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Veröffentlicht am 21.06.2025

Einfach echt!

Windstärke 17
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Ida hat nichts mehr, außer sich selbst und ein paar Klamotten in dem Hartschalenkoffer ihrer Mutter. Nach deren selbstgewählten Tod flüchtet sich die junge Frau auf die Insel Rügen, ohne Plan und ohne ...

Ida hat nichts mehr, außer sich selbst und ein paar Klamotten in dem Hartschalenkoffer ihrer Mutter. Nach deren selbstgewählten Tod flüchtet sich die junge Frau auf die Insel Rügen, ohne Plan und ohne Ziel. Sie landet bei dem älteren Ehepaar Marianne und Knut, das ihr schnell zu einer neuen Familie wird. Doch der Tod ihrer alkoholkranken Mutter hat ein tiefes Trauma in ihr hinterlassen und treibt Ida immer wieder in die Verzweiflung. Von ihrer Schwester Tilda will sie sich nicht helfen lassen, aber auf Rügen kann sie wieder etwas zur Ruhe kommen. Und sich schließlich selber finden.

Was für ein wunderbarer Roman! Viele Rezensionen sagen, dass ihnen der Vorgänger "22 Bahnen" besser gefallen haben - aber nein: Windstärke 17 ist intensiver, authentischer, aufgeregter, echter! Die Autorin hat ihr Schreibtalent mit diesem, ihrem zweiten Roman, weiterentwickelt, sie konnte mich ab der ersten Zeile mitnehmen, schafft es perfekt die innere Zerrissenheit der Protagonistin mitfühlbar darzustellen. Nicht nur der Tod ihrer Mutter geht Ida nahe, auch die schambehaftenden Vorwürfe, die sie ihrer Schwester macht, sie allein gelassen zu haben, genauso wie die unbegreiflichen Gefühle die sie gegenüber Leif hegt, den sie auf der Insel kennenlernt, hat, der so unzuverlässig ist, aber doch immer für sie da ist. Und dann die schöne, unhinterfragte Vertrautheit, die ihr Marianne und Knut gegenüberbringen, die sie aufnehmen, ohne Fragen zu stellen und sie einfach sein lassen wie sie ist.

Ida übt sich in Selbstverletzungen, indem sie sich Vorwürfen hingibt, für den Tod ihrer Mutter verantwortlich zu sein; sich ins Meer stürzt und bis zur Erschöpfung zu schwimmen, egal bei welchem Wetter; sich von ihrer Schwester mit aller Gewalt fernhält und die Gefühle für Leif negiert. All das ist ein Prozess, der ihr letztendlich zur langsamen Selbstheilung verhilft.

Windstärke 17 ist emotionaler als der Vorgänger, macht es besser verständlich, was es heißt, mit einem alkoholkranken Elternteil zu leben, in einer Phase, in der man doch eigentlich alle Kraft braucht, um sich selbst zu finden. Ida kann sich selbst nicht vertrauen und somit keinem anderen - trotzdem lässt sie sich auf andere Menschen ein und kann sich fallen lassen.

Caroline Wahls zweiter Roman ist ein bewegendes Portrait einer trauernden jungen Frau, die trotz ihrer innerlichen Zerrissenheit und dem weltabgewandten Misstrauen sich selbst und Vertrauen zu anderen findet. Ein mitreißendes, großartiges Buch, das man auf alle Fälle gelesen haben sollte!

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Veröffentlicht am 15.06.2025

Ahoi dem Inselleben

Die Ahoibande
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Willi und sein Hund Ohdschi, Paule, Jojo und Schulz leben auf der Nordseeinsel Süderhoorn. Naja, Schulz nicht immer, denn er ist aus Berlin, besucht aber seine Oma und seine Ahoibande regelmäßig. Gemeinsam ...

