Profilbild von Marikita

Marikita

Lesejury Star
offline

Marikita ist Mitglied der Lesejury

Melde dich in der Lesejury an, um dich mit Marikita über deine Lieblingsbücher auszutauschen.

Anmelden

Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 08.11.2023

Nicht so blühende Landschaften auf der grünen Insel

Close to Home
3

Sean ist Anfang 20, wohnt in Belfast, hat in Liverpool sein Studium der englischen Literatur abgeschlossen und lebt, zurück in seiner Heimatstadt, von prekären Jobs in der Gastronomie. Sean hat aber auch ...

Sean ist Anfang 20, wohnt in Belfast, hat in Liverpool sein Studium der englischen Literatur abgeschlossen und lebt, zurück in seiner Heimatstadt, von prekären Jobs in der Gastronomie. Sean hat aber auch einen anderen jungen Mann kürzlich bei einer Auseinandersetzung körperlich angegriffen und verletzt, woraus Sozialstunden resultieren, welche er in einer Art Gartenbaubetrieb ableisten muss.

Sean kommt aus eher ärmlicheren Verhältnissen mit mehreren Geschwistern in einem Patchworkverbund. Seans Mutter hat die Ausschreitungen und Anschläge des Nordirlandkonflikts noch voll miterlebt und war teilweise auch in derartige Aktionen involviert.

Sean hat sich eigentlich mit seinem Uniabschluss ein Stück Freiheit und gewisse Optionen erarbeitet, kann diese aber nicht stringent umsetzen und wird immer wieder, wie magnetisch, in die ihn umgebende Welt aus Drogen/Sucht, Armut, Gewalt, Mißbrauch, Betrug sowie Arbeits - und Wohnungslosigkeit hineingezogen.

Die meisten Personen, welche man im Roman kennen lernt, sind durch die destruktiven Umstände, traumatisiert und orientierungslos. Die (katholische) Kirche kann den Betroffenen scheinbar auch keinen Halt bieten, sondern verschärft oft Situationen aus Sicht des Protagonisten noch (MIíßbrauch in katholischen Heimen, Korruption...). Es gibt in diesem Chaos demnach nur wenige Figuren, bei denen Sean Halt finden kann. Dazu gehört Mairéad, seine Freundin aus Kindertagen. Obwohl die Verbindung zunächst unverbindlicher Natur zu sein scheint, ist sie in ihrem Wesen wie sich zeigt, sehr stabil, gegenseitig und verlässlich.

Immer wieder scheint Sean sich aus trostlosen Situationen aufzurappeln und einen guten Neuanfang zu machen, der ihn endlich aus seiner Misere katapultieren soll. Die Zukunft wird zeigen müssen, ob sich Sean auch auf Dauer eine stabile Existenz ohne Exzesse aufbauen kann.

Michael Magees Schreibstil ist atemlos. Schonungslos treibt seine Hauptfigur Sean die LeserInnen in seiner direkten doch einnehmenden, teilweise brutal ehrlichen Ich-Erzählung durch Gegebenheiten, Handlungen und Anschauungen, die sich in schneller Abfolge rund um ihn und in ihm ereignen. Man erhält als Leser/in den Eindruck, als säße man in Seans Kopf und würde dort alles in Echtzeit miterleben. Gegenwart und Vergangenheit scheinen dabei teilweise in Seans Gedankenstrom zu verschmelzen. Michael Magee schafft es meiner Meinung nach optimal, die Situation in Nordirland früher und gegenwärtig anhand seiner Erzählweise und -perspektive darzustellen.

Er legt empfindliche Stellen und Traumata der (nordirischen) Gesellschaft wie Mißbrauch,Arbeitslosigkeit, Drogensucht und Gewalt offen, er nimmt die LeserInnen mit in Seans innerstes Erleben und Erinnern. Das Buch ist wie eine literarische Sozialstudie, die auch insbesondere deutlich macht, wie schwer es ist (aus ex- und intrinsischen Beweggründen) oder einem gemacht wird, solchen problembehafteten Milieus zu entfliehen oder diese aufzulösen.

Für mich ein kleines Meisterwerk, dieses Buch!
Sehr lesenswert!

  • Einzelne Kategorien
  • Handlung
  • Erzählstil
  • Charaktere
  • Cover
  • Atmosphäre
Veröffentlicht am 27.06.2025

Chignon und Perlenohrringe

Emotional Female
1

In dem Buch "Emotional Female" von Yumiko Kadota, übersetzt von Anke Grube und herausgegeben vom Pola-Verlag, geht es um eine gebürtig aus Japan stammende junge Frau, welche in Australien Medizin studiert, ...

In dem Buch "Emotional Female" von Yumiko Kadota, übersetzt von Anke Grube und herausgegeben vom Pola-Verlag, geht es um eine gebürtig aus Japan stammende junge Frau, welche in Australien Medizin studiert, um eine plastische Chirurgin zu werden. Als äußeres Symbol sieht sie für das Gelingen ihres Vorhabens einen Chignon und Perlenohrringe, da diese für sie die Merkmale der erfolgreich positionierten Ärztinnen darstellen.

