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Veröffentlicht am 25.08.2022

Süße Geschichte mit Downton Abbey Feeling

Wer wird denn gleich an Liebe denken
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Dieses Buch ist definitiv keine Mogelpackung. Was – wenn man dem Cover Glauben schenken darf – nach einer wahnsinnig süßen Geschichte mit Downton Abbey Feeling aussieht, ist tatsächlich auch eine wahnsinnig ...

Dieses Buch ist definitiv keine Mogelpackung. Was – wenn man dem Cover Glauben schenken darf – nach einer wahnsinnig süßen Geschichte mit Downton Abbey Feeling aussieht, ist tatsächlich auch eine wahnsinnig süße Geschichte mit Downton Abbey Feeling. „Wer wird denn gleich an Liebe denken“ ist vielleicht nichts Weltbewegendes, aber es hält, was es verspricht und das macht es schlichtweg zu einem guten Buch.

Vorneweg ein großes Kompliment an Nina Mays Schreibstil! Gerade für ein schriftstellerisches Debüt ist das, was wir hier zu lesen bekommen, wirklich bemerkenswert! Flüssig, humorvoll und vor allem sehr gefestigt und stilsicher. Was will man mehr? Wüsste ich es nicht besser, wäre ich glatt davon ausgegangen, dass es sich um eine routinierte Autorin handelt, die schon unzählige Bücher dieses Genres veröffentlicht hat und weiß, wie der Hase läuft. Über was ich mich jedoch besonders freute, war die Verwendung von Witz und Humor: Immer an den richtigen Stellen, die Dosierung war perfekt, so dass jeder Gag sitzt und niemals zu gewollt wirkt und darüber hinaus spiegelte die sarkastische Erzählweise äußerst gelungen das Thema wider, welches ja selbst vor Ironie trieft. Das Gedankenspiel „Warum sich nicht das Patriarchat zu Nutze machen und sich einen reichen Göttergatten angeln, der einem das Leben in Glanz und Gloria finanziert?“ ist selbstverständlich nicht objektiv zu betrachten und dank des Humors und der zahlreichen Klischees wird selbst für die in der allerhintersten Reihe deutlich, dass hier absolut nichts ernst zu nehmen ist.

Darüber hinaus hat Nina May wirklich ein Händchen dafür, schrullig liebenswerte Figuren zu erschaffen, die man einfach gern haben muss. Von Colin über die beiden Trelawneys bis hin zu Trix selbst sind alle Charaktere überaus liebevoll ausgearbeitet, sodass sie einem allesamt schnell ans Herz wachsen, wenn man mal von der alten Schachtel absieht. Diese vorbildliche Charakterarbeit hat zur Folge, dass man wirklich investiert in das Leben der Figuren und die Gesamtsituation auf Chatham Place ist.

Doch auch die Handlung selbst hat mich von Anfang an gepackt. Vom ursprünglichen Heiratsschwindler-Plan entwickelt sie sich sehr schnell in eine wirklich spannende Richtung, über die ich jetzt aber bewusst nicht zu viele Worte verlieren möchte. Zwar waren manche Aspekte zu Weilen ziemlich vorhersehbar, aber in Anbetracht des Genres kann das absolut toleriert werden und aus der Hand legen konnte und wollte ich das Buch auch nicht. Von der Vorhersehbarkeit einmal abgesehen, ist der Spannungsbogen und der Aufbau des Buches von vorne bis hinten geglückt und auch der Höhepunkt lässt wirklich nichts zu wünschen übrig. Den zentralen Konflikt rund um Chatham Place fand ich kreativ gewählt und ich hatte zudem den Eindruck, dass er äußerst gut recherchiert war, auch wenn Denkmalschutz zugegebenermaßen nicht zu meinem persönlichen Fachgebiet gehört.

Dementsprechend war ich auch ein großer Fan vom Setting. Die Kulisse von Chatham Place wird garantiert das Herz eines jeden Downton Abbey Fans höher schlagen lassen und ist auch generell wunderschön ausgearbeitet. Jedes Potenzial, das sich in diesem Bereich bietet, wird voll ausgeschöpft, sodass man nicht nur eine genaue Vorstellung vom Schloss selbst hat, sondern sich ebenfalls vom Garten und dem Pub in der Nähe ein detailliertes Bild machen kann. Folglich entsteht eine Szenerie, die ebenso urig ist wie die Figuren, was ein wunderbares Gesamtbild ergibt.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass „Wer wird denn gleich an Liebe denken“ ein absolutes Vorzeigeexemplar seines Genres ist, welches sein Wort hält und somit Entertainment pur ist. Ich freue mich immer wahnsinnig, gute Unterhaltungsliteratur zu finden und dieses Buch hier ist die Definition zweifellos die Definition davon. Daher gibt es von mir eine ausdrückliche Leseempfehlung und ich bin sehr gespannt, was wir zukünftig noch von Nina May zu lesen bekommen werden!