Willi und sein Hund Ohdschi, Paule, Jojo und Schulz leben auf der Nordseeinsel Süderhoorn. Naja, Schulz nicht immer, denn er ist aus Berlin, besucht aber seine Oma und seine Ahoibande regelmäßig. Gemeinsam erkunden sie die Welt und erleben allerhand Abenteuer auf der kleinen Insel. Ob Surfen, Robben, Schlittenfahren oder Wikinger-Amulette, die Insel bietet viel zu entdecken. Und gemeinsam macht es einfach mehr Spaß.

Silke Lambeck erzählt in "Die Ahoi-Bande" liebevolle und kindgerechte Geschichten um eine kleine Rasselbande, die durch dick und dünn geht. Sie begegnen allerhand schrulligen, aber netten Erwachsenen, aber auch verrückten und wagemutigen Tieren und den verschiedenen Elementen der Natur. Sie sind stets gemeinsam unterwegs und können sich aufeinander verlassen, denn Freundschaft ist das beste Gut. Doch es geht nicht nur um Abenteuer, denn die Bande ist hilfsbereit: sie retten den alten Hannes, springen ein, wenn in der Frühstückspension von Paulas Mutter Not an der Frau ist und sie helfen einander, wenn Willi seine Tauchangst überwinden mag.

In neun entzückenden, in sich abgeschlossenen Geschichten, die einmal die ganzen Jahreszeiten durchmachen, wird in wohliger Atmosphäre erzählt, wie sie alle Herausforderungen meistern. Das besondere an der Ahoibande ist, dass kein negatives Wort fällt, keine negativen Ereignisse ihren Weg kreuzen. Es ist der heile, manchmal für die Kinder auch langweilige Inselalltag, der ihr Leben zu etwas ganz besonderen macht.

Untermalt werden diese schönen Kindergeschichten mit wunderbaren Illustrationen von Lena Hesse, die das Buch zu einem wahren Augenschmaus machen.

Mein Fazit: Die Ahoibande ist ein wunderschön illustriertes Kinderbuch mit 9 abgeschlossenen Geschichten um eine kleine Kinderbande auf einer Nordseeinsel, die in den verschiedenen Jahreszeiten Zusammenhalt und Abenteuer erleben. Es ist unterhaltsam und zeigt Kindern, welch positive Kraft Freundschaft und Hilfsbereitschaft ist.

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Veröffentlicht am 15.06.2025

Das Geheimnis von Botigalli

Der dunkle Sommer
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Um ihrem eigenen Trauma zu entkommen, kauft sich Tilda in dem Geisterdorf Botigalli auf Sardinien ein Haus um einen Euro. Sie sehnt sich nach Einsamkeit, auch wenn diese schwer zu ertragen ist - besonders, ...

Um ihrem eigenen Trauma zu entkommen, kauft sich Tilda in dem Geisterdorf Botigalli auf Sardinien ein Haus um einen Euro. Sie sehnt sich nach Einsamkeit, auch wenn diese schwer zu ertragen ist - besonders, weil in dem Dorf unheimliche Dinge vor sich gehen. Bald trifft sie auf den Journalisten Enzo, der den Urheber eines lang zurückliegenden Massakers in dem Dorf aufdecken möchte. Tilda bekommt ungebetenen Besuch von ihrem Bruder, der sich im Laufe der Zeit zu einer angenehmen Begebenheit entwickelt. Als dieser aber plötzlich spurlos verschwindet, beginnt nicht nur die Suche nach ihm, sondern auch die atemberaubende Aufdeckung der furchtbaren Wahrheit der Vergangenheit des Dorfes...

Vera Buck schafft in "Der dunkle Sommer" etwas, was nicht viele Thriller vermögen: die Geschichte fesselt, sie baut sich langsam zu einem dichten Konstrukt auf und vor allem wird sie äußerst schlüssig und in perfektem Tempo auserzählt. Es wird aus unterschiedlichen Perspektiven erzählt, wir folgen Tilda und Enzo in der Gegenwart und Franca, einer jungen Dorfbewohnerin, die das Massaker auf Botigalli hautnah miterlebt. Und dann lesen wir noch von einer Person, die sich lange nicht zu erkennen gibt.

