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heinoko

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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 10.06.2019

Interessante Familiensaga, suboptimal umgesetzt

HAMMONIA
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Soeben habe ich das Buch zu Ende gelesen – aber was schreibe ich nun? Ich bin ratlos. Da ist zum einen dieses unsäglich missglückte, fast lächerlich wirkende Cover, bei dem ein Hamburger Gebäude einer ...


Soeben habe ich das Buch zu Ende gelesen – aber was schreibe ich nun? Ich bin ratlos. Da ist zum einen dieses unsäglich missglückte, fast lächerlich wirkende Cover, bei dem ein Hamburger Gebäude einer gepflegten alten Frau aus dem Kopf wächst. Klar, die Symbolik habe ich schon verstanden, Verbundenheit zur Stadt Hamburg, die Firma steht über allem. Aber ein Cover soll Kaufimpulse auslösen, nicht Kopfschütteln.
Worum geht es im Buch? Hamburg 1991 – die Zeit der deutschen Wiedervereinigung und des immer stärker werdenden Konkurrenzkampfes. Adele Bartelsen ist Chefin und Haupteigentümerin tausender BEST-KAUF-Supermärkte. Sie möchte dieses Erbe an ihre Söhne übergeben, doch sowohl Konstantin als auch Gero halten sich aus den Firmengeschäften heraus. Claus, der Älteste, fühlt sich von der Mutter nicht wertgeschätzt und konkurriert stark mit seinem Bruder Hans. Ein scheinbar lukratives Immobiliengeschäft wird an Claus herangetragen, und er sieht darin eine einmalige Chance, sich endgültig zu profilieren und die Achtung aller zu erringen…
Eine Trilogie soll es werden. Viel Arbeit für den Autor, der aufgrund familiärer Verbindung zu einem Gründer der SPAR Supermarkt-Kette zu dieser Aufgabe inspiriert wurde. Mit Sicherheit hat Kai Lüdders sorgfältig und fleißig recherchiert, nicht nur was das Wirtschaftsleben in Deutschland bis 1991 betrifft. In locker eingestreuten Rückblicken erfährt man auch von der Zerstörung Hamburgs im Zweiten Weltkrieg. Das ist zweifelsfrei interessant und lesenswert. Und trotzdem lässt mich das Buch ratlos zurück. Da sind z. B. die von sehr lockerer Hand eingestreuten Zeitsprünge: 1992, 1943, 1991, 1989 – das alles bereits auf den ersten 40 Seiten! Oder die Cliffhanger… Mir kommt es so vor, als habe der Autor die „Tricks“ der erfolgreichen Thriller-Autoren abgeschaut und dabei vergessen, dass sein Buch die Geschichte einer Kaufmannsfamilie ist, also ein Familienroman, der einer weitgehend linearen Erzählweise bedarf. Der Leser wird sowieso schon sehr gefordert durch die ausschweifenden wirtschaftstheoretischen Einschübe, durch die sehr, sehr breit ausgewalzten Gedankengänge mancher Protagonisten, durch die ermüdenden Wiederholungen. Zum Beispiel genügt es dem Leser, einmal zu lesen, dass Konni ein Freigeist ist und der Kunst zugetan. Und es genügt, einmal die aufrechte Haltung Adeles zu beschreiben. Es braucht keine vielfachen Wiederholungen, es braucht keine Verwirrung durch wahllos eingestreute Zeitsprünge. Und, ach ja, immer ist die Mutter schuld, bei den Bartelsen, bei Broderson. Selbst bei Eggemeyer ist Adele schuld. Nein, lieber Autor, so einfach sind Menschen nicht gestrickt.
Fazit: Ein interessanter Plot, suboptimal umgesetzt.

Veröffentlicht am 03.03.2019

Ein Buch wie eine gespaltene Persönlichkeit

Schiff oder Schornstein
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Soeben habe ich das Buch beendet und frage mich nun ratlos, wie ich meine Rezension formulieren soll. Denn das Buch verwirrt mich über die Maßen. Vielleicht sollte ich schreiben, dass mich das Buch von ...