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Veröffentlicht am 14.08.2022

Unterhaltung auf unterstem Niveau

Mit dir hatte ich nicht gerechnet
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Um ehrlich zu sein, ich hatte keine allzu hohen Erwartungen an „Mit dir hatte ich nicht gerechnet“. Ich rechnete nicht mit origineller Raffinesse, sondern mit kurzweiliger Unterhaltung. Etwas anderes als ...

Um ehrlich zu sein, ich hatte keine allzu hohen Erwartungen an „Mit dir hatte ich nicht gerechnet“. Ich rechnete nicht mit origineller Raffinesse, sondern mit kurzweiliger Unterhaltung. Etwas anderes als das will dieses Buch auch gar nicht sein und das ist völlig in Ordnung. Dennoch wurden mir hier einmal mehr die Unterschiede zwischen guter und schlechter Unterhaltung aufgezeigt.

Prinzipiell hätte es was werden können. Hollywood Schnulzen kommen meistens gut, wir leben doch alle für dieses Drama. Auch das Konzept von der toughen, vom Leben gebeutelten Protagonistin und dem auf den ersten Blick oberflächlich erscheinenden Typen, der ihr Herz aus durchwachsenen Motiven erobern will, ist zwar nichts neues, funktioniert jedoch immer wieder prima.
Was ging also bei der Umsetzung schief? Zuerst einmal ließ die Figurengestaltung doch sehr zu wünschen übrig. Obwohl Fiona mit etlichen Attributen ausgestattet ist, die teilweise mit ihrer schweren Vergangenheit zu tun haben, bleibt ihr Charakter flach und man ist nicht in der Lage, eine wirkliche Bindung zu ihr herzustellen. Wie auch, wenn die Leserschaft nur Vages über sie erfährt? Klar, irgendwo ist dieser Nebel um die Ereignisse damals am Set auch geplant und berechtigt. Aber dieses ungeschickte Zurückhalten entscheidender Informationen macht die Geschichte nicht spannender, sondern lässt lediglich Fionas Handlungsweisen irrational und unreif erscheinen.
Sam ist mindestens genauso unreif, wenn nicht noch mehr. Ist das das Los von Teeniestars? Immerwährende Pubertät? Abgesehen davon habe ich keine wirkliche Meinung zu ihm. Abgehoben, oberflächlich – natürlich ist er wahnsinnig heiß, natürlich hat er ein schiefes Lächeln, natürlich liegt ihm die Frauenwelt zu Füßen. Man kennt’s.
Durch diese schlampige Charakterarbeit, hat es die Lovestory natürlich alles andere als leicht und Schmetterlinge haben leider keine Chance. Entsprechend den beiden Figuren war auch ihre Beziehung zueinander wahnsinnig unreif: Ein ständiges hin und her gepaart mit Kommunikationsproblemen lässt außer einem gelegentlichen Stirnrunzeln oder Augenrollen nur wenig Emotion, geschweige denn Knistern zu.
Tatsächlich würde ich jedoch über all die oben genannten Punkte großzügig hinwegsehen, wenn da nicht der Schreibstil wäre. Bei aller Liebe, ich traue es mich fast nicht schreiben, aber ich habe selten etwas so grottiges gelesen.
Die Tendenz zu unnötig langen Bandwurmsätzen ist definitiv vorhanden und hat mich auch definitiv gestört. Katie Cotugno, du bist kein Cicero und wirst auch keiner werden, also mach ab und an nen Punkt.
Darüber hinaus habe ich den Eindruck, die Autorin versucht ihren sonst doch recht unspektakulären, beinahe plumpen Erzählstil durch eine unverhältnismäßig große Menge an Metaphern und Vergleichen aufzupeppen. Bildhafte Sprache schön und gut, aber ein Waschbrettbauch, auf dem man Grasflecken einer Jeans rausbekommt? Bitte? Das kann doch niemand ernst meinen.

