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Veröffentlicht am 07.01.2024

Talentschmiede Burgenland

Junge Literatur Burgenland Vol. 7
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In diesem Sammelband finden sich Texte von vier Autorinnen mit Burgenlandbezug, die alle mit einem großen schriftstellerischen Talent aufwarten können.

Die ersten drei Texte stammen von der 2001 geborenen ...

In diesem Sammelband finden sich Texte von vier Autorinnen mit Burgenlandbezug, die alle mit einem großen schriftstellerischen Talent aufwarten können.

Die ersten drei Texte stammen von der 2001 geborenen Autorin Anna Bauer. "Man sagte dir, diesem Text fehle bloß ein Bergwerk" ist eine lyrische Beobachtung von dörflichen Strukturen und ihren Bewohner:innen, die in neun Abschnitte gegliedert ist. Bauer erschafft hier ein spezielles Flair, welches umgehend widersprüchliche Bilder dieser widersprüchlichen Gesellschaft in mir hervorriefen. Der zweite Text "Eine schöne Glückskatze ist das, hat der Autorfahrer hinter mir gesagt" ist eine Kurzgeschichte, welche jedoch ebenfalls lyrische Textabschnitte enthält. Sie ist aus Ich-Perspektive verfasst und befasst sich mit den Gewissensbissen der Erzählerin, die etwas mit dem Tod der Nachbarskatze zu tun hat. Dieser Text ist sehr einnehmend und der Autorin gelingt es hervorragend, dass sich die Lesenden in die Gedanken- und Gefühlswelt der Protagonistin hineinversetzen können. Mein persönlicher Lieblingstext in diesem Sammelband ist aber Bauers "Die Hecke". Die Kurzgeschichte, der in Du-Form geschrieben ist, dreht sich um eine Beziehung zwischen der Protagonistin und einer ihr sehr zugetanen Hecke. Klingt ungewöhnlich - ist es auch, aber die Autorin schafft um die schräge Geschichte eine so natürliche und einnehmende Atmosphäre, dass ich ihr die Erzählung zu hundert Prozent abgenommen habe! Ich bin mir sicher, von Anna Bauer wird die Literaturwelt noch einiges hören!

Die nächste Kurzgeschichte ist von der 1980 geborenen Journalistin und bildenden Künstlerin Lisa Bolyos. In rasantem Tempo erzählt sie in "Wir helfen gerne" von der Protagonistin Tanja, die scheinbar ganz genau weiß, was sie will und was nicht. Sie hilft gerne anderen, aber nur, wenn sie darin auch Eigennutz erkennen kann. Sie hat eine Vorliebe für die Planung ihres Lebens und mag es gar nicht gerne, wenn es anders verläuft als geplant. Vor allem will sie sich nicht binden, keine ernsthafte Beziehung eingehen mit einem Mann, sondern Spaß haben, nach ihren Regeln. Bis sie Pez kennenlernt... Auf 20 Seiten schafft es die Autorin, dass man sich bestens in die zwänglerische Tanja hineinversetzen kann und das Gefühl hat, zu verstehen, weshalb sie so eigenbrötlerisch geworden ist. Ich habe Tanja in dieser kurzen Zeit sehr liebgewonnen und würde gern noch mehr über sie erfahren! Höhepunkt ist das unerwartete Ende der Geschichte.

Die nächsten 55 Seiten sind den vorwiegend lyrischen Texten der 1987 geborenen Autorin Kerstin Istvanits gewidmet. Sie schreibt ihre Gedichte auf Ungarisch und Deutsch und beschäftigt sich darin mit den Themen Natur, Orten und Farben. Diese haben mich oft zum Nachdenken über Kleinigkeiten, denen ich im Alltag oft nur wenig Aufmerksamkeit schenken, gebracht. Auch Istvanits Kurzgeschichten "Nöi táskák" und "Postkarte / Képeslap" widmen sich Nebensächlichkeiten, die aber viel über Personen aussagen können - in diesen Fällen Handtaschen und eben Postkarten. Die Zweisprachigkeit spielt bei Istvanits Texten eine wesentliche Rolle, bedauerlicherweise bin ich des Ungarischen nicht mächtig, es wäre sicher von Vorteil, um die Ausdruckskraft ihrer Texte besser zu verstehen.

Für die letzten zwei Texte des Sammelbandes zeichnet sich die 1979 geborene Autorin und Allgemeinmedizinerin Bernadette Németh verantwortlich. "In einem Arm ein Kind, im anderen die Säge" heißt ersterer und lässt uns in der Form der Ich-Erzählung in die Erlebnisse der Protagonistin Zsuzsanna eintauchen. Némeths Sprache ist lyrisch, philosophisch, dicht an (teils ungewöhnlichen) Metaphern und anspruchsvoll, was bei mir oftmals zur Folge hatte, dass ich Sätze oder Passagen ein zweites Mal lesen musste, damit ich die Aussage(n) vollständig verstehen konnte. Zsuzsanna erzählt die Geschichte ihrer Familie, die geprägt war von Traditionen und dem Brechen dieser. Ihr Vater war ungarischer Flüchtling, dem es seine Familie nicht verziehen hat, dass er nicht Priester, sondern Familienvater wurde. Gläubig war ihre Familie trotzdem und auch daraus versuchte die Protagonistin auszubrechen. Auch die Familie ihres Partners hält viel auf Tradition, nämlich sogar in einer Doppeldeutigkeit - und auch damit muss gebrochen werden... Der köstliche Schluss gibt auch Auflösung betreffend des ungewöhnlichen Titels der Kurzgeschichte.

Der zweite Text Némeths namens "Schönmenschen oder Heute, vor hundert und in hundert Jahren" ist eine schockierende Geschichte über eine Zwangsprostituierte, die versucht, ihrem Zuhälter zu entkommen. Als junges Mädchen wird sie unter falschen Versprechungen von einer vermeidlichen Modelagentur ihren ungarischen Eltern entzogen und in den Westen gebracht. Erst 16 Jahre alt und schon tief im Schlund des Milieus verspricht eine Freundin über ihre Kontakte zu einem Anwalt aus ihrer Situation, die von Überwachung und Kontrolle gekennzeichnet ist, zu entfliehen. Doch es kommt anders als erwartet... Bei dieser Kurzgeschichte schaffte es Bernadette Németh sehr gut, dass ich mich in die Situation der Ich-Erzählerin hineinversetzen konnte - was ob dieser grausamen Thematik tatsächlich beängstigend war. Auch hier ist die Ausweglosigkeit, welche Festgefahrenes an sich hat, und aus der es zu fliehen gilt, für mich das Kernthema. Der Text ist erneut anspruchsvoll, mit philosophischen und lyrischen Einschüben, war für mich aber der Einnehmendere der beiden Texte.

Mein Fazit: ein Sammelband, der sehr bereichert und Autorinnen Gehör verschafft, die ob ihres großen schriftstellerischen Talentes unbedingt weiterverfolgt werden sollten!

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Veröffentlicht am 14.12.2023

Die kleine Schwester von Carl Mørck?

Stille Falle
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Leo Asker hat es nicht leicht. Durch eine Intrige wird sie zur Abteilungsleiterin einer ihr bis dahin völlig unbekannten Abteilung innerhalb der Malmöer Polizei "befördert", die sich bezeichnenderweise ...

Leo Asker hat es nicht leicht. Durch eine Intrige wird sie zur Abteilungsleiterin einer ihr bis dahin völlig unbekannten Abteilung innerhalb der Malmöer Polizei "befördert", die sich bezeichnenderweise "Abteilung für hoffnungslose Fälle" oder auch "Abteilung der verlorenen Seelen" nennt. Was die dort vorhandenen Mitarbeiter/innen genau machen oder was grundsätzlich die Aufgaben dieser Einheit sind, weiß keiner so genau. Bald jedoch findet Leo heraus, dass ihr Vorgänger auf der Spur von mysteriösen Vorfällen war, bei denen in einer Eisenbahn-Modelllandschaft in unregelmäßigen Abständen Figuren auftauchen, die vermissten Personen ähneln. Und auch der aktuelle Fall einer verschwundenen Promi-Tochter wird in der Modelllandschaft abgebildet. Trotz vieler Hindernisse setzt Leo alles daran, den Fall zu lösen...

Zugegebenermaßen musste ich besonders in der ersten Hälfte von „Stille Falle“ sehr oft an Jussi Adler Olsen’s Sonderdezernat Q mit dem Ermittler Carl Mørck denken. Die Abteilung, in die Asker versetzt wird, ist im Keller situiert – wie das Sonderdezernat Q. Und auch die dort arbeitenden Personen sind sehr speziell, wenn auch nicht ganz so übertrieben wie bei Jussi Adler Olsen. Im Gegensatz zum Dänischen Sonderdezernat sind die Aufgaben der Reserveabteilung nicht ausschließlich auf Cold Cases beschränkt, sondern widmen sich sonderbaren Vorkommnissen, die nicht zwangsläufig mit einem Verbrechen zu tun haben. Wobei sich die Hauptprotagonistin bis zum Schluss nicht darüber klar wird, was genau der Auftrag ihrer Abteilung ist. Auch die Kriminalfälle sind ähnlich heftig wie bei Mørck, ebenso ähnelt die Erzählstruktur an die dänische Krimireihe – es wird abwechselnd aus unterschiedlichen Blickwinkeln erzählt, einmal folgt der/die Leser/in Leo Asker, dann dem Täter oder dem Opfer oder anderen Protagonisten und auch die Erzählperspektive wechselt zwischen der beobachtenden und ich-erzählenden Form. Anfänglich hat mich die Ähnlichkeit zu der Mørck-Reihe gestört und ich konnte mich nicht so recht auf die Geschichte einlassen, was sich dann aber glücklicherweise nach rund hundert Seiten gelegt hat.

Trotz aller Ähnlichkeiten ist Anders de la Motte ein spannungsgeladener Kriminalroman geglückt. Die abwechselnden Perspektiven erzeugen einen sich kontinuierlich steigernden Spannungsaufbau. Die Charaktere sind divers und interessant und agieren mit Ernsthaftigkeit – im Gegensatz zu Olsens Figuren. Das schwedische Flair ist etwas kühler als bei seinem dänischen Pendant, alles wirkt etwas härter. De la Motte liefert auch Erklärungen dafür, warum sich die handelnden Personen zu dem entwickeln, was sie jetzt sind – sie haben teils schwer lastende Rucksäcke, die sie oft schon Jahrzehnte mitschleppen. Dies verleiht den Protagonist/innen eine angenehm nachvollziehbare Tiefe. Klar erkennbar ist, dass eine Fortsetzung der Reihe geplant ist, worauf sich die Leser/innen sehr freuen können.

Mein Fazit: Wer die Krimireihe um Carl Mørck mag und sich über weniger nervende Charaktere freut, ist bei „Stille Falle“ goldrichtig. Anders de la Motte präsentiert eine Kriminalgeschichte, die fesselnd und packend ist und es nur schwer ermöglicht, sie aus der Hand zu legen. Besonders hervorzuheben sind die Charaktere mit Tiefgang, die auch ein wenig hinter die Fassaden blicken lassen. Ein gelungener Krimi, der viele unterhaltsame Lesestunden garantiert!

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Veröffentlicht am 23.06.2025

Das Buch: ein Rätsel

Die Schrecken der anderen
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Ein Toter im Eis, der soziophobe Schibig, die Alte, Kern und dessen Mutter: das sind die Hauptfiguren in Martina Clavadetschers "Die Schrecken der Anderen". Langsam werden die Personen eingeführt und sachte ...

Ein Toter im Eis, der soziophobe Schibig, die Alte, Kern und dessen Mutter: das sind die Hauptfiguren in Martina Clavadetschers "Die Schrecken der Anderen". Langsam werden die Personen eingeführt und sachte miteinander verwoben. Die Sprache ist zwar einfach zu lesen, aber doch sehr anspruchsvoll und komplex, es bedarf einer hohen Konzentration, um dem Erzählten die nötige Aufmerksamkeit zu schenken.

Gewaltig und dicht ist nicht nur die Sprache, sondern auch der Inhalt. Jede einzelne Figur bekommt einen schrägen Charakter, ist mit eigenen Besonderheiten ausgestattet. Was sie vereint, ist das Unzugängliche, das Mysteriöse das ihnen anhaftet. Jede und jeder ist etwas auf der Spur, lang ist nicht erkennbar, dass es sich um Gemeinsames handelt. Die Geschichte ist Geschichte und Ungeschichte zugleich, sie ist nicht fassbar und lässt sich deshalb auch kaum beschreiben.

Es ist ein Leseerlebnis, das man selbst erfahren muss, es hat etwas Märchenhaftes, aber doch sehr Reales, könnte vor oder in hundert Jahren spielen. Es beeindruckt und stößt ab zugleich. Schließlich geht es - wie in vielen Dingen - um das Geld, dass nicht nur Dreck am Stecken hat, sondern auch Blut - und alle gieren danach, aus unterschiedlichen Motiven. Und auch hier, in der neutralen Schweiz, tauchen abstoßende Spuren von Alt- und Neonazis auf.

Es benötigt definitiv einen zweiten Durchlauf, um dieses Buch zu verstehen und es fassen zu könne, denn es bleibt: ein Rätsel. Eines allerdings, dass es sich lohnt lösen zu wollen. Und hoffentlich gelöst werden kann.

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Veröffentlicht am 08.06.2025

Verbrannt oder nicht verbrannt, das ist hier die Frage

Verbrannte Wörter
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Matthias Heine liefert uns mit der 2. Auflage von "Verbrannte Wörter. Wo wir noch reden wie die Nazis - und wo nicht" ein äußerst aktuelles und ausführliches Werk in alphabetischer Reihenfolge, das informativ ...

Matthias Heine liefert uns mit der 2. Auflage von "Verbrannte Wörter. Wo wir noch reden wie die Nazis - und wo nicht" ein äußerst aktuelles und ausführliches Werk in alphabetischer Reihenfolge, das informativ und überraschend zugleich ist.

Nach einer fundierten Einleitung zum aktuellen Wissensstand, erhalten wir Erläuterungen über die (NS-) Geschichte verschiedenster Wörter. Die Erklärungen sind in adäquater Wissenschaftssprache verfasst, nehmen uns in die Spurensuche mit und beziehen sich auch oft auf aktuelle Debatten in deutscher und österreichischer Politik. Jede Wortbetrachtung schließt mit einem Fazit, welches zusammenfasst, ob und in welchem Zusammenhang das jeweilige Wort verwendet werden sollte - oder eben nicht. Erschütternd wird in Erinnerung gerufen, was die Nazis alles steuerten und verbürokratisierten - eben auch die Sprache. Doch nicht überall stecken Nazis drinnen, wo wir das vermuten, was zu der ein oder anderen Überraschung führt. Andererseits gab es auch große Aha-Momente, da ich niemals eine NS-Prägung in gewissen Wörtern vermutet hätte. Dazu gehört beispielsweise "betreuen".

Mit dem Fazit der einzelnen Wörter bin ich ehrlichgestanden nicht immer zufrieden, weshalb ich auch einen Stern Abzug gebe. Besonders bei der Redewendung "bis zur Vergasung" ist es mir einfach zu schwammig. Zudem finde ich den Aufbau des Buches ein wenig unübersichtlich und ich würde mir eine bessere Auffindbarkeit der Wörter mittels einer Buchstabenmarkierung wünschen. Positiv hervorzuheben ist das Eingehen auf aktuelle politische Diskussionen.

Mein Fazit: "Verbrannte Wörter" ist ein Buch, das in jedem deutschsprachigen Haushalt stehen sollte, da es den bewussten Umgang mit Sprache schult. Es eignet sich hervorragend für den Unterricht verschiedenster Gruppe, um sie für einen kritischen Umgang mit Sprache zu sensibilisieren. Vielleicht kann es in der nächsten Ausgabe noch etwas übersichtlicher gestaltet und Handlungsempfehlungen konkreter und weniger subjektiv gegeben werden.

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Veröffentlicht am 23.05.2025

Vom Schwinden der Identität

Das Echo der Sommer
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Rávdná, ihre Schwester Ánne und ihre Tochter Ingá sind Sami, sie folgen dem Lauf der Jahreszeiten. Im Winter leben sie in einer Baracke im Osten, im Sommer ziehen sie gen Westen an den See, um dort der ...

Rávdná, ihre Schwester Ánne und ihre Tochter Ingá sind Sami, sie folgen dem Lauf der Jahreszeiten. Im Winter leben sie in einer Baracke im Osten, im Sommer ziehen sie gen Westen an den See, um dort der Fischerei nachzugehen. Immer wieder wird durch ein großes Elektrizitätsunternehmen ihr Territorium verkleinert, indem es den See, der ihre Lebensgrundlage darstellt, mehr und mehr aufstaut. Jedes Mal verlieren sie ein Mehr an dem ohnehin schon geringen Eigentum. Die Samen werden als minderwertiges Volk angesehen, nahezu ohne Rechte. Doch ihr Widerstand wird im Laufe der Jahrzehnte immer mehr...