Auf dem beschwerlichen Weg dorthin gilt es aber viele Hürden unterschiedlicher Art zu nehmen. Diese liegen einmal in der äußeren Beschaffenheit des medizinischen Feldes (patriarchale Strukturen, Diskriminierung, Zeitnot, Überlastung, Hierachiedenken, emotionaler/seelischer oder auch physischer Mißbrauch von Patienten, Kollegen oder dem Personal etc.) sowie in den persönlichen Merkmalen der Autorin ( europäische und asiatische Sozialisierung, neurodivergente Züge, Perfektionismus, starker Ehrgeiz...). Diese beiden Ströme laufen eine ganze Zeit parallel und alles scheint gut für Yumiko zu laufen. Dann aber, mit der Zeit und der kontinuierlichen Belastung, welche sich im Laufe ihrer Ausbildung noch steigert, bröckelt immer mehr von Yumikos mühsam zusammengehaltener Schutzschicht ab und ihre Nerven liegen blank. Der Zudammenbruch. Aus diesem ergeben sich für Yumiko aber trotz Schmerz und Verzweiflung auch neue Erkenntnisse und Lebenswege. Bleibt Yumiko bei ihrem Plan plastische Chirurgin zu werden?

Ich denke, dass Yumiko Kadotas Buch "Emotional Female" den Weg zu einer anderen neuen Welt aufzeigt. Es zeigt auf, wie es auf Dauer nicht funktionieren kann und wie das "System Medizin" weder den Patienten, dem Pflegepersonal noch vielen Ärzten dient. Nicht umsonst quittieren sehr viele Arbeitnehmer in diesem Bereich den Job. In dem Buch werden Missstände und Schwachstellen im System aufgezeigt, aber das System ist im Grunde jeder einzelne, involvierte Mensch. Jetzt liegt es an jedem, hinzuschauen, die Probleme anzuerkennen und Lösungen zu finden. Hierzu braucht man eben auch die emotionale (weibliche) Seite wie Mitgefühl und Fürsorge, nicht nur Machtstreben und Gier. Dazu leistet Yumiko Kadota einen tollen Beitrag!!!

  • Einzelne Kategorien
  • Handlung
  • Erzählstil
  • Charaktere
  • Cover
  • Thema
Veröffentlicht am 05.09.2022

"Wenn Gott den Menschen misst, dann legt er das Maßband nicht um den Kopf, sondern um das Herz (irisch.Sprichwort)"

Die kleine Bücherei der Herzen
2

In dem Buch "Die kleine Bücherei der Herzen von Jana Schikorra geht es um Katherine, eine junge Frau in den Zwanzigern, die in München ein geordnetes Leben führt. Unvermutet erhält sie eines Tages einen ...

In dem Buch "Die kleine Bücherei der Herzen von Jana Schikorra geht es um Katherine, eine junge Frau in den Zwanzigern, die in München ein geordnetes Leben führt. Unvermutet erhält sie eines Tages einen Brief vom Nachlassgericht in Irland. Ihre Tante, welche eine kleine Bücherei in dem beschaulichen Küstenort Howth besessen hat, ist verstorben. Diese Tante namens Fiona hat Katherine als ihre Haupterbin bestimmt. Katherine, seit Jahren durch einen familiären Konflikt von ihrer Tante getrennt, zweifelt an dem für sie "ambivalenten Geschenk". Schließlich begibt sie sich doch nach Howth auf die Spuren ihrer Tante und das Land und die liebevollen Leute bewegen sie dazu, die Nachfolge der Tante anzutreten. Dies gestaltet sich nicht problemlos, da die Tante die Sympathie-Messlatte unter den Dorfbewohnern sehr hoch gelegt hat.

Katherine als junge, tatkräftige, kreative und freundliche Frau nimmt die Herausforderung mit Herz und Verstand an. Nur eins lässt ihr Herz noch höher schlagen als alles rund die Bücher in ihren Regalen, in denen die Bewohner, Besucher und Freunde Botschaften an Fremde oder Bekannte in Form von Briefen in den Büchern hinterlassen können, und das ist Cadan. Cadan ist ein zunächst verschlossener, junger, verboten gut aussehender, fotografierender Polizist im Innendienst, der ebenfalls in Howth wohnt.

Langsam nähern beide sich an und mit der Zeit können beide belastende Konflikte der Vergangenheit ansprechen, verarbeiten und zum Teil heilen oder auch vergeben. Dazu gehört geheime Liebe, Geschwisterrivalitäten, zurückgewiesene Liebe, folgenschwere Mißverständnisse aufgrund fehlender Kommunikation und mangelndem Vertrauen, Unfälle sowie andere Schicksalschläge.

Das Buch, das auch mit Cover und Titel, den Eindruck vermitteln kann, ein lockerer Sommer-Schmöker zu sein, süß wie ein Zitronenbaisertörtchen, hat aber in der Tat viel Tiefgang. Jana Schikorras Sprache ist leicht und teilweise poetisch, aber nicht oberflächlich. Sie schreibt mit viel Herz und Witz und die Seiten sind gespickt mit zitatwürdigen Sätzen und Vergleichen. Aus irgendeinem Grund erinnert mich das Buch an Annie Proulx"s "Schiffsmeldungen"( Vermutlich weil die Geschichte auf einer einsamen Felseninsel in Neufundland/Kanada spielt und die sich die Hauptfigur auch mit einer neuen Lebenssituation zurechtfinden muss.)

