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Veröffentlicht am 26.06.2025

Facettenreich und tiefsinnig

Kind der Liebe. Roman
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Die Familie Kids ist polymorph, polygam, polyglott und polyphon. Der Vater ist Diplomat und Ökonom und nimmt weltweit Aufträge an, die Mutter ist schön. Zusammen sprechen sie sieben tote Sprachen und fünf ...

Die Familie Kids ist polymorph, polygam, polyglott und polyphon. Der Vater ist Diplomat und Ökonom und nimmt weltweit Aufträge an, die Mutter ist schön. Zusammen sprechen sie sieben tote Sprachen und fünf lebendige. Sie sind auf der ganzen Welt zu Hause und doch nirgendwo. Der Vater kommt problemlos immer an diese Mitarbeiter, die ihnen folgen, um ihm zu assistieren und ihr eigenes Leben hintanzustellen. So auch Aias, der Liebhaber der Mutter. Aias ist anders als die anderen Mitarbeiter. Älter und klüger und er lässt sich nicht von der Autorität des Vaters einschüchtern.

Es kommt der Tag, der kommen musste. Die Eltern ziehen nach Sao Paulo und später nach Kuba und Kid muss in eine Schule, um von anderen Kindern umgeben zu sein und die Sinne in sozialen Interaktionen zu schärfen. Die Internatsmitglieder kommen alle aus elitären Kreisen. Nicht wenige leiden unter Panikattacken, weil sie jederzeit gegen ein Lösegeld entführt werden könnten, deswegen sind alle bewaffnet. Kid ist noch weit davon entfernt, sich eingelebt zu haben und erlebt schon einen Akt der Gewalt. Ein kurzer flehender Brief an die Mutter und Kid landet wieder im elterlichen Schoß.

Gemeinsam verbringen sie die Ferien in ihrer Villa am Rande eines italienischen Fischerdorfes. Kid wird Zeugin der starken mütterlichen Anziehung zu Aias. Jeder Tag ähnelt dem anderen. Nach einem gemeinsamen Frühstück sucht Kid den Strand auf, schwimmt und versinkt in dem Meer hormongetränkter jugendlicher Gedanken. Ihr Mittagessen, zumeist ein Fischgericht, nimmt die Familie gemeinsam in einer Strandbar ein. Zum Abendessen, treffen sie sich wieder in der Villa, wo die Dame des Haushaltes, eine italienische Nonna, das Abendessen zubereitet hat. Intensive philosophische Diskussionen und eine Menge Cognac runden die Familienabende ab. Die Tragödie nimmt ihren Lauf, als Kid sich brennend für die Verbindung zwischen Mutter und Aias interessiert.

Fazit: Die 1933 geborene, mehrfach ausgezeichnete Dichterin, Dramatikerin und Autorin war die erste Frau Englands, die sich Anfang der Sechziger-Jahre als lesbisch geoutet hat. Diese Geschichte entstand 1971 und wurde von Reclam erstmals in deutscher Sprache verlegt. Die Autorin hat eine facettenreiche, tiefsinnige Story entwickelt, die ich eher intuitiv als intellektuell erfasst habe. Der/die Protagonist
in ist geschlechtsneutral. Er/sie lebt in einer privilegierten, auf hohem Niveau gebildeten Familie, die sich auf dem gesamten Erdball bewegt. Alle Wünsche werden im Überfluss erfüllt. Was fehlt, nimmt man sich und dadurch entsteht eine allgemein knisternde erotische Spannung. Es wirkt, als hätten die Eltern eine offene Beziehung. Tatsächlich erinnert die Stimmung, die von Kid ausgeht, am ehesten an die wohlstandsverwöhnte Akteurin aus „Bonjour Tristesse. Die Geschichte ist symbolhaft. Die Autorin spielt mit unzähligen Beispielen der griechischen Mythologie, aber auch mit christlichen Einflüssen (Fischerdorf, Fische ernähren, beherrschen das Reich der Emotionen und erfüllen auch phallusartigen Charakter als Symbol für Lust und Begehren) Ebenso entsteht ein Bezug zur Psychoanalyse. Ist Kids Eifersucht auf die Mutter? ein Ödipuskonflikt, oder ist Aias, der ja die Mutter begattet, stellvertretend für den Vater und ist es somit ein Elektrakonflikt? Die Geschichte ist wirklich so tiefgreifend, tiefsinnig und klug, dass ich an dieser Stelle gar keinen Anspruch auf Vollständigkeit meiner Sichtweise erhebe. Ich habe mich gut unterhalten gefühlt. Meiner Ordnungsliebe (Schubladendenken) stand im Wege, dass ich nicht eruieren konnte, ob Kid nun Junge oder Mädchen ist. Und vielleicht liegt darin auch der Sinn der Geschichte, zu zeigen, wie schwierig die Akzeptanz des Unbekannten fällt, dessen, welches anders ist als ich selbst.