Soeben habe ich das Buch beendet und frage mich nun ratlos, wie ich meine Rezension formulieren soll. Denn das Buch verwirrt mich über die Maßen. Vielleicht sollte ich schreiben, dass mich das Buch von Anfang an in die Irre gelockt, mich vorsätzlich getäuscht hat. Mit seinem Titel zum Beispiel. Mit dem ich gar nichts anfangen konnte. Oder mit dem Cover, mit dem tiefschwarzen Umriss einer Katze mit leuchtend gelben Augen. Ein Katzenbuch, hatte ich zunächst gedacht, ein humorvolles vielleicht. Auf jeden Fall ein sympathisches Buch – so hatte ich gedacht. Und jetzt ist das Buch beendet, und ich bin voller Zorn, Ekel, Abscheu, Entsetzen. Und gleichzeitig lache ich über all die skurrilen Einfälle, über die leichtfüßig geschriebenen Episoden, über witzige und liebevolle Detail-Beobachtungen.
Worum geht es? Der Verlag formuliert es so: „Franziska ist verschwunden. Das ist sie schon öfter. Dann sagt man, sie ist wohl wieder irgendwo Tiere befreien, im Wald, am Nordpol, irgendwo auf einem Schiff. Aber dieses Mal kommt sie nicht mehr zurück. Sie ist spurlos verschwunden und niemand weiß, was passiert ist. Ihre Schwester Ila begibt sich auf die Suche, wühlt in ihrer beider Vergangenheit und trifft den Umweltaktivisten Konstantin, der unglücklich in Franzi verliebt ist. Ila und Konstantin werden Freunde und bewältigen ihre Trauer in einem schrägen Kunstprojekt, das ein Statement gegen Massentierhaltung und Fleischkonsum sein soll: einem Online-Versand für Katzenfleisch…“
Das Buch kommt mir vor wie eine gespaltene Persönlichkeit: So wie das Buch aus zwei Perspektiven geschrieben ist, nämlich aus der von Ila, der Schwester, und Konstantin, dem stumm Liebenden, so werden genauso gespalten einerseits einfache, teils idyllische Kindheitserinnerungen und tier- und naturliebende Erinnerungen erzählt, andererseits brutalste, schier unerträgliche Details von Tiermisshandlungen, Vogeltötungen, Kükenmuser. Eben hat sich der Leser lächelnd und entspannt zurückgelehnt, schon jagt einem die scharfzüngige Autorin hinterrücks ein Messer mitten ins Herz.
Und ebenso gespalten bleibt mein Urteil: Gekonnt geschriebene Passagen, zu Herzen gehend, psychologisch feinfühlig, wechseln mit extremen Hässlichkeiten sowohl sprachlich („heißer Scheiß“) als auch inhaltlich (Fliegen mit der Lupe verbrennen). Ob mit solch einer uneinheitlichen wirren Mischung wirklich mehr Umweltbewusstsein zu wecken ist? Aber vielleicht wollte die Autorin etwas ganz anderes? Ich weiß es nicht. Ich bleibe verwirrt.

Veröffentlicht am 18.02.2019

Geschickt vermarktet, locker lesbar, aber letztlich nur heiße Luft

Ran an das Fett
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Also wieder ein Buch zum Thema Ernährung, das in seinem Untertitel „Heilen mit dem Gesundmacher Fett“ auch noch Heilung verspricht. Das provoziert, denn wir alle haben irgendwie irgendwo gelernt, dass ...

