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Nilchen

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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 05.11.2022

Zu viel ist zu viel -unbedingt lesen!

Globale Überdosis
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Es stockt einem der Atem, wenn man dieses Sachbuch liest und ist konsterniert über diesen einen Stoff: Stickstoff! Einerseits ist das Leben ohne Stickstoff undenkbar, aber zu viel macht ein Gift daraus ...

Es stockt einem der Atem, wenn man dieses Sachbuch liest und ist konsterniert über diesen einen Stoff: Stickstoff! Einerseits ist das Leben ohne Stickstoff undenkbar, aber zu viel macht ein Gift daraus für uns und unsere Umwelt.
Früher war es mal eine Mangelware und musste kreativ wiedergewonnen werden, wie aus Vogelkot. Die Zeiten sind lange vorbei und das Buch erklärt uns wie es zu diesem extremen Verbrauch an Stickstoff und Einsatz als Düngemittel kam.
Vor allem erklärt dieses Sachbuch auch sehr gut wie der Stickstoff wo wirkt, also wenn z.B. Stickoxide in die Luft geblasen werden beim Autofahren mit dem Verbrennermotor und aus diesem Grund unsere niederländischen Nachbarn mittlerweile maximal 100 km/h auf der Autobahn fahren. Ein anderes Beispiel ist die Nitritbelastung des Grundwassers.
Erstaunliche Fakten werden einem serviert und wie der Stickstoff unsere Artenvielfalt kaputt macht, da genügsame Pflanzen keinen Raum mehr finden.
Positiv sind dann auch die praktischen Lösungen, die aufgezeigt werden und die politischen Anregungen, die es gibt. Wenn wir alle uns anstrengen Veränderungen herbeizuführen, dann können wir das Ruder rumreißen und die Welt gesunden lassen.
Geschrieben von Anne Preger, die von Hause aus Geoökologin ist, hat dieses Buch sehr fundiert recherchiert und dann angenehm leicht zu Papier gebracht. Sehr lesbar und vor allem: Das Wissen bleibt haften und bereichert das eigene Tun!
Fazit: Unbedingt lesen! Fahrt langsamer oder ÖPNV, iss weniger Fleisch! Auch hier auf allen Ebenen gewonnen!

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Veröffentlicht am 03.11.2022

Wind, Wetter, Schicksal

Zur See
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Klappe die dritte für Dörte Hansen. Dieses Mal nimmt sie uns mit auf eine fiktive friesische Nordseeinsel und erkunden das Innenleben und die Verletzungen der Familie Sander. Eine alteingesessene Familie, ...

Klappe die dritte für Dörte Hansen. Dieses Mal nimmt sie uns mit auf eine fiktive friesische Nordseeinsel und erkunden das Innenleben und die Verletzungen der Familie Sander. Eine alteingesessene Familie, die Jahrhunderte zur See gefahren ist und nun wie so viele andere die Richtung ihres Lebens wechseln müssen. Brüche, Veränderungen, genau das zeigt uns Dörte Hansen und was eine Heimat und deren Prägung mit uns macht. Wenn da die Tochter der Familie zwar eine Liebschaft auf dem Festland hat, aber die Insel nicht loslassen kann. Verlust an Identität und wie man mit Traumata umgeht, so schauen wir beim ältesten in die Seele, der „nur noch“ die Fähre zum Festland betreut. Der kleinste im Bunde Henrik ist nie so recht erwachsen geworden, aber mit seiner Kunst aus Treibgut hat er sich einen Namen und eine Nische erfunden. Tja und dann sind da natürlich auch die Eltern Hanne und Jens. Er mittlerweile Vogelwart um sich zu beschäftigen. Dörte Hansen lässt tief blicken.
Es ist unglaublich sprachgewaltig was Dörte Hansen hier wieder zu Papier gebracht hat. Beeindruckend wie jeder Satz am rechten Fleck sitzt, alles passt genau. Nicht zu viel, nicht zu wenig. Schon alleine der Sprache wegen ein lesenswerter Roman. Das einzige was fehlt: Plattdeutsch. Aber da ist ja so viel mehr, wenn sie das Leben und deren Veränderungen in den Blick nimmt wie die immer stärkeren und zahlreichen Stürme, der Tourismus der einige auf der Insel ernährt und auch die Fangquoten. Alles drin und doch passiert oberflächlich nicht all zu viel. Wobei, es strandet ein Wal und auch hier wieder sehr metaphorisch, wenn die alten Walfängerfamilien das Wissen verloren haben wie man solch ein Tier nutzbar auseinander nimmt.
Ja, der dritte Roman nach zwei Bestsellern. Besser oder schlechter als die anderen beiden? Weder noch, alle drei von herausragender Qualität!
Fazit: Ein klingender Roman, der nachhallt.

