Kaum hat das Jahr begonnen, kann ich das erste Buch mit ♥♥♥ Lieblingsbuch-Status♥♥ vermelden! Bessser kann es doch gar nicht starten! Was meint ihr?
Voller Ungeduld habe ich auf den neuen Roman von Teresa Simon gewartet. Ihre beiden Romane "Die Frauen der Rosenvilla" und "Die Holunderschwestern" waren absolute Lieblingsbücher von mir, doch "Die Oleanderfrauen" toppen diese beiden noch. In zwei Tagen habe ich die fast 500 Seiten inhaliert und wollte einfach nur lesen, lesen und nochmals lesen! Was für ein tolles Buch - einfach grandios erzählt!
Schon der Prolog entführt den Leser in ein emotionales Mienenfeld. Ein erschütternder Abschiedsbrief lässt einem sofort in die Geschichte eintauchen...
Wie von der Autorin gewohnt haben wir es wieder mit einer Geschichte auf zwei Zeitebenen zu tun. Die Vergangenheit entführt uns nach Hamburg ins Jahr 1936. Die wohlhabende Familie Terhoven verdient seit Jahrzehnten ihr Geld mit dem Import von Kaffee. Die Dame des Hauses, Delia Terhoven, widmet sich der feinen Gesellschaft, während sich ihr Ehemann Friedrich mit den Geschäften befasst. Die 17jährige Sophie und der 12jährige Lennie wachsen wohlbehütet in der großen Familienvilla auf. Doch schon bald ziehen dunkle Wolken über die Familie. Die politische Situation wird immer angespannter und der Import des Kaffee's geht zurück. Tochter Sophie, verliebt sich in Hannes, den Sohn der Köchin. Die Beiden sind zusammen aufgewachsen und kennen sich von Kindesbeinen an, doch plötzlich ist alles anders. Im Gewächshaus zwischen blühenden Oleanderbüschen treffen sich Sophie und Hannes heimlich. Nur Sophies bester Freund Malte weiß davon. Als die geheimen Treffen Früchte tragen wird die schwangere Sophie mit dem etwa gleichaltrigen Hausmädchen Stine auf die Insel Föhr verbannt, um einen gesellschaftlichen Skandal zu vermeiden.....
Im Gegenwartsstrang lernen wir die sympathische Jule kennen, die in Hamburg ihr Café "Strandperlchen" führt. Eine gewaltige Mietserhöhung gefährdet ihre Existenz, denn "Jule ohne Plan", wie sie ihre Mutter immer nannte, hat ihr Geschichtsstudium nie beendet. Mit dem "Strandperlchen" hat sie sich ihren heimlichen Wunsch erfüllt. Nebenher widmet sie sich noch mit ihrem Service "Ich schreib Dir Dein Leben" alten Familiengeschichten. Ihr Angebot Menschen zu helfen, die nach Familienangehörigen suchen oder einfach alte Biografien ins Reine zu schreiben sind ihr eine Herzensangelegenheit
Als Johanna Martens nach dem Tod ihrer Mutter den Dachboden des Hauses räumt, fällt ihr ein Medaillon mit Oleanderblüten und ein Tagebuch in die Hände. Niemand aus der Familie kann die Tagebuchschreiberin zuordnen und so beginnt Johanna zu lesen. Bald kann sie die Niederschrift nicht mehr aus der Hand legen und bittet Jule mehr über diese Sophie Terhoven herauszufinden. Durch das Lesen der Tagebucheinträge verbindet die beiden Frauen sehr bald eine wunderbare Freundschaft und so ganz nebenbei findet auch Jule ihren Platz im Leben....
Die beiden Zeitebene werden von der Autorin gekonnt verknüpft. Ihr gelingt es mich mit beiden Handlungssträngen zu überzeugen, was selten passiert, da ich zu 90% immer den Strang der Vergangenheit bevorzuge. Hier ergänzen sich die beiden Geschichten jedoch perfekt und man fiebert bis zum Schluss mit allen Protagonisten mit. Die Handlung ist wunderbar lebendig erzählt, die Charaktere mitten aus dem Leben gegriffen und die Spannung zum Greifen nah. Ich habe das Buch inhaliert und konnte es nicht mehr zur Seite legen!
