Profilbild von clematis

clematis

Lesejury Star
offline

clematis ist Mitglied der Lesejury

Melde dich in der Lesejury an, um dich mit clematis über deine Lieblingsbücher auszutauschen.

Anmelden

Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 20.09.2022

Unter der Sonne

Zitronensommertage
0

Du kannst den Weg ändern, den du gehst. (kindle, Pos. 2464)

Mental schwer angeschlagen flieht Núria zu ihren Großeltern an die Costa Brava. Sommer, Sonne und Meer werden ihr hoffentlich einen klaren Kopf ...

Du kannst den Weg ändern, den du gehst. (kindle, Pos. 2464)

Mental schwer angeschlagen flieht Núria zu ihren Großeltern an die Costa Brava. Sommer, Sonne und Meer werden ihr hoffentlich einen klaren Kopf und Abstand verschaffen von der Vergangenheit, welche sie nicht loslässt. Aber so einfach, wie gedacht, funktioniert das dann doch nicht. Noch dazu, wenn der kauzige Nachbar mit seiner üblen Laune nervt. Allein seine junge Hündin Petita lässt bei Núria Freude aufkommen.

Wer Karin Lindberg bereits kennt, ahnt, was ihn erwartet, alle anderen sollten es einfach einmal ausprobieren: bei diesen Liebesgeschichten ist natürlich so manches vorhersehbar, aber immer wieder verpackt die sympathische Autorin spezielle tiefgründige Themen in ihre Romane, sodass keiner dem anderen gleicht. Diesmal begleiten wir Núria in ein spanisches Küstenstädchen, probieren Matcha Latte mit Mandelmilch aus und Yoga am Stand-up-paddle-board. Auch wenn anfangs einige Ernährungstraditionen und andere Gewohnheiten gefühlt mit erhobenem Zeigefinger erwähnt werden, so soll das nicht abschrecken, sondern nur Unterschiede und mögliche Konfliktursachen aufzeigen, welche sich mitunter ergeben können.

Sowohl die Figuren als auch der landschaftliche Rahmen sind wiederum detailliert und bildhaft dargestellt. Insbesondere Núrias Großvater darf ich erwähnen, der zwar selten auftritt und wenig spricht, dafür aber umso Wichtigeres zu sagen hat. Die Handlung hält sehr unterschiedliche Themenbereiche bereit und regt da und dort zum Nachdenken an. Traurige Szenen wie frühes Sterben und lustige Episoden mit dem „Findelhund“ Petita halten einender die Waage, sodass Verzagen und Hoffen, Betrübnis und Spaß wie auch im realen Leben ineinanderfließen.

Núria durchlebt bewegende Tage an der Costa Brava und findet (nicht nur am Board auf den sanften Wellen des Meeres) ihr Gleichgewicht wieder und beschert damit gleichermaßen dem Leser wunderbare Stunden, welche nicht nur Unterhaltung, sondern auch Zuversicht für weniger gute Zeiten bieten.



Titel Zitronensommertage

Autor Karin Lindberg

ISBN 978-2-4967-1101-1

Sprache Deutsch

Ausgabe Taschenbuch, 348 Seiten, ebenfalls erhältlich als ebook

Erscheinungsdatum 13. September 2022

Verlag Tinte & Feder

Veröffentlicht am 17.09.2022

Ein Dorf schweigt

Als der Wind die Wellen rief
0

„Ich bin voller Gedanken und wer so viele Gedanken hat, kann nicht dumm sein.“ (Rosie, kindle Pos. 888)



Orla Donovan ist verlobt und soll ihren Umzug nach Frankreich vorbereiten. Allerdings muss sie ...

„Ich bin voller Gedanken und wer so viele Gedanken hat, kann nicht dumm sein.“ (Rosie, kindle Pos. 888)



Orla Donovan ist verlobt und soll ihren Umzug nach Frankreich vorbereiten. Allerdings muss sie sich erst einmal um ihren autistischen Bruder Kieran kümmern, während ihre Mutter im Krankenhaus liegt. Aus dem pulsierenden Dublin zurück im bodenständigen Heimatdorf Saltmore am südwestlichen Ende Irlands, lernt sie Seàn Gallagher kennen. Er renoviert den alten Leuchtturm, hilft dazwischen im Pub und hat sich mit Kieran angefreundet. Orla findet den Fremden auf Anhieb sympathisch und spürt bald eine gewisse Vertrautheit. Aber irgendein Geheimnis umgibt den geschickten Handwerker, der kaum etwas aus seiner Vergangenheit preisgibt.

