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Veröffentlicht am 22.11.2025

Temari-Lieder

Die Spatzenmorde von Onikobe
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Der Privatdetektiv Kosuke Kindaichi möchte im Sommer 1955 Urlaub machen und sein Freund Kommissar Isokawa empfiehlt ihm ein Badehaus in dem Bergdorf Onikobe. Vielleicht hatte der Kommissar einen kleinen ...

Der Privatdetektiv Kosuke Kindaichi möchte im Sommer 1955 Urlaub machen und sein Freund Kommissar Isokawa empfiehlt ihm ein Badehaus in dem Bergdorf Onikobe. Vielleicht hatte der Kommissar einen kleinen Hintergedanken, denn in Onikobe gab es vor etwas über zwanzig Jahren einen Mord, an dessen Ermittlungen der Kommissar beteiligt war. Mit dem Ergebnis der Ermittlungen hatte er sich nie wohl gefühlt. Er hofft deshalb, dass Kosuke, der als gewiefter Ermittler bekannt ist, nochmal einen neuen Blick auf die Sache wirft. Kurz nach Kosukes Ankunft verschwindet der alte Dorfvorsteher und damit werden die Ereignisse in Gang gesetzt.

Dies ist der fünfte Band der Reihe um den Privatdetektiv Kosuke Kindaichi, der auf Deutsch veröffentlicht wird. Im japanischen Original ist die Reihe umfangreicher, da die Fälle in sich abgeschlossen sind, ist das eher unerheblich. Kosuke Kindaichi fühlt sich gleich angekommen in Onikobe, deshalb hilft der dem alten Dorfvorsteher auch beim Verfassen eines Briefes. Als der ältere Herr, der sich nach dem Versenden des Briefes auf Besuch freute, verschwindet, ist Kosukes Neugier geweckt. Er ist allerdings auch besorgt. Kosuke beginnt, sich über die Vergangenheit und die Beziehungen zwischen den unterschiedlichen Familien in Onikobe Gedanken zu machen.

Mit Kosuke Kindaichi haben wir einen klassischen Ermittler, dessen Erfinder Seishi Yokomizo leider bereits verstorben ist. Die Romane sind daher eher ruhig und der Ermittler muss sich auf seine Beobachtungsgabe, seine Kombinationsgabe und seine geschickte Fragestellung verlassen. Das macht Kindaichi ganz hervorragend. Und das wiederum macht die Lektüre sehr spannend. Gleichzeitig verschlägt es Kosuke Kindaichi häufig in unterschiedliche Gegenden Japans, so dass man beim Lesen auch etwas über die unterschiedlichen Landschaften, aber auch über Sitten, Gebräuche und Legenden erfährt. Auch hier geht es um Beziehungen zwischen den unterschiedlichen Familien, die teils als höhergestellt gelten, teils auch nicht. Wie die Menschen selbst ihre Stellung empfinden führt manchmal zu Handlungen, die dann ungeahnte Konsequenzen haben. Den Verwicklungen zu folgen, macht sich Kosuke Kindaichi zur Aufgabe und damit sind die Berichte des Kommissars sehr unterhaltsam, informativ und fesselnd.

Veröffentlicht am 17.11.2025

Die Schriftrolle

Die Schule der Redner
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Sein Mentor hat ein geheimnisvolles Buch bei ihm versteckt. Doch Leon wird gefangen gehalten und so kann er den Auftrag, das Buch in Sicherheit zu bringen, nicht erfüllen. Es ist das Jahr 1246 und Leon ...

Sein Mentor hat ein geheimnisvolles Buch bei ihm versteckt. Doch Leon wird gefangen gehalten und so kann er den Auftrag, das Buch in Sicherheit zu bringen, nicht erfüllen. Es ist das Jahr 1246 und Leon ist der Neffe von Rudolf von Habsburg. Der junge Mann beschließt, zu fliehen und das Buch an die Schule der Redner zu bringen. Allerdings scheitert seine Flucht beinahe. Nur mit knapper Not entrinnt er dem Tod und mit Mühe können seine Retter seine Gesundheit stabilisieren. Als Leon sich wieder dazu in der Lage fühlt, entscheidet er sich, seine Reise nach St. Gallen fortzusetzen.

Ein Geheimnis um ein Buch, über das sein Mentor ihm kaum etwas erklärt hat. Wieso bringt es Leon in so große Gefahr? Schon zu Beginn seiner Flucht, wollen die Häscher ihm die Schrift entreißen. Leon kann allen Gefahren trotzen und er schafft es nach St. Gallen, wo einige Gelehrte die Schule der Redner betreiben. Dort will er das Buch übergeben und mit dem Studium der Worte beginnen. Und er will seine hoffnungslose Liebe überwinden. Im letzten Moment entscheidet sich Leon, das Buch zu verstecken. Während der nächsten Wochen und Monate lernt Leon seine Mitstudenten kennen, von denen nicht alle ein freundliches Gesicht zeigen.

