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Veröffentlicht am 01.03.2019

Graue Nächte

Graue Nächte
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Der isländische Autor Indridason bleibt seinem Stil treu und wie bei seiner Krimireihe um Kommissar Erlendur geht es auch hier ruhig, düster und melancholisch zu. Der Titel ,,Graue Nächte“ passt außerordentlich ...

Der isländische Autor Indridason bleibt seinem Stil treu und wie bei seiner Krimireihe um Kommissar Erlendur geht es auch hier ruhig, düster und melancholisch zu. Der Titel ,,Graue Nächte“ passt außerordentlich gut zur Stimmung des Kriminalromans.
Wie schon der vorige Band ,,Der Reisende“ spielt auch dieser Band zur Zeit des 2. Weltkrieges in Island. Im Frühling 1943 ist Island von britischen und amerikanischen Truppen besetzt. Dies prägt die abgelegene Insel und die bis dahin eher ländliche Bevölkerung. Während die strategische Lage der Insel für die Soldaten sehr von Vorteil ist, werden die Bewohner und ihre Sprache von den Besatzern nur verächtlich belächelt. Allerdings verändert sich durch die Besatzungstruppen das Leben vieler Isländer. Insbesondere die Frauen, aber auch junge Männer finden in den Bars und Kneipen, in denen auch die Soldaten verkehren, schnell Kontakt.
Als ein junger Mann grausam mit einer Flasche ermordet hinter einer Soldatenkneipe aufgefunden wird, stellt sich schnell heraus, dass er im Homosexuellen-Milieu verkehrte.
Kurz darauf wird ein Mann ertrunken im Meer aufgefunden. Alles spricht für Selbstmord, wenn da nicht eine winzige Einstichstelle an der Wirbelsäule wäre. Nach und nach verweben sich die Handlungsstränge zu einem logischen Ganzen, in dem auch der Nationalsozialismus und sein Gedankengut in Island Auswirkungen zeigen.
Als Ermittler werden wie im vorigen Band der junge Flóvent von der Reykjaviker Polizei und der kanadische Soldat Thorson, der isländische Wurzeln hat und die Sprache fließend spricht, eingesetzt. Die beiden vertrauen sich und arbeiten gut zusammen, allerdings erfährt man relativ wenig über das Privatleben der beiden Männer. Wie schon in ,,Der Reisende“ dürften die beiden noch mehr Charakter und Eigenleben entwickeln.
Die Handlung wird häufig durch lange Dialoge, teils mit Wiederholungen wiedergegeben, was der Spannung leider etwas abträglich ist. ,,Graue Nächte“ ist empfehlens- und lesenswert, wenn man sich für die jüngere Geschichte Islands interessiert und mit dem melancholisch-schweren Grundton des Autors gut zurecht kommt.

Veröffentlicht am 26.01.2019

Die Hoffnung der Überlebenden

Der Hunger der Lebenden (Friederike Matthée ermittelt 2)
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Der 2. Fall für Friederike Matthée, die bei der Weiblichen Polizei in Köln arbeitet, spielt im heißen Sommer 1947. Die Stadt ist nach wie vor vom Krieg gezeichnet, Hunger plagt einen Großteil der Bevölkerung. ...



Der 2. Fall für Friederike Matthée, die bei der Weiblichen Polizei in Köln arbeitet, spielt im heißen Sommer 1947. Die Stadt ist nach wie vor vom Krieg gezeichnet, Hunger plagt einen Großteil der Bevölkerung. Doch so langsam erwacht auch der Lebenshunger der Menschen wieder, man geht zum Tanzen, ins Kino. So ergeht es auch Friederike, die zwar inzwischen mit ihrer Mutter in einer Schrebergartensiedlung etwas außerhalb der Stadt eine Unterkunft gefunden hat und auch ihre Stellung bei der Weiblichen Polizei etwas gefestigt hat. Doch auch sie sehnt sich nach mehr, denkt noch über ein Kunststudium nach, hat endlich eine Verabredung mit einem jungen Mann. Doch in Gedanken ist sie immer wieder bei Richard Davies, Lieutenant der Royal Military Police, mit dem sie im Winter eng zusammengearbeitet und in den sie sich verliebt hat. Doch Davies ist nach England zurückgekehrt und hat seitdem nichts mehr von sich hören lassen.
Als Friederike den Mord an der schönen Ilse Röder, einer früheren Kollegin, untersucht, ist die Täterin scheinbar schnell gefunden. Eine junge Herumtreiberin, Franziska Wagner, wurde mit der Tatwaffe in der Hand beim Opfer gefunden. Als dann auch noch herauskommt, dass Ilse Röder während der Zeit des Nationalsozialismus für die Einweisung von jungen Mädchen in ein polizeiliches Jugendschutzlager mitverantwortlich war und Franziska von Röder dort hingeschickt worden war, steht die junge Herumtreiberin als Mörderin fest. Nur Friederike Matthée hat Mitleid mit der jungen Frau und findet bei der Befragung auch einen Draht zu ihr.
Auch Richard Davies kehrt nach Köln zurück. Die drei Leichen einer gegen Ende des Krieges verschwundenen Besatzung eines Kampfflugzeugs wurden in einem Waldstück verscharrt gefunden – sie wurden offenbar erschlagen. Er fordert Friederike Matthée erneut als Unterstützung an.
Doch ihr Wiedersehen steht zunächst unter keinem guten Stern. Zu viele Hoffnungen, Ängste und zu viel Unausgesprochenes stehen zwischen den beiden. Als dann auch noch Friederikes verschollener Bruder auftaucht, der in der Wehrmacht gekämpft hat, reißen alte Wunden auf.