Josephine Cantrell stellt ihrem wunderbaren Roman ein informatives Vorwort voran, was ich ausgesprochen gut und interessant finde. Hier spricht sie zwei wichtige Kernthemen an, nämlich die Autismus-Spektrum-Störung und die Irish Travellers, zwei Schwerpunkte, welche außergewöhnliche, eher selten dargestellte Fragen aufgreifen.

Hinter dem überaus ansprechenden Titelbild verbirgt sich nun eine sehr berührende Erzählung, welche in zwei Zeitebenen gegliedert ist. Im Jetzt wird aus Orlas Sicht erzählt, im Jahre 1997 kommt Rosie aus dem Volk der Fahrenden in der Ich-Form zu Wort. Im Präsens schildert sie ihr Verständnis von Heimat ohne festen Wohnsitz, die Annehmlichkeiten der Freiheit, aber auch die Schwierigkeiten mit den Vorurteilen über Ihresgleichen. All das wird präsentiert vor der rauen Küste Irlands, vor den steilen Felsen und Klippen der Grafschaft Kerry, welche nicht passender sein könnte für diesen Roman. Die schroffe Schönheit der Landschaft und vielfach überlieferte Mythen untermalen die ungewöhnliche Geschichte Orlas.

Ruhig und bildhaft fließen die Sätze aus Cantrells Feder, füllen Kapitel um Kapitel und nehmen den Leser mit auf eine spannende Reise in fremde Gefilde und widerstreitende Gefühle. Unglaublich, wie es die Autorin zustande bringt, den Einklang von Mensch und Natur so exzellent abzubilden, insbesondere, als irische Begriffe eingeflochten werden, welche für das Flüstern der Steine im Meer stehen oder das Funkeln auf den Wellen der weiten See. Auf diese Art und Weise gelingt dem Leser ein vollkommenes Eintauchen in dieses wundervolle Schauspiel rund um ein Unglück 1997 und die Wahrheit, welche langsam, Stück für Stück, im aktuellen Handlungsverlauf ans Licht tritt. Wird der dichte Mantel des Schweigens gelüftet? Oder ist Schweigen immer noch Gold?

Ich kann nur jedem empfehlen, das Geheimnis des Windes zu ergründen, welcher vielleicht alles mit angesehen hat. Dieser Roman bewegt jedenfalls weit über seine letzte Seite hinaus!



Titel Als der Wind die Wellen rief

Autor Josephine Cantrell

ISBN 978-2-4967-1138-7

Sprache Deutsch

Ausgabe Taschenbuch, 395 Seiten

ebenfalls erhältlich als e-book

Erscheinungsdatum 20. September 2022

Verlag Tinte & Feder

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 15.09.2022

Wunderbare Zukunft?

Freiheitsgeld
0

Deutschlands Bundeskanzler und EU-Präsident a.D. Robert Havelock lebt im Jahre 2064 in einer sogenannten Gated Community. Dreißig Jahre zuvor hat er das Freiheitsgeld (ehemals Bedingungsloses Grundeinkommen) ...

Deutschlands Bundeskanzler und EU-Präsident a.D. Robert Havelock lebt im Jahre 2064 in einer sogenannten Gated Community. Dreißig Jahre zuvor hat er das Freiheitsgeld (ehemals Bedingungsloses Grundeinkommen) eingeführt und soll demnächst bei der Jubiläumsfeier eine Rede halten. Doch bevor es dazu kommt, wird er leblos im Badezimmer aufgefunden, ein Freitod-Set am Waschbecken. Der junge Polizist Ahmad Müller aus der Abteilung G vermutet ein Gewaltverbrechen, hat aber praktisch keine Möglichkeit, hinter den Mauern der Reichen zu ermitteln.

Fesselnd, erschreckend, dystopisch – so präsentiert Andreas Eschbach diese gar nicht unrealistische Romanhandlung. Roboter übernehmen viele Arbeiten, der Mensch hat nicht viel, aber mit dem monatlichen Freiheitsgeld ausreichend, um zu überleben. Wer nach mehr strebt, kann einer bezahlten Erwerbstätigkeit nachgehen. Kommunikation, Bestellungen und Zahlvorgänge, Ausweissammlung, Türöffner, alles läuft über einen Pod, den man immer bei sich trägt. Längst an die vermeintlichen Vorteile dieses Systems gewöhnt, denkt niemand an Überwachung, Macht und Kontrolle.

