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Veröffentlicht am 04.11.2020

Ein wunderbares Abenteuer!

Die Romanfabrik von Paris
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Paris 1851 - Alexandre Dumas ist gefeierter Autor zahlreicher Abenteuerromane, die als Fortsetzungsgeschichten in Zeitungen erschienen. Um das erforderliche Pensum neuer Geschichten zu schaffen, hat er ...

Paris 1851 - Alexandre Dumas ist gefeierter Autor zahlreicher Abenteuerromane, die als Fortsetzungsgeschichten in Zeitungen erschienen. Um das erforderliche Pensum neuer Geschichten zu schaffen, hat er in seinem Chateau Monte Christo eine Art Romanfabrik erschaffen, in dem etliche Lohnschreiber seine Fantasien in Worte fassen. Inzwischen verfügt Dumas über eine eigene Zeitung, in der täglich u. a. seine Fortsetzungsromane erscheinen. Als in dieser Zeitung, unterzeichnet mit seinem Namen, plötzlich Staatsgeheimnisse gedruckt erscheinen, muss Dumas das Land verlassen, da ihm sonst wegen Staatsverrat die Todesstrafe droht.
Als ob das nicht schon genug wäre, hetzt ihm die Lehrerin Anna Moll, verw. Gräfin von Dorn, die Zensur auf den Hals, weil sie die Jugend durch die unsittliche Literatur gefährdet sieht. Und ausgerechnet mit Anna Moll muss sich Dumas verbünden, um seinen Hals zu retten. Eine abenteuerliche Reise durch Europa nimmt ihren Lauf.

Lange habe ich mich nicht mehr so gut unterhalten gefühlt von einem historischen Roman. Es ist ein echter Abenteuer-Schmöker, der seinem Protagonisten Alexandre Dumas alle Ehre macht.
Es gibt Verwicklungen und Verstrickungen und leider auch etwas viele Zufälle, die irgendwann in der Häufung nicht mehr plausibel erscheinen. Aber wen stört das schon, wenn es gilt, einen turbulenten und abwechslungsreichen Abenteuerroman zu lesen. Mich hat es jedenfalls nicht gestört!

Dirk Husemann hat es geschafft, die Zeit mit seiner angedeutet antiquierten Ausdrucksweise auferstehen zu lassen, ohne zu altertümlich und kompliziert zu schreiben. Es trifft für mich genau den richtigen Ton für eine Zeitreise in die Mitte des 19. Jahrhunderts.
Dabei darf man nicht denken, dass es sich hier um ein streng an die Fakten gelehntes Werk handelt. Es ist ein Roman im besten Sinne des Wortes. Die Aufklärung, wie viel Fiktion in der Story steckt, folgt im Nachwort des Buches.
Ausnahmsweise möchte ich auch das Cover loben, das wirklich traumhaft gestaltet ist. Wunderschöne Aufmachung!

Mich hat das Buch insgesamt total überzeugt. Es ist angenehm locker geschrieben und doch nicht zu anspruchslos vom Schreibstil her, sodass es auch höheren Ansprüchen genügen dürfte.

Fazit: Überzeugte Leseempfehlung für Freunde gepflegter Unterhaltung!

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Veröffentlicht am 28.07.2020

Ein tolles Buch!

Schwarzer August
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In einer beschaulichen Ecke in der Nähe der Algarve explodiert eine Autobombe direkt vor einer einsam gelegenen Bank und reißt die dortigen Schließfächer auf. Trotzdem scheint den Täter der Inhalt nicht ...

In einer beschaulichen Ecke in der Nähe der Algarve explodiert eine Autobombe direkt vor einer einsam gelegenen Bank und reißt die dortigen Schließfächer auf. Trotzdem scheint den Täter der Inhalt nicht zu interessieren. Das Team um Leander Lost nimmt die Fährte auf. Doch so richtig kommen sie nicht voran, denn der Täter ist ihnen immer einen Gedanken voraus.

Leander und Soraia sind nun also offiziell zusammen und der Austauschkommissar darf zum Glück (wenn auch erwartungsgemäß) in Fuseta bleiben. Ich gebe zu, dass mich die Lovestory weniger fasziniert hat. Die latente Spannung, die in einer zwar möglichen, aber noch nicht existierenden Beziehung liegt, wurde dadurch weggenommen. Wobei ich zunehmend den Eindruck gewann, dass Isadora, die Kriminaltechnikerin, auch Gefallen an Senhor Lexico gefunden hat und ebenfalls einer Liaison nicht abgeneigt wäre. Das wird die Zeit zeigen...