Der Kriminalfall selbst ist zwar spannend, steht für mich aber gar nicht so sehr im Vordergrund. Überzeugen kann der Roman vielmehr durch die eindrückliche Schilderung des historischen Hintergrunds. Das Leben der Menschen, die den Krieg überlebt und nun unter Hunger zu leiden haben, aber auch das Fortbestehen alter Machtstrukturen sowie verdrängte Verantwortung und Schuld werden anschaulich und authentisch geschildert.
Friederike in ihrer Sensibilität, aber auch ihrem Willen, für Gerechtigkeit zu kämpfen, fand ich interessant und überzeugend charakterisiert.
Ein lesenwerter Krimi, wenn man sich für Zeitgeschichte interessiert.

Veröffentlicht am 16.01.2019

Interessante Kommissarin

Doggerland. Fehltritt (Ein Doggerland-Krimi 1)
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Fehltritt - welche ein passender Titel für dieses Buch! Denn nicht nur Kommissarin Karen Eiken Hornby, fast fünfzig, realisiert gleich auf der allerersten Seite des Krimis einen für sie besonders unangenehmen ...



Fehltritt - welche ein passender Titel für dieses Buch! Denn nicht nur Kommissarin Karen Eiken Hornby, fast fünfzig, realisiert gleich auf der allerersten Seite des Krimis einen für sie besonders unangenehmen Fehltritt. Wacht sie doch am Morgen nach dem großen Austernfest betrunken neben ihrem arroganten Chef in einem Hotelzimmer auf. Diese Szene und die anschließende ,,Flucht" aus dem Hotelzimmer liest sich äußerst witzig und amüsant. Endlich mal ein Krimi, der nicht mit einem grausamen und blutigen Prolog beginnt.
Auf ihrer Fahrt nach Hause erkennt Karen beim Vorbeifahren Susanne Smeed, die Ex-Frau ihres Chefs, wie sie gerade von einem morgendlichen Bad im Meer ins Haus zurückgeht.
Noch am selben Tag wird Susanne Smeed brutal in ihrem Haus erschlagen. Zu den Verdächtigen zählen in erster Linie natürlich ihr Ex-Mann. So soll nun Karen den Fall übernehmen. Dies ist zwar äußerst unangenehm, da sie nun gegen ihren eigenen Chef ermitteln muss und eigentlich nur sie selbst ihm - zumindest für die Nacht - ein Alibi geben
kann. Andererseits kann Karen ihren männlichen Kollegen nun endlich beweisen, was sie kann. Ihre Recherchen führen sie in die Kindheit und Jugend des Mordopfers. Susanne kam in einer Art Aussteiger-Kommune zur Welt. Ist der Täter in diesem Umfeld zu suchen? Auch in der Vergangenheit spielten Fehltritte diverser Personen eine große Rolle und wirken bis heute nach. Die ausführliche Schilderung dieser Verwicklungen nimmt dem Krimi leider etwas Spannung und Dynamik.

Die Handlung spielt hauptsächlich auf der fiktiven Inselgruppe Doggerland, zwischen Großbritannien, den Niederlanden und Dänemark gelegen. Geprägt durch die verschiedenen Nationen, die sich dort ansiedelten, die Insellage und das raue Nordseeklima entsteht so eine ganz eigene, noch unverbrauchte, jedoch deutlich skandinavisch geprägte Atmosphäre.
Besonders gut gefallen hat mir Kommissarin Karen Eiken Hornby in ihrer sehr direkten und kompromisslosen Art. Erst nach und nach erfährt man von ihrer schweren Bürde, was den Krimi noch einmal menschlicher und interessanter wirken lässt.

Veröffentlicht am 03.01.2019

Ein echter Neuhaus-Schmöker

Muttertag (Ein Bodenstein-Kirchhoff-Krimi 9)
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Als im Wohnhaus einer stillgelegten Fabrik die stark verweste Leiche des ehemaligen Betreibers des Werks, Theodor Reifenrath, gefunden wird, stellen Kriminalhauptkommissarin Pia Sander und ihre Kollegen ...