Aber genug gemotzt, es gibt auch Positives zu vermerken: Dieses Buch ist so dermaßen schlecht, dass es irgendwo auch wieder sehr unterhaltsam wird, ähnlich wie bei Trash-TV. Ich bin zwar nach wie vor der Meinung, dass das, was wir hier zu Lesen bekamen, äußerst schlechte Unterhaltung ist, aber es ist nichtsdestotrotz Unterhaltung.
Und absoluter Geheimtipp: Dieses Buch vorzulesen ist Entertainment auf einem ganz neuen Level. Sorgt garantiert für viele Lästereinen und Gegacker xD

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Veröffentlicht am 12.08.2022

Liebeserklärung an Musik und Film

If we were a movie
3

Kitschig, chaotisch und klischeehaft. Diese Worte kamen mir als erstes in den Sinn, als ich über „If we were a movie“ von Kelly Oram nachdachte. Was sich kritisch anhören mag, meine ich jedoch in jeder ...

Kitschig, chaotisch und klischeehaft. Diese Worte kamen mir als erstes in den Sinn, als ich über „If we were a movie“ von Kelly Oram nachdachte. Was sich kritisch anhören mag, meine ich jedoch in jeder Hinsicht positiv. Zugegeben, einige Stellen waren gewagt und riskant. So manches Mal hätte es mit dem gesamten Roman gewaltig den Bach runter gehen können. Aber das tat es nicht. Kelly Oram ging aufs Ganze und das mit vollem Erfolg. Was war es also, das sie so goldrichtig gemacht hat?

Nun, zum einen hat sie mit Nate einen absolut gelungenen Protagonisten geschaffen. Er hat Fehler. Er lässt sich von seinen Mitmenschen völlig bereitwillig herumschubsen. Er kann partout nicht für sich selbst einstehen. Und er macht Fehler. Besonders zu Anfang des Buches wollte ich Nate wirklich oft schütteln und war nicht selten genervt von ihm. Doch so genervt ich auch war, mir war bewusst, wie viel Potenzial diese Ausgangssituation birgt. Und hallelujah, dieses Potenzial wurde voll ausgeschöpft und wir werden Zeugen einer 1A Charakterentwicklung! Nate arbeitet die ganze Geschichte über an sich und entwickelt sich zusehends weiter. Er stellt einen Protagonisten dar, mit dem sich sicherlich viele junge Menschen identifizieren können. Die Frage, was man nun eigentlich anfangen will mit seinem Leben, ob es sich lohnt für Träume zu kämpfen oder ob man nicht lieber die sichere Sesshaftigkeit dem Kopf in den Wolken vorziehen sollte, ist allgegenwärtig. Auf Nates Suche nach einem selbstbestimmten Leben liegen Steinen in Form von ungesunden Beziehungen und Manipulation auf seinem Weg, er erfährt aber auch gleichzeitig wahre Loyalität, Freundschaft und Liebe.
Die Liebe. Ein weiterer Punkt, der wunderbar funktioniert hat. Doch nachdem die Charakterarbeit so gewissenhaft erledigt wurde, dass sich alles weitere wie von allein entwickelt, ist das nicht weiter überraschend. Nichts wirkt zu gewollt oder gar erzwungen, die Chemie ergibt sich völlig mühelos. Von der Beziehung, die sich hier entwickelt hat, war ich wirklich ein großer Fan. Endlich mal zwei Personen, die auf anständige, erwachsene Weise miteinander umgehen und sich nicht in toxischen Verhaltensweisen verstricken.
Kommen wir zu dem Aspekt, der das Buch leicht und ohne weiteres hätte ruinieren können: Die schiere Fülle an Drama. Gerade die zweite Hälfte ist dermaßen vollgestopft damit, dass jeder, der jetzt verunsichert zurückzuckt, mein vollstes Verständnis hat. Es passiert schlichtweg so viel, dass man sich schon fragt, ob Kelly Oram eine Checkliste mit sämtlichen klischeehaften Szenarios neben sich liegen hatte und hinter jeden einzelnen der Punkte begeistert ein Häkchen setzen konnte. Dennoch war es eben dieses Drama, was „If we were a movie“ für mich von einem anfangs durchschnittlichen Buch zu einem gemacht hat, welches mir definitiv in Erinnerung bleiben wird. Durch das Setting und die zahlreichen Filmreferenzen schloss sich mit diesem hollywoodreifen Trara der Kreis und „If we were a movie“ wird zu einer absolut gelungenen Hommage an alle Romcoms dieser Welt.

Dieses Buch versucht nichts zu sein, was es nicht ist, und das habe ich sehr zu schätzen gewusst. Es ist stolz auf sich und sein Genre und denkt nicht im Traum daran, sich zu verstellen. Kelly Oram hat hocherhobenen Hauptes ein heillos überladenes Meisterwerkt geschaffen, das an Unterhaltungswert nicht mehr zu überbieten ist. Ein absolutes Muss für alle Fans von Schnulzen und guter Unterhaltung, denn wenn „If we were a movie“ keine gute Unterhaltung ist, dann weiß ich auch nicht weiter.