Davon abgesehen ist Gil Ribeiro wieder ein hervorragender Roman gelungen. Es handelt sich hierbei um eine bunte Mischung aus spannenden kriminalistischen Ermittlungen, etwas Lokalkolorit und hinreichend amüsanten Stellen. Leander Lost gibt durch seine Asperger-Veranlagung genügend Material zum schmunzeln.
Man kann wirklich sagen, dass Lost angekommen ist in Fuseta. Nicht nur im Ort, sondern vor allem in seinem wirklich hinreißenden Team mit Graciana Rosado, Carlos Esteves und auch Cristina Sobral. Sie alle kennen inzwischen seine Eigenheiten und wissen damit umzugehen. Vor allem kennen sie jedoch seine überragenden Fähigkeiten und wissen sie sinnvoll einzusetzen bei der Aufklärung eines Falles.
Überhaupt sind die Charaktere mir inzwischen dermaßen ans Herz gewachsen, dass ich jetzt schon dem nächsten Fuseta-Band entgegen fiebere. Sehr gut gefällt mir die Entwicklung, die vor allem Carlos in den einzelnen Bänden gemacht hat. Er war zu Beginn eher skeptisch und abweisend diesem ungewöhnlichen Alemao gegenüber und ist Buch für Buch immer mehr aufgetaut und zu seinem Freund geworden.
Nicht nur die o. g. Protagonisten begeistern jedoch, sondern auch der Kollege Miguel Duarte, seines Zeichens leicht überheblicher und überstolzer Spanier, ist so trefflich angelegt, dass man sich schon zu Beginn auf seinen Auftritt (und seine nahezu unvermeidliche Bruchlandung) freut. Und auch die Nebencharaktere sind so herausgearbeitet, dass man sie förmlich vor sich sieht. Bestes Beispiel: der kurz vor der Pensionierung stehende Kollege Luís Dias.
Was soll ich noch groß schreiben... Klare Lese-Empfehlung!
Hoffentlich wird das bald endlich mal verfilmt!

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Veröffentlicht am 13.01.2020

Geschichte zum anfassen

Der Attentäter
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Am 28.06.1914 beenden zwei Schüsse die Leben des Thronfolgers von Österreich-Ungarn, Franz Ferdinand, sowie dessen Frau, der Herzogin Sophie Chotek. Das Buch behandelt die letzte Woche vor diesem allseits ...

Am 28.06.1914 beenden zwei Schüsse die Leben des Thronfolgers von Österreich-Ungarn, Franz Ferdinand, sowie dessen Frau, der Herzogin Sophie Chotek. Das Buch behandelt die letzte Woche vor diesem allseits bekannten Attentat in Sarajevo, das lange Zeit als Auslöser des Ersten Weltkriegs gilt, was inzwischen jedoch bezweifelt werden darf. Vermutlich war es nur der Funke, der den Kriegsausbruch beschleunigte.

Aufgebaut im Stil eines Tagebuches folgt der Leser den unterschiedlichen Stationen der Geschichte. Eingeleitet wird jeder neue Tag mit originalen Zeitungsberichten aus der Zeit. Die blutjungen Attentäter um Gavrilo Princip, die perspektivlos sind und mit ihrem steten Gefühl der Unterdrückung der Serben durch die machthabenden Österreicher ideale Voraussetzungen für Radikalisierung bieten, sind von der Richtigkeit ihres Tuns absolut überzeugt. Sie wollen Serbien befreien, Volkshelden werden und unsterblich. Allesamt vom Schicksal gebeutelt und vom Umfeld belächelt und ungeliebt sehen sie ihre große Chance, allen zu zeigen, was für tolle Hechte sie tatsächlich sind. Ihren Tod nehmen sie dabei in Kauf, da sie ohnehin krank sind und nicht mehr lange zu leben haben.

Franz Ferdinand - durch seine robuste und unbeherrschte Art nicht eben beliebt beim Volk und bei Hofe - der völlig unzeitgemäß eine Liebesheirat mit Sophie Chotek einging und diese zur geplanten Reise zum Abschluss des Militärmanövers in Bosnien mitnimmt. Eine der wenigen Gelegenheiten, bei denen sie ihn überhaupt begleiten darf, da sie als nicht standesgemäße Gattin lediglich eine morganatische Ehe schließen durften. Dieser Aspekt der gegenseitigen Liebe, auch für ihre drei gemeinsamen Kinder, wird sehr schön beleuchtet. Franz Ferdinand bekommt so ein deutlich sympathischeres Antlitz als die meisten Geschichtsschreiber ihm haben zukommen lassen.

Dann gibt es noch die fiktive Figur Markovic - ein Major des Geheimdienstes, der damit beauftragt wird, unter Serben kursierende Gerüchte von einem evtl. Anschlag zu erhellen und vor allem eben jene Anschläge zu verhindern. Wir alle wissen, dass ihm das leider nicht gelingen wird.

Mir hat dieses Buch ausgesprochen gut gefallen! Eine gelungene Mischung aus Historie und Fiktion. Der stetige Wechsel der Perspektiven, der gegen Ende in gefühlt immer kürzeren Abständen erfolgt, macht es dem Leser leicht, den einzelnen Protagonisten zu folgen und annäherungsweise zu verstehen. Was einem bei den Attentätern noch recht gut gelingt stellt zumindest mich in Bezug auf die Verantwortlichen für die Sicherheit des Thronfolgerpaares vor größere Probleme. Denn trotz aller sich verdichtenden Hinweise besteht vor allem Feldzeugmeister Potiorek auf einem Besuch in Sarajevo vor reichlich jubelndem Volk - völlig die Gefahr verkennend, die sich aus einer solchen Fahrt ergibt; im offenen Fahrzeug, ohne Militär- und mit nur unzureichendem Polizeischutz.

Mit gewissen historischen Anpassungen zur Steigerung der Spannung kann ich absolut leben, zumal wenn sie nicht wirklich entscheidend für den Ausgang der Geschichte sind. So wurde die Anreise der Attentäter aus dramaturgischen Gründen in eben diese sieben Tage des Romans verlegt. Insgesamt wurden selbstverständlich die sehr gut recherchierten Fakten verwendet. Durch die Romanform bieten sich wesentlich mehr Möglichkeiten, dem Leser Geschichte näher zu bringen. Und das ist gelungen, denn spannend ist das Buch definitiv bis zum Schluss. Die Auflockerung der Story durch eine kleine Romanze des Major Markovic passt gut ins Geschehen und bietet am Ende zumindest ein ganz klein wenig Happy-End-Feeling.

Fazit: Ich habe viel gelernt! .....und es hat richtig Spaß gemacht

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Veröffentlicht am 21.10.2019

Ein echtes Talent!

Die Ewigkeit in einem Glas
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Was bin ich froh, dass diese Frau zu schreiben begonnen hat! Schon ihre beiden vorherigen Bücher haben mich rundum begeistert und mit diesem ist es kaum anders, obwohl es dieses Mal eben doch ganz anders ...

Was bin ich froh, dass diese Frau zu schreiben begonnen hat! Schon ihre beiden vorherigen Bücher haben mich rundum begeistert und mit diesem ist es kaum anders, obwohl es dieses Mal eben doch ganz anders ist. Denn zum ersten Mal versetzt Jess Kidd uns in die Vergangenheit...
Bridie Devine ist Privatdetektivin im London des Jahres 1863. Einen speziellen Auftrag erhält sie vom Hausarzt eines Adligen, dessen Tochter Christabel unter mysteriösen Umständen entführt wurde. Überhaupt ist alles um Christabel mysteriös, denn außer dem Arzt und dessen Tochter hat noch niemand der Angestellten sie je zu Gesicht bekommen. Bridie verschafft sich unerlaubten Zutritt zu ihrem Trakt und erkennt, dass diese ein ganz besonderes Kind ist und in großer Gefahr schwebt.
Bridies Kindheit verlief recht turbulent und abwechslungsreich. Das Buch wechselt immer in verschiedenen Erzählsträngen der Gegenwart des Jahres 1863 und verschiedenen Zeiten ihrer Vergangenheit, was jedoch als Kapitelüberschrift klar zu ersehen ist. Parallel verläuft die Geschichte aus Bridies Perspektive und der der Entführer. Ein Beteiligter erzählt zudem Christabel während der Flucht Märchen, die mit und mit einiges klarer erscheinen lassen.

Jess Kidd hat das Talent, Bücher zu schreiben, die man so wirklich keinem Genre zuordnen kann. Eine wundervolle Mischung aus Kriminalfall, Mystery und ein wenig Fantasy. Wobei beides nicht im Übermaß anklingt, sodass auch schlichte Krimifans noch auf ihre Kosten kommen. Es ist der gelungene Versuch, die Gratwanderung der viktorianischen englischen Gesellschaft zwischen beginnendem Fortschritt und trotzdem noch vorherrschendem Aberglauben abzubilden.
Der Roman besitzt außerordentliche Lebendigkeit, auch wenn wie gewohnt wieder einmal ein Toter mit von der Partie ist. Gerade er bringt ordentlich Schwung und auch eine gute Prise Humor in die Story.
Ich bin überhaupt kein Anhänger von Fantasy oder gar Mystery, aber Jess Kidd reißt mich bereits nach den ersten Seiten mit in die Geschichte und mir ist völlig einerlei, ob das alles realistisch ist oder nicht. Es ist einfach gut!
Genug der Worte - selbst lesen ist hier mein finaler Tipp

Veröffentlicht am 22.09.2019

Was hätte dieser Mann noch alles schreiben können...

Menschen neben dem Leben
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In diesem Roman wird das Leben verschiedener Protagonisten im Berlin der 20er Jahre beschrieben. Der Gemüsehändler Schreiber, der einen Nebenkeller an 2 Arbeitslose für 1,50 Mark die Woche als Schlafplatz ...

In diesem Roman wird das Leben verschiedener Protagonisten im Berlin der 20er Jahre beschrieben. Der Gemüsehändler Schreiber, der einen Nebenkeller an 2 Arbeitslose für 1,50 Mark die Woche als Schlafplatz vermietet; die Arbeitslosen Fundholz und Tönnchen, die sich ihren Lebensunterhalt erbetteln müssen und schließlich den jungen Arbeitslosen Grissmann.
Grissmann lebt am Rande zur Illegalität, denn seine Gedanken kreisen ständig um evtl. Chancen, zu Geld zu kommen. An anderer Leute Geld, versteht sich, durchaus auch mittels Einbruch, Raub oder Erpressung.
Fundholz hingegen hat sich mit seiner desolaten Lage abgefunden. Er träumt schon länger nicht mehr davon, aus dieser prekären Situation heraus zu finden, sondern fristet sein Leben mit Betteleien. Als ob er nicht schon wenig genug hätte, füttert er auch noch Tönnchen mit durch, der durch eine psychische Beeinträchtigung nicht mehr für sich sorgen kann.
Es gibt noch so einige Mitwirkende, die ebenfalls ihr Päckchen zu tragen haben und für den Handlungsverlauf interessant sind. Trotz ihres trüben Tagesablaufs zieht es sie abends in den Fröhlichen Waidmann, um bei Pfefferminzschnaps, Musik und Tanz dem grauen Alltag für wenige Stunden zu entfliehen, was nicht immer reibungslos vonstatten geht.
Trotz aller Entbehrungen und Tiefschläge bleibt letztlich dennoch ein Hoffnungsschimmer in den Köpfen der Protagonisten, dass es irgendwann ja auch wieder bergauf gehen muss.

Ähnlich wie das bereits zuvor erschienene Buch "Der Reisende" hat mich sein Erstwerk "Menschen neben dem Leben" begeistert. Erzählt wird aus der dritten Person und das so gekonnt, dass ich immer wieder verwundert war, dass man einen solchen Schriftsteller so lange ignorieren konnte in Deutschland. Man ist innerhalb einer Seite in der grauen Zeit der Weltwirtschaftskrise und spürt förmlich die weitgehend vorhandene Hoffnungslosigkeit der Menschen. Boschwitz verrät uns die Gedankengänge der Protagonisten, als ob er selbst bereits in ähnlichen Situationen gewesen wäre. Aus verschiedenen Blickwinkeln erzählt steuert alles auf einen Showdown im Waidmann hin, wo die Ereignisse sich quasi überschlagen.

Boschwitz Sprache hat absolut nichts antiquiertes an sich sondern könnte auch vor wenigen Jahren niedergeschrieben worden sein. An einigen Stellen war der Text sogar hochaktuell - bspw. wenn er von der Umweltbelastung des starken Verkehrs auf Berlins Straßen berichtet.
Dass ein so junger Mensch einen solch tiefen Blick auf die Gesellschaft werfen und dann auch noch derart eindrucksvoll formulieren kann, ist in meinen Augen herausragend. Als ob er gewusst hätte, dass ihm nicht viel Zeit zum schreiben vergönnt sein würde.
Was hätte dieser Mann noch alles schreiben können....