Als im Wohnhaus einer stillgelegten Fabrik die stark verweste Leiche des ehemaligen Betreibers des Werks, Theodor Reifenrath, gefunden wird, stellen Kriminalhauptkommissarin Pia Sander und ihre Kollegen bald fest, dass der alte Mann keines natürlichen Todes gestorben ist. Außerdem finden sie den Hund halb verhungert, eingesperrt in einem Hundezwinger, obwohl Reifenrath den Hund immer bei sich im Haus hatte. Im Hundezwinger finden sie durch einen Zufall Knochen: menschliche Knochen! Drei Frauenleichen wurden unter dem Hundezwinger verscharrt. Sind sie die Opfer Theo Reifenraths geworden? Der alte Mann lebte seit dem Selbstmord seiner Frau Rita vor zwanzig Jahren sehr zurückgezogen. War er ein Serienmörder? Schon vor zwanzig Jahren gab es einige Zweifel daran, dass sich seine Frau wirklich selbst umgebracht haben könnte. Doch ihre Leiche wurde bisher nicht gefunden.
Bei ihren Ermittlungen stößt die Polizei auf immer weitere, ausnahmslos weibliche Opfer, die alle am Muttertag verschwanden. Bald sind Pia und ihre Kollegen überzeugt, dass der Täter noch lebt und weitere Opfer sucht. Und der nächste Muttertag naht!
Wie bei der Pia Sander/ Oliver von Bodenstein-Reihe üblich, gibt es zahlreiche private Verwicklungen, wie z.B. die Beziehung zwischen Pias Schwester Kim und ihrer Chefin Kriminaldirektorin Nicola Engel. Für Neueinsteiger könnte dies etwas unübersichtlich wirken, für treue Leser der Reihe ist es eine interessante Nebenhandlung.
Insgesamt ist dieser Fall allerdings etwas überfrachtet mit zahllosen Opfern und ebenso zahlreichen Verdächtigen, sodass man zwischendurch fast den Überblick verliert. Immer wieder landen die Ermittlungen in einer Sackgasse und es treten neue Verdächtige auf, was teilweise der Spannung etwas abträglich ist. Gegen Ende gibt es allerdings eine deutliche Wendung, was zu viel Dynamik und purer Action führt.
Ein geschickt konstruierter Fall, für den man zwischendurch allerdings etwas Geduld und langen Atem aufbringen muss. Für Neuhaus-Fans allerdings unbedingt empfehlenswert!

Veröffentlicht am 05.12.2018

Der traurige Kommissar

Commissaris van Leeuwen und der Engel des Todes
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Commissaris Bruno van Leeuwen trauert. Vor einiger Zeit ist seine Frau gestorben, mit der ihn eine tiefe, innige Beziehung verband. Doch verlassen hatte sie ihn im Grunde schon vor Jahren, als sie an ...


Commissaris Bruno van Leeuwen trauert. Vor einiger Zeit ist seine Frau gestorben, mit der ihn eine tiefe, innige Beziehung verband. Doch verlassen hatte sie ihn im Grunde schon vor Jahren, als sie an Demenz erkrankte und sich an immer weniger erinnern und ihn am Ende nicht einmal mehr erkennen konnte.
Da van Leeuwen zu Hause nicht schlafen kann, spaziert er des Nachts durch Amsterdam oder findet hin und wieder für ein paar wenige Stunden Schlaf – in der Bahnhofshalle. Bei einem seiner Gänge findet er einen jungen Mann tot in einer Gasse. Obwohl nichts auf einen gewaltsamen Tod hindeutet, beschleicht van Leeuwen ein Verdacht, der sich bei der von ihm angeordneten Autopsie auch bestätigt. Der junge Mann wurde mit einer Plastiktüte erstickt! Die Nachforschungen ergeben, dass der Mann als Lehrer mit sehr schwierigen Schülern gearbeitet hat und vor kurzem ein Film ins Internet gestellt wurde, der ihn in einer kompromittierenden Situation zeigt. Seine Lebensgefährtin gibt an, dass er schwer depressiv und suizidgefährdet gewesen sei. Hat er womöglich seinen eigenen Mörder angeheuert?
Als kurz darauf eine weitere Tote gefunden wird, eine schwer krebskranke Frau, ebenso mit einer Plastiktüte erstickt, weiß van Leeuwen, dass er es mit einem Serienmörder zu tun hat.
Die Sprache ist ungewöhnlich poetisch für einen Krimi. Selbst ein Besuch des Kommissars in der Pathologie wird anschaulich, aber eher lyrisch und metaphernreich als gruselig geschildert. Die Gedankengänge van Leeuwens oder so mancher Dialog scheinen teils philosophischer Natur zu sein. Unaufdringliche Vor- oder Rückblenden steigern zum Ende hin Dynamik und Spannung des ansonsten eher ruhigeren Krimis.
Die Reihe um Bruno van Leeuwen startete schon 2007, wurde aber neu aufgelegt, was sich meiner Meinung nach auf jeden Fall gelohnt hat!