Mit interessanten Szenarien und glaubwürdigen Charakteren bildet der Autor eine durchaus vorstellbare Welt in unserer Zukunft ab. Was kostet Bequemlichkeit, was bedeutet Freiheit? Woher kommt das regelmäßige Einkommen ohne Leistung? Gibt es andere Möglichkeiten, wenn durch Roboter Arbeitsplätze verloren gehen oder handelt es sich bloß um Umstrukturierung? Muss sich der Mensch nur neu orientieren? Viele Fragen um moderne Lebensstile, Ethik und Moral werden aufgeworfen und regen zum Nachdenken an, wie wir die vor uns liegenden Jahrzehnte gestalten wollen. Unterschiedlichste Existenzen werden vorgestellt, mit welcher kann man sich am ehesten identifizieren? Ist es der Drogenabhängige, der allein vom Freiheitsgeld lebt und in einer kleinen Wohnung sitzt oder der Familienvater, der keinen qualifizierten Arbeitsplatz findet, der strenge Steuerfahnder, welcher für Recht und Ordnung sorgt oder der Angepasste, der ungewöhnliche Aufträge akzeptiert, um sich ein luxuriöses Leben in einer Gated Community leisten zu können?

Von unterschiedlichen Seiten und Lebensentwürfen beleuchtet Eschbach die 2060er-Jahre und zeigt diverse Facetten, welche die Automatisierung bieten kann. Vor dieser Kulisse gibt es noch einen spannenden Krimi, bei dem die zuständigen Ermittler nicht gerade gefördert werden in ihrem Tun. Von höchster Stelle werden Ahmad Müller und seine Kollegen zurückgepfiffen, wodurch seine Neugier natürlich erst recht geweckt wird.

Ein flüssiger Schreibstil, interessante, manchmal erstrebenswerte, manchmal beängstigende Szenen lassen dieses Buch zu einer wahren Hochschaubahn der Gefühle werden. Sieht so unser künftiges Leben aus? Viel zum Nachdenken, welchen Einfluss jeder Einzelne von uns hat, Reflektieren, ob Entscheidungen von gestern heute noch ihre Berechtigung haben oder überarbeitet werden sollen. Lesevergnügen und Bewusstsein für Verantwortung – das findet man in ansprechender Form bei Andreas Eschbach. Ich empfehle „Freiheitsgeld“ jedenfalls gerne weiter.



Titel Freiheitsgeld

Autor Andreas Eschbach

ISBN 978-3-7857-2812-3

Sprache Deutsch

Ausgabe Gebundenes Buch, 528 Seiten

ebenfalls erhältlich als e-book und Hörbuch

Erscheinungsdatum 26. August 2022

Verlag Lübbe

Veröffentlicht am 07.09.2022

Zerrissen

Der Sturm
0

Zwölf Jahre nach einem schrecklichen Unglück kommt Kieran mit Frau und Tochter zurück nach Tasmanien. Inzwischen ist sein Vater krank und seine Mutter in sich zurückgezogen. Kieran plagt auch jetzt noch ...

Zwölf Jahre nach einem schrecklichen Unglück kommt Kieran mit Frau und Tochter zurück nach Tasmanien. Inzwischen ist sein Vater krank und seine Mutter in sich zurückgezogen. Kieran plagt auch jetzt noch das schlechte Gewissen, am Tod seines Bruders Finn und dessen Freund Toby schuld zu sein. Nun liegt plötzlich eine Tote am Strand, wenige Tage nach seiner Rückkehr. Gibt es einen Zusammenhang mit den damaligen Ereignissen, und wenn ja, welche?

Ein Prolog, der irgendwann wiederkehrt wie ein Schicksal, das sich nicht abstreifen lässt. Geschickt verwebt Jane Harper das Jetzt mit der Vergangenheit und lässt immer wieder frühere Episoden nahtlos in die aktuelle Handlung einfließen. Unaufhaltsam wie das Wasser, das sich seinen Weg sucht und findet, bahnen sich Gedanken und Erinnerungen in Kierans Gedächtnis. Ruhig, fast ein wenig kühl und distanziert, liest sich Harpers Thriller, dessen Stärke genau darin besteht: ohne Ausschweifungen, ohne schmückendes Beiwerk erzählt die Autorin Kierans Heimkehr, die Schreibweise spiegelt perfekt die Kühle und Düsternis wider, welche auch mehr als ein Jahrzehnt später das Küstenstädtchen überschattet, auch wenn man vergessen möchte.

