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Veröffentlicht am 09.10.2022

Der Kampf für ein selbstbestimmtes Leben

Miss Kim weiß Bescheid
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Cho Nam-Joos neuestes Buch ist eine Sammlung von acht Kurzgeschichten. In diesen Erzählungen geht es um Frauen und Mädchen, die aufgrund ihres Geschlechts Nachbeteiligung erfahren und sich gegen die sozialen ...

Cho Nam-Joos neuestes Buch ist eine Sammlung von acht Kurzgeschichten. In diesen Erzählungen geht es um Frauen und Mädchen, die aufgrund ihres Geschlechts Nachbeteiligung erfahren und sich gegen die sozialen Ungerechtigkeiten Koreas wehren. Sie brechen mit Konventionen und vorgegebenen gesellschaftlichen Rollen, treffen ihre eigenen Entscheidungen und kämpfen für ein selbstbestimmtes Leben.

Die Geschichten sind ganz ruhig, manchmal fast sachlich erzählt, doch auch ohne erhobene Faust und laute Worte haben sie eine große Wucht. Cho Nam-Joo ist einfach eine großartige Erzählerin! Schonungslos zeigt sie Ungerechtigkeiten und den enormen Druck, den die gesellschaftlichen Erwartungen auf die Frauen in Korea ausüben. Die Geschichten sind aus der Ich-Perspektive erzählt, was ich für eine sehr gute Entscheidung halte. Denn so kommen einem die Erzählerinnen nah, und man erfährt, was trotz der guten Mine die sie oft machen müssen in ihrem Inneren vor sich geht.

Ich fand alle Geschichten und ihre ProtagonistInnen sehr authentisch. Jede der acht Erzählungen ist perfekt ausgearbeitet und bringt einen Einblick in die koreanische Kultur und ins Alltagsleben als Frau in Korea. Es geht dabei um ganz normale Frauen oder Mädchen. Da ist z.B. die Lehrerin, die sich weigert an jedem freien Tag den Enkel zu betreuen, sondern sich in dieser Zeit nun endlich einen immer wieder aufgeschobenen Lebenstraum erfüllen will. Oder die Mädchen, die nicht mehr hinnehmen wollen, dass ihnen von Mitschülern „zufällig“ unter die Röcke gefilmt wird, und die einfordern, dass die Täter nun endlich die Konsequenzen zu tragen haben. Cho Nam-Joo zeigt diese Ungerechtigkeiten, aber zugleich auch einen Ausweg, das macht das Buch trotz der Wut die es hervorruft zu einem positiven Buch und schenkt Hoffnung.

Fazit
Cho Nam-Joo setzt ein klares Statement für Gleichberechtigung und den freien Willen. Und zugleich fordert sie auf, das eigene Schicksal in die Hand zu nehmen und nicht alle vorgegebenen gesellschaftlichen Strukturen zu akzeptieren. Von mir gibt es eine klare Leseempfehlung!

Veröffentlicht am 06.09.2022

Ein gemächlicher Start der sich zu einem Pageturner entwickelt

Die Vergessene
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Als großer Fan von Karin Slaughter war ihr neuestes Buch für mich quasi „Pflichtlektüre“. Es führt die in „Ein Teil von ihr“ begonnene Geschichte von Andrea Oliver und ihrer Familie fort. Den Vorgänger ...

Als großer Fan von Karin Slaughter war ihr neuestes Buch für mich quasi „Pflichtlektüre“. Es führt die in „Ein Teil von ihr“ begonnene Geschichte von Andrea Oliver und ihrer Familie fort. Den Vorgänger habe ich nicht gelesen, sondern die Netflix-Verfilmung gesehen, man kann aber auch komplett ohne Vorkenntnisse sehr gut einsteigen.

Für mich war das Buch allerdings kein typisches Karin Slaughter Werk. Ganz ungewohnt hat es sehr lange gedauert bis die Geschichte Fahrt aufgenommen hat und mich fesseln konnte. Die Autorin lässt es hier spürbar langsamer angehen, in den ersten Abschnitten gab es eher wenig Spannung, was für mich zu manchen Längen geführt hat. Kurz vor der Hälfte hat sich dann endlich der Sog entwickelt, den ich an ihren Büchern so sehr schätze und bis zum Ende entwickelte es sich schließlich doch noch zum Pageturner.

