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Veröffentlicht am 26.04.2024

Au bout – bis zum Ende

Mord an der Loire
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… ist das Motto der uralten Adelsfamilie Cotignac und Pléssis, die ihren Stammbaum bis ins 12. Jahrhundert zu Philipp dem Schönen und den Templern zurückverfolgen können, auch dank einer Holzschatulle, ...

… ist das Motto der uralten Adelsfamilie Cotignac und Pléssis, die ihren Stammbaum bis ins 12. Jahrhundert zu Philipp dem Schönen und den Templern zurückverfolgen können, auch dank einer Holzschatulle, in deren Innenseite dieser eingraviert ist. Als die Schatulle gestohlen wird, beauftragt Tante Aude ihren Neffen Philippe Auguste Louis Vicomte du Pléssis, den Baron de Beaumarchais, mit der Suche, schließlich hat sich die Familie seine Ausbildung zum Privatdetektiv einiges kosten lassen. Doch noch bevor Philippes Suche richtig losgeht, wird im Château de Cotignac ein Gemälde gestohlen, dass im 2. WK nach Deutschland verschleppt und gerade erst zurückgegeben wurde und jetzt auf einer Feier enthüllt werden sollte. Und dann treibt auch noch eine Leiche im Graben des Wasserschlosses – Julia Berger, die Kunstsachverständige einer Versicherung, hatte das Gemälde von Deutschland hierher begleitet.
Für die ermittelnde Kommissarin Charlotte Maigret ist auch Philippe verdächtig, weil er Julia beauftragt und mit ihr regelmäßigen Kontakt hatte. Das kann er natürlich nicht auf sich sitzen lassen und ermittelt auf eigene Faust wichtige Fakten, die die Kommissarin überzeugen, mit ihm zusammenzuarbeiten …

„Mord an der Loire“ ist der Auftakt einer neuen Cosycrime-Reihe von Catherine Duval, die mich leider nur mit ihrem Setting bezaubern konnte: uralte Loire-Schlösser und Templerburgen, Weinberge und mittelalterliche Städtchen. Die Protagonisten hingegen waren mir zu überzogen und unrealistisch, wirkten zum Teil wie aus der Zeit gefallen – das Buch hätte z.T. genauso gut schon in den 50er Jahren spielen können und nicht erst heute. Baron Philippe lebt vor allem für den Genuss und betreibt die Ermittlungen nur nebenher, weil er seiner Familie beweisen will, dass er es kann. Gegenüber Charlotte Maigret verhält er sich oft despektierlich und bezeichnet sie wegen ihrer Vorliebe für Cowboystiefel, Shirts und Lederjacke als Cowgirl. Und Maigret verdächtigt ihn zwar, nimmt ihn aber zu den Ermittlungen mit und teilt stets die neuesten Erkenntnisse mit ihm. Mein Highlight ist Philipps Tante Aude, von der ich gern mehr gelesen hätte. „Seine Tante strahlte die Autorität eines Generals aus. Sie befehligte die Familie. Und er war einer ihrer Söldner.“ (S. 14)
Dazu kommt, dass die Handlung abgesehen von den Morden nicht besonders spannend ist. Erst kurz vor dem Ende zaubert Philippe quasi aus dem Nichts wichtige Informationen hervor, die letztendlich zur Auflösung führen. In der Zwischenzeit gibt es Einblicke in den Rechtspopulismus in Frankreich und die Geschichte der Templer, Diskussionen über die verschiedenen Adelsformen (alter Erbadel oder später verliehener), garniert mit dem Handel gestohlener (?) Kunst.

Ich hatte das Gefühl, dass sich die Autorin an der „Monsieur le Comte“ Reihe orientiert hat, das aber nicht so gut umsetzen konnte.

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Veröffentlicht am 24.04.2024

Ohne Plan zum Glück?

The Happiness Blueprint
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„Schätze, ich fliege nach Hause um die Firma meines Vaters zu leiten. Super.“ (S. 14) Als Klaras Vater an Krebs erkrankt, entscheiden ihre Mutter und ihre Schwester, dass sie ihn unterstützen soll, schließlich ...