Also wieder ein Buch zum Thema Ernährung, das in seinem Untertitel „Heilen mit dem Gesundmacher Fett“ auch noch Heilung verspricht. Das provoziert, denn wir alle haben irgendwie irgendwo gelernt, dass wir Fett reduzieren oder gar vermeiden sollten, dass Fett böse ist, dass es uns dick und krank macht. Und genau diese Provokation soll das Buch verkaufen helfen. Der Verlag zieht alle Register, um das Buch an den Mann bzw. an die Frau zu bekommen. Lesen Sie selbst den Ankündigungstext auf dem Buchrücken: „Ein weit verbreiteter Irrtum lautet: Wer gesund und schlank sein will, sollte sich fettiges Essen verkneifen. Unter dem Fettarm-Dogma hat sich die größte Übergewichtsepidemie aller Zeiten entwickelt und die weltweite Explosion chronischer Krankheiten verursacht. Dr. Anne Fleck, Deutschlands renommierte Präventiv- und Ernährungsmedizinerin, Pionierin auf dem Gebiet der Ganzheitsmedizin, läuft Sturm gegen veraltetes Wissen und liefert eine leidenschaftliche, wissenschaftlich fundierte Lösung, mit der Sie Ihre Gesundheit revolutionieren können. Denn Fett, clever eingesetzt, besitzt das geheime Potenzial, chronischen Krankheiten – u.a. Herz-Kreislauf-Krankheit, Übergewicht, Depression, Alzheimer und Krebs – vorzubeugen, sie zu lindern und sogar zu heilen. Dr. Anne Fleck erklärt, wie der Fettschwindel in unsere Köpfe kam und wie wir selbst ganz einfach mit gesundem Fett unseren Körper stärken und heilen können.“
Die Autorin ist also „Pionierin der Ganzheitsmedizin“ (gab es wirklich niemanden vor ihr?). Und was ist überhaupt Ganzheitsmedizin? „Richtung der Medizin, die den erkrankten Menschen in seiner körperlichen und psychischen Gesamtverfassung zu erfassen und zu behandeln sucht… Also gehört doch noch ein wenig mehr dazu als das Thema Fett, nicht wahr? Es wird eine wissenschaftlich fundierte Lösung versprochen, mit der der Leser seine Gesundheit revolutionieren kann. Wie kann man Gesundheit „revolutionieren“? Was ist das? Revolutionieren = umgestalten, verändern. Wie kann ich Gesundheit umgestalten bzw. verändern? Und warum sollte ich das tun? Ach ja, und das geheime Potenzial, das Fett besitzt, kann sogar Alzheimer und Krebs lindern oder gar heilen. Ja, das „geheime“(!) Potenzial – gut, dass Anne Fleck dieses Geheimnis kennt und uns offenbart. Wenn solche Aussagen auftauchen, sollte man als Leser sehr, sehr vorsichtig sein. Misstrauisch bin ich ganz grundsätzlich gegenüber medizinischen Autoren, die durchs Fernsehen tingeln, um sich selbst zu promoten und die sich berufen fühlen, Laien ihre Sicht der Welt zu erklären, dabei tatsächlich nicht vor Heilsversprechungen zurückschrecken. Und dieses Buch funktioniert wie so viele „Ratgeber“, indem es ein Feindbild ausmacht und dann im Umkehrschluss die eigenen Thesen als die einzig wahren und wirklichen Erkenntnisse entwickelt.
Um es kurz zu machen: Das Buch ist zugegebenermaßen sehr lesefreundlich und locker geschrieben. Es enthält auch eine Fülle von richtig wiedergegebenen Informationen und Geschichten aus der Medizinhistorie. Dennoch sind nicht alle Folgerungen bzw. „Lösungen“, die Anne Fleck ableitet, zwingend korrekt, vor allen Dingen von ihr nirgends „wissenschaftlich belegt“, wie der Verlag behauptet. Verwunderlich ist insbesondere, dass ich im Buch nichts finden konnte, was auf den aktuellen Ernährungsbericht der DGE hinweist. Der ist zwar nicht so unterhaltsam zu lesen, aber er offenbart doch, dass wir, was das Fett-Essverhalten angeht, gar nicht so schlecht dastehen. Das Buch ist also, insbesondere was seine Panikmache betrifft, absolut unnötig.

Veröffentlicht am 09.02.2019

Ein Lektorat hätte dem Buch gut getan

Der Unfall
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Dass ich das Buch in einem Rutsch durchgelesen habe, spricht für einen flüssigen, durchaus spannenden Erzählstil. Aber…
So wird der Inhalt von Verlagsseite beschrieben: „Meli van Bergen ist eine erfolgreiche ...