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Veröffentlicht am 24.07.2022

So unaufgeregt, so mitreißend!

Die karierten Mädchen
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Das war eins von diesen Büchern, an die ich aus welchen Gründen auch immer keine allzu hohen Erwartungen hatte. Ob es an dem unscheinbaren Cover lag oder an dem ernsten Thema, kann ich gar nicht sagen. ...

Das war eins von diesen Büchern, an die ich aus welchen Gründen auch immer keine allzu hohen Erwartungen hatte. Ob es an dem unscheinbaren Cover lag oder an dem ernsten Thema, kann ich gar nicht sagen. Was ich allerdings sagen kann, ist, dass ich unglaublich falsch lag. „Die karierten Mädchen“ haben sich als wahrer Schatz erwiesen und ich habe jede einzelne Seite geliebt.

„Die karierten Mädchen“ erzählen eine Lebensgeschichte, die Geschichte von Klara Möbius. Klara ist eine junge, bodenständige Frau mit Prinzipien, die ihrer Zeit weit voraus sind. Inmitten der Weltwirtschaftskrise hat sie eine Anstellung als Lehrerin in einem Kinderheim ergattern können. Trotz der schwierigen Zeiten lief alles eine Weile in geregelten Bahnen und Klara entpuppte sich als große Bereicherung für das Kinderheim in Oranienbaum. Und dann kam Tolla, ein Waisenkind – mit jüdischen Wurzeln.
Was dann folgte, hat mich besonders fasziniert. Wir müssen mit ansehen, wie sich unsere Protagonistin vollkommen dafür einsetzt, das Kinderheim zu verstaatlichen. Objektiv betrachtet selbstverständlich eine furchtbare Entscheidung: Sie wird mehr oder weniger freiwillig Teil des Naziregimes. Doch gleichzeitig lehnt sie sich auch dagegen auf, indem sie persönlich weder die nationalsozialistischen Werte vertritt noch diese ihren Schülerinnen lehrt und natürlich indem sie ein jüdisches Mädchen bei sich versteckt und sich als ihre Mutter ausgibt. Zum Schutz ihrer Mädchen, des Kinderheims und ihres privaten Glücks, passt sie sich dem dritten Reich an und ebnet der nationalsozialistischen Frauenbewegung ein Stück weit den Weg. Sie teilte die Ansichten der Regierung nicht und war in ihrem Innersten kein Nazi, dennoch unternahm sie nichts dagegen. Sie war keine Rebellin, ihr fehlte der Mut, aktiven Widerstand zu leisten, hat so indirekt sämtliche Schandtaten unterstützt. Dennoch bringe ich es nicht über mich, sie dafür zu verurteilen. Ich kann ihre Motive beängstigend gut nachvollziehen und ich würde heucheln, wenn ich behauptete, ich hätte damals anders als Klara gehandelt, wenn ich behauptete, ich wäre mutiger gewesen.

Und genau diesen Aspekt schätze ich an den karierten Mädchen so sehr: Es ist keine Heldengeschichte von mutigen Rebellen, die jeglichen Hindernissen zum Trotz für ihre Vision und für eine bessere Welt kämpfen. Das hier ist die Geschichte einer ganz normalen Frau, die versucht in jenen schwierigen Zeiten die richtigen Entscheidungen zu treffen. Ich will Klara nicht von ihrer Schuld freisprechen, denn schuldig ist sie definitiv, so schuldig wie alle Deutschen damals, die einfach nur zusahen, die im Nachhinein von nichts gewusst haben. Doch die Geschichte ist realistisch. Sie ist so realistisch wie sie nur sein kann, weil sie nichts anderes als die Realität abbildet. Wir müssen uns mit unserer eigenen Natur auseinandersetzten, und das geht nicht, wenn wir nur die Geschichten von glorreichen Helden lesen. Denn wir sind keine Helden. Wir sind Menschen, und daran ist nichts falsch.

Trotz der Thematisierungen von Nationalsozialismus, Weltkrieg und Schuld habe ich die Geschichte nicht als grau und düster wahrgenommen. Es wurde zwar nichts beschönigt, allerdings wurden auch die guten Momente, die sich selbst in dieser schrecklichen Zeit ereigneten, nicht unter den Tisch gekehrt. Auf ihre eigene Art sind die karierten Mädchen ein richtiges Wohlfühlbuch für mich geworden, das so wundervoll erzählt ist, dass ich es vermutlich an einem Tag hätte lesen können, gleichzeitig aber auch nicht fertig werden wollte. Alexa Henning von Lange hat mit „Die karierten Mädchen“ ein wahres Meisterwerk geschaffen, das mich vermutlich noch eine Weile verfolgen wird.
Offensichtlich eine klare Leseempfehlung!