„Schätze, ich fliege nach Hause um die Firma meines Vaters zu leiten. Super.“ (S. 14) Als Klaras Vater an Krebs erkrankt, entscheiden ihre Mutter und ihre Schwester, dass sie ihn unterstützen soll, schließlich hat sie keinen Partner oder einen Beruf, an dem sie hängt. Dass sie inzwischen seit sieben Jahren in London lebt, ist dabei zweitrangig, die drei Monate wird sie schon überstehen. Schließlich soll sie nur aufpassen, dass die Mitarbeiter seiner kleinen schwedischen Fliesenfirma die Aufträge zur Zufriedenheit der Kunden erfüllen. Das Problem ist nur, dass Klara in der Interaktion mit anderen Menschen nicht wirklich gut ist und auch das Erstellen und Einhalten von Terminpläne nicht zu ihren Kernkompetenzen zählt. Zum Glück übernimmt ihr neuer Angestellter Alex die Terminplanung und synchronisiert dafür ihre Google-Kalender. Und da sie sich mögen, tauschen sie unter den Terminen in kleinen Notizen bald auch Privates aus, wobei Klara streng darauf achtet, dass sie in der Freundeszone bleiben (da sie nur für begrenzte Zeit in Schweden und er verheiratet ist, schließlich trägt er einen Ehering), was zu einigen Missverständnissen führt.

Klara fühlt sich schon immer irgendwie anders und dass ihre Familie sie von jeher wie ein rohes Ei behandelt hat, trägt auch nicht dazu bei, sich „normal“ zu fühlen. Der Verdacht Autismus steht im Raum und wegen ihrer Diabetes beobachten alle ständig via App ihren Blutzuckerspiegel. Dazu macht sie sich selber oft klein und bewertet ihre Fehler viel höher als ihre positiven Fähigkeiten. Erschwerend kommt hinzu, dass sie sich mit ihrer Schwester vergleicht, die alles zu haben scheint – Mann, Kind, einen Uni-Abschluss und den perfekten Job.
Für mich war Klara eher introvertiert. Sie schreibt halt lieber, als zu telefonieren und hat nur eine Freundin. Ein Besonderheit an ihr hat mich besonders amüsiert: Sie nimmt die Stimme bzw. Lautstärke ihres Gegenübers als Schriftart wahr. Je lauter jemand wird, desto größer wird der Schrifttyp, je wütender er ist, desto eckiger und spitzer – wie in einem Comic.

„Hab nichts dagegen, dass mir kalt ist: Es erinnert mich daran, dass ich noch was fühlen kann.“ (S. 15) Alex ist durch den Tod seines Bruders in eine Depression gestürzt, die Therapie schlägt lange nicht an. Durch Zufall stößt er auf Klaras Stellenanzeige und bekommt nicht nur einen Job, sondern auch neuen Lebensmut und ein Ziel, etwas dafür es sich lohnt, jeden Tag aufzustehen – Klara. Dumm nur, dass die ihn für verheiratet hält und er denkt, dass sie einen Partner hat …

„Du bist nicht in einer romantischen Komödie, Klara.“ (S. 191) sagt ihre Freundin zu ihr, wenn sie wieder mal von Alex schwärmt. Doch auch wenn Klara und Alex es bisher nicht immer leicht hatten und es sich jetzt noch zusätzlich schwer machen, gibt es in „The Happyiness Blueprint“ von Ally Zetterberg einige sehr lustige Momente. Außerdem ist Klara ein Mensch, den man sofort ins Herz schließen muss, und auch Alex‘ Schicksal und wie er damit umgeht, hat mich sehr berührt.

Mein Tipp für alle Fans von Graeme Simsions „Das Rosie-Projekt“.

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Veröffentlicht am 23.04.2024

Italien trifft Nordsee

Marconi und der tote Krabbenfischer
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„… innerhalb einer Woche vom hippen Großstadt-Cop zum knatternden Küsten-Kommissar ...“ (S. 267)
Nach dem Tod seines Bruders wird Massimo Marconi der Vormund von dessen Kindern Klara und Stefano und lässt ...

„… innerhalb einer Woche vom hippen Großstadt-Cop zum knatternden Küsten-Kommissar ...“ (S. 267)
Nach dem Tod seines Bruders wird Massimo Marconi der Vormund von dessen Kindern Klara und Stefano und lässt sich von seinem geliebten München nach Sankt Peter Ording versetzen, damit sie nach ihrem Vater nicht auch noch die Heimat verlieren. Aus dem Kriminalhauptkommissar wird nun der Dienststellenleiter der örtlichen Polizeiwache, theoretisch kein Problem, wenn nur die lästige Uniform und der tote Krabbenfischer mit der Harpune in der Brust nicht wären, in dessen Fall er leider nicht ermitteln darf – das machen die Kollegen aus Flensburg.

