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Veröffentlicht am 25.11.2025

Mutter und Tochter im Ausnahmezustand

Elf ist eine gerade Zahl
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Beim Lesen von Elf ist eine gerade Zahl von Martin Beyer fühlte ich mich, als säße ich gleich neben zwei Menschen, die mitten in einem Sturm stehen, der sie an den Rand des Sagbaren treibt. Es ist ein ...

Beim Lesen von Elf ist eine gerade Zahl von Martin Beyer fühlte ich mich, als säße ich gleich neben zwei Menschen, die mitten in einem Sturm stehen, der sie an den Rand des Sagbaren treibt. Es ist ein Roman, der nicht laut auftritt, aber lange nachhallt, wie ein Herzschlag, den man erst bemerkt, wenn er immer schneller wird.

Im Mittelpunkt stehen Katja und Paula: Paula ist vierzehn Jahre alt und viel zu jung, um mit einer schweren Krankheit konfrontiert zu sein. Katja, ihre Mutter, versucht, gleichzeitig Leuchtturm und Schutzschild zu sein, obwohl sie selbst kaum noch weiß, wohin mit ihren Ängsten. Nur noch wenig erinnert an ihr früheres, alltägliches Leben. Mutter und Tochter driften umher und suchen beide Halt, was ihnen nur ansatzweise gelingt.

Was mich besonders berührt hat, ist die Art, wie Katja ihrer Tochter eine Geschichte erzählt, während sie gemeinsam durch Tage voller Sorgen und Nächte voller Unruhe taumeln. Ein Märchen über einen Fuchs und ein Mädchen, das vor einem Schatten fliehen muss. Diese Erzählung ist mehr als ein Trostpflaster. Sie wird zum Rettungsfaden, der Mutter und Tochter verbindet, während die Welt um sie herum zu wanken scheint. Der Roman greift damit eine traditionsreiche Idee auf: dass Geschichten heilen können, wenn Worte zu Balsam werden. Die erzählte Geschichte wirkt einerseits märchenhaft, aber andererseits auch sehr geerdet und zutiefst menschlich.

Der Buchtitel Elf ist eine gerade Zahl begleitet jede Seite wie ein geheimnisvoller Schlüssel. Je weiter ich las, desto klarer wurde mir, wie perfekt er in das Gefüge des Romans eingewoben ist. Und das zarte und doch kraftvolle Cover spiegelt die Atmosphäre des Buches beinahe vollkommen wider. Das hat mir sehr gefallen.

Martin Beyer schreibt mit einer sprachlichen Brillanz, die mich immer wieder innehalten ließ. Seine Sätze sind klar, präzise und zugleich voller poetischer Resonanz. Er wagt Ehrlichkeit, zeigt Schmerz ohne Pathos, und schenkt Hoffnung, ohne künstlich zu beschönigen. Die verschiedenen Erzählebenen greifen mühelos ineinander. Katja und Paula wirken so echt, dass ich ihre Stimmen beinahe hören konnte, ihre Unsicherheiten, ihre kleinen Mutmomente, ihre treffsicheren Dialoge. Besonders Letztere fand ich sehr aussagekräftig.

Trotz aller Tragik leuchtet der Roman. Denn zwischen den Zeilen glimmt eine Zuversicht, die still trägt. Eine Mutter-Tochter-Beziehung, die mit all ihren Rissen, Zweifeln und kleinen Gesten der Liebe so glaubwürdig erzählt ist, dass sie mich tief berührt hat.

Für mich war Elf ist eine gerade Zahl ein echtes Überraschungshighlight. Ein Buch, das ich auf jeden Fall weiterempfehlen möchte, weil das Erzählte einen noch festhält, lange nachdem der letzte Satz gelesen ist. Was bleibt, ist die Erkenntnis, dass Worte manchmal die sanfteste Form von Mut sind.

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Veröffentlicht am 08.09.2025

Ein toter Wal, ein Windhund und der Beginn eines neuen Lebens

Der Große Gary
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Rob Perry legt mit Der große Gary einen eindrucksvollen Debütroman vor, der gleichermaßen zart, schräg und ermutigend ist. Auf 304 Seiten entfaltet er die Geschichte des 18-jährigen Benjamin, dessen Leben ...