„„Oleanderfrauen, ja das sind wir Terhovens in der weiblichen Linie. Jede von uns musste lernen, dass zur Süße der Liebe auch viel Bitternis gehört. Es ist wie in der alten Geschichte von Hero und Leander – die, die wir wirklich lieben, sind für uns unerreichbar.“
Ebenso gelang es Teresa Simon die Atmosphäre vor Beginn des Zweiten Weltkrieges perfekt einzufangen. Die Nationalsozialisten gewinnen immer mehr an Boden, die Stimmen gegen die Juden werden immer lauter. Trotzdem können es viele Menschen nicht glauben, dass es schon wieder Krieg geben soll, wo doch erst der große Krieg zu Ende gegangen ist. Die Bombardierung Hamburgs (der berühmte Feuersturm im Sommer 1943), die Olympiade in Berlin 1936, sowie das Verschwinden von jüdischen Familiensind Themen, die Teresa Simons genauso anspricht, wie die beginnende Hungersnot.
Mein einziger Kritikpunkt ist die Wahl der Schriftform des Tagebuches. Das feine kursive Schriftbild lässt sich sehr schwer lesen, wird allerdings laut Verlag in der nächsten Auflage verändert werden.
Als Coffee-holic fand ich die tollen Beschreibungen diverser Kaffeesorten und ihrer Zubereitungsarten, sowie Erklärungen zum Import und der Aufzucht sehr interessant.
Am Ende des Romans befinden sich noch als zusätzliches Zuckerl leckere Kuchen- und Kaffeerezepte aus dem "Strandperlchen".
Charaktere:
Die Autorin hat sowohl ihre Hauptcharaktere Jule, Sophie und Johanna, wie auch die zahlreichen Nebenfiguren sehr detailliert und authentisch gezeichnet.
Sophie ist anfangs eine verwöhnte junge Frau, deren wahrer Charakter sich in der schweren Zeit während des Krieges zeigt. Sie gibt nie die Hoffnung auf und kämpft um ihr Leben und ihre Liebe. Sie trotzt allen Widerständen - solange es ihr möglich ist. Sie ist der interessanteste Charakter des Romans. Man spürt ihre Gefühlswelt durch jede Zeile der Geschichte.
Auch Jule in der Gegenwart ist eine engagierte junge Frau, die nicht so schnell aufgibt und mit mutigen Ideen versucht ihren Lebensinhalt, das Café, zu retten. Mit ihrer quirligen und herzensguten Freundin Aphrodite, eine kaffeebraune Schönheit und Mutter einer Tochter, hat sie jederzeit Hilfe an ihrer Seite.
Die sympathische Johanna, habe ich ebenfalls sehr schnell ins Herz geschlossen.
Mein absoluter Liebling im Roman war aber Malte. Der liebenswürdige und hilfsbereite Freund von Sophie liebt Literatur und Swingmusik. Als Kind berkam er Kinderlähmung und ist seither gehbehindert. In den Zeiten des Nationalsozialismus ist er ein Krüppel, ein Feindbild. Zusätzlich ist er noch homosexuell, was der SS-Offizier Hellmuth Moers, der bei den Terhovens ein und aus geht, sehr bald entdeckt. Dieser Mann ist kalt und ehrgeizig. Er nimmt sich, was er will und ist nicht nur für Malte eine Bedrohung.
Sophies kleiner Buder Lennie wird zum glühenden Anhänger der Hitlerjugend und des Nationalsozialismus.
Schreibstil:
Was soll man noch sagen, wenn man die Geschichte liest, rundherum alles ausblendet und eigentlich nur mehr lesen möchte? (Gott sei Dank war Wochenende!) Die Autorin kann es ganz einfach! Man ist gefangen in der Handlung, fiebert mit den Protagonisten mit und kann nicht aufhören zu lesen, bis man die letzte Seite zugeschlagen hat. Was will man mehr?
Fazit:
Ein absolutes Lese-Highlight, das ich nicht aus der Hand legen konnte, bis ich die letzte Seite gelesen hatte. Historisch perfekt recherchiert, mit einem Schuss Spannung und einer ergreifenden Lebens- und Liebesgeschichte auf zwei Zeitebenen, entführt dieser Roman ins Hamburg der Jahre 1936 und 2016. Eine absolute Leseempfehlung!