„Marconi und der tote Krabbenfischer“ ist der Auftakt einer neuen Krimireihe von Daniele Palu und besticht mit viel Nordseefeeling und einem unangepassten Ermittler, der schon immer ein Einzelgänger war und sich jetzt mit je zwei Kindern und Kollegen zusammenraufen muss, während er seiner alten Heimat und seinem alten Job hinterher trauert.
Die Kollegen machen es ihm zum Glück einfach, indem sie ihn bei seinen inoffiziellen Ermittlungen mit ihrer Orts- und Personenkenntnis unterstützen.
Klara und Stefano hingegen haben schwer zu kämpfen. Nachdem ihre Mutter vor einigen Jahren an Krebs gestorben ist, haben sie jetzt auch noch ihren Vater verloren. Massimo und er hatten sich zerstritten und kaum Kontakt, darum weiß er nichts von ihren Freunden, Hobbys oder Vorlieben. Letztendlich finden über sie übers Kochen zusammen, denn nachdem ihnen seine italienische Küche nicht geschmeckt hat, wandelt er die Rezepte ins Norddeutsche ab und lässt sie mitkochen.

Der Ermittlungen zum toten Krabbenfischer gestalten sich schwieriger als erwartet. Da ist zum einen die Familie des Toten, die froh zu sein scheint, dass sie ihn los ist. Außerdem hatte er Streit mit einer Umweltschutzorganisation und anderen Fischern, aber keinem von ihnen ist etwas nachzuweisen.

Dia Handlung verläuft lange sehr gemächlich. Marconi muss erst in SPO, der Wache und seinem neuen Leben ankommen, dadurch lernt man den Handlungsort und seine Besonderheiten zusammen mit ihm sehr gut kennen. Mir gefiel auch, wie die Rezepte (die im Anhang stehen) in die Handlung integriert wurden, so kann man mit fast allen Sinnen genießen.
Doch als Marconi und die Kinder in das Visier des Täters geraten, wird es echt brenzlig …

Mein Fazit: Auch wenn mir hier manchmal noch etwas Tempo fehlte, bin ich nach dem kleinen Cliffhanger am Ende doch gespannt, wie es weitergeht.

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Veröffentlicht am 22.04.2024

Aus der Zeit gefallen

Wir werden jung sein
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„Ich möchte wissen, ob wir Menschen das Recht dazu haben, Gott zu spielen.“ (S. 210)
Prof. Mosländer ist Bio-Wissenschaftler an der Charité, forscht seit 10 Jahren an chronischer Herzmuskelschwäche und ...

„Ich möchte wissen, ob wir Menschen das Recht dazu haben, Gott zu spielen.“ (S. 210)
Prof. Mosländer ist Bio-Wissenschaftler an der Charité, forscht seit 10 Jahren an chronischer Herzmuskelschwäche und betreut seit einem Jahr eine klinische Studie mit vier Patienten zu einem neuen Medikament, das die Zellen verjüngt und damit das Herz heilt. Es scheint auch alles gut zu gehen, bis sie über Nebenwirkungen klagen. Der 16jährige Jakob hat seine erste Freundin, aber keinen Sexualtrieb mehr. Der 80jährige, schwerkranke Immobilienmagnat Wenger bereitet seinen Freitod vor, als er sich plötzlich viel fitter und leistungsfähiger fühlt. Verena, eine ehemalige Olympiaschwimmerin, stellt bei einer Spendenveranstaltung ohne besonderes Training einen neuen Weltrekord auf, und Lehrerin Jenny wird nach jahrelanger erfolgloser Kinderwunschbehandlung überraschend schwanger.
Mosländer stellt fest, dass sämtliche Laborwerte der Teilnehmer viel besser als noch vor einem Monat sind. Dann testet über die DNA das biologische Alter seiner Probanden – sie sind alle acht Jahre jünger geworden. Als das durchsickert, steht die Welt Kopf. Die Bundesregierung setzt Sondersitzungen an und die WHO verlangt einen Bericht, um sich auf diese neu Situation vorbereiten zu können. Außerdem flattern die ersten unmoralischen Angebote der Reichen und Mächtigen auf Mosländers Tisch – sie alle wollen jung sein, Nebenwirkungen egal …

Der Traum von der ewigen Jugend ist wahrscheinlich fast so alt wie die Menschheit selbst. Aber was wäre, wenn er plötzlich wahr würde? Wenn man entscheiden (und / oder es sich leisten) könnte? Und welche Auswirkungen hätte das auf die Welt und Gesellschaft? Damit beschäftigt sich Maxim Leos Buch „Wir werden jung sein“.