Rob Perry legt mit Der große Gary einen eindrucksvollen Debütroman vor, der gleichermaßen zart, schräg und ermutigend ist. Auf 304 Seiten entfaltet er die Geschichte des 18-jährigen Benjamin, dessen Leben sich mit einem Mal völlig verändert, und zwar ausgelöst durch einen toten Wal am Strand und einen streunenden Windhund, der plötzlich nicht mehr von seiner Seite weicht.

Benjamin lebt zurückgezogen in einem Caravan Park an der Ostküste Englands. Seit seine Großmutter ins Krankenhaus musste, ein Ort, den er wegen seiner massiven Angst vor Keimen und Krankheiten strikt meidet, schlägt er sich alleine durch. Eigentlich will er bloß seine Ruhe, doch dann tritt ein ungewöhnlicher Gefährte in sein Leben: ein herrenloser Hund.

Als Leonard, ein zwielichtiger Essenslieferant, in dem Tier den berühmten Windhund Der große Gary erkennt und vor dessen brutalen Besitzern warnt, steht Benjamin vor einer Entscheidung. Anstatt sich zurückzuziehen, beschließt er, das Tier zu beschützen. Damit beginnt ein turbulenter Roadtrip voller bizarrer Begegnungen, überraschender Wendungen und vor allem einer Reise zu sich selbst.

Rob Perry erzählt diese Geschichte feinsinnig und warmherzig und zugleich mit einem subtilen Humor, der die schwere Thematik zugänglich macht. Besonders eindrucksvoll ist die ungeschönte, aber empathische Darstellung von Ängsten, Zwängen und Phobien. Der Roman enttabuisiert das Thema psychische Belastungen, ohne belehrend zu wirken.

Zudem feiert das Buch Themen wie Freundschaft, Liebe und die heilende Kraft der Beziehung zwischen Mensch und Tier. Benjamin wächst über sich selbst hinaus, weil er Verantwortung übernimmt, und gerade darin liegt die zentrale Botschaft: Mut entsteht nicht durch Abwesenheit von Angst, sondern durch Handeln trotz Angst.

Fazit: Der große Gary ist Roadtrip, Coming-of-Age-Geschichte und Mutmach-Roman in einem. Witzig, originell und zugleich tief berührend erzählt nimmt er Leserinnen und Leser mit auf eine Reise, die zwischen Schrägheit und Zärtlichkeit pendelt. Benjamin macht eine bemerkenswerte Entwicklung durch, die das offene Ende nur konsequent unterstreicht.

Eine klare Empfehlung für alle, die sich für die Themen Angst und Mut interessieren, die literarische Roadtrips lieben oder die mehr über die besondere Verbindung zwischen Mensch und Hund erfahren möchten.

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Veröffentlicht am 07.09.2025

Süß & sinnig!

Der Laden in der Mondlichtgasse
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Hiyoko Kurisus Roman Der Laden in der Mondlichtgasse ist ein literarisches Juwel, das gleichermaßen verzaubert und berührt. Der japanische Wohlfühlroman verbindet Alltagsprobleme mit märchenhaften Elementen ...

Hiyoko Kurisus Roman Der Laden in der Mondlichtgasse ist ein literarisches Juwel, das gleichermaßen verzaubert und berührt. Der japanische Wohlfühlroman verbindet Alltagsprobleme mit märchenhaften Elementen und entfaltet so einen ganz eigenen Zauber, der Leserinnen und Leser unmittelbar in die Welt japanischer Mythen und Emotionen eintauchen lässt.

Inhalt und Erzählweise

Im Mittelpunkt steht die geheimnisvolle Mondlichtgasse, ein Ort, der nur zwischen Voll- und Neumond existiert. Zutritt haben allein jene Menschen, deren Leben aus der Balance geraten ist. Dort befindet sich eine ebenso ungewöhnliche wie magische Confiserie, geführt vom rätselhaften Kogetsu. Dieser verkauft seinen Kundinnen und Kunden traditionelle japanische Süßigkeiten, doch jedes dieser Naschwerke hat eine verborgene Wirkung.

So begegnen wir etwa der Schülerin Kana, die an ihrer Beziehung zweifelt und sich einsam fühlt, oder dem Immobilienmakler Koguma, der überzeugt ist, wegen seines Äußeren nicht ernst genommen zu werden. Kogetsus Köstlichkeiten schenken ihnen neue Perspektiven, kleine Wunder, die ihr Leben verändern. Dass der Confiserie-Besitzer ein Fuchsgeist ist, der selbst nach Menschlichkeit sucht, verleiht den Geschichten eine zusätzliche Dimension.

Der Roman entfaltet sich in sechs miteinander verwobenen Episoden, die sich zu einem stimmungsvollen Ganzen fügen. Jede Geschichte ist ein Plädoyer für Selbstreflexion, für das Annehmen eigener Schwächen und für die Kraft, im
Alltäglichen das Besondere zu entdecken.

Stil und Atmosphäre

Kurisu schreibt in einer klaren, leichtfüßigen Sprache, die dennoch poetisch wirkt. Der Ton ist angenehm fließend und lädt dazu ein, in die Geschichten einzutauchen. Besonders reizvoll ist die Verbindung von vertrauten Alltagsthemen wie Einsamkeit, Selbstzweifel, Wünsche und Träume mit märchenhaften Motiven. Dadurch entsteht eine Mischung aus sanfter Melancholie und heilsamer Hoffnung.

Die Kapitelüberschriften sind liebevoll gewählt und benennen im wahrsten Sinne zauberhafte Süßwarenkreationen. Am Ende des Buches findet sich zudem ein Glossar, das die im Roman vorkommenden japanischen Naschereien erläutert und kulturelle Hintergründe aufschließt.

Gestaltung

Auch äußerlich überzeugt der Roman. Das Cover in tiefem Blau und schimmerndem Gold wirkt nicht nur atmosphärisch, sondern besticht auch mit seiner hochwertigen Haptik durch den Prägedruck. Schon das Buch in den Händen zu halten, ist ein kleines Erlebnis und perfekt abgestimmt auf den Titel und die magische Stimmung des Inhalts.

Fazit

Der Laden in der Mondlichtgasse ist weit mehr als ein klassischer Wohlfühlroman. Er schenkt Leseglück, weckt Nachdenklichkeit und lädt dazu ein, sich selbst neu zu betrachten. Wer die leisen, warmherzigen Romane von Satoshi Yagisawa mag oder von den poetischen Filmen des Studio Ghibli begeistert ist, wird auch dieses Buch lieben.

Einziger Wermutstropfen: Mit seinen 208 Seiten ist das Buch viel zu schnell ausgelesen. Gerne hätte man noch länger in dieser besonderen Welt verweilt. Doch vielleicht ist es gerade diese Kürze, die den Zauber so intensiv macht.

Klare Empfehlung für alle, die sich von einer Mischung aus Alltagsweisheit, Fantasie und japanischem Flair verzaubern lassen möchten.

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Veröffentlicht am 04.09.2025

In jeder Hinsicht mitreißend, ideenreich und einzigartig

Water Moon
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Mit Water Moon legt Samantha Sotto Yambao einen Roman vor, der auf 416 Seiten eine ebenso berührende wie fantastische Liebesgeschichte erzählt. Die Autorin versteht es meisterhaft, poetische Sprache, originelle ...

Mit Water Moon legt Samantha Sotto Yambao einen Roman vor, der auf 416 Seiten eine ebenso berührende wie fantastische Liebesgeschichte erzählt. Die Autorin versteht es meisterhaft, poetische Sprache, originelle Ideen und emotionale Tiefe zu verweben. Das Ergebnis ist ein Leseerlebnis, das lange nachwirkt.

Selten hat mich ein Buch so verzaubert wie Water Moon. Schon nach den ersten Seiten war mir klar: Hier öffnet sich eine Welt, aus der ich gar nicht mehr auftauchen möchte.

Worum geht’s?

Im Herzen Tokios, hinter einem unauffälligen Ramen-Restaurant, verbirgt sich ein ganz besonderer Ort: ein Pfandhaus, in dem man seine „falschen“ Entscheidungen gegen Seelenfrieden und eine Tasse feinen grünen Tee eintauschen kann. Hana soll diesen Laden von ihrem Vater Toshio übernehmen. Doch am Übergabetag ist Toshio plötzlich verschwunden, und auch der Tresor ist leer. Gemeinsam mit einem jungen Wissenschaftler begibt sich Hana auf die Suche nach ihm. Auf ihrer Reise stößt sie jedoch nicht nur auf Geheimnisse aus der Vergangenheit, sondern auch auf Wahrheiten, die ihr eigenes Leben für immer verändern.

