Einfach echt!
Windstärke 17Ida hat nichts mehr, außer sich selbst und ein paar Klamotten in dem Hartschalenkoffer ihrer Mutter. Nach deren selbstgewählten Tod flüchtet sich die junge Frau auf die Insel Rügen, ohne Plan und ohne ...
Ida hat nichts mehr, außer sich selbst und ein paar Klamotten in dem Hartschalenkoffer ihrer Mutter. Nach deren selbstgewählten Tod flüchtet sich die junge Frau auf die Insel Rügen, ohne Plan und ohne Ziel. Sie landet bei dem älteren Ehepaar Marianne und Knut, das ihr schnell zu einer neuen Familie wird. Doch der Tod ihrer alkoholkranken Mutter hat ein tiefes Trauma in ihr hinterlassen und treibt Ida immer wieder in die Verzweiflung. Von ihrer Schwester Tilda will sie sich nicht helfen lassen, aber auf Rügen kann sie wieder etwas zur Ruhe kommen. Und sich schließlich selber finden.
Was für ein wunderbarer Roman! Viele Rezensionen sagen, dass ihnen der Vorgänger "22 Bahnen" besser gefallen haben - aber nein: Windstärke 17 ist intensiver, authentischer, aufgeregter, echter! Die Autorin hat ihr Schreibtalent mit diesem, ihrem zweiten Roman, weiterentwickelt, sie konnte mich ab der ersten Zeile mitnehmen, schafft es perfekt die innere Zerrissenheit der Protagonistin mitfühlbar darzustellen. Nicht nur der Tod ihrer Mutter geht Ida nahe, auch die schambehaftenden Vorwürfe, die sie ihrer Schwester macht, sie allein gelassen zu haben, genauso wie die unbegreiflichen Gefühle die sie gegenüber Leif hegt, den sie auf der Insel kennenlernt, hat, der so unzuverlässig ist, aber doch immer für sie da ist. Und dann die schöne, unhinterfragte Vertrautheit, die ihr Marianne und Knut gegenüberbringen, die sie aufnehmen, ohne Fragen zu stellen und sie einfach sein lassen wie sie ist.
Ida übt sich in Selbstverletzungen, indem sie sich Vorwürfen hingibt, für den Tod ihrer Mutter verantwortlich zu sein; sich ins Meer stürzt und bis zur Erschöpfung zu schwimmen, egal bei welchem Wetter; sich von ihrer Schwester mit aller Gewalt fernhält und die Gefühle für Leif negiert. All das ist ein Prozess, der ihr letztendlich zur langsamen Selbstheilung verhilft.
Windstärke 17 ist emotionaler als der Vorgänger, macht es besser verständlich, was es heißt, mit einem alkoholkranken Elternteil zu leben, in einer Phase, in der man doch eigentlich alle Kraft braucht, um sich selbst zu finden. Ida kann sich selbst nicht vertrauen und somit keinem anderen - trotzdem lässt sie sich auf andere Menschen ein und kann sich fallen lassen.
Caroline Wahls zweiter Roman ist ein bewegendes Portrait einer trauernden jungen Frau, die trotz ihrer innerlichen Zerrissenheit und dem weltabgewandten Misstrauen sich selbst und Vertrauen zu anderen findet. Ein mitreißendes, großartiges Buch, das man auf alle Fälle gelesen haben sollte!