Nicht so sehr Hochspannung mit Gänsehautfaktor sind hier das Entscheidende, sondern die nagenden Gefühle von Schuld und Versagen. Kieran fühlt sich immer noch als der leichtsinnige Junge, der seinen älteren Bruder in Gefahr – und somit in den Tod – getrieben hat. Und er spürt, dass die anderen ihn genauso sehen – als Täter, der seinen Eltern den Sohn geraubt, einem kleinen Buben den Vater genommen hat.

Wenige Charaktere stehen nach dem Ende der Hauptsaison im Mittelpunkt um die Suche nach dem Mörder der Toten vom Strand. Eine gewissenhafte Polizistin stellt viele Fragen. Plötzlich erscheint der Sturm zwölf Jahre zuvor wie ein Unglück von gestern. Die Vergangenheit holt Evelyn Bay wieder ein.

Fazit: ein überaus gelungener Spannungsroman über Schuld und Verzweiflung, über zerbrochene Familien und eine atemberaubende, wilde und gefährliche Kulisse, wenn die Sonne untergeht und die Wellen unbezähmbar werden.



Titel Der Sturm

Autor Jane Harper

ISBN 978-3-352-00968-6

Sprache Deutsch

Ausgabe Gebundenes Buch, 396 Seiten

ebenfalls erhältlich als ebook und Hörbuch

Erscheinungsdatum 20. September 2022

Verlag Rütten & Loening

Originaltitel The Survivors

Übersetzer Matthias Frings

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 04.09.2022

#inkürzetot

Stille blutet
0

In Kürze tot aufgefunden werden soll die junge Nachrichtensprecherin Nadine Just, welche diese Ankündigung selbst vom Teleprompter abliest. Zwei Stunden später bewahrheitet sich diese Aussage, ihr Ex-Freund ...

In Kürze tot aufgefunden werden soll die junge Nachrichtensprecherin Nadine Just, welche diese Ankündigung selbst vom Teleprompter abliest. Zwei Stunden später bewahrheitet sich diese Aussage, ihr Ex-Freund Tibor Glaser findet sie ermordet in ihrer Garderobe auf. Weitere Tote aus der Medienszene tauchen auf und die Mordgruppe Wien ermittelt gegen den ausgefuchsten Werbefachmann Glaser, um den sich die Indizien immer mehr erhärten.

Gewohnt spannend, aber weitgehend ohne blutrünstige Details, präsentiert Ursula Poznanski diesen Serienauftakt rund um eine bizarre Mordserie. Ein bunt gemischtes Team der Mordgruppe ermittelt in Österreichs Hauptstadt und führt den Leser an bekannte Schauplätze. So wird für Wien-Kenner die Suche nach dem Mörder oder den Mördern recht lebendig und einprägsam dargestellt. Dazu kommen die Kriminalisten aus der Berggasse, welche direkt aus dem Leben gegriffen scheinen, mit Zahnschmerzen, stichelnden Bemerkungen und einer noch ziemlich unerfahrenen Neuen, Fina (Serafina) Plank in der von Männern dominierten Polizeiwelt. Auch Tibors Zerrissenheit zwischen erdrückenden Beweisen und zerknirschter Beteuerung seiner Unschuld ist grandios dargestellt, seine Vergangenheit holt ihn immer wieder ein.

Die Handlung ist von Beginn weg spannend und verleitet immer wieder, noch ein Kapitel dranzuhängen, bevor man eine Pause einlegt. Die Fragen, die ein Abschnitt offen lässt, wollen ja so rasch wie möglich beantwortet werden. Aufregend und fast verwirrender als informativ sind die Zeilen eines Täters, den man nicht näher kennenlernt, obwohl er sich direkt an den Leser wendet. Wer hinter diesen Offenbarungen steckt, bleibt jedoch ein Geheimnis, welches sich wohl an Fina richtet.

Interessante Details aus unterschiedlichen Themenwelten, unerwartete Neuigkeiten im Laufe der Ermittlungen und mehr oder minder sympathische Figuren lassen diesen Thriller und Serienauftakt zu einem perfekten Lesevergnügen werden, welches ich sehr gerne weiterempfehle. Hoffentlich erscheint recht bald die Fortsetzung von „Stille blutet“.



Titel Stille Blutet

Autor Ursula Poznanski

ISBN 978-3-426-22689-6

Sprache Deutsch

Ausgabe Taschenbuch, 400 Seiten

ebenfalls erhältlich als e-book und Hörbuch

Erscheinungsdatum 1. September 2022

Verlag Knaur

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere