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Veröffentlicht am 16.06.2025

Zwischen leisen Tönen und lauter Wahrheit ein Roman, der nachhallt

Himmlischer Frieden
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Manchmal trifft man auf ein Buch, das still beginnt – fast unbemerkt – und einen dann über viele Seiten hinweg nicht mehr loslässt. Himmlischer Frieden von Lai Wen ist genau so ein Werk. Es hat mich überrascht, ...

Manchmal trifft man auf ein Buch, das still beginnt – fast unbemerkt – und einen dann über viele Seiten hinweg nicht mehr loslässt. Himmlischer Frieden von Lai Wen ist genau so ein Werk. Es hat mich überrascht, bewegt und lange beschäftigt.

Im Mittelpunkt steht Lai, eine junge Frau, die in einem einfachen Pekinger Viertel aufwächst. Doch das eigentlich Politische des Romans schiebt sich erst nach und nach in den Vordergrund. Anfangs sind es die familiären Strukturen, die mich besonders berührt haben: die Wärme der Großmutter, das Schweigen des Vaters, die Unruhe des kleinen Bruders – Figuren, die nicht nur skizziert, sondern tief gezeichnet sind. Die Großmutter hat mich besonders beeindruckt: keine Heldin im klassischen Sinn, aber jemand, der standhaft bleibt, wo andere sich wegducken.

Lai beobachtet, liest, denkt viel – zunächst eher im Stillen. Doch gerade aus dieser Zurückhaltung entwickelt sich eine kraftvolle Entwicklung. An der Universität trifft sie auf neue Denkansätze, alte Freunde und politische Ideen, die ihr Weltbild erschüttern. Die Erzählung bleibt dabei stets persönlich, nie pathetisch, und genau das macht sie so glaubwürdig. Die Autorin vermeidet einfache Botschaften – vielmehr tastet sie sich sprachlich präzise und mit spürbarer Aufrichtigkeit an komplexe Fragen heran.

Dass es am Ende um die Proteste 1989 geht, ist nicht der alleinige Kern der Geschichte – vielmehr bildet dieses Ereignis den Kulminationspunkt eines inneren Weges. Für mich war es gerade die lange Vorbereitung darauf, das behutsame Herantasten an politische Verantwortung, das Himmlischer Frieden zu einem besonderen Roman macht.

Ja, das Buch ist umfangreich. Ja, es hätte an manchen Stellen gestrafft werden können. Aber ich bin froh, dass es das nicht wurde. Denn die Details, die Zwischentöne, die kleinen Szenen – sie alle tragen dazu bei, dass dieser Roman wirkt wie ein gelebtes Leben.

Fazit:
Ein bemerkenswerter, tiefgründiger Roman über Erwachsenwerden unter politischem Druck, über Mut und Erinnerung – und darüber, wie persönliche Geschichten Geschichte schreiben. Ein stilles, kraftvolles Buch.

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Veröffentlicht am 04.06.2025

Ein sachlicher, aber stärkender Begleiter zur Geburt

Dein Geburtscoach
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Als frisch gewordene Mutter habe ich schon einige Ratgeber zum Thema Geburt in der Hand gehabt. Dein Geburtscoach hat mich auf eine andere Weise angesprochen: Es ist kein Wohlfühlbuch im klassischen Sinne, ...

Als frisch gewordene Mutter habe ich schon einige Ratgeber zum Thema Geburt in der Hand gehabt. Dein Geburtscoach hat mich auf eine andere Weise angesprochen: Es ist kein Wohlfühlbuch im klassischen Sinne, aber eines, das mich aufrüttelt, strukturiert anleitet und mir das Gefühl gibt, gut vorbereitet zu sein.

Was mir gleich aufgefallen ist: Dr. Lütje spricht als jemand mit jahrzehntelanger Erfahrung – nicht als Theoretiker, sondern als jemand, der wirklich weiß, wie es im Kreißsaal zugeht. Seine Art, komplexe medizinische Zusammenhänge verständlich zu erklären, gibt mir Sicherheit, ohne dass ich mich überfordert fühle. Das Buch regt zum Nachdenken an: Was brauche ich wirklich? Welche Unterstützung wünsche ich mir? Was macht mir Mut?

