Profilbild von gagamaus

gagamaus

Lesejury Star
online

gagamaus ist Mitglied der Lesejury

Melde dich in der Lesejury an, um dich mit gagamaus über deine Lieblingsbücher auszutauschen.

Anmelden

Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 30.08.2017

eine unterhaltsame Zeitreise

Zeitkurier
0

Bei Zeitreise-Romanen kann ich ganz selten nein sagen. Ich liebe es, den Autoren durch die Zeit zu folgen und die Gedankenschleifen nachzuvollziehen, die so eine Zeitreise zwangsläufig mit sich zieht. ...

Bei Zeitreise-Romanen kann ich ganz selten nein sagen. Ich liebe es, den Autoren durch die Zeit zu folgen und die Gedankenschleifen nachzuvollziehen, die so eine Zeitreise zwangsläufig mit sich zieht. Auch Wesley Chus Roman „Zeitkurier“ hat mich hier nicht enttäuscht. Im Gegensatz zu vielen andere Büchern, die in ausgehend von unserer Gegenwart in die Vergangenheit oder Zukunft reisen, ist hier die Ausgangslage, dass wir uns in einer dystophisch-verwüsteten Zukunft der Erde befinden und die Menschen versuchen durch Zeitreisen in die Vergangenheit – also unsere Gegenwart in etwas – ihre zur Neige gehenden Ressourcen aufzustocken. Um aber möglichst wenig in den Verlauf der Geschichte einzugreifen und um Himmels Willen nicht etwas unwiederbringlich zu verändern oder durcheinander zu bringen, schicken sie die Zeitreisenden nur dorthin, wo bekanntermaßen große Naturkatastrophen oder andere Unglücke sowieso zur Zerstörung der betreffenden Ressourcen geführt hatte. Es wird also etwas in die Zukunft transportiert, was nicht mehr fehlen kann im Weltgefüge, da es so oder so zerstört worden wäre.

Soweit alles klar? Gut, dann muss man jetzt noch wissen, dass Zeitreisen auch für die Menschen nicht ganz ohne sind. Allein schon die psychologische Komponente ist gewaltig, denn die Zeitkuriere treffen auf sehr viele Menschen, von denen sie ja wissen, dass sie demnächst zu Tode kommen werden. Diese Begegnungen sind für den Hauptakteur James eine ständig wachsende Belastung, die ihn immer mehr aus dem Tritt bringt. Schließlich beschließt er, jemanden zu retten. Damit löst er natürlich eine dramatische Kettenreaktion aus. Genau das, was ja eigentlich vermieden werden sollte.

Der Autor nimmt sich erst mal viel Zeit, den Leser in diese Welt einzuführen, deren Regeln und Konstruktionen zu erklären, die Charaktere zum Leben zu erwecken. Dabei gibt er sich große Mühe, seine Idee der Zeitreise auch mit technischen und wissenschaftlichen Methoden zu beschreiben. So etwas mag ich sehr gerne. Erst dann, nach etwa einem Viertel des Buches, zieht er das Tempo langsam an. Nein, Mr. Chu erfindet das Zeitreiserad nicht neu. Aber mir macht es einfach immer wieder großen Spaß, einem klugen Autor auf so einer Zeitreise zu folgen. Nachdem ich erst mit „Dark matter“ vor ein paar Wochen vergnügliche Stunden in diesem Genre verbracht habe, konnte mich auch „Zeitkurier“ gut unterhalten. Zur vollen Punktzahl fehlt ein bisschen, da das Ende etwas überstürzt daherkommt aber ich kann das Buch durchaus empfehlen.

Ach ja, auch ich möchte das tolle Cover noch einmal extra erwähnen.

Veröffentlicht am 30.08.2017

gehaltvoller Geschichtsroman

Das Ohr des Kapitäns
0

Der ungewöhnliche Titel des Buches „Das Ohr des Kapitäns“ erklärt sich bereits nach 60 Seiten.
Nachdem die Engländer das Handelsrecht für Sklaven erhalten, die in spanische Hoheitsgebiete verkauft werden, ...

Der ungewöhnliche Titel des Buches „Das Ohr des Kapitäns“ erklärt sich bereits nach 60 Seiten.
Nachdem die Engländer das Handelsrecht für Sklaven erhalten, die in spanische Hoheitsgebiete verkauft werden, patrouillieren die Spanier vor der Küste und kontrollieren jedes Schiff und dessen Fracht. Einer der Händler, Jenkins, versucht sich aber zu weigern und die Spanier zu hintergehen. Deshalb schneidet ihm der Anführer im Eifer ein Ohr ab. Jenkins sorgt dafür, dass die Britische Regierung davon Kenntnis erhält, dass ein spanischer Küstenwach-Kapitänen einem englischen Handelskapitän seiner Meinung nach grundlos Gewalt angetan hat. Das löst einen erbitterten Streit der beiden Länder aus der in einem Kolonialkrieg endet.

Das Buch ist sehr hochwertig gestaltet. Da ist zum einen das herausragend schöne Cover. Ich liebe diese Form der Malerei, in der die Schifffahrt zentrales Thema ist. Zum anderen gibt es zwei Seekarten im Inneren, die den Ort der Geschehnisse großräumig darstellen und ein Gefühl für die damalige Zeit hervorrufen.

Ich hatte erst ein Buch von Gisbert Haefs gelesen und das liegt schon ziemlich lange zurück. Mir war nicht mehr in Erinnerung, wie anspruchsvoll und fast zeitgenössisch zur Geschichte sein Erzählstil ist. Es erfordert ein hohes Maß an Aufmerksamkeit und man darf keinen Roman erwarten, den man so einfach mal herunter liest. Auch sind nicht die Charaktere im Mittelpunkt des Geschehens sondern mehr der historisch belegte Konflikt, der auf interessante Weise den Konflikten gleicht, die es auch heute gibt, wenn zwei Nationen sich um Handelsrechte streiten und ein kleiner Vorfall eine internationale Krise auslösen kann. Also im eigentlichen Sinne ein Lehrstück über den Menschen und die Mechanismen der politischen Auseinandersetzung.
Es war sicherlich teilweise ein bisschen zäh zu lesen aber auch wieder gehaltvoll. Deshalb vier Sterne von mir.

Veröffentlicht am 07.08.2017

Urlaubs-Zwischendurch-Lektüre

Kopf aus, Herz an
0

Man möchte nicht in Lillys Haut stecken. 500 geladene Gäste sitzen in der Kirche. Und Michael, der Bräutigam, lässt sie vor dem Altar sitzen und erscheint nicht. Am Boden zerstört setzt Lilly sich am nächsten ...

Man möchte nicht in Lillys Haut stecken. 500 geladene Gäste sitzen in der Kirche. Und Michael, der Bräutigam, lässt sie vor dem Altar sitzen und erscheint nicht. Am Boden zerstört setzt Lilly sich am nächsten Tag in den Flieger und tritt die Hochzeitsreise alleine an. Nur weg, denkt sie und ahnt doch nicht, dass sie sich damit auf die Reise ihres Lebens begibt. Denn nicht nur, dass erst mal alles schiefläuft, was schief laufen kann. Nein, im Flugzeug begegnet sie Damien, einem tätowierten gutgelaunten Luftikus, der ihr zeigt, dass es im Leben mehr gibt als Hochzeit und Beständigkeit und dass andere Mütter auch nette Söhne haben.

Bei „Kopf aus, Herz an“ bekommt man genau dass, was man landläufig als Unterhaltungsroman bezeichnet würde. Unterhaltung. Die Autorin, Jo Watson, hat einen flotten Stil und erzählt eine Geschichte, wie man sie aus Hollywood bereist zu kennen glaubt. Dementsprechend ist die Story etwas vorhersehbar und spart nicht mit Slapstickeinlagen und einer Aneinanderreihung an abenteuerlichen Erlebnissen, die Lilly alle mit Hilfe von Damien überstehen muss. Angefangen von Peinlichkeiten ohnegleichen, die bereits im Flugzeug beginnen, über Verhaftung am Flughafen, bis zu einer Nacht als eine Art Schiffbrüchige, romantischen Candlelight-Dinners, Stiptease-Show und anderer Unwägbarkeiten hat Lilly einen Urlaub, den sie ihr Leben lang nicht mehr vergessen wird.

Damien ist dabei das unterhaltsame und helfende Sahneschnittchen, dass sie den faden Michael bald vergessen lässt.
Was bekommt man für sein Geld? Eine nette Geschichte mit einer etwas verpeilten Heldin und einem tollen Typen, der auf wohltuende Weise feiheitsliebend und ungebunden ist. Lustige Dialoge, rasante Wendungen in phantastischer Idylle.

Was man weniger bekommt ist freilich Tiefgang und Ernsthaftigkeit. Aber wer will das schon immer. Als Urlaubs-Zwischendurch-Lektüre kann ich das Buch empfehlen. Nur bitte nicht zu viel erwarten.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Figuren
  • Gefühl
  • Humor
  • Lesespaß
Veröffentlicht am 26.07.2017

guter Krimi

Sieh nichts Böses (Ein Kommissar-Dühnfort-Krimi 8)
0

Als waschechtes Münchner Kindl muss ja fast Inge-Löhnig-Krimis lesen. Einfach, weil es Spaß macht, wenn mitten in meiner Heimatstadt Mord und Totschlag geschehen und dann auf höchst menschliche Weise gelöst ...