Wenn man das Buch auf dem Tisch mit den Mängelexemplaren entdeckt, denkt man so einen historischen Roman könnte man auch mal wieder lesen. Ganz genau erahnt man nicht, was einen erwartet. Diese abenteuerliche Geschichte jedenfalls nicht. Geht es in Romanen um Bücher, ist man vielleicht angefixt. Hier liegt ein spannender historischer Roman vor. Zwar kommt einem dieses Mittelalter in Teilen recht modern vor und das Reisen scheint leichter zu gehen als man vermuten würde. Aber die Jagd nach dem Buch und alles, was damit zusammenhängt, fesselt ungemein und es hält einen bei der Stange. Das mittelalterliche Setting und ein gewisser historischer Rahmen, mit dem auch Personen der Geschichte zu Wort kommen, tun ein Übriges.

Veröffentlicht am 13.11.2025

Ferienlager

Wolf
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Seine Mutter setzt ihm gewissermaßen die Pistole auf die Brust. Sie ist alleinerziehend und hat im Moment keine Betreuung für ihren Sohn. Kemi muss ins Feriencamp. Das gefällt dem Jungen nicht, er mag ...

Seine Mutter setzt ihm gewissermaßen die Pistole auf die Brust. Sie ist alleinerziehend und hat im Moment keine Betreuung für ihren Sohn. Kemi muss ins Feriencamp. Das gefällt dem Jungen nicht, er mag auch keinen Wald. Dort lauern bestimmt viele Gefahren. Kemi bleibt halt keine Wahl. Im Ferienlager fühlt sich Kemi nicht besonders wohl. Allerdings bekommt er schnell mit, wie die Dinge laufen. Es scheint so als hätten einige Jungs den Jörg auf dem Kieker. Natürlich merkt Kemi, dass das nicht in Ordnung ist. Aber traut er sich auch einzugreifen?

Kemi ist ein wenig speziell, er sieht die Welt auf seine eigene Art. Das merkt man schon daran, dass er bei einer Wanderung ohne Bescheid zu sagen zum Camp zurückläuft. Die Betreuer sind in heller Aufregung und brechen den Marsch ab. Kemi meint nur, wenn er gesagt hätte, dass er nicht im Wald wandern will, hätte er trotzdem mitkommen müssen. Und so hat er diese Lösung gewählt. Und so hat Kemi auch einen besonderen Blick auf Jörg. Es ist nicht nett, wie er behandelt wird.

Dieses Hörbuch wird vom Autor selbst vorgelesen. Das verleiht diesem Kinderbuch, das für Kinder ab zehn Jahren empfohlen wird, einen besonderen Charme.

Vielleicht war nicht bekannt, dass der Autor auch Romane für das jüngere Publikum verfasst. Und so ist dieses Buch, das erstmalig im Jahr 2023 erschienen ist, eine kleine Überraschung und Entdeckung. Behutsam nähert sich der Autor seinem Protagonisten. Welches Anliegen er erfolgt, erklärt er am Ende des Romans mit einfühlsamen Worten selbst. Kemi wird einem beim Zuhören schnell sympathisch. Für sein Alter wirkt er sehr weit und verständig. Wenn man da an die eigene Kindheit denkt, dann war man selbst wohl eher nicht soweit. Wei schon gesagt, Kemi ist besonders und trägt dieses Buch.

Veröffentlicht am 11.11.2025

Viktorianische Ermittlungen

Manche Schuld vergeht nie
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Die Polizistin Ali Dawson hat sich durchgeboxt. Als alleinerziehende Mutter wollte sie unbedingt etwas erreichen. Inzwischen ist ihr Sohn erwachsen und arbeitet für Isaak Tempelton, ein Mitglied der Regierung ...

Die Polizistin Ali Dawson hat sich durchgeboxt. Als alleinerziehende Mutter wollte sie unbedingt etwas erreichen. Inzwischen ist ihr Sohn erwachsen und arbeitet für Isaak Tempelton, ein Mitglied der Regierung in London. Ali könnte nicht stolzer sein. Nur von ihrer eigentlichen Arbeit kann sie Finn nichts erzählen. Die Abteilung der Polizei, für die Ali arbeitet ist geheim. Die Wissenschaftlerin Jones hat eine Möglichkeit gefunden, Menschen durch zu Zeit reisen zu lassen und in Alis Abteilung wird dies genutzt, um Cold Cases aufzuklären. Jones verfeinert ihre Methoden immer mehr und nun hält sie es für sicher, dass Ali und ihre Kollegen weiter zurück können als je zuvor.

