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Madame_Lilli-Marleen

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Veröffentlicht am 10.05.2019

Das Schicksal einer italienischen Großfamilie

Marina, Marina
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Wie der Titel des Buches bereits verrät, ist eine der Hauptprotagonisten eine italienische Frau Namens Marina. Um sie wird der Roman aufgebaut, der das Schicksal der Bewohner des fiktiven Ortes Sant`Amato ...

Wie der Titel des Buches bereits verrät, ist eine der Hauptprotagonisten eine italienische Frau Namens Marina. Um sie wird der Roman aufgebaut, der das Schicksal der Bewohner des fiktiven Ortes Sant`Amato wiedergibt. Es beginnt Anfang der 60er Jahre. Der 13-jährige Nino verliebt sich in Marina, welche im Friseursalon ihres älteren Mannes Carlo arbeitet. Ninos Eltern führen eine lieblose Ehe. Sein Großvater ist ein Kriegsheld. Sein Freund Matteo will unbedingt zu Juventus Turin und sein Cousin will einmal das berühmteste Hotel an der Riviera haben. Werden sich all diese Träume erfüllen?

Auch wenn Titel und Cover zu harmlos daherkommen, dass man meinen könnte, es handele sich bei dem Buch um einen typischen Urlaubswohlfühlroman, so wird man doch überrascht sein. Grit Landau erzählt hier sehr liebevoll das Leben der Familienmitglieder, die teilweise von harten Schicksalsschlägen getroffen werden. Man fiebert förmlich mit ihnen mit. Vor fast jeden Kapitel werden einzelne Songs vorgestellt. Es beginnt mit dem Schlager "Marina, Marina", geht über die Stones und sogar das Partisanenlied "Bella Ciao" wird eine Rolle zugedacht. Dieses Kapitel spielt dann auch 1944, zur Zeit der deutschen Besatzung.

Ich kann den Roman wirklich nur empfehlen. Es war ein tolles Lebensabenteuer. Und wenn man nach dem Lesen noch tiefer in die wunderschöne italienische Landschaft abtauchen möchte, kann man ja die 2 Rezepte aus dem Buch nachkochen.

Veröffentlicht am 20.11.2025

Sehr intensiv

Lázár
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Nelio Biedermann entführt uns in seinem Roman Lázár in die erste Hälfte des 20. Jahrhunderts. Wir begleiten eine ungarische Adelsfamilie, die sich den Umbrüchen dieser Zeit stellen muss und damit unweigerlich ...

Nelio Biedermann entführt uns in seinem Roman Lázár in die erste Hälfte des 20. Jahrhunderts. Wir begleiten eine ungarische Adelsfamilie, die sich den Umbrüchen dieser Zeit stellen muss und damit unweigerlich ihrem Untergang zusteuert. Der junge Autor erzählt diese Geschichte unglaublich intensiv und einfühlsam, teilweise aber auch sehr grausam. Einige Sätze treffen einen mitten ins Herz und zeugen von einer großen Weisheit, die ich so einem jungen Autor gar nicht zugetraut hätte.
„Tony hatte geweint und nach ihr gerufen, und sie hatte zum ersten Mal in ihrem Leben gedacht, dass es vielleicht doch nicht richtig war, Kindern die Welt zuzumuten, in der Hoffnung, es gehe schon irgendwie gut.“
Bei der Lektüre des Buches habe ich oft gedacht, dass es viele Parallelen zu heute gibt, die der Autor vielleicht auch mit Absicht so gewählt hat. Ein großes Thema ist natürlich der Krieg, der das Leben der Protagonisten gehörig durcheinanderwirbelt und die alte Welt in ihren Grundfesten erschüttert. Was mir nicht so gut an dem Buch gefallen hat, ist, dass, sobald man sich an die Figuren gewöhnt hat, schon wieder zur nächsten Generation gesprungen wurde.
Dennoch würde ich das Buch auf jeden Fall weiterempfehlen, denn mir hat dieser ganz eigene Sound sehr gut gefallen. Diese wundervollen Sätze, die sich auf jeder Seite wiederfanden und einen zum Nachdenken angeregt haben.
„Es war das Gefühl, die ihm bekannte Welt sei wie eine versunkene Stadt, deren Denkmäler und Gebäude, Kirchtürme und Paläste man zwar unter der Wasseroberfläche noch sehen kann, deren Zeit aber nie mehr zurückkehren wird.“

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Veröffentlicht am 16.07.2024

Ich konnte nicht mehr aufhören!

Kleine Monster
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Was hat der siebenjährige Luca getan? Diese Fragen stellen sich seine Eltern, nachdem es einen Vorfall in der Schule mit einem Mädchen gab. Während Jakob, der Vater von Luca, keinen Zweifel daran hat, ...

Was hat der siebenjährige Luca getan? Diese Fragen stellen sich seine Eltern, nachdem es einen Vorfall in der Schule mit einem Mädchen gab. Während Jakob, der Vater von Luca, keinen Zweifel daran hat, dass es sich um ein Missverständnis handelt, ist sich Pia, Lucas Mutter, da nicht so sicher. Denn Pia weiß aus ihrer eigenen Vergangenheit, zu was Kinder fähig sein können.

Jessica Lind versteht es in kurzen und knappen Sätzen die Leser zu fesseln. Man dringt von Kapitel zu Kapitel immer tiefer in die Geschichte vor und versteht so langsam, mit welchen Geistern sich die Protagonisten herumschlagen müssen. Färbt unsere eigene Kindheit auf die unserer Kinder ab? Kann sich Geschichte wiederholen? Können Kinder wirklich "Kleine Monster" sein? Wie sich die Autorin diesen Fragen mit einer Präzision nähert und immer wieder kleine Details einstreut, die einen erschaudern lassen, ist schon ziemlich genial.

Ich konnte das Buch jedenfalls kaum aus der Hand legen und kann es somit nur weiterempfehlen. Für mich ein Highlight!

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Veröffentlicht am 03.04.2024

So unvorhersehbar, wie das richtige Leben

Krummes Holz
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"Krummes Holz" von Julia Linhof ist ein Roman über die Geschichte zweier Geschwister.

"Gibt es die alte Welt überhaupt noch, wenn man in der neuen längst ein anderer geworden ist?"

Jirika kehrt nach ...

"Krummes Holz" von Julia Linhof ist ein Roman über die Geschichte zweier Geschwister.

"Gibt es die alte Welt überhaupt noch, wenn man in der neuen längst ein anderer geworden ist?"

Jirika kehrt nach Jahren der Abwesenheit auf den Gutshof seiner Eltern zurück. Hier trifft er auf seine Schwester, die aber nicht gerade froh darüber scheint, dass er sich erst jetzt hier blicken lässt. Von seinem Vater fehlt jede Spur und seine Großmutter hat sich durch ihre Demenz auch total verändert. Einzig Leander scheint etwas zugänglicher gegenüber Jirika zu sein, doch gerade mit dessen Nähe, kann er nicht umgehen.

Diesen Debütroman habe ich wirklich mit Genuss gelesen, denn er ist sprachlich ein Fest. Der Autorin gelingt es einfach wunderbar, diese aufgeladene Atmosphäre in Worten einzufangen. Ganz zart wird ein Spannungsbogen aufgebaut, der sich in einem wahrhaftigen Gewitter entlädt.

Beim Lesen weiß man nicht, wo einen die Geschichte eigentlich hinführt. Wird es unheimlich, dramatisch oder eine Liebesgeschichte. Genau wie im richtigen Leben.

Bei Jirika brechen beim Heimkommen Erinnerungen auf, wie das krumme Holz unter der sengenden Sonne. Auch die anderen Figuren fand ich sehr interessant.

Ich habe das Buch wirklich sehr gern gelesen und mich in diesen drückenden, schwülen Sommer entführen lassen. Ich empfehle es gerne weiter.

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Veröffentlicht am 22.10.2023

Ein eindringliches Buch über die schmerzhaften Erfahrungen einer Frau

Stein der Geduld
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Stein der Geduld" von Atiq Rahimi ist ein eindringlicher Roman, der die Leser in die tiefen Abgründe menschlicher Existenz entführt. Rahimi, ein afghanischer Schriftsteller und Filmemacher, hat mit diesem ...

Stein der Geduld" von Atiq Rahimi ist ein eindringlicher Roman, der die Leser in die tiefen Abgründe menschlicher Existenz entführt. Rahimi, ein afghanischer Schriftsteller und Filmemacher, hat mit diesem Werk ein literarisches Meisterstück geschaffen, das die Grausamkeiten des Krieges und die verheerenden Auswirkungen auf das individuelle Leben einer Frau auf beeindruckende Weise darstellt.

Das Buch erzählt die Geschichte einer namenlosen Frau in Afghanistan, die sich dazu entscheidet, während des Krieges bei ihrem im Koma liegenden Ehemann zu bleiben. Rahimi wählt eine einzigartige Erzählform: Der Leser wird zum stillen Zeugen der inneren Monologe dieser Frau, die ihre Gedanken und Gefühle in einem Akt der Selbsttherapie offenbart. Der "Stein der Geduld" wird dabei zu einem Symbol für ihre Seelenlast, ihre unterdrückten Emotionen und ihre schmerzhaften Erfahrungen.

Die Sprache des Romans ist von intensiver Poesie geprägt. Rahimi nutzt eine klare, bildhafte Sprache, um die Atmosphäre der Trostlosigkeit und Verzweiflung inmitten des Krieges zu beschreiben. Die Protagonistin, die sich an einen steinernen Gegenstand wendet, um ihre Leiden zu teilen, wird zur Metapher für die stummen Opfer, die Frauen in Kriegszeiten ertragen.

Die Charakterentwicklung ist subtil und tiefgründig. Die Frau durchläuft eine eindrucksvolle persönliche Transformation, während sie ihre Wut, ihre Schuldgefühle und ihre unterdrückte Sexualität erforscht. Rahimi scheut sich nicht vor tabuisierten Themen und zeigt die weibliche Sexualität in einer Gesellschaft, die von männlicher Dominanz geprägt ist.

Die Erzählstruktur und die kurzen, intensiven Kapitel verleihen dem Buch eine besondere Dynamik. Der Leser wird in einen Sog aus Emotionen gezogen, während er die innere Zerrissenheit der Hauptfigur miterlebt. Rahimi fordert dabei auch die Konventionen der Gesellschaft heraus und stellt Fragen nach Gerechtigkeit, Selbstbestimmung und dem Preis der Freiheit.

"Stein der Geduld" ist nicht nur ein literarisches Meisterwerk, sondern auch ein politisches Statement. Rahimi gibt den stummen Opfern des Krieges eine Stimme und beleuchtet die Schattenseiten der Gesellschaft. In einer Welt, die oft von männlicher Perspektive dominiert wird, setzt der Autor ein starkes Zeichen für die Rechte und die Würde der Frauen.

Insgesamt ist "Stein der Geduld" ein ergreifender Roman, der durch seine kraftvolle Sprache, die tiefgehende Charakterentwicklung und die kluge Thematisierung gesellschaftlicher Probleme beeindruckt. Atiq Rahimi zeigt mit diesem Buch, dass Literatur die Macht hat, nicht nur Geschichten zu erzählen, sondern auch das Bewusstsein zu schärfen und zum Nachdenken anzuregen.

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