Die Handlung spielt in der Gegenwart und in den 1980er Jahren. Den Handlungsstrang in der Vergangenheit fand ich meist spannender, wobei in beiden Zeitebenen eben immer mal wieder recht Unerhebliches die Handlung aufblähte. Letztendlich hätten 100 Seiten weniger der Geschichte gut getan. Das Finale hingegen war dann erstaunlich kurz geraten und dadurch recht unspektakulär. Es muss natürlich nicht immer hollywoodreife Action sein, aber ein klein wenig mehr als das gebotene ist man von Karin Slaughter einfach gewohnt.

Auch die Charaktere konnten mich dieses Mal nicht zu 100% abholen, zu Andrea und ihren Kollegen fand ich erst spät Bezug. Der als sehr charismatisch beschriebene Sektenführer blieb blass, warum sich die Menschen ihm anschlossen habe ich nicht nachvollziehen können. Die menschlichen Abgründe hingegen beschreibt Slaughter wieder absolut großartig. Letztendlich ist das alles Meckern auf sehr hohem Niveau, denn „Die Vergessene“ ist trotz allem solider und erschütternder Thriller.

Dass im Buch mal die US Marshalls im Mittelpunkt stehen und man dadurch einen Einblick in das US-Marshall-System erhält hat mir sehr gut gefallen. Welche Aufgaben und Befugnisse sie haben ist wirklich interessant. Hier sehe ich sehr viel Potential für eine mögliche Fortsetzung der beiden Bücher.

Fazit
Ein guter Thriller, aber mit ihren Spitzentiteln kann das Buch diesmal nicht mithalten. Es wird zwar nicht mein Lieblingsbuch, doch sollte die Reihe noch eine weitere Fortsetzung erhalten werde ich diese auf jeden Fall auch lesen!

Veröffentlicht am 28.08.2022

Packend und informativ

Die Nackten fürchten kein Wasser
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Das Buch ist in vier Kapitel gegliedert, die gleichzeitig die wichtigsten Zwischenpunkte der Flucht sind. Zu Beginn wird viel über das Leben in Kabul, die Familien von Omar und Matthieu und wie die beiden ...

Das Buch ist in vier Kapitel gegliedert, die gleichzeitig die wichtigsten Zwischenpunkte der Flucht sind. Zu Beginn wird viel über das Leben in Kabul, die Familien von Omar und Matthieu und wie die beiden sich kennenlernten berichtet. Auch in Aikins Arbeit als Kriegsreporter gibt es einen kleinen Einblick.

Um Omar begleiten zu können muss Matthieu Aikins sich als Afghane ausgeben, denn als Kanadier wäre er ein lohnenswertes Entführungsopfer. Zum Glück wird er optisch ohnehin meist für einen Einheimischen gehalten und hat lange genug im Land gelebt um Sprache und Kultur sehr gut zu kennen. Also nennt er sich fortan Habib und erfindet einen passenden Lebenslauf.

Für Omar ist das Vorhaben von Beginn an bitterernst, Aikins hingegen hätte die Möglichkeit sich jederzeit von einem Freund seinen Pass bringen zu lassen uns ins nächste Flugzeug zu steigen. Trotzdem gerät er zusammen mit Omar mehrmals in gefährliche Situationen, etwa wenn sie in einem Schlauchboot von der Türkei Richtung Griechenland unterwegs sind.

Wo sich die Wege der beiden Trennen, berichtet Aikins über seine eigenen Erlebnisse und fügt anschließend Omars an. Ein wenig enttäuscht war ich, dass er beim gefährlichsten Teil der Flucht gar nicht dabei war. Omar reist alleine vom Iran über die Berge in die Türkei, so dass dieser Teil der Flucht im Buch nur als Nacherzählung recht kurz beschrieben ist. Hier hatte ich mir tiefere Einblicke erwartet. Sehr umfangreich ist das Buch hingegen, was Hintergrundwissen und Zahlen und Daten angeht. Auch andere Flüchtlinge kommen immer wieder zu Wort, Aikins berichtet über sie sehr sachlich und beschreibt was den Menschen widerfahren ist, ohne zu Werten.

Fazit
Ein spannender und packender Tatsachenbericht der zugleich viel Hintergrundwissen bringt.

Veröffentlicht am 06.08.2022

Kann mit seinen überraschenden Wendungen punkten

Das Therapiezimmer
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Das Buch ist ein Thriller der ohne viel Gewalt und Blut auskommt und stattdessen auf die psychologischen Elemente setzt. Die meiste Zeit über funktioniert das sehr gut, lediglich im letzten Drittel flacht ...