Dass ich das Buch in einem Rutsch durchgelesen habe, spricht für einen flüssigen, durchaus spannenden Erzählstil. Aber…
So wird der Inhalt von Verlagsseite beschrieben: „Meli van Bergen ist eine erfolgreiche Immobilienmaklerin. Sie führt ein Leben auf der Überholspur, bis ein Unfall sie jäh ausbremst: Querschnittslähmung. Rollstuhl. Depression. In der Reha lernt sie den fröhlichen Therapeuten Tom kennen, der ihr zeigt, dass das Leben noch immer lebenswert ist. Sie verlieben sich, heiraten und ziehen in ein einsames Haus am See. In der freien Natur, ohne Telefon und Internet, lebt Meli wieder auf. Doch unmerklich holt die Vergangenheit sie wieder ein. Die perfekte Idylle bekommt Risse und Meli muss plötzlich um ihr Leben kämpfen …“
Das Buch ist weitgehend im Präsens geschrieben, ausgenommen Erinnerungen. Das macht das Geschehen intensiver, auch die detailreichen Beschreibungen tragen zur Lebendigkeit des Miterlebens bei. Besonders eindringlich fand ich z. B. Melis Traumsequenz auf der Intensivstation. Und schön wie Aquarellzeichnungen wirken die Naturbeschreibungen. All das gefiel mir sehr gut, auch dass es dem Autor gelingt, beim Leser ein unheimliches Gefühl aufziehen zu lassen, das sich zunehmend verstärkt. Aber – jetzt kommt das große Aber. Die positiven Eindrücke sind nicht konstant. Der Schreibstil wirkt in manchen Passagen geradezu ungelenk, gewollt, die Handlung sowohl vorhersehbar als auch letztlich unglaubwürdig, zu sehr konstruiert und in eigentlich wichtigen Sequenzen nicht ausgearbeitet. So bleibt dem Leser zum Beispiel letztlich verborgen, auf welche Weise es van Dyck gelungen ist, Meli von einer autarken, starken Persönlichkeit zu einem ängstlichen, abhängigen Mäuschen zu verwandeln. Es fehlt an psychologisch nachvollziehbaren Mechanismen, die dies verständlich gemacht hätten. Überhaupt wirken die Protagonisten meist puppenhaft, konstruiert, unecht. Die „eingestreuten“ Träume verwirren den Leser. Die detailliert beschriebene sexuelle Szene ist unnötig, dient in keiner Weise der Handlung. Gab es kein Lektorat? Und gab es keinen Korrektor, dem die Rechtschreibfehler aufgefallen wären (wie z. B. Spint statt richtig Spind)? Fazit: Unterhaltsam zu lesen, aber verbesserungsfähig.

Veröffentlicht am 27.01.2019

Mehr Bescheidenheit wäre angebracht

Das Lexikon der Geistesblitze
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Dieses Lexikon hat mich über Wochen beschäftigt. Es ist ja nicht „einfach so“ zu lesen. Es kommt mit dem Anspruch daher, mir mehr Schlagfertigkeit zu ermöglichen, mich auf dem Parkett des Small Talk fit ...


Dieses Lexikon hat mich über Wochen beschäftigt. Es ist ja nicht „einfach so“ zu lesen. Es kommt mit dem Anspruch daher, mir mehr Schlagfertigkeit zu ermöglichen, mich auf dem Parkett des Small Talk fit zu machen. Frech will es sein, dieses Lexikon, und geistreich, eine Alternative zu herkömmlichen langweiligen Zitatenwälzern. Es kommt also sozusagen als Kraftprotz daher, als muskelspielender Angeber. Es verspricht Großes in der Verlagsankündigung…
Und weil ich auch großen Sprüchemachern eine Chance geben möchte, nahm ich das Buch immer und immer wieder in die Hand, blätterte herum, las hier, las dort, lächelte ab und zu, dachte ein paar Minuten nach, gähnte hin und wieder, legte es wieder zur Seite, holte es später wieder hervor. So ging es über Wochen. Und was soll ich sagen: Ich bin nicht schlagfertiger geworden. Ich bin nach wie vor untauglich für Small talk. Weder Lachsalven noch Aha-Erlebnisse rissen mich aus meinem Gleichmut, mit dem ich wochenlang in kleinen Etappen durch das Buch gewandert bin.
Schön aufgemacht ist es zweifelsfrei, dieses Lexikon. Der dunkelrote Leinenrücken, die ansprechende Typographie, das glatt-edle Papier, die im Buch immer wieder auftauchenden im alten Stil gezeichneten „Handreichungen“ – all das ist liebevoll und ansprechend komponiert. Warum sich dennoch die Komposition nicht zu einer Sinfonie zusammenfügt, höchstens vielleicht gerade mal zu einer kleinen Etüde, einer Fingerübung also, das mag an der Auswahl der Zitate liegen. Sie sind alphabetisch nach Schlagwörtern sortiert. Von „Abend“ über „Fortschritt“ und „Miststück“ bis „Zweifel“ sammeln sich Aussprüche, die teils abgedroschen und trivial sind, teils überraschend, mitunter vertraut-humorvoll, mal mit Augenzwinkern zitiert, mal geistreich. All das durchaus, aber eines sind sie garantiert nicht, nämlich das, was der Verlag behauptet: „… an Witz nicht zu überbieten“. Ein bisschen mehr Bescheidenheit würde dem Buch gut tun.