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Veröffentlicht am 03.11.2022

Marokko in einer neuen Zeitrechnung

Schaut, wie wir tanzen
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Leïla Slimani sagte bei einer ihrer Lesungen, dass sie nur ein Volk kennt: Ihre Leserschaft. Sie interessiert sich nicht für Religionen und erzwungene Identitäten. Das sie nicht für die marokkanische Tourismusbehörde ...

Leïla Slimani sagte bei einer ihrer Lesungen, dass sie nur ein Volk kennt: Ihre Leserschaft. Sie interessiert sich nicht für Religionen und erzwungene Identitäten. Das sie nicht für die marokkanische Tourismusbehörde arbeitet wird deutlich. Sie hat sich wieder ganz ihren Figuren verschrieben in dem zweiten Teil ihrer Trilogie „Schaut, wie wir tanzen“. Den Schutzumschlag ziert übrigens ein Foto aus ihrer privaten Sammlung.
Dieses Mal beleuchtet Leïla Slimani das Leben von Aїcha, der Tochter von Mathilde und Amine, deren Leben stand im ersten Band „Das Land der Anderen“ im Fokus. Es setzt im Jahr 1968 ein und beleuchtet dann anhand Aїchas Leben die 60er und 70er Jahre im postkolonialen Marokko. Es verzahnt auf eine großartige Weise die politischen und soziologischen Dynamiken zur damaligen Zeit in Marokko. Es spiegelt in der Familienkonstellation mit seinen Figuren die verschiedenen Ebenen wieder. Aїcha kommt aus Strasbourg zurück nach ihrem Medizinstudium und muss sich als Gynäkologin in einem männerdominierten Beruf behaupten und trifft den smarten Ökonomen Mehdi Daoud, der auch Karl Marx genannt wird. Sie heiraten 1972 und der zweite Job einer Mutter kommt on top. Ihr Bruder Selim entzieht sich den Erwartungen der Eltern und flieht nach Essaouira, die Hippikommune am Strand in der wilden Natur und entflieht dem Land dann komplett.
Es ist eine leichte und flüssige Lektüre in bester Prosa gegossen. Mir hat das Buch viel Freude beim Lesen bereitet, weil es mich bereichert hat und mir die historischen Gegebenheiten in Marokko deutlicher gemacht hat. Leïla Slimani arbeitet gekonnt die Gegensätze heraus: Arm vs reich, Bildungsniveaus und natürlich Fortschritt vs Tradition. Natürlich sollte man vorher schon „Das Land der Anderen“ gelesen haben um die Familie zu kennen, aber es ist auch alleinstehend lesbar. Übrigens bestens aus dem Französischen von Amelie Thoma übersetzt.
Da dieser zweite Teil sehr neugierig macht wie es in den nächsten Jahrzehnten weitergeht, bin ich nun natürlich auf Band 3 gespannt!

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Veröffentlicht am 01.11.2022

Charakterstark!

Eine Frage der Chemie
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Der Roman um die starke Feministin Elisabeth Zott spielt zu Beginn der 60er Jahre, könnte aber sich aber in so mancher Hinsicht noch heute so abspielen. Großartig inszeniert die Autorin Bonnie Garmus die ...