Da das Buch von Jana Schikorra neben einer guten Geschichte und interessanten Charakteren auch über gute Dialoge verfügt, kann ich es mir sehr gut verfilmt vorstellen.

Auf jeden Fall bekommt die "Kleine Bücherei der Herzen" von Jana Schikorra eine gigantische Mega!!!-Leseempfehlung von mir. Wer das Buch liest, wird nicht enttäuscht werden!

  • Einzelne Kategorien
  • Handlung
  • Erzählstil
  • Charaktere
  • Cover
  • Gefühl
Veröffentlicht am 13.12.2025

Medizin ist nur die halbe Miete

Suche nach Licht
0

Ulrike Döpfner beschreibt in ihrem Buch "Suche nach Licht" ihre persönliche Odyssee durch ihre Krebserkrankung. Dabei gelingt ihr es, die Schwere und Verzweiflung der Krankheit zu schildern, aber gleichzeitig ...

Ulrike Döpfner beschreibt in ihrem Buch "Suche nach Licht" ihre persönliche Odyssee durch ihre Krebserkrankung. Dabei gelingt ihr es, die Schwere und Verzweiflung der Krankheit zu schildern, aber gleichzeitig mit ganz vielen positiven Eindrücken, Erlebnissen und Ratschlägen auszubalancieren. Die Autorin erscheint als eine sehr starke Person, die mit viel Hartnäckigkeit, Mut, Entschlossenheit, aber auch Flexibilität, und der Offenheit der Krankheitsannahme und des Dazulernens, der lebensbedrohlichen Krankheit begegnen kann. Daraus und aus ihren Schilderungen und Ratschlägen können Patienten sowie Angehörige sehr viel Hilfe, Hoffnung und Zuversicht entnehmen und entwickeln. Wenn Frau Döpfner selbst aus einer privilegierten Position heraus ( soz.Status , gutes soz.Netzwerk, monetären Rückhalt...) die fehlende Empathie im Pflegesystem moniert, kann man sich vorstellen, was außerhalb dieses Settings und dem Zimmer eines Privatpatienten in einer Pflegeeinrichtung/Krankenhaus vor sich geht. Wie viele wissen, besteht Handlungsbedarf, denn hier geht es um Menschen! Heilung ist mehr als die medizinische Betrachtungsweise und der Körper steht in steter Wechselwirkung mit Geist, Seele und Bewusstsein. Behandelt man nur den Körper, behandelt man nur den halben Menschen und das kann nicht gut gelingen! Hoffentlich leistet Fr.Döpfner auch hier einen Beitrag hier zum Umdenken!

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 02.12.2025

Mit Herz und Hand die Umwelt entlasten

Mias Hoffnung
0

Das kleine grüne Buch "Mias Hoffnung" von Henrik Timmermann wirbt mit dem Slogan "Das etwas ANDERE Klima-Buch" auf dem Cover. Ich habe schon einige Bücher zum Thema Umwelt und Klima gelesen und natürlich ...

Das kleine grüne Buch "Mias Hoffnung" von Henrik Timmermann wirbt mit dem Slogan "Das etwas ANDERE Klima-Buch" auf dem Cover. Ich habe schon einige Bücher zum Thema Umwelt und Klima gelesen und natürlich ist die Darstellung der Fakten zu dem Thema hier nicht grundlegend anders (obwohl sehr gut untermauert mit Quellen, Beispielen und Zahlen). Was ich an diesem Buch gut finde, ist, dass es durch die kleinen Erzählungen am Beginn von Themenabschnitten das Klima zu der persönlichen Angelegenheit werden lässt, die es ja auch ist. Auch wenn die geschilderten Szenarien ein wenig angsteinflößend sein können, zeigen sie nur auf, was bald unsere Realität sein wird oder werden könnte. Genau das liegt auch der wesentliche Punkt: es liegt in der Hand von JEDEM von uns und JEDER ist verantwortlich für das, was aus unserer Umwelt, dem Planeten und nicht zuletzt uns wird. An dieser Stelle verbreitet das Buch immer wieder durch Positiv-Beispiele aus anderen Ländern wie z.B. Dänemark (Wärmepumpenanwendung, Fahrradgebrauch...) Hoffnung und mögliche Leitlinien. Wir müssen nur wollen. Nicht das es so endet wie ein fiktives Gespräch im Buch, wo es heißt: "Was würden Sie den Menschen des 21.Jahrhunderts sagen, wenn Sie könnten? Ich würde sagen: "Euer Leben war voller Möglichkeiten. Unseres ist eine ständige Antwort auf Eure Versäumnisse!" Letztendlich zeigt das Buch auch auf, wie sehr manche Maßnahmen unser eigenes Leben einfach auch nur verbessern (weniger Fleischverzehr = bessere Gesundheit; günstigere Energie durch Solar- und Windkraftanlagen...).

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere