicht nicht beabsichtigt, aber dennoch offensichtlich sind.

Durch entsprechend intensive Beschreibungen des Settings erschafft Sager eine latent gruselige Atmosphäre, und die im ersten Drittel kaum greifbaren Personen tragen zu den zwiespältigen Gefühlen bei, die im Hinterkopf mehrmals die Frage nach deren Zuverlässigkeit aufploppen lassen.

Über allem steht natürlich die Frage nach Täter und Motiv. Läuft die Antwort tatsächlich auf Lenora hinaus, die nach diversen Schlaganfällen nur noch schriftlich mit ihrer Umwelt kommunizieren kann, aber nun an dem Punkt ist, an dem sie sich das Geschehene von der Seele schreiben will? Aber auch Kit, über deren Vergangenheit man anfangs kaum etwas weiß, ist ein interessanter Charakter. Und was ist mit ihrer Vorgängerin geschehen, die, warum auch immer, Hals über Kopf das Anwesen verlassen hat?

Lenoras Blick in die Vergangenheit und die Ereignisse in der Gegenwart wechseln sich ab, sind im Text durch unterschiedliche Schriftarten kenntlich gemacht. Aber immer wieder stellt man sich die Frage, ob sie die Wahrheit sagt und man ihren Aussagen trauen kann oder ob sie eine begnadete Lügnerin ist. Wer weiß?

Und dennoch, hier wird viel Lärm um nichts gemacht. Klischee reiht sich an Klischee, die immer unglaubwürdigere Handlung wird unnötig in die Länge gezogen, so dass man über kurz oder lang das Interesse verliert, zumal wohl auch der Autor sich in seinem Konstrukt verheddert hat. Und zu allem Überfluss werden dann auch noch übersinnliche Elemente eingearbeitet, oft ein Zeichen für den Mangel an logischen Erklärungen.

Gute Ansätze, die allerdings in der Ausarbeitung bis zum Gehtnichtmehr überstrapaziert werden und die Handlung dermaßen überfrachten, dass man aus dem Kopfschütteln gar nicht mehr herauskommt.