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Veröffentlicht am 17.06.2025

Das Leben mit all seinen Strapazen

Der Schlaf der Anderen
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Janis Gast ist spät dran. Normalerweise kommen ihre nächtlichen Besucher zu früh und sitzen im Pyjama auf ihrem Bett, während sie den Raum betritt, um sie zu verkabeln. Janis hat schon seit zwanzig Jahren ...

Janis Gast ist spät dran. Normalerweise kommen ihre nächtlichen Besucher zu früh und sitzen im Pyjama auf ihrem Bett, während sie den Raum betritt, um sie zu verkabeln. Janis hat schon seit zwanzig Jahren keinen normalen Schlafrhythmus mehr. Zuerst leistete sie Schichtdienst auf der Station und seit zwei Jahren den Nachtdienst im Schlaflabor. Sie lebt allein und hat sich mit sich arrangiert.

Sina Jott, wie der Buchstabe, heißt ihre Besucherin, die sie jetzt präparieren wird. Sie legt Bauch- und Brustgurt an, um Herz und Atmung zu überwachen, verkabelt Beinarterien und Kopfhaut. Sina macht ein Selfie für die Kinder und Janis entschlüpft ein Du, was sie sofort einen Schritt zurücktreten lässt, um den Raum zwischen ihnen zu vergrößern. Sie hat noch nie einen Gast geduzt, versucht immer Distanz zu wahren. Sie weiß selbst wie unangenehm es ist, von Patienten mit Liebes oder Herzchen oder einfach mit Du angesprochen zu werden. Wie es ist, wenn Patienten die WC Türe offen lassen, ihre Genitalien nicht bedecken oder sich einfach in ihre Arme fallen lassen. Dann setzt sie Grenzen und erinnert daran, dass auch sie eine Intimsphäre hat.

Sina leidet schon lange unter Schlaflosigkeit. Es fing mit der wütenden Ida an, ihre Erstgeborene. Sie hat nächtelang durchgeschrien. Matthias interessierte das nicht, der weicht heute noch keinen Millimeter von seinen Ritualen ab. Als sie Ben gebar, war es ähnlich. Jede Nacht um 2 Uhr 7 rattert die Nordwestbahn nach Delmenhorst durch ihren Garten und pflügt sich durch ihr Gehirn. Ihre Hausärztin hatte ihr seit Jahren Zolpidem verschrieben, aber jetzt ist sie in den Ruhestand gegangen.

Fazit: Tamar Noorts zweiter Roman verhandelt das Leben mit all seinen Strapazen, unerfüllten Erwartungen und erloschenen Träumen. Sina ist Lehrerin und versucht ihren Beruf und das familiäre Wohlbefinden zu händeln. Ihr selbstbezogener Mann ist ihr dabei keine Hilfe. Wie sehr sie unter ihrer Schlaflosigkeit leidet, kann sich nur vorstellen, wer selbst damit Erfahrung hat. Die ruhige, geerdete Janis bewegt sich in einem völlig anderen Leben als die humorvolle, quirlige Sina. Zwischen beiden entwickelt sich eine Freundschaft, die scheinbar nur von kurzer Dauer ist. Ich mochte die Geschichte sehr. Die Konflikte zwischen den Charakteren sind verständlich dargestellt. Das mangelnde Verständnis, das Sina entgegengebracht wird und sich in dem Erwartungsdruck entlädt, sie müsse funktionieren, ist tragisch. Was sie in ihrem Leben nicht findet, bekommt sie von Janis, die gerne ihr Ohr öffnet und sich kümmert. All das ist hervorragend rübergebracht. Eine ganz interessante tiefe Geschichte über die Möglichkeit von Veränderung, die mich glänzend unterhalten hat.