Das Erzähltempo ist anfänglich recht gemächlich, steigert sich im Laufe des Romans aber immer mehr und weiß gekonnt zu fesseln. Besonders schön gelingt die Landschaftsbeschreibung, die einen gekonnt und bildgewaltig nach Sardinien und speziell nach Botigalli versetzt. Neben den unheimlichen, aber nicht widernatürlichen Geschehnissen aus der Vergangenheit, schildert die Autorin auch die Beziehungen der unterschiedlichen Figuren zueinander und über weitere Strecken könnte das Buch auch ein bloßer, intensiver Familienroman sein. Doch äußerst mitreißend wird das Rätsel um das Massaker und das langsame Aufklären der Hintergründe erzählt. Im Nachwort lässt uns die Autorin wissen, dass es reale, geschichtliche Vorbilder für die Geschichte gibt. Sie gibt uns Einblicke in kriminelle Machenschaften, die in Italien aufgrund enormer Armut lange Zeit gang und gäbe waren.

Mein Fazit: "Der dunkle Sommer" ist eine gelungene Kombination aus Familienroman und Thriller, die uns in ein recht unbekanntes Kapitel italienischer Geschichte mitnimmt, obwohl sie in der Gegenwart erzählt wird. Die Autorin entwirrt die komplexe Geschichte in perfektem Tempo und äußerst schlüssig und erzeugt wunderbare Kopfbilder vom schönen Sardinien. Eine absolute Leseempfehlung!

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Veröffentlicht am 08.06.2025

Papas Reise in das Ich

Papa, erzähl mir deine Geschichte: Das Erinnerungsbuch zum Ausfüllen
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Was für eine schöne Idee und Umsetzung ist "Papa, Erzähl mir deine Geschichte"! Ich habe mir schon jahrelang gedacht, dass ich gerne mehr über die Vergangenheit meines Vaters lernen möchte und dieses Büchlein ...

Was für eine schöne Idee und Umsetzung ist "Papa, Erzähl mir deine Geschichte"! Ich habe mir schon jahrelang gedacht, dass ich gerne mehr über die Vergangenheit meines Vaters lernen möchte und dieses Büchlein ist die perfekte Anleitung dazu!

Besonders schön finde ich, dass wirklich viele Bereiche des Lebens abgedeckt werden und dass viele verschiedene Möglichkeiten bestehen, das Buch auszufüllen: persönliche Gedanken, Multiple-Choice-Kästchen, Platz für Fotos und für Kritzeleien. Das Buch ist in acht Kapitel/Lebensabschnitte eingeteilt. Besonders wertvoll finde ich auch die Ausfüll-Tipps am Anfang und Zwischendurch. Schön sind auch die immer wieder eingestreuten Zitate, beispielsweise Astrid Lindgren mit "Die Kindheit ist der Boden, auf dem wir unser ganzes Leben lang stehen.".

Die Fragen, die vorkommen, sind wirklich abwechslungsreich und ich bin fasziniert, an was alles gedacht wurde - verschiedenste Kindheitserinnerungen, berufliche Etappen, Familientraditionen, Hobbies, etc. pp. Die beruflichen Fragen sind für mich persönlich ein wenig zu erfolgs- und leistungsorientiert, wobei das ja auch alles sehr individuell ist. Grundsätzlich sind die Fragen und auch die Multiple-Choice-Antwortmöglichkeiten sehr offen und für alle Generationen geeignet. Mein Papa ist schon über 80 und hatte dementsprechend in seiner Jugend noch kein Fernsehen oder Videospiele, aber das ist gar nicht tragisch, weil es genügend andere Antwortmöglichkeiten gibt. Auch am Ende ist ausreichend Platz, um Erinnerungen oder Gedanken, die vorne noch nicht aufgegriffen wurden, festzuhalten.