Elin Anna Labba thematisiert in "Das Echo der Sommer" die kontinuierliche Vertreibung der Sami auf eindrucksvolle Weise. Die indigene Bevölkerung Skandinaviens wurde lange Zeit als minderwertig angesehen, als Menschen betrachtet, die es selbst nicht zustande bringen, in "geordneten" Verhältnisse zu leben. Ohne groß zu fragen, werden sie peu à peu ihres Lebensraumes beraubt, ohne eine Mitsprache an ihrer Zukunft zu haben. Labba erzählt anschaulich die Naturverbundenheit der Sami - und wie diese von der schwedischen Obrigkeit gekonnt ignoriert wurde. Die drei Frauen stecken sich lange zurück, bis sie nicht mehr mitmachen wollen. Dabei gehen sie äußerst unterschiedlich mit der schleichenden Vertreibung um. Ánne, selbst vom Schicksal stark mitgenommen, resigniert, während ihre Schwester Rávdná immer mehr Widerstand leistet. Rávdnás Tochter Inga will bloß leben, interessiert sich nicht wirklich für Politik, sondern bemüht sich um ein erträgliches Überleben. Sie leben im Einklang mit der Natur, doch im Laufe der Zeit scheint das immer mehr ein Hindernis zu sein.

Die Erzählung der Autorin hat eine besondere Atmosphäre, die Leser:innen spüren förmlich die Verbundenheit der Figuren mit der Natur und die zerstörerische Kraft der hegemonialen Herrscherbevölkerung. Die Sprache ist kühl, beinahe unemotional und hinterlässt doch den Eindruck der puren Unterdrückung der indigenen Bevölkerung. Wir begleiten die Protagonistinnen über einen Zeitraum von mehr als fünfzig Jahren (1920er bis in die 1970er Jahre) und fühlen, wie unterschiedlich deren Umgang mit der Unterdrückung doch ist. Von purer Resignation, über widerständischen Handeln zu Ignoranz ist alles vorhanden. Die Charaktere sind äußerst unterschiedlich, ihnen gemein ist aber, dass sie nie wirklich zugänglich sind. Trotzdem sind all ihre Handlungen nachvollziehbar, auch wenn es schwer erträglich ist, in welchem Ausmaß die Unterdrückung stattfindet.

Das Buch ist für alle geeignet, die sich mit der Geschichte und dem Umgang mit dieser europäischen indigenen Bevölkerung auseinander setzen wollen. Die Landschaftsbeschreibungen und die kulturellen und religiösen Aspekte der samischen Bevölkerung werden glaubhaft vermittelt. Die Autorin schafft es gekonnt, Bilder zu erzeugen, die die Handlung, die Figuren und die landschaftliche Atmosphäre authentisch widerspiegeln.

In den letzten Jahren hat es einige Literatur gegeben, die sich mit der samischen Kultur und deren Unterdrückung beschäftigt haben. Elin Anna Labba schafft es in "Das Echo der Sommer" glaubhaft, deren Unterdrückung und eigenen Widersprüche darzustellen. Was aber, wie bei einigen anderen Werken ebenfalls, vernachlässigt wurde, ist, dass den Leser:innen die Möglichkeit geboten wird, die sprachliche Kultur verständlich zu machen. Auch in "Das Echo der Sommer" wird in der samischen Sprache gesprochen, doch leider wird es verabsäumt, wesentliche Ausdrücke in einem Glossar dem nichtwissenden Leser:innenpublikum näherzubringen. Zwar hat mich das wesentlich weniger gestört, wie in anderen Romanen, die das Schicksal der Sami thematisieren, weil die Bedeutung oft in Nachfolgesätzen gekonnt weiterverfolgt wurden. Trotzdem wäre es dem interessierten Lesepublikum durchaus zuzumuten, durch Fußnoten oder einem Glossar immer wieder auftauchende Begriffe wie "Giisá" oder "Eanni" zu erklären, einfach auch um mehr Verständnis den Protagonistinnen gegenüber zu erzeugen. Diese Auslassung im Sinne der Leser:innen begründe ich auch meine Entscheidung, eine Stern für dieses ansonsten wunderbar authentische Bild der Sami in Romanform abzuziehen.

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