Als waschechtes Münchner Kindl muss ja fast Inge-Löhnig-Krimis lesen. Einfach, weil es Spaß macht, wenn mitten in meiner Heimatstadt Mord und Totschlag geschehen und dann auf höchst menschliche Weise gelöst werden. Ich habe zwar nicht alle Fälle gelesen aber das ist auch nicht wirklich nötig, um in diesen neuen Fall reinzukommen. Und da diesmal sehr viel Zeit und Raum für das Privatleben verwendet wird, kommt man da auch als Quereinsteiger sicher problemlos mit.

Mir gefällt der Schreibstil der Autorin und das Setting ist sowieso genau mein Fall. Man darf bei Löhnigs Krimis zwar miträtseln aber das ist eigentlich nicht das Wichtigste. Es geht mehr um die menschlichen Untiefen, die die Autorin auslotet und beschreibt. Um familiäre Verwicklungen und Dramen, um Zwischenmenschliche Probleme und Befindlichkeiten. Diesmal mit viel Dühnfort und Ehefrau.

Ein solider Kriminalroman der für alle Fans der Reihe ein Muss ist und zum Aufwärmen für neue Leser sicherlich nicht verkehrt.

Besonders schön finde ich diesmal die Covergestaltung. Dafür gibt es 5 Sterne.

Veröffentlicht am 12.07.2017

komplexer Auftaktband

Die Verräterin - Das Imperium der Masken
0

Baru Kormoran ist noch ein Kind, als ihre Heimat vom Imperium der Masken erobert wird. Schnell greifen die strengen Sittlichkeitsgesetze der Besatzermacht, die unter anderem Homosexualität unter schwere ...

Baru Kormoran ist noch ein Kind, als ihre Heimat vom Imperium der Masken erobert wird. Schnell greifen die strengen Sittlichkeitsgesetze der Besatzermacht, die unter anderem Homosexualität unter schwere Strafe stellen und eine Lehre verbreiten, die mit Vererbungslehre und genetischen Langzeitplänen das Volk unterdrückt. Baru, die mit zwei Vätern und einer Mutter aufwuchs, erfährt einen einschneidenden Verlust, als einer ihrer Väter plötzlich verschwindet und sie annehmen muss, dass er bestraft und getötet wurde. In ihrem tiefsten Innern wächst der Wunsch nach Rache und Rebellion aber wohlweislich verbirgt sie ihre wahren Gefühle und versteht es, sich durch Intelligenz und herausragende Leistungen in der Verwaltungshierarchie der „Masken“ hochzudienen um bald einen wichtigen Posten in der Provinz zu bekommen. In ihr schlummert immerfort der Plan, ihr Volk zu befreien und sie beginnt handfeste Pläne zu schmieden und nach Verbündeten zu suchen.

Das Buch wird in der Werbung als legitimer Nachfolger von „Game of Thrones“ angepriesen. Sorry, ich finde das einen sehr unpassenden Vergleich. Weder die Story noch der Erzählstil haben meiner Meinung nach irgendetwas damit zu tun. Wenn überhaupt, dass drängt sich mir der Vergleich von „Elantis“ und „Sturmklänge“ von Brandon Sanderson auf, denn hier wie dort besticht die Geschichte durch ein Höchstmaß an politischen Ränken und raffinierten Intrigen. Geschildet wird dies alles aus der Sicht von Baru. Die beschriebene Welt ist hochkomplex und sehr kompliziert. Man muss vor allem im ersten Dritten sehr aufmerksam lesen, um alle Zusammenhänge zu verstehen und die Gesamtheit der Zusammenhänge zu erkennen. Wäre es keine Fantasy wäre es streckenweise fast ein Politthriller mit wenig fantastischen Elementen außer dem, dass es eine fiktive Welt ist.

Die Spannung entwickelt sich zögerlich. Es ist ein typischer Auftaktband, der durch Raffinesse besticht aber gerne etwas mehr Tempo hätte haben können. Dennoch hat mir das Buch Spaß gemacht, denn es widersetzt sich den meisten der gängigen Genrevorgaben und besticht mit einer Heldin, die so klug und listig agiert, wie – und hier der einzige für mich sinnvolle Vergleich mit GoT – der geschätzte Tyrion Lannister.