Der Roman um die starke Feministin Elisabeth Zott spielt zu Beginn der 60er Jahre, könnte aber sich aber in so mancher Hinsicht noch heute so abspielen. Großartig inszeniert die Autorin Bonnie Garmus die Inkompetenz und die vermeintliche Überlegenheit der Männer. Gar muten viele Szenen und flotte Wortwechsel wie eine gelungene französische Komödie. Witzig mit Augenzwinkern, aber doch in der Kritik ernst gemeint.
„Kein Wunder. Idioten schaffen es in jedes Unternehmen. Sie können sich in Bewerbungsgesprächen meist einfach gut verkaufen.“ (S. 139)

Wir begleiten Elisabeth Zott durch ihr Leben mit all ihren Höhen und Tiefen. Die Chemikerin, die um einiges intelligenter ist als viele ihrer Kollegen und Vorgesetzen, spricht die Wahrheiten aus wie sie sind ohne auf die Konsequenzen zu achten und verbrennt sich dabei so manches Mal die Finger, aber steht immer wieder mit erhobenem Haupte auf. Wir verfolgen die Geschichte von der Seitenlinie und hoffen immer auf ein Happy End.
»Ich meine, durch künstliche kulturelle und religiöse Normen, die Männer in die extrem unnatürliche Rolle einer allein auf ihrem Geschlecht basierenden Führungsposition gedrängt haben. Schon ein simples Verständnis der Chemie macht die Gefahr einer solch einseitigen Betrachtungsweise deutlich.« (S 391)

Ein Buch voller spritzigem Witz, genialen Dialogen und einfach eine gute Geschichte. Selten habe ich mich so gut unterhalten gefühlt mit gesellschaftlichem Anspruch! Man sieht Elisabeth Zott förmlich vor sich wie sie mit ihrer Intelligenz und ihrer Unerschrockenheit durch reinste Logik die Männer in Verlegenheit bringt und das System wackelt.

„Genial zu sein ist eine Sache, aber genial zu sein, ohne gefördert zu werden - das war etwas völlig anderes. Wenn Mozart in einer armen Familie in Bombay zur Welt gekommen wäre statt in einer kultivierten in Salzburg, hätte er dann je die Sinfonie Nr. 36 in C-Dur komponiert? Ausgeschlossen.“ (S. 49)

Unbedingt lesen – zu gut um es zu verpassen!

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Veröffentlicht am 20.10.2022

Manege auf!

Das neue Zuhause
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Wer ein unaufgeregtes Vorlesebuch sucht, dass für Vorschüler:innen geeignet ist, wird bei den Petrellis fündig. Die Zirkusfamilie erbt eine Villa und zieht vom engen Zirkuswohnwagen in eine biedere Nachbarschaft. ...

Wer ein unaufgeregtes Vorlesebuch sucht, dass für Vorschüler:innen geeignet ist, wird bei den Petrellis fündig. Die Zirkusfamilie erbt eine Villa und zieht vom engen Zirkuswohnwagen in eine biedere Nachbarschaft. Aber Familie Petrelli wäre keine Zirkusfamilie, wenn sie nicht vieles mit Humor nehmen könnten und vor allem immer gut improvisieren könnte und vor allem: alle so nehmen wie sie sind. Da liegt die große Stärke in diesem doch recht unaufgeregten Kinderbuch. Im Grunde geht es um das Fremde, dass einem Nahe kommt und man diesem eher mit Neugier als mit Abstoß begegnen sollte.
Im Mittelpunkt stehen dabei Jonas, der die Nachmittage bei seinem Großvater verbringt und deren neue Nachbarn, die Petrellis. Eignet sich besonders gut für Vorschüler:innen, denn es klingt so manches Mal an, dass Jonas bald in die Schule kommt genauso wie Elisa Petrelli.
Nett zum Vorlesen und reichlich bunt und schön bebildert von Christian & Fabian Jeremies. Ich war ja in der Tat schockverliebt in die tollen Illustrationen und wirklich super wie zahlreich und passend sie sind. Der Text ist gut strukturiert und hat auch eine gewisse Vokabularbreite was ich bei Vorschul-Vorlesebüchern immer sehr gut finde. Hier hat Maren von Klitzing sehr gute Arbeit geleistet!
Es ist ein Auftaktband und wird im kommenden Jahr (2023) mit der Einschulung von Jonas und Elisa weitergeführt!

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