Die Kapitel sind klar gegliedert, ohne unnötige Schnörkel. Besonders hilfreich fand ich die vielen Reflexionsfragen, Checklisten und Praxisbeispiele aus echten Geburten. Sie machen das Buch greifbar und bringen Leben in die Theorie. Man merkt, dass Dr. Lütje Frauen ermutigen möchte, ihre Geburt nicht einfach nur “durchzustehen”, sondern aktiv mitzugestalten – in dem Maß, wie es möglich ist. Dabei verschweigt er aber auch nicht, dass Geburten unvorhersehbar sein können. Gerade das macht seine Herangehensweise so realistisch und trotzdem stärkend. Der Inhalt wirkt durchdacht, ist hervorragend recherchiert und geht über reine Geburtsinfos hinaus.

Mein Fazit:
Dein Geburtscoach ist ein sachlich fundierter und dennoch persönlicher Ratgeber für alle, die sich bewusst auf die Geburt vorbereiten wollen. Er ist kein Ersatz für eine Hebamme oder einen Geburtsvorbereitungskurs – aber eine starke Ergänzung. Wer bereit ist, sich ehrlich mit den eigenen Erwartungen, Sorgen und Stärken auseinanderzusetzen, wird aus diesem Buch sehr viel mitnehmen.

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Veröffentlicht am 29.05.2025

Eine Stimme aus der Dunkelheit

Mein Name ist Estela
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Als ich Mein Name ist Estela von Alia Trabucco Zerán begann, wusste ich schnell, dass dies keine gewöhnliche Erzählung werden würde. Estela, die Ich-Erzählerin, spricht aus einer Zelle zu einem unsichtbaren ...

Als ich Mein Name ist Estela von Alia Trabucco Zerán begann, wusste ich schnell, dass dies keine gewöhnliche Erzählung werden würde. Estela, die Ich-Erzählerin, spricht aus einer Zelle zu einem unsichtbaren Publikum – zu uns. Ihre Stimme ist leise, roh und eindringlich, aber voller Kraft. Ich saß da, las und spürte, wie sie durch jede Zeile hindurch versuchte, gehört zu werden.

Ihre Geschichte ist keine Heldinnengeschichte im klassischen Sinn. Estela verlässt ihr ländliches Zuhause, um in der Stadt zu arbeiten – nicht aus Abenteuerlust, sondern aus Not. Sie wird Hausangestellte in einem Ort, der von kalter Kontrolle, und einem fast sterilen Desinteresse an ihrer Menschlichkeit geprägt ist. Alles in ihr wird bewertet: ihr Körper, ihr Auftreten, ihr Schweigen. Und doch ist es sie, die die meiste Fürsorge aufbringt – vor allem für das Kind.

Wie subtil Machtverhältnisse wirken, wenn man nicht einmal als Subjekt wahrgenommen wird. Ihre Sprache, so zurückhaltend sie anfangs scheint, wird zu einer Art Widerstand, zu einem letzten Akt des Sprechens, als sie schon längst verurteilt wurde – vielleicht juristisch, ganz sicher aber sozial.

Am Ende blieb ich zurück mit Wut und Mitgefühl. Estela ist erfunden, ja. Aber sie steht für viele, die nicht gehört werden.

Fazit:
Ein kompromissloses, kraftvolles Buch über Klassenverhältnisse, Schweigen, Schuld – und die Möglichkeit, trotz allem nicht zu verstummen.

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Veröffentlicht am 25.05.2025

Ein Schatz für Familien – natürlich, praxisnah und ermutigend

Was Kinder brauchen, um gesund groß zu werden
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Natalie Stadelmann hat mit „Was Kinder brauchen, um gesund groß zu werden“ ein bemerkenswertes Werk geschaffen, das weit mehr ist als ein klassisches Gesundheitsbuch. Es lädt dazu ein, die Verantwortung ...