Ich bin schon sehr gespannt, wie mein Vater auf das Geschenk reagieren wird - und natürlich noch mehr, wenn es zu mir mit seinen Antworten zurückkommen wird. Um mit einem Zitat aus dem Buch zu schließen: "Denn Erinnerungen werden erst dann wirklich wertvoll, wenn wir sie mit denen teilen, die wir lieben." (S. 106) Absolute Kaufempfehlung, um Erinnerungen nachhaltig zu bewahren!

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Veröffentlicht am 26.05.2025

Großartiges Portrait eines besonderen Mädchens

Durch das Raue zu den Sternen
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Arkadia Fink, 13 Jahre alt, weiß ganz genau was sie will: in einem Knabenchor singen und dadurch berühmt werden. Auf dem Weg dorthin lässt sie sich keine Steine in den Weg legen - weder von ihrem ablehnenden ...

Arkadia Fink, 13 Jahre alt, weiß ganz genau was sie will: in einem Knabenchor singen und dadurch berühmt werden. Auf dem Weg dorthin lässt sie sich keine Steine in den Weg legen - weder von ihrem ablehnenden Vater, noch von ihrer Mutter, die nur mal kurz weggegangen ist und schon gar nicht von der Tatsache, dass die kein Knabe ist...

Was für ein großartiges Buch ist Christopher Kloeble hier gelungen! Der Autor schafft es, Arkadia absolut authentisch darzustellen: sie hat Ecken und Kanten, strotzt vor Selbstbewusstsein, ist wütend, durchsetzungsstark, liebt Musik abgöttisch - vor allem Beethoven (der im übrigen eine Frau war) und vor allem kann sie es meisterhaft, die Realität zu verdrängen. Trotzdem sie weiß was sie kann, stößt sie immer auch an ihre Grenzen, trifft aber auf Menschen, die an sie glauben und sie fördern. Gegen jene, die sie nicht so gut behandeln, setzt sie sich gekonnt und durchaus auch boshaft zur Wehr.

Auch wenn Arkadia sehr willensstark ist, ist sie gleichzeitig auch sehr verletzlich. Keiner, wirklich keiner darf ihr gegenüber den Satz: "Deine Mutter ist..." benutzen, denn derjenige erlebt sein oder ihr blaues Wunder, im wahrsten Sinn des Wortes. Ganz offen spielt der Autor mit dem Verdrängungsmechanismus des Mädchens: die Ich-Erzählerin sagt, was nicht so geschah, obwohl es alle so erzählen; sie träumt davon ihren ersten großen Auftritt vor ihrer Mutter zu bestreiten, obwohl die Leser:innen ahnen, dass dies eher unwahrscheinlich ist. Bis zum Schluss ist nicht klar, warum die Mutter nur kurz einmal weggegangen ist, die Auflösung überrascht, ist aber nachvollziehbar und gibt dem starken Charakter Arkadia noch eine weitere Facette.

Meine Stimmung beim Lesen schwankte zwischen amüsiert sein, Bewunderung und Mitleid für dieses besondere Mädchen. Trotzdem ihr schon etliche schlechte Dinge passiert und ihre Eltern das Gegenteil von perfekt sind, zieht sie aus allem positive Kraft. Wird sie auf Fehler hingewiesen, lernt sie daraus und will die Sache umso mehr. Ich konnte mich sehr in die Figur hineinversetzen und wollte ob der Intensität des Textes, der mitreißenden und eindringlichen Sprache, Sätze wie: "Es geht nicht um falsche oder richtige Töne, es geht um starke oder schwache Entscheidungen." (S. 65f.), der Tatsache, dass Arkadia immer wieder das Unmögliche möglich macht und dem Stimmungsmix aus Melancholie, Tiefe, Verdrängung und Hoffnung gar nicht mehr zum Lesen aufhören.

Christopher Kloeble ist mit "Durch das Raue zu den Sternen" ein großartiger Roman gelungen, der definitiv eines meiner Lesehighlights des Jahres 2025 ist. Es ist eine mitreißende und authentische Geschichte, die ermutigt niemals aufzugeben. 10 von 5 Sternen!

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