Ich habe beim Lesen schon lange nicht mehr so sehr über mein eigenes Leben nachgedacht und gegrübelt, wie ich mich wohl entscheiden würde. Wie jung würde ich werden wollen bzw. müssen? Da ich seit meinem 4. Lebensjahr chronisch krank bin, müsste ich mich in das dritte Lebensjahr zurückversetzen lassen, damit dann ein Arzt versuchen kann, den Ausbruch der Krankheit zu verhindern. Das sind mir aber eindeutig zu viel Unsicherheiten, das Medikament wäre also nichts für mich. Oder nimmt man es dann doch, wenn man es angeboten bekommt? Kann ich die Hand für meine Entscheidungen ins Feuer legen? Je mehr ich darüber nachdenke, desto unsicherer werde ich. Würde mein „Neuanfang“ bedeuten, dass ich doch Kinder haben könnte? Würde ich überhaupt welche haben wollen? Oder dürfte ich gar nicht, um eine Überbevölkerung zu vermeiden? Wer oder wie wird entschieden, wer Nachkommen zeugen darf? Oder passiert das sowieso in der Retorte, damit nur noch perfekte, gesunde, hochintelligente Kinder das Licht dieser Welt erblicken und zu deren Weiterbestehen beitragen dürfen? Es ist eine erschreckende, dystopische Vorstellung, die ich ehrlich gesagt nicht erleben möchte.

Der Roman ist unerwartet philosophisch und tiefschürfend und regt zum Nachdenken an, weil er zeigt, wie unsere Zukunft aussehen könnte und gleichzeitig klar macht, dass man nie das Allgemeinwohl und die Konsequenzen seiner eigenen Taten und Entscheidungen aus den Augen verlieren darf.

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Veröffentlicht am 19.04.2024

Wenn einer eine Reise tut …

Schön war's, aber nicht nochmal
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„Ein bisschen fühlt es sich an wie im Ferienlager, nur dass diesmal alles umgedreht ist, der Jüngste in der Runde die Aufsichtspflicht hat und aufpassen muss, dass die beiden Älteren nicht verloren gehen ...

„Ein bisschen fühlt es sich an wie im Ferienlager, nur dass diesmal alles umgedreht ist, der Jüngste in der Runde die Aufsichtspflicht hat und aufpassen muss, dass die beiden Älteren nicht verloren gehen oder sich aus Versehen ein Loch in den Kopf hauen.“ (S. 131)
Anfang November 2022 wurde mir der #UmdE (Urlaub mit den Eltern) in meine Twitter-Timeline gespült und ich habe eine Woche lang quasi live die Reise des Comedian André Herrmann mit seinen (Mitte 60jährigen) Eltern nach Israel und Jordanien verfolgt und mich dabei köstlich amüsiert, denn was immer nur hätte schiefgehen können, ging auch schief. Schon damals wurde eine Verfilmung oder wenigstens ein Buch gefordert und das ist jetzt endlich erschienen. Mit viel Humor und Herzlichkeit berichtet er von den großen und kleinen, geplanten und ungeplanten Abenteuern, die er dabei mit ihnen erlebt hat. Denn obwohl seine Mutter noch bis vor kurzem in einem verantwortungsvollen Beruf gearbeitet und auch sehr gute Englischkenntnisse hat, verlässt sie sich jetzt lieber auf ihren Sohn, und sein Vater hört Dank seiner Schwerhörigkeit eh so gut wie nichts. Eins meiner Highlights ist übrigens der Ortungschip, den er seinem Vater beim Antritt der Reise in die Hosentasche schmuggelt und der mehr als einmal dafür sorgt, dass sie ihn auch wiederfinden …
Aber es ist nicht nur ein sehr humorvoller Reisebericht, er zeigt auch, wie nahe sich André und seine Eltern stehen und wie ihm bewusst wird, dass sich ihre Rollen langsam tauschen – jetzt ist er für sie verantwortlich, und er meistert das meist mit Bravour. Dazu lässt er geschichtliche und politische Details einfließen, gibt einen Lagebericht der besuchten Städte und beschreibt auch weniger angenehmen Situationen, wenn Streitereien zwischen Arabern und Israelis durch bewaffnetes Sicherheitspersonal gelöst werden müssen.
Ich war nach dem Lesen auf jeden Fall froh, dass meine Eltern, die nochmal 10 Jahre älter sind, die gleiche Reise allein gemacht haben 😉.

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