Dies ist der erste Band um die Abteilung für Cold Cases in London, die durch die Zeit reisen darf. Ali Dawson hat es geschafft. Sie hat den Beruf, den sie wollte. Und sie hat ihren Sohn ordentlich großbekommen. Mit der Liebe hat es nicht so geklappt, aber das ist ihr auch nicht so wichtig. Aber das mit den Zeitreisen macht einen besonderen Reiz ihrer Arbeit aus. Angefangen haben sie mit kurzen Zeiträumen, die es zurückging, und auch nur für wenige Minuten oder Stunden. Doch der neue Fall ist besonders. Das Jahr 1850 steht auf der Agenda. Dass Ali durch die Ermittlungen ganz persönlich betroffen wird, ahnt sie noch nicht.

Die Autorin, die vielleicht eher von ihren Ruth Galloway Krimis bekannt ist, überrascht hier mit etwas ganz Neuem. Zeitreisen kennt man eher aus dem Science Fiction oder Romance Genre. Hier wird daraus ein Kriminalroman und gleichzeitig ein historischer Kriminalroman. Zwar braucht man eine Weile, bis man sich in dieser Welt zurechtfindet, aber irgendwie geht es Ali Dawson ja genauso. Der Gegensatz zwischen Vergangenheit und Gegenwart ist plastisch beschrieben und man kann gut nachvollziehen wie es Ali dabei ergeht. Interessant wie beide Zeitlinien verquickt werden. Ein lesenswerter Zeitreise-Krimi, in dem noch nicht alle Geheimnisse preisgegeben werden. Der nächste Band ist auf Englisch schon angekündigt.

Veröffentlicht am 29.10.2025

Die Wohnzimmerwand

Zur Zeit der Schneefälle
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Seit seine Freundin sich von ihm getrennt hat lebt Rainer so vor sich hin. Mit der Arbeit wird es auch immer weniger. Dann bemerkt er eines Tages ein Loch in der Wand in seinem Wohnzimmer, die an die Wohnung ...

Seit seine Freundin sich von ihm getrennt hat lebt Rainer so vor sich hin. Mit der Arbeit wird es auch immer weniger. Dann bemerkt er eines Tages ein Loch in der Wand in seinem Wohnzimmer, die an die Wohnung seiner Nachbarn grenzt. Zunächst lässt sich das Loch noch durch einen Kalender verdecken. So hält sich der Kontakt zu dem nebenan wohnenden Ehepaar Nolde in Grenzen. Jedoch wird das Loch im Laufe der Zeit immer größer. Beinahe scheint es so als bilde sich eine Wohngemeinschaft. Zwar wird ein Handwerker befragt, wie das Loch zu schließen sei. Der Plan verläuft allerdings im Sande.

Wie erleben Rainer und die Noldes diese eigenartige Situation? Wie reagieren sie auf den veränderten Status ihrer Privatsphäre? Zum Beispiel könnte man Radio oder TV anschalten, um mit der so geschaffenen Geräuschkulisse eine gewisse Privatheit zu schaffen. Vielleicht kann man auch Worte wechseln und so akzeptieren, dass es eine Art Zusammenleben gibt. Eine Situation, die es zu ertragen gilt. Durch die aufgezwungene Gemeinsamkeit könnte sich möglicherweise auch eine Beziehung bilden. Aber wäre die freiwillig? Wie kommt diese Wand überhaupt dazu, sich zu verdünnisieren? Immerhin schickt Rainers Ex-Freundin jemanden, um ihre restlichen Sachen abzuholen.

Die Idee zu diesem Roman ist wirklich speziell. Eine Wand, die sich in Luft auflöst. Das macht neugierig. Wodurch wurde dieses Verschwinden verursacht. Vielleicht könnte ja auch der Text immer mehr verschwinden. Und dann? Doch zunächst versuchen Rainer und die Noldes eine gemeinsame Ebene zu finden. Rücksichtnahme und Neugier halten sich die Waage. Die Radiomeldungen bilden einen Rahmen, der allerdings ebenso in der Luft schwebt wie die Klärung des Mauerfalls. Dennoch bleibt der Roman spannend, weil es interessant ist, wie sich die handelnden Personen in ihre eigenartige Lage finden. Für einen eher unbedeutenden Teil der Nachrichtenlage gibt es eine Erklärung und auch zu einigen Umständen der hier beschriebenen Nachbarschaft tun sich Entwicklungen auf. Diese ungewöhnliche Idee hat es in sich.

Der Roman steht auf der Longlist des Österreichischen Buchpreises 2025.