Was mich begeistert hat

Schon das Setting ist ein Traum. Es zeigt Szenen aus dem pulsierenden Tokio und dann eine magische Parallelwelt, die mich sofort an die Filme von Studio Ghibli erinnert hat. Alles wirkt detailreich, fantasievoll und zugleich stimmig. Die Sprache ist poetisch und reich an Bildern, aber gleichzeitig klar und flüssig, sodass man schnell in die Geschichte hineingezogen wird. Ich habe beim Lesen oft innegehalten, weil einzelne Sätze so schön waren, dass ich sie zweimal lesen musste. Inhaltlich überzeugt das Buch mit viel Tiefe. Es geht nicht nur um Liebe, sondern auch um Sehnsucht, Verlust, den Wert von Träumen und darum, wie wir selbst unser Schicksal beeinflussen können. Überraschende Wendungen sorgen dafür, dass es nie vorhersehbar wird. Ganz im Gegenteil, ich habe mehr als einmal mit offenem Mund weitergelesen.

Die Ausstattung

Besonders erwähnen möchte ich die wunderschöne Buchaufmachung: den genial gestalteten Buchbezug, das ebenfalls toll designte Vorsatzpapier und als Highlight den Origami-Schutzumschlag, der perfekt zum Thema passt. Diese Ausgabe ist ein richtiges Schmuckstück im Regal!

Mein Fazit

Water Moon ist magisch, inspirierend und zutiefst berührend. Es ist eine dieser Geschichten, die man nicht einfach zur Seite legt, sondern die einen gedanklich noch lange begleiten. Für mich ganz klar ein 5-Sterne-Buch, das ich bestimmt noch ein zweites, drittes oder viertes Mal lesen werde und das ich nicht nur Fantasy-Fans sehr ans Herz legen möchte.

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Veröffentlicht am 03.09.2025

Geschichten über das Leben an sich. Feinsinnig und unaufdringlich erzählt.

Die Tage im Café Torunka
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Mit Die Tage im Café Torunka legt der japanische Bestsellerautor Satoshi Yagisawa bereits seinen dritten ins Deutsche übersetzten Roman vor – und erneut gelingt es ihm, mit leisen Tönen eine große Wirkung ...

Mit Die Tage im Café Torunka legt der japanische Bestsellerautor Satoshi Yagisawa bereits seinen dritten ins Deutsche übersetzten Roman vor – und erneut gelingt es ihm, mit leisen Tönen eine große Wirkung zu entfalten.

Der Schauplatz ist diesmal ein kleines, unscheinbares Café in einer Seitenstraße des Tokioter Stadtviertels Yanaka. Schon beim Betreten meint man, den Duft frisch aufgebrühten Kaffees in der Nase zu haben. Seit zwanzig Jahren wird dieser Ort von einem leidenschaftlichen Cafébesitzer geführt, unterstützt von seiner Tochter und dem schweigsamen Shuichi, der regelmäßig aushilft. Sonntag für Sonntag taucht zudem die geheimnisvolle Chinatsu auf. Sie hinterlässt Origami-Balletttänzerinnen, behauptet, Shuichi von früher zu kennen, und erst allmählich gibt sie ihre Geschichte preis. Peu à peu öffnet sich eine Vergangenheit, die eine neue Freundschaft und Verständnis füreinander wachsen lässt.

Doch nicht nur Chinatsu, sondern noch einige andere Menschen finden aus den unterschiedlichsten Gründen ihren Weg ins Café Torunka. Sie berichten in der Ich-Perspektive von Hoffnungen, Zweifeln, Verlusten oder stillen Sehnsüchten. So entsteht eine literarische Collage, die von leiser Melancholie geprägt ist, ohne je ins Sentimentale zu kippen. Yagisawas Stärke liegt darin, gerade in den kleinen Gesten und unspektakulären Begegnungen große Gefühle aufscheinen zu lassen.

Der Ton des Romans bleibt unaufgeregt, fast kontemplativ. Die Sprache ist klar und fließend, unprätentiös, und doch voller feinsinniger Anspielungen, die mehr andeuten, als sie direkt benennen. Und genau darin liegt der Reiz: Was zwischen den Zeilen mitschwingt, macht den besonderen Zauber dieser Geschichten aus.

Fazit: Die Tage im Café Torunka ist eine unaufdringliche, aber tief berührende Lektüre, die bestenfalls an einem regnerischen Herbstwochenende gelesen werden kann. Wer sich auf Yagisawas Erzählweise einlässt, erlebt Momente, in denen die Welt für einen Augenblick innehält – so wie es die Besucher:innen des kleinen Cafés selbst empfinden.

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