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Veröffentlicht am 17.06.2025

Sehr warmherzige Geschichte

Strandgut
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Buckys Hüftpfannen brennen im Wettstreit. Er will nicht länger im Bett liegen, aber auch nicht aufstehen. Die Einladung nach Scarborough erschwert sein Denken. Singen soll er, nachdem er ein halbes Jahrhundert ...

Buckys Hüftpfannen brennen im Wettstreit. Er will nicht länger im Bett liegen, aber auch nicht aufstehen. Die Einladung nach Scarborough erschwert sein Denken. Singen soll er, nachdem er ein halbes Jahrhundert seine Kehle einzig für Whisky geweitet hat und geflogen ist er noch nie. Ein Musikfestival, und sie wollen ihn gut bezahlen, wenn er die zwei Songs bringt, die je veröffentlicht wurden.

Er muss dringend ein Rezept einlösen. Dieses Gefühl, wenn die Wirkung der einen Tablette nachlässt und die der anderen einsetzt, nennt er die „Goldene Stunde“. Es ist das Gefühl der Zeit, als er in den besten Jahren seines Lebens war und noch kein Hauch des Alters winkte. Ohne Krankenversicherung ist das mit dem Rezept allerdings schwierig, aber er kennt die Ecken in Chicago, an denen sie stehen und gegen ein paar Dollar gerne etwas abgeben. Leuten wie ihm ist das mit dem viel Leisten und dann ganz nach oben kommen, nie gelungen. Für Leute wie ihn bleibt der amerikanische Traum ein Mythos.

Er hatte mit Maybellene genau die richtige Frau gefunden. Im Vergleich zu ihrem Verlust sind die Schmerzen nichts. Als er sie an diese Blutkrankheit verlor, hatte sie einen schwarzen Strudel hinterlassen, der ihn hinabzusaugen drohte. Jeden Tag ohne ihr Lachen, den tadelnden Blick, ohne all die Liebe, verblasste er etwas mehr, bis er sich ganz auflösen würde. Er wird es wagen, er fliegt in dieses englische Kaff und sieht sich das Meer an, ein paar alte Gemäuer soll es dort auch geben. Dann singt er, nimmt die Kohle und haut wieder ab.

Fazit: Benjamin Myers hat aus dem Nähkästchen geplaudert. Die Geschichte erzählt von einem Mann, der die Siebzig überschritten hat. Aus einfachen Verhältnissen kommend hat er ein Leben voller Verluste hinter sich gebracht. Verschiedene Dramen, die er nicht verursacht hat, haben ihn vorzeitig altern und zum Schluss resignieren lassen. Seine Einsamkeit ist so spürbar und das macht die Geschichte so bewegend. Er lässt seinen Protagonisten immer wieder aus der Gegenwart heraus Rückschau halten und nach und nach entblättert sich das ganze Leid dieses Mannes, der sich immer durchgekämpft hat, dem jedoch, als er seine Frau verlor, die Puste ausging. Der Charakter ist wundervoll gezeichnet, ein ruhiger Mann, ein bisschen derb, ein bisschen einfach gestrickt, aber voller Wärme. Und diese Kombination bringt mich dazu, dass ich den Hauptakteur, genau wie sein Umfeld, nur ins Herz schließen kann. Zwischendurch gibt es eine Menge Pathos, aber so stelle ich mir die meisten Amerikaner vor, übertrieben. Am Ende wird es etwas unglaubwürdig, aber das hat mich nicht gestört, denn was sollte ich „Bucky“ anderes wünschen als ein „Happy End“?