Das Buch ist ein Thriller der ohne viel Gewalt und Blut auskommt und stattdessen auf die psychologischen Elemente setzt. Die meiste Zeit über funktioniert das sehr gut, lediglich im letzten Drittel flacht die Spannung etwas ab, hier hätte man die Handlung etwas straffen und beschleunigen können.

Die Anzahl der Charaktere ist sehr übersichtlich, sie wechseln sich mit der Erzählung ab und auch für kurze Ausflüge in die Vergangenheit ist Platz. Die beiden Protagonisten Annie und Sam fand ich allerdings optisch zu perfekt. Sie die großartige Frau nach der sich alle umdrehen, er der Herzensbrecher dem alle zu Füßen liegen, das typische amerikanische Traumpärchen, das war mir etwas zu weichgewaschen. Charakterlich hat die Autorin dann zum Glück einige Schwächen eingebaut, die das wieder etwas ausgeglichen haben.

Richtig gut haben mir die Plottwists gefallen. Der Autorin gelingt es hervorragend den Leser falsche Annahmen treffen zu lassen. Nach etwa einem Drittel gibt es eine Wendung, die mich komplett umgehauen hat. Ich musste mich an der Stelle erstmal sammeln und alles was ich davor gelesen und beurteilt hatte nochmal neu überdenken. Jedes Wort mehr wäre zu viel verraten, ich sage dazu nur noch: schon lange hat mich kein Buch mehr so großartig überrascht!

Fazit:
Die Geschichte für sich alleine ist recht unspektakulär, doch das fällt kaum ins Gewicht, da die absolut unerwarteten Plot-Twists das locker wettmachen können.

Veröffentlicht am 30.07.2022

Ein Leben im Müll

Vertraute Welt
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Der Autor verwendet im Buch keine Namen, alle Protagonisten werden mit ihren Spitznamen bezeichnet. So erleben wir, wie Glupschaug mit seiner Mutter (die ebenfalls namenslos bleibt) von den Bergslums zur ...

Der Autor verwendet im Buch keine Namen, alle Protagonisten werden mit ihren Spitznamen bezeichnet. So erleben wir, wie Glupschaug mit seiner Mutter (die ebenfalls namenslos bleibt) von den Bergslums zur Blumeninsel übersiedelt und sich den Müllsammlern anschließt. Die Mutter findet schnell einen neuen Lebenspartner und Glupschaug erhält einen jüngeren Stiefbruder namens Glatzfleck. Ihr Leben ist nicht leicht, die Kinder haben zwar die Möglichkeit zur Schule zu gehen, aber da sich die Erwachsenen nicht wirklich darum kümmern was der Nachwuchs treibt wird die meiste Zeit geschwänzt.

Die Themen Müll und Wegwerfgesellschaft sind sehr aktuell, wir leben in einer Zeit, wo massenweise Lebensmittel verschwendet werden und fast grenzenlos Müll produziert wird. Vieles das noch repariert oder wiederverwendet werden könnte landet auf dem Müll, oft ist es einfacher und bequemer Neues zu kaufen als Altes zu verwerten. Hwang Sok-yong beschreibt das Leben auf der Müllkippe sehr greifbar, man hat die ärmlichen Hütten, das tägliche Wühlen im Dreck und den Schmutz und den Gestank vor Augen. Trotzdem hatte ich an manchen Stellen das Gefühl nicht zu verstehen, was er mit einer Szene eigentlich vermitteln will.

Es gibt auch ein paar übersinnliche Elemente, die für mich nicht wirklich in die Geschichte passen wollten und sich für mich daher etwas seltsam anfühlten.

Auch der Spannungsbogen ist nicht durchgängig vorhanden. Vor allem in der Mitte gibt es größere Durchhänger, wo die Geschichte nur noch vor sich hinplätschert und ich mich irgendwann auch zum Weiterlesen zwingen musste. Gerne hätte ich gesagt, dass das Ende dafür entschädigt hat, doch das war nur zum Teil der Fall. Insgesamt lässt mich das Buch damit zwiegespalten zurück. Einerseits ist es eine sehr eindringliche Geschichte, über deren Inhalt und die Protagonisten ich noch lange nachgedacht habe, andererseits hat das Buch mich im Mittelteil fast verloren.

Fazit:
Das Buch hatte ich schon eine Weile auf dem Wunschzettel und auch recht hohe Erwartungen an die Geschichte. Nicht alle meine Erwartungen konnten erfüllt werden, dennoch hat es mich zum Nachdenken angeregt wie oft man doch etwas wegwirft das eigentlich noch „gut“ ist.