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Veröffentlicht am 16.07.2022

Prinzipiell viel Potenzial!

Die versteckte Apotheke
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Wäre mir "Die versteckte Apotheke" nicht durch einen glücklichen Zufall hier auf Vorablesen über den Weg gelaufen, früher oder später hätte sie einfach bei mir einziehen müssen. Bei historisch-feministischen ...

Wäre mir "Die versteckte Apotheke" nicht durch einen glücklichen Zufall hier auf Vorablesen über den Weg gelaufen, früher oder später hätte sie einfach bei mir einziehen müssen. Bei historisch-feministischen Geschichten über Frauen auf ihrem Weg zur Selbstbestimmung werde ich einfach schwach. Und das ganze dann auch noch in Kombination mit einem so einem Schmuckstück von Cover? Da kann ja wirklich niemand „Nein“ sagen.
Doch um ehrlich zu sein, so ganz hundertprozentig „JA!“ sagen konnte ich irgendwie auch nicht. Zu den Gründen komme ich noch, jetzt bleiben wir erstmal beim Positiven, davon gab es nämlich jede Menge.


Ich mochte das Konzept.
Eine Apothekerin im 18. Jahrhundert, die ihr Leben so vollkommen der Hilfe und Rettung von Frauen verschrieben hat, dass sie auch nicht vom Mord an deren Unterdrückern zurückschreckt? Das Ganze verknüpft mit einer Frau aus der Gegenwart, die die Geheimnisse der Apothekerin aufspürt, dabei jedoch selbst vor Problemen davonläuft – Probleme, die sich im Lauf der Geschichte offenbar kaum verändert haben? In meinen Augen eine Idee mit unglaublich viel Potenzial.

Ich mochte die zentralen Themen Feminismus und Emanzipation.
Nellas Bestreben, Frauen Macht zu verleihen in einer Gesellschaft, die gegen uns war, Frauen eine Stimme zu geben zu einer Zeit, in der wir einfach nicht gehört wurden, ist bewundernswert und hat mich zutiefst berührt.
Ich mochte die teils unerwarteten Freundschaften. Was ursprünglich als Zweckgemeinschaft gedacht war – sowohl bei Eliza und Nella als auch bei Caroline und Gaynor – wurde bald zu echtem, ehrlichem Interesse. Interesse zwischen Frauen, die erkannt haben, dass es das Beste für uns alle ist, wenn wir uns unterstützen. Denn wenn wir uns gegenseitig nicht helfen, wer soll es dann tun?

Zu guter Letzt mochte ich die moralische Grauzone, in der sich Nella und ihre Kundinnen befinden.
Nella bringt Männer um. Zahlreich. Sie ist eine Serienmörderin, wie es im Buche steht. Dennoch hat sie nur die besten Absichten: Sie möchte Frauen helfen, sie möchte sie retten, indem sie ihnen einen Ausweg aus sonst ausweglosen Situationen bietet. Ist das zu rechtfertigen? Meiner Meinung nach definitiv. Aber letztendlich muss das wohl jeder für sich selbst entscheiden.


Nun zu dem, was mich nicht überzeugen konnte: Der Spannungsaufbau.
Fast das gesamte Buch verlief dermaßen flach, dass – bis auf die letzten 50 Seiten – so gut wie keine Spannung aufkam. Ein paar Situationen hätten potenziell spannend werden können, wurden jedoch dermaßen schnell wieder entspannt, dass sich jegliche Aufregung sofort wieder im Sande verlief. Zudem gelang es mir leider nicht wirklich, eine Bindung zu den Charakteren aufzubauen. Klar waren mir die drei Protagonistinnen weitestgehend sympathisch – aber eben auch nicht mehr. Letztendlich hatte ich den Eindruck, dass ich zwar interessiert war, aber nicht wirklich investiert. Ein bisschen mehr Augenmerk auf die Figurengestaltung zu legen, hätte der Geschichte meines Erachtens nach wirklich gut getan.


Zusammenfassend lässt sich sagen, dass mich die Grundideen absolut angesprochen haben, nur die Umsetzung scheint noch nicht ganz ausgereift. Bei einem solch aufwühlenden Thema hätte ich mir einfach mehr Emotion erhofft. Trotzdem ist „Die versteckte Apotheke“ eine nette Lektüre für zwischendurch und für all diejenigen eine klare Leseempfehlung, die es etwas ruhiger und distanzierter mögen. 😊

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