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Veröffentlicht am 11.06.2025

Ein feines Stück Literatur

Die Tänzerin
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Heute in der Stadt von damals, die sich so sehr verändert hatte, dass man glauben konnte, die Touristen würden den Ort belagern, kamen ihm Bilder in den Sinn. Und dann an einer roten Ampel sah er den Mann, ...

Heute in der Stadt von damals, die sich so sehr verändert hatte, dass man glauben konnte, die Touristen würden den Ort belagern, kamen ihm Bilder in den Sinn. Und dann an einer roten Ampel sah er den Mann, den er seit Jahren tot geglaubt hatte. Serge Verzini, aber vielleicht irrte er sich auch. Als beide die Straße überquerten und auf gleiche Höhe kamen, sprach er ihn an. Trotz der Ähnlichkeit der groben Gesichtszüge gab der Mann vor, nicht Verzini zu sein, obwohl er einen Siegelring mit den Initialen S. V. trug. Nachdem die erste Skepsis von dem Kerl abgefallen war, gab der ihm seine Telefonnummer, damit sie sich einmal auf ein Glas Wein treffen könnten.

Die Tänzerin und er machten vor über fünfzig Jahren lange Spaziergänge. Sie hatte nach dem Training das Bedürfnis nach mehr Bewegung. Nicht die Sprache oder die großen Worte verband sie. Sie konnten schweigsam, jeder seinen Gedanken lauschend nebeneinander her gehen. Er hatte sie durch Verzini kennengelernt, der dem ambitionierten jungen Chansonnier ein möbliertes Zimmer vermietete.

Die Tänzerin bezog eine große Wohnung und holte ihren Sohn nach Paris, von dem er bis dahin keine Ahnung gehabt hatte. Sie warteten am Bahnsteig, beobachteten den einfahrenden Zug und die aussteigenden Passagiere. Fast hatten sie schon die Hoffnung aufgegeben, als ein schüchterner kleiner Junge, vielleicht sechs oder sieben Jahre, den Zug verließ. Die Tänzerin ließ ihn auf sich zukommen und ging zaghaft und etwas unbeholfen mit ihm um und er tat es ihr gleich, als hätten sie sich lange nicht gesehen. Der Vater, so erfuhr er von Verzini, war verschwunden, als sie mit dem Jungen schwanger war.

Fazit: Patrick Modiano, vielfach ausgezeichneter Autor (Literaturnobelpreis 2014) hat eine amouröse, knapp hundert Seiten umfassende Geschichte erschaffen. Er lässt seinen Protagonisten auf das Paris der Siebziger-Jahre zurückblicken. Sein Studium verschlägt ihn in einen elitären Künstlerkreis, in dem sich alle Beteiligten um die Hauptperson, die Balletttänzerin drehen. Sie ist unglaublich gut gezeichnet, sowohl weich und zart als auch diszipliniert, leidenschaftlich und introvertiert. Eine Frau, die ihre Lebenserfahrung aus dem Beobachten zieht. Der Chansonnier fühlt sich ihr unterlegen, wirkt wie ein Anhängsel, das seiner Herrin folgt, ohne dass sie das von ihm verlangt hätte. Der ruhige Mann scheint sich zu ihr hingezogen zu fühlen, macht aber keine Anstalten einer Eigeninitiative. Er ist immer auf Abruf bereit und kümmert sich wie ein Vater um ihren Sohn, während sie sich zu vielen, Frauen wie Männern hingezogen fühlt. Die Geschichte plätschert angenehm vor sich hin. Die Stimmfarbe ist unaufgeregt schwelgend, so als würde der Autor mir einen Schwank aus seiner Jugend erzählen. Die Stimmung ist deutlich französisch, auch durch die vielen Straßennamen, die er verwendet, um Atmosphäre zu erzeugen. Ein feines Stück Literatur, das mich vollumfänglich unterhalten hat.