Natalie Stadelmann hat mit „Was Kinder brauchen, um gesund groß zu werden“ ein bemerkenswertes Werk geschaffen, das weit mehr ist als ein klassisches Gesundheitsbuch. Es lädt dazu ein, die Verantwortung für das körperliche und seelische Wohlbefinden unserer Kinder bewusster und selbstwirksamer zu gestalten – ohne zu überfordern.

Was mir besonders gefallen hat: Die Autorin vermittelt nicht nur fundiertes Wissen, sondern ermutigt gleichzeitig zur Selbstreflexion. Gerade der bildhafte Vergleich mit dem Familiengefüge als ein sensibles „Mobile“, das leicht aus dem Gleichgewicht geraten kann, hat mich emotional sehr angesprochen. Dieser Gedanke, dass Ausgewogenheit ein dynamischer Prozess ist, wirkt nach und regt zum Umdenken an.

Viele der vorgestellten Hausmittel waren mir aus meiner Kindheit bekannt, doch hier werden sie in einem neuen Licht dargestellt – strukturiert, differenziert und nachvollziehbar. Insbesondere die Anwendungsmöglichkeiten von Wickeln und ätherischen Ölen werden anschaulich erläutert.

Was ich allerdings schade fand: Es wird auf Internetseite verwiesen, um weitere Informationen zu erhalten. Das hat mich neugierig gemacht, allerdings konnte ich die genannten Zusatzinhalte dort nicht finden. Ein direkter Link oder ein QR-Code im Buch hätte den Zugang deutlich erleichtert und wäre zeitgemäßer gewesen.

Alles in allem ist dieses Buch ein inspirierender Begleiter für Familien, die natürliche Heilmethoden entdecken oder vertiefen möchten – liebevoll, praxisorientiert und mit einem echten Blick fürs Ganze.

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Veröffentlicht am 11.05.2025

Ein Mädchen spricht – und verändert alles

Something happened to Ally
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Diese Geschichte hat mich emotional tief getroffen – nicht nur wegen ihrer Thematik, sondern wegen der schonungslosen Ehrlichkeit, mit der sie erzählt wird. Es geht um Ali, ein junges Mädchen, das sich ...

Diese Geschichte hat mich emotional tief getroffen – nicht nur wegen ihrer Thematik, sondern wegen der schonungslosen Ehrlichkeit, mit der sie erzählt wird. Es geht um Ali, ein junges Mädchen, das sich in einen Jungen verguckt, der von allen bewundert wird. Was als harmloses Schwärmen beginnt, endet in einer Erfahrung, die ihr Leben für immer verändert.

Was hier passiert, ist keine missverstandene Romanze. Es ist eine Gewalttat. Und das Erschreckendste ist nicht nur der Übergriff selbst, sondern wie das Umfeld reagiert: Verharmlosung, Schuldumkehr, Schweigen. Die Stärke dieses Buches liegt in der Darstellung, wie schwer es ist, in einer Welt, die Täter schützt und Opfer isoliert, die eigene Wahrheit laut auszusprechen.

Die Autorin gibt Ali eine Stimme – eine, die zunächst zögert, ringt, zweifelt. Aber dann wächst. Die Entwicklung dieser Figur ist so authentisch, dass es weh tut. Besonders beeindruckt hat mich die Beziehung zwischen Ali und Blythe, die auf den ersten Blick unmöglich scheint, sich aber zu etwas viel Tieferem entwickelt: dem Mut, hinzusehen und Verantwortung zu übernehmen.

Dieses Buch ist kein leichter Stoff. Es ist unbequem, wühlt auf und verlangt einem einiges ab. Aber genau deshalb ist es so wichtig. Es spricht über Dinge, über die oft geschwiegen wird – und macht Mut, das Schweigen zu brechen. Kein reißerischer Sensationsroman, sondern ein feinfühlig erzähltes Stück Wirklichkeit, das lange nachhallt.

Fazit:
Ein aufrüttelnder Roman über Macht, Schweigen und Mut.

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