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Veröffentlicht am 06.06.2025

Dieses Buch ist eine Bereicherung

Blackouts
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Der „Palast“ erhob sich als stattliches Gebäude aus dem Wüstensand. Es musste einmal ein Hotel oder ein Pflegeheim gewesen sein, hatte seine beste Zeit jedoch lange hinter sich gelassen. Der abblätternde ...

Der „Palast“ erhob sich als stattliches Gebäude aus dem Wüstensand. Es musste einmal ein Hotel oder ein Pflegeheim gewesen sein, hatte seine beste Zeit jedoch lange hinter sich gelassen. Der abblätternde Putz bot einen Blick auf rote Backsteine. Hier hatte der Mann, den er besuchen sollte, ein Zimmer gemietet. Der Mann hielt sich am Türrahmen fest, als er die Treppe heraufkam, der Körper ausgezehrt, fast skelletiert, aber in seinen Augen brannte ein Feuer. Er würde bei ihm bleiben, solange es dauerte, versprach er dem Fremden, der sich Juan nannte. Aber eigentlich, und das wusste auch Juan, konnte er nirgends hin. Juan war auf der Suche nach Miss Jan Gay gewesen, deren Nachname auch seiner war. Die Suche hatte Juan lange in Beschlag genommen und er sollte sein Projekt zu Ende bringen.

Sie waren sich früher schon einmal begegnet, das Leben hatte sie für wenige Wochen zusammengeführt, als er siebzehn war. Damals schon hatte Juan verbraucht und verlebt ausgesehen, mit seiner fleckigen Haut und dem faltigen Gesicht. Sie trafen in einer Einrichtung aufeinander, er zu reif für sein Alter. Sie frisierten die Regeln und brachten ihn bei den Erwachsenen unter. Es machte ihn stolz, auf eine erwachsene Art geistesgestört zu sein. Sie waren Staatsmündel gewesen und standen unter ständiger Beobachtung.

Das Projekt, das er weiterführen sollte, bestand aus einer Aktenmappe mit losen Seiten, Fotografien, Zeitungsartikeln und Notizzetteln. Ein bis zwei Bände mit Forschungsstudien seien damals veröffentlicht worden mit dem Titel: „Sex Variants. A Study in Homosexual Patterns“. Allerdings nicht unter dem Namen der Urheberin Jan Gay. Drei Männer hatten sich ihre Studien angeeignet. Juan wollte der Welt zeigen, dass es Jan und ihre wichtige Arbeit gab.

Fazit: Justin Torres hat eine ungemein feinsinnige Geschichte erzählt, die teils auf historischen Ereignissen, teils auf Fiktion beruht. Seine beiden Protagonisten sind homosexuell und sind von Puerto Rico nach Amerika gekommen. Die lesbische Jan Gay kam ursprünglich aus Deutschland nach Amerika und forschte in den 30er-Jahren zum Thema Homosexualität. Sie wollte die gesellschaftliche Sichtweise, queere Menschen als psychisch krank und kriminell zu stigmatisieren, auflösen. Wie bei so vielen begabten Frauen dieser Zeit haben Männer sich deren Aufzeichnungen angeeignet und zu eigen gemacht. Der Autor webt die Geschichte Jans geschickt in die Existenzen der beiden Männer ein. Und ich erfahre über deren kurzes Zusammensein alles über deren Herkunftsgeschichte, die sie sich, wie in luziden Träumen in den heißen Nächten nebeneinanderliegend, erzählen. Die Stimme des Autors ist so fesselnd, dass ich durch dieses Kunstwerk, mit zahlreichen schwarz-weiß Fotos und den Textausschnitten aus Jans Studien, regelrecht gerauscht bin. Justin Torres hat die Gabe Poesie, Humor, Pathos, Spannung, Lebensweisheit und Melancholie wohldosiert an den richtigen Stellen einzustreuen. Ein ganz wichtiges Buch zur Historie der Homosexualität